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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 1 Sa 375/08
Rechtsgebiete: KSchG, TzBfG, TVöD


Vorschriften:

KSchG 23 Abs. 1
TzBfG § 15 Abs. 3
TVöD § 33 Abs. 1
TVöD § 33 Abs. 5

Entscheidung wurde am 06.04.2009 korrigiert: im ersten Absatz der Gründe wurde das Euro-Symbol korrigiert
Ein Arbeitnehmer, dessen befristetes Arbeitsverhältnis mangels vereinbarter Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung nicht ordentlich kündbar ist, ist bei der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nicht vergleichbar.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 16. Januar 2008 - 6 Ca 322/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und hilfsweise um einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf tatsächliche Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits.

Zum Sachverhalt wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 - 4, Bl. 72 - 74 d.A.) Bezug genommen mit folgenden Ergänzungen:

Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem Arbeitsvertrag vom 19. September 2006 (AV, Bl. 16 - 18 d.A.). Die Zahl der Mitarbeiterinnen im Bereich der Reinigung in den Kalenderjahren 2007 und 2008 bei dem Beklagten ergibt sich aus dem von der Verbandsversammlung des Beklagten am 05. Dezember 2007 zusammen mit dem Haushalt 2008 verabschiedeten Stellenplan (Bl. 115 d.A.), der für 2008 insoweit 5 Stellen ausweist. Alle im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungsschreibens beschäftigten Reinigungskräfte hatten keine unterhaltsberechtigten Kinder bis auf Frau A mit noch einem solchen Kind. Mit der Klägerin hat der Beklagte noch einer weiteren Reinigungskraft gekündigt. Die Satzung des Beklagten vom 12. Dezember 2004 findet sich auf Bl. 129 - 133 d.A. Ein Mitarbeiter des B als Kommunalaufsicht hat die Kündigung aller als Reinigungskräfte beschäftigten Arbeitnehmerinnen als "wichtige Angelegenheit" im Sinne der § 8 der Satzung, § 15 Abs. 1 KGG angesehen.

Die Klägerin hat unter Rücknahme des zunächst gestellten allgemeinen Feststellungsantrags zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 30. Juli 2007 nicht aufgelöst worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 2. den Beklagten zu verurteilen, ihr ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

4. sie für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterhin als Reinemachefrau zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Gießen hat mit einem am 16. Januar 2008 verkündeten, der Klägerin am 11. Februar 2008 zugestellten Urteil - 6 Ca 322/07 (Bl. 71 - 80 d.A.) - den Beklagten zur Erteilung eines endgültigen Zeugnisses verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 11. März 2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. April 2008 am 18. April 2008 begründet.

Die Klägerin ist - gestützt auf die Ansicht der Kommunalaufsicht - der Meinung, die Entscheidung über eine Kündigung ihr gegenüber habe von der Verbandsversammlung getroffen werden müssen. Eine unternehmerische Entscheidung müsse mindestens eine ganze Abteilung betreffen. Die Mitarbeiterin C sei wegen ihres geringeren Alters weniger schutzwürdig als sie gewesen und habe im Hinblick auf die Befristung ihres, der Mitarbeiter C, Arbeitsverhältnisses im Gegensatz zu ihr nicht auf dessen Fortsetzung vertrauen dürfen. Sie behauptet, sie habe im Vertrauen auf die Abwerbung des Beklagten ihre Stelle aufgegeben. Aufgrund von Überstunden und Krankheiten habe Bedarf für ihre Weiterbeschäftigung bestanden. Eine Änderung der Arbeitsbedingungen sei möglich gewesen (Bl. 103 - 106, 122 und 141 - 145 d.A.). Nachdem die Klägerin zunächst alle zuletzt vor dem Arbeitsgericht verfolgten Klageanträge in der Berufungsinstanz weiter verfolgt hat, beantragt sie auf gerichtlichen Hinweis zuletzt noch,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 16. Januar 2008 - 6 Ca 322/07 - abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 30. Juli 2007 nicht aufgelöst worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterhin als Reinemachefrau zu beschäftigen.

Der Beklagte bittet um die Zurückweisung der Berufung, indem er das angefochtene Urteil, soweit durch dieses die Klage abgewiesen worden ist, verteidigt (Bl. 112 - 114, 149 und 150 d.A.).

