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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.11.2000
Aktenzeichen: 10 Sa 1709/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 97 | |
ZPO § 283 | |
ZPO § 313 Abs. 3 | |
BGB § 130 | |
BGB § 162 |
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil
Aktenzeichen: 10 Sa 1709/99
Verkündet laut Protokoll am 06.11.2000
In dem Rechtsstreit
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 10 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter am LAG Niedenthal als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Wünsch und Baier als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 26.05.1999 - 9 Ca 2388/97 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger war aufgrund Vertrages vom 07.08.96 als kaufmännischer Mitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Während der sechsmonatigen Probezeit konnte das Arbeitsverhältnis mit einer vereinbarten Frist von zwei Wochen zum Monatsende gekündigt werden.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit einem am 11.02.97 eingelieferten Einschreiben vom 11.02.97 zum "Ende Februar 1997". Der bei versuchter Zustellung des Einschreibens nicht angetroffene Kläger holte die Postsendung aufgrund des im Briefkasten hinterlassenen Benachrichtigungszettels am 04.03.97 bei der Post im ca. 5 km von seinem Wohnort entfernten Nachbardorf ab.
Vom 10. bis 14.02.97 war der Kläger krankgeschrieben. Am Sonntag, 16.02.97, fuhr er von seinem Wohnort in zu einer Bekannten nach Frankfurt am Main. Am Montag, 17.02.97, suchte der Kläger in Frankfurt einen Arzt auf, der ihn vom 17. bis 28.02.97 krankschrieb.
Der Kläger begehrt Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten erst zum 15.04.97 beendet worden sei.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Beklagten-Mitarbeiterin sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend Funktionsstörungen am Anrufbeantworter des Klägers unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.97 festgestellt. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung vom 26.05.99 Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 25.08.99 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.09.99 (Montag) eingelegte und, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.11.99, am 29.11.99 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, die Kündigung der Beklagten sei ihm erst am 04.03.97, also nach dem Ende der vereinbarten Probezeit, durch Abholung bei der Post zugegangen, sodass das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist, also frühestens zum 15.04.97, beendet worden sei.
Der Kläger bleibt bei seiner Behauptung, er habe auf seinem Anrufbeantworter die angeblichen Anrufe der Beklagten vom 11.02., 12.02. und 13.02.97 nicht vorgefunden und bekräftigt seine Auffassung, diese Anrufe könnten aufgrund technischen Defekts oder Stromausfalls in seinem Haushalt möglicherweise nicht aufgezeichnet oder auch durch Herumtapsen seiner Katze auf der Tastatur wieder gelöscht worden sein. Der Kläger hält gegenteilige Bewertungen durch den vom Arbeitsgericht hinzugezogenen Sachverständigen für nicht überzeugend, da dieser lediglich einen einminütigen Stromausfall simuliert und die Möglichkeit der Datenlöschung bei längerem Ausfall nicht untersucht habe. Darüber hinaus könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei Verwendung alter Kassetten technisch ein Nichtaufzeichnen oder späterer Datenverlust doch möglich sei. Die Bekundungen der Zeugin G zu einem angeblichen Anruf am 12.02.97 hält der Kläger bereits inhaltlich für unergiebig.
Darüber hinaus bleibt der Kläger bei seiner Auffassung, er habe auch im Übrigen weder damit rechnen müssen, dass die Einschreibsendung eine Kündigungserklärung enthalte, noch sei ihm ein alsbaldiges Abholen der Sendung zumutbar gewesen. Er habe in den letzten Februarwochen mit hohem Fieber im Bett gelegen, ferner habe damals Glatteis und Schneeglätte geherrscht, eine Fahrt zum 5 km entfernten Postamt im bergigen Hintertaunus sei daher nicht in Betracht gekommen. Die Fahrt nach Frankfurt am 16.02.97 habe er aufgrund einer Verbesserung seines Gesundheitszustands unternehmen können, habe jedoch bereits am 17.02.97 wieder einen Arzt aufsuchen müssen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 26.05.1999 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 11.02.97 erst zum 15.04.97 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte bleibt dabei, dass der Kläger bereits am 11.02.97 telefonisch durch eine mittels Anrufbeantworter aufgezeichnete Mitteilung darüber unterrichtet worden sei, dass man ihm gekündigt habe. Entsprechendes sei am 12. und 13.02.97 unter gleichzeitiger Rückforderung der Schlüssel geschehen. Die Einlassungen des Klägers betreffend Fehlfunktionen und Stromausfall beim Anrufbeantworter hält die Beklagte unverändert für spekulativ, technisch nicht vorstellbar und durch das Gutachten widerlegt. Die Beklagte meint, der Kläger könne sich daher nicht auf den Zugang erst am 04.03.97 berufen, denn er sei jedenfalls am 17.02.97 auch imstande gewesen, das Einschreiben abzuholen.
