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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 149/07
Rechtsgebiete: TVG, ZPO


Vorschriften:

TVG § 1
ZPO § 850 a
ZPO § 850 c
Der Urlaubsentschädigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 8 BRTV-Bau ist weder gemäß § 850 a Nr. 2 ZPO noch gemäß § 850 c) Satz 1 ZPO unpfändbar.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27.04.2006 - 4 Ca 1900/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der dem Kläger gegen den Beklagten zustehende Entschädigungsanspruch durch Aufrechnung erloschen ist.

Der Kläger war im Jahr 2002 bei einem im Baugewerbe tätigen Arbeitgeber beschäftigt und erwarb einen Anspruch von 6 Urlaubstagen mit einer Urlaubsvergütung in Höhe von € 833,45 brutto. Von seinem Arbeitgeber erhielt der Kläger auf diesen Betrag € 416,73 brutto ausgezahlt.

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat zum Ziel, den in der deutschen Bauwirtschaft tätigen Arbeitnehmern einen zusammenhängenden Urlaub zu gewährleisten. Kann der Urlaub nicht in natura genommen werden, steht dem Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) ein Anspruch auf Entschädigung gegen den Beklagten zu. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der dem Kläger gegen den Beklagten zustehende Entschädigungsbetrag € 328,80 netto beträgt. Dem Beklagten steht gegen den Kläger aus einer früheren Tätigkeit des Klägers als Arbeitgeber im Baugewerbe eine titulierte Forderung in der Gesamthöhe von € 4.356,34 zu.

Mit Schreiben vom 29. Februar 2004 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Entschädigungsanspruch in Höhe von € 833,45 geltend (vgl. Bl. 7 d. A.). Mit Schreiben vom 22. April 2004 erklärte der Beklagte in Höhe des dem Kläger verbliebenen Entschädigungsanspruchs in Höhe von € 328,80 die Aufrechnung mit der titulierten Beitragsforderung in Höhe von € 4.356,34.

Der Kläger hat zuletzt vom Beklagten die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von € 328,80 netto begehrt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die vom Beklagten erklärte Aufrechnung gegen den ihm zustehenden Entschädigungsanspruch im Rahmen der Unpfändbarkeitsgrenzen nicht zulässig sei. Der Entschädigungsanspruch sei ebenso wie ein Urlaubsabgeltungsanspruch nicht pfändbar, zumal der Entschädigungsanspruch steuerrechtlich als Arbeitslohn gewertet werde.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 328,80 netto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die erklärte Aufrechnung gegen den Entschädigungsanspruch des Klägers sei zulässig.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 27. April 2006 - 4 Ca 1900/05 - die Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, die Entschädigung des Klägers in Höhe von € 328,80 sei durch Aufrechnung gem. §§ 387, 389 BGB erloschen. Das Aufrechnungsverbot gem. § 394 BGB greife nicht ein. Der Entschädigungsanspruch sei nicht gem. § 850 a Nr. 2 ZPO unpfändbar. Der Sinn und Zweck der Vorschrift gebiete es, sie nicht auf den Urlaubsentschädigungsanspruch gemäß BRTV-Bau anzuwenden. § 850 a Nr. 2 ZPO beziehe sich nur auf Urlaubsgeld und damit auf diejenige Sonderzuwendung mit Gratifikationscharakter, die der Arbeitnehmer über sein sonstiges Einkommen hinaus als Zuschuss zur Ermöglichung der Erholung erhalte. Nur dieses zusätzliche Entgelt, das auch einen ideellen Zweck, nämlich die Förderung der Erholung verfolge, solle ausnahmsweise nicht pfändbar sein. Dieser Gedanke sei auf den Urlaubsentschädigungsanspruch gem. § 8 Nr. 6 bzw. Nr. 8 BRTV-Bau nicht zu übertragen. In diesen Fällen gehe es nur noch um einen finanziellen Ausgleich für den in natura nicht mehr nachzugewährenden Urlaub. Eine Aufteilung des einheitlichen Anspruchs Urlaubsvergütung in einen pfändbaren und unpfändbaren Teil komme nicht in Betracht. Der Entschädigungsanspruch werde zwar aus der Urlaubsvergütung, die sich aus dem Urlaubsentgelt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld zusammensetze, errechnet. Der Beklagte müsse jedoch einen einheitlichen Prozentsatz des Bruttolohns an den Arbeitnehmer auszahlen, ohne dass nach der tariflichen Regelung eine Aufteilung in die Anteile Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld gewollt gewesen sei. Wegen dieser unterschiedlichen Zweckrichtung sei es gerechtfertigt, § 850 a Nr. 2 ZPO weder auf die Urlaubsabgeltung noch auf die Urlaubsentschädigung gem. § 8 Nr. 6 und Nr. 8 BRTV-Bau anzuwenden.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 14. Juni 2006 zugestellt worden. Am 03. Juli 2006 ist ein Prozesskostenhilfeantrag des Klägers für das Berufungsverfahren eingegangen. Mit Beschluss vom 15. September 2006 ist dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Dieser Beschluss ist am 23. Januar 2007 an den Kläger abgesandt worden. Mit am 30. Januar 2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt, Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden eingelegt und die Berufung begründet.