Zu dem Inhalt des angefochtenen Urteils und der genannten Schriftstücke im Übrigen und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 16. Januar 2008 - 6 Ca 322/07 - ist in dem noch anhängigen Umfang bezüglich des Kündigungsschutzantrags nach der teilweisen Berufungsrücknahme als solches in einem Rechtsstreit über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach §§ 64 Abs. 2 lit. c, 8 Abs. 2 ArbGG und hinsichtlich des Antrags auf Beschäftigung während der Dauer des Rechtsstreits gem. §§ 64 Abs. 2 lit. b, 8 Abs. 2 ArbGG nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als € 600,00 statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.

II.

In der Sache kann sie keinen Erfolg haben, weil sie unbegründet ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage, soweit sie gem. § 528 ZPO der Überprüfung durch das Berufungsgericht unterliegt, als unbegründet abgewiesen. Die Berufungskammer folgt dem angefochtenen Urteil insoweit im Ergebnis und weitgehend in der Begründung.

Zwar hat die Klägerin, die in ihrem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten gem. §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG allgemeinen Kündigungsschutz genoss, gem. § 4 Satz 1 KSchG fristgerecht durch Zustellung der Kündigungsschutzklage an den Beklagten am 20. August 2007 Kündigungsschutzklage erhoben, § 253 Abs. 1 ZPO. Diese bleibt aber ohne Erfolg. Über den nur für den Fall des Obsiegens mit dem Berufungsantrag zu 1. gestellten - unechten - Hilfsantrag auf tatsächliche Weiterbeschäftigung ist nach Abweisung des Kündigungsschutzantrags nicht zu entscheiden.

a) Die der Klägerin gegenüber von dem Beklagten mit Schreiben vom 30. Juli 2007, ihr an demselben Tag zugegangen, ausgesprochene ordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. August 2007 mit ordentlicher Frist von einem Monat zum Monatsende gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 TVöD, dessen Geltung für das Arbeitsverhältnis in § 7 AV vereinbart ist, aufgelöst. Sie ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter 1. bis 1. b) der Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

b) Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz ist noch Folgendes anzumerken: Es kann offen bleiben, ob von den Gerichten für Arbeitssachen zu überprüfen ist, ob die für diese nur begrenzt, nämlich auf Willkür oder offenbare Unvernunft, sog. unternehmerische Entscheidung (BAG, Urteil vom 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06 - NZA 2008, 878, 879, Rn 12, ständige Rechtsprechung seit BAGE 31, 157, unter II. 1. b); vom 02.02.2006 - 2 AZR 38/05 - AP NR. 142 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Rn 15; vom 18.10.2006 - 2 AZR 676/05 - AP Nr. 163, a. a. O., Rn 19) daraufhin zu untersuchen ist, ob sie intern vom zuständigen Organ getroffen worden ist. Selbst wenn man das annehmen wollte, war das hier mit dem Vorstand statt der Verbandsversammlung entgegen der Ansicht der Klägerin der Fall. Die der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung, die Öffnungszeit des Bades montags vorzuziehen und deshalb die montägliche Grundreinigung extern zu vergeben, weil sie in der verbleibenden Zeit mit den vorhandenen eigenen Reinigungskräften nicht zu bewältigen war, war keine wichtige Angelegenheit gem. § 8 der Satzung. Der von der Klägerin gezogene Schluss von der Bedeutung der Entscheidung zur Vergabe der gesamten Reinigungsarbeiten an ein Fremdunternehmen - wenn man der Klägerin insoweit folgen wollte - auf die einer unternehmerischen Entscheidung im Volumen der Arbeitskraft einer Raumpflegerin verkennt das erheblich geringere wirtschaftliche und soziale Gewicht Letzterer. Auch wenn man das anders sehen wollte, hätte die Verbandsversammlung sie durch die Verabschiedung des Stellenplans zum Haushaltsplan 2008, der für 2008 zwei Reinigungskräfte weniger als für 2007 vorsieht, genehmigt, § 184 Abs. 1 BGB. Wieso es darauf ankommen sollte, dass das Arbeitsgericht Gießen über die Kündigungsschutzklage der Klägerin erst am 16. Januar 2008 entschieden hat, ist unverständlich. Auf die von dem Beklagten vorgetragenen Zahlen zu seiner wirtschaftlichen Situation und die daraus, dass der Beklagte die Klägerin gleichwohl eingestellt hat, von dieser gezogenen Schlüsse kommt es nicht an. Der Beklagte hat der Klägerin gegenüber nicht wegen seiner finanziellen Situation gekündigt, diese war vielmehr nur der Anlass für die von ihm getroffene unternehmerische Entscheidung.