In mündlicher Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 24.07.2000 hat die Geschäftsführerin der Beklagten schließlich behauptet, bereits am Tag vor der Erkrankung des Klägers habe sie diesem gesagt, dass es wohl keinen Sinn habe, weiter zusammenzuarbeiten und die Beklagte ihm kündigen werde. Der Kläger habe darauf um Verlängerung der Probezeit gebeten, was sie jedoch abgelehnt habe. Daraufhin sei der Kläger dann arbeitsunfähig erkrankt. Die Geschäftsführerin der Beklagten hat ferner behauptet, die erneute Krankmeldung ab 17.02.97 habe der Kläger persönlich im Hause der Beklagten abgegeben und die Beklagte zusätzlich hiervon telefonisch am gleichen Tag unterrichtet. Schließlich hat die Geschäftsführerin behauptet, die Kündigung vom 11.02.97 sei nicht nur per Einschreiben, sondern gleichzeitig mit einfacher Post an den Kläger abgeschickt worden, was damals bei der Beklagten in solchen Fällen generell üblich gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.07.2000 und den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze, mit Ausnahme des Klägerschriftsatzes vom 05.10.2000, verwiesen.
Dem Kläger ist mit Beschluss vom 24.07.2000 nachgelassen worden, sich bis spätestens 31.08.2000 zum Vorbringen der Geschäftsführerin der Beklagten in der Berufungsverhandlung schriftsätzlich zu äußern. Der Kläger hat sich innerhalb gesetzter Frist nicht geäußert, dann am letzten Werktag vor dem anstehenden Verkündungstermin um dessen Verlegung wegen behaupteter Vergleichsverhandlungen gebeten und schließlich mit einem am 06.10.2000 eingegangenen Schriftsatz vom 05.10.2000 zum mündlichen Vorbringen der Beklagten Stellung genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage im angefochtenen Umfang abgewiesen.
In der gem. § 313 Abs. 3 ZPO gebotenen kurzen Zusammenfassung der die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Erwägungen gilt Folgendes:
Richtig ist, dass eine Einschreibsendung nicht bereits mit Einwurf des Benachrichtigungszettels in den Hausbriefkasten des Empfängers, sondern erst mit Abholung der niedergelegten Sendung beim Postamt zugeht. Denn der Benachrichtigungszettel enthält keine Willenserklärung, deren Zugang i. S. des § 130 BGB bewirkt werden könnte (z. B. BAG AP Nr. 4 zu § 130 BGB). Allerdings kann sich der Empfänger einer Willenserklärung dann, wenn der Absender durch die Erklärung Fristen einzuhalten hat, auf den Zugang erst mit dem Zeitpunkt der späteren Abholung der Sendung nicht berufen, wenn er die Verzögerung des Zugangs selbst zu vertreten hat. Denn der in § 162 BGB enthaltene Rechtsgedanke gebietet es, demjenigen einen erlangten Vorteil wieder zu nehmen, der diesen Vorteil durch eigenes treuwidriges Verhalten erlangt hat (BAG AP Nr. 10 zu § 130 BGB; BGH, DB 1977, S. 204). So liegen die Dinge hier.
Zwar besteht keine allgemeine Pflicht, Empfangsvorkehrungen zu treffen, und der Empfänger einer Einschreibsendung ist auch nicht ohne weiteres gehalten, ein niedergelegtes Schriftstück abzuholen. Aus dem Bestehen von Rechtsbeziehungen zwischen Absender und Empfänger kann sich jedoch Gegenteiliges ergeben (BGH a.a.O.). Weiß insbesondere der Empfänger einer Kündigungserklärung aufgrund mündlicher Mitteilung oder sonstiger Vorgänge, dass ein Kündigungsschreiben an ihn unterwegs ist oder mit einem solchen gerechnet werden muss, dann verhält er sich treuwidrig, wenn er die Sendung nach vergeblichem Zustellversuch nicht alsbald bei der Post abholt (vgl. LAG Frankfurt, LAGE, § 130 BGB Nr. 8; BAG, v. 03.04.86, EzA § 18 SchwbG Nr. 7, BAG v. 15.11.62, EzA § 130 BGB Nr. 2). In solchen Fällen ist vom Zugang der Kündigungserklärung an dem Tag auszugehen, an dem die unverzügliche Abholung möglich war (vgl. KR-Friedrich, 5. Aufl., Randnote 125 a. E. zu § 4 KSchG).