Der Kläger wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, es sei kein Grund dafür erkennbar, dass die Urlaubsabgeltung pfändbar, der Entschädigungsanspruch jedoch nicht pfändbar sein soll. Jedenfalls sei der Entschädigungsanspruch gem. § 850 c ZPO unpfändbar. Es sei die Pfändungsfreigrenze zu beachten. Der Entschädigungsanspruch in Höhe von € 328,80 netto unterschreite diese Grenze. Lediglich hilfsweise werde geltend gemacht, dass der Entschädigungsbetrag auch gem. § 850 a ZPO nicht gepfändet werden dürfe.

Der Kläger beantragt,

dem Kläger für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27.04.2006, Az.: 4 Ca 1900/05, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung der Berufung zu gewähren sowie den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27.04.2006, Az.: 4 Ca 1900/05, zu verurteilen, an den Kläger € 328,80 nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, dass der Urlaubsanspruch grundsätzlich als höchstpersönlicher Anspruch nicht pfändbar sei. Streitig sei, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch pfändbar sei oder nicht. Der gegen den Beklagten gerichtete Entschädigungsanspruch unterfalle nach dem klaren Wortlaut nicht § 850 a Nr. 2 ZPO. Der Entschädigungsanspruch sei ein aliud gegenüber dem Urlaubsentgelt und der Urlaubsabgeltung im Rahmen eines speziellen tariflichen Systems, demzufolge trotz Verfall des Urlaubs und des Urlaubsabgeltungsanspruchs die vom Arbeitgeber entrichteten Beiträge nicht beim Beklagten verbleiben sollen. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen von § 850 c ZPO lägen nicht vor, da der Entschädigungsanspruch kein Arbeitseinkommen sei, sondern ein tariflicher Anspruch des Klägers gegen den Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 07. September 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Dem Kläger ist auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er ohne Verschulden die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist versäumt hat, § 233 ZPO. Innerhalb der Berufungsfrist hat der Kläger Prozesskostenhilfe beantragt, welche bewilligt worden ist. Das Wiedereinsetzungsgesuch hat der Kläger innerhalb der 2-wöchigen Frist der §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nach Zugang des PKH-Bewilligungsbeschlusses angebracht. Mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Beiordnung eines Anwalts ist das Hindernis der Mittellosigkeit behoben. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt in diesen Fällen mit der nicht formgebundenen Bekanntgabe des Beschlusses an die Partei selbst oder ihren Vertreter (Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 6. Aufl. 2002, Rn 581, m. w. N.).

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft, denn sie ist im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden. Der Kläger hat sie auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO.

Die Berufung des Klägers hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn dem Kläger steht ein Entschädigungsanspruch nicht mehr zu. Das hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Das Berufungsgericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung und macht sie sich zu Eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Im Hinblick auf den ergänzenden Vortrag der Parteien im Berufungsrechtszug ist Folgendes hinzuzufügen:

Der Aufrechnung des Beklagten steht § 394 Satz 1 BGB, § 850 a Ziffer 2 ZPO nicht entgegen. Gemäß § 394 Satz 1 BGB findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt, soweit die Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist. Gemäß § 850 a Ziffer 2 ZPO sind u.a. die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge unpfändbar. Der dem Kläger zustehende Entschädigungsanspruch gem. § 8 Abs. 8 BRTV-Bau ist offensichtlich kein für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährter Bezug. Unter einem solchen über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezug ist vielmehr, wie vom Arbeitsgericht ausführlich erläutert, lediglich das über die Urlaubsvergütung hinaus gezahlte zusätzliche Urlaubsgeld gemeint. Der Beklagte schuldet dem Kläger kein Urlaubsgeld, sondern gem. § 8 Abs. 8 BRTV-Bau eine Entschädigung, nachdem die Urlaubsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche des Arbeitnehmers verfallen sind.

Die Aufrechnung des Beklagten scheitert auch nicht an § 850 c ZPO. Danach ist das Arbeitseinkommen u.a. dann unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als € 930,00 monatlich beträgt.

Sofern entsprechend der Ansicht des Klägers davon ausgegangen würde, dass der Entschädigungsanspruch unter den Begriff des Arbeitseinkommens im Sinne des § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO fällt, hätte der Kläger jedenfalls nicht schlüssig dargetan, dass der Entschädigungsanspruch auch unter die Pfändungsgrenze fiel. Insoweit kommt es nämlich nicht darauf an, dass der Entschädigungsbetrag als solcher unter der Grenze von € 930,00 liegt. Der Kläger hätte vielmehr konkret darlegen müssen, dass er in dem Monat, in welchem der Anspruch auf Zahlung des Entschädigungsbetrages entstanden war, insgesamt über ein Arbeitseinkommen von nicht mehr als € 930,00 verfügte. Entstanden ist der Entschädigungsanspruch frühestens im Januar 2004. Ein entsprechender Vortrag des Klägers, über welches Einkommen er im Monat Januar 2004 verfügt hat, liegt nicht vor, sodass die Klage schon deshalb abzuweisen ist.

Doch unabhängig davon steht der Aufrechnung des Beklagten § 850 c ZPO auch nicht entgegen. Der dem Kläger gegen den Beklagten zustehende Entschädigungsanspruch ist kein Arbeitseinkommen. Arbeitseinkommen entsteht im Arbeitsverhältnis und meint den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Der Beklagte war niemals Arbeitsgeber des Klägers, sodass die sich aus § 8 Abs. 8 BRTV-Bau ergebende Leistungspflicht des Beklagten auch kein Arbeitseinkommen sein kann.

Der Kläger trägt die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels, § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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