Die Ansicht, eine unternehmerische Entscheidung liege nicht vor, wenn sie sich nur auf eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer auswirkt, entbehrt jeder Grundlage (BAG, Urteil vom 13.03.2008, a. a. O., Rn 12, m.w.N.), auch wenn sie auch von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten außergerichtlich vertreten worden sein sollte. Das Gericht ist an Meinungen der Parteien nicht gebunden.

Die die soziale Rechtfertigung aus betrieblichen Gründen tragenden Behauptungen der Beklagten gem. § 1 Abs. 2 KSchG gelten gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, weil die Beklagte sie mit ihrem substanzlosen Bestreiten, auch durch ihren Hinweis auf Krankheiten, Überstunden und andere Beschäftigungsmöglichkeiten ohne nähere Darlegungen nicht erheblich bestritten hat. Für die Vorlage von Dienstplänen bestand für den Beklagten angesichts dessen keine Veranlassung.

2.

Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht auch angenommen, dass die Kündigung trotz dringender betrieblicher Erfordernisse nicht sozial ungerechtfertigt ist, weil der Beklagte bei der Auswahl der Kündigung soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt hat, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Dabei kann dahinstehen, ob entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG und trotz § 2 Abs. 4 AGG gem. § 1 AGG das Alter bei der Sozialauswahl noch benachteiligend berücksichtigt werden darf, dieses hier aber nicht so maßgeblich war, dass die Klägerin deutlich schutzwürdiger als Frau C gewesen wäre (BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 2 AZR 549/01 - NZA 2003, 791, 793; vom 06.09.2007 - 2 AZR 387/06 - AP Nr. 169 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Rn 17 ff.). Der Beklagt hat nämlich soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt, weil er die von der Klägerin als sozial stärker angesehene Mitarbeiterin C zu Recht nicht in die Sozialauswahl einbezogen hat, da sie mit der Klägerin nicht vergleichbar war. Sie war nämlich wegen der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 30. April 2009 im Zeitpunkt der Kündigung entgegen der Annahme der Klägerin nicht ordentlich kündbar.

Das Arbeitsverhältnis eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers unterliegt gem. § 15 Abs. 3 TzBfG nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn das in einem anwendbaren Tarifvertrag oder einzelvertraglich vereinbart worden ist. Für eine einzelvertragliche Vereinbarung hat die auch für die Vergleichbarkeit darlegungspflichtige Klägerin, § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG, nichts vorgebracht. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass im Arbeitsvertrag der Frau C wie in dem der Klägerin die Anwendbarkeit des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst vereinbart ist, ergäbe sich daraus nicht die ordentliche Kündbarkeit. Diese ist für befristete Arbeitsverhältnisse in § 33 Abs. 5 TVöD vorgesehen. Dieser gilt aber nicht für Arbeiterinnen wie die Reinigungskräfte des Beklagten, sondern nur für Arbeitnehmer, deren Tätigkeit vor dem 01. Januar 2005 der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen hätte, § 33 Abs. 1 Satz 2 TVöD.

3.

Die Ausführungen der Klägerin zum Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses der Parteien sind rechtlich ebenso ohne Belang wie angebliche Äußerungen des Vorsitzenden des Vorstands des Beklagten vom Januar 2007, weil dann, wenn diese zutreffen sollten und die Klägerin sie hinreichend substantiiert gehabt hätte, sie keinen Niederschlag in einer bindenden Vereinbarung über den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung der Klägerin gegenüber gefunden haben.

III.

Die Kostenentscheidung zum Nachteil der Klägerin folgt, soweit die Berufung erfolglos bleibt, aus § 97 Abs. 1 ZPO, soweit die Klägerin durch Fallenlassen der ursprünglichen weiteren erstinstanzlichen Klageanträge die Berufung zurückgenommen hat, aus § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Insoweit ist die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision ist kein gesetzlicher Grund ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.



Ende der Entscheidung

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