Der Kläger hatte jedenfalls damit zu rechnen, dass die niedergelegte Einschreibsendung die Kündigungserklärung der Beklagten enthielt. Dies ergibt sich zwingend aus dem ergänzenden Vorbringen der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 24.07.2000. Wenn nämlich die Geschäftsführerin der Beklagten dem Kläger gegenüber am letzten Tag vor seiner ersten Krankschreibung, also am Freitag, 07. Februar 2000, erklärt hat, eine weitere Zusammenarbeit habe keinen Sinn, man werde ihm deshalb kündigen, und ferner seine Bitte um Verlängerung der Probezeit zugleich abgelehnt worden war, dann war angesichts unmittelbar sich anschließender Arbeitsunfähigkeit und Abwesenheit des Klägers im Betrieb mit dem baldmöglichen Kündigungsausspruch per Postsendung zu rechnen. Der Kläger hat sich zu diesem tatsächlichen Vorbringen innerhalb der ihm gem. § 283 ZPO gesetzten Frist nicht geäußert. Eine Erklärung des Klägers ist erst nach dem ursprünglich angesetzten Verkündigungstermin eingegangen. Gründe für eine ausnahmsweise Zulassung des verspäteten Vorbringens sind nicht ersichtlich. Die Verspätung ist weder entschuldigt worden, noch ist sie mit angeblich geführten Vergleichsgesprächen, ohnehin erst lange nach Fristablauf angezeigt, entschuldbar. Das Vorbringen des Klägers beschränkt sich ohnehin auf schlichtes Bestreiten, ohne für den betreffenden Kalendertag einen abweichenden Geschehensablauf durch Vortrag konkreter Tatsachen darzustellen. Gibt es aber keine prozessrechtlich verwertbare Äußerung des Klägers zu diesen Behauptungen der Beklagten, dann ist deren Richtigkeit als zugestanden der Entscheidung zugrunde zu legen (§ 138 Abs. 2 bis 4 ZPO).
Dem Kläger war auch spätestens am 17.02.97 die Abholung der Einschreibsendung möglich und zumutbar. Der Kläger ist unstreitig am Sonntag, 16.02.97, aus dem Hintertaunus mit dem eigenen Pkw zu einer Bekannten nach Frankfurt gefahren. Er erklärt dies mit einer eingetretenen Verbesserung seines Gesundheitszustandes. Da der Freitag, 14.02.97 der letzte Tag seiner attestierten Arbeitsunfähigkeit gewesen ist und Verbesserungen des Gesundheitszustandes bei fiebrigen Erkältungen sich nicht schlagartig einzustellen pflegen, spricht nichts dafür, dass der Kläger zwar am Sonntag bereits wieder eine lange Autoreise hat unternehmen können, am Samstag aber aus gesundheitlichen Gründen noch nicht imstande gewesen sein soll, mit dem Pkw nur wenige Kilometer ins Nachbardorf zu fahren, um eine Postsendung abzuholen. Damit müsste sich der Kläger bereits so behandeln lassen, als sei ihm die Kündigung am Samstag, 15.02.97, zugegangen. Jedenfalls aber am Montag, 17.02.97, war dem Kläger die Abholung der Sendung möglich und zumutbar. Da er aus Krankheitsgründen nicht gehindert war, von Frankfurt aus mit dem Pkw an seinen Wohnort zurückzukehren, kann es auch keine gesundheitlichen Gründe gegeben haben, die ihn an einem Aufsuchen des Postamtes im Nachbardorf hätten hindern können. Ob ohnehin davon ausgegangen werden muss, dass der Kläger an diesem Tag die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung persönlich bei der Beklagten abgegeben hat, also auch insoweit es krankheitsbedingte Hinderungsgründe ersichtlich nicht gegeben haben kann, braucht für die Entscheidung nicht geklärt zu werden.
Es bedarf nach allem keiner Untersuchung, ob davon ausgegangen werden müsste, dass dem Kläger die Kündigung im Februar 1997 jedenfalls auch mit einfacher Post zugegangen war oder er, bezogen auf die niedergelegte Einschreibsendung, durch aufgezeichnete Telefonanrufe darüber unterrichtet war, dass die Einschreibsendung eine Kündigungserklärung der Beklagten enthalte. Der Kläger muss sich jedenfalls so behandeln lassen, als sei ihm die Kündigung am 17.02.97, also noch innerhalb der vereinbarten Probezeit, zugegangen. Der Beendigungszeitpunkt ergibt sich alsdann aus der für die Probezeit vereinbarten Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende, fällt also, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, auf den 31.03.97.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich (§ 72 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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