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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 04.04.2003
Aktenzeichen: 12 Sa 250/02
Rechtsgebiete: BGB, BAT, HGO, RiStBV


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BAT § 8
BAT § 10
BAT § 54 Abs. 1
BAT § 54 Abs. 2
HGO § 71
HGO § 73
RiStBV Ziff. 185
RiStBV Ziff. 186
Der Lauf der Ausschlussfrist von § 626 Abs. 2 Satz 1, 2 BGB wird nicht dadurch gehemmt, dass der Informant des Kündigungsberechtigten mit der Verwertung der Information nicht einverstanden ist, sofern nicht aus bestimmten Rechtsgründen ein Verwertungsverbot besteht. Dies gilt auch für ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft, durch die Einsicht in eine Ermittlungsakte gewonnene Erkenntnisse zunächst nicht zu verwerten.

Nach hessischem Gemeinderecht kommt es für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist auf die Kenntnis des Gemeindevorstandes als Gremium an. Kenntnisse eines nicht kündigungsbefugten Personalamtes sind der Gemeinde nur zuzurechnen, wenn deren Nichtweitergabe an den Gemeindevorstand auf einem Organisationsmangel beruhte.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 12 Sa 250/02

Verkündet laut Protokoll am 04. April 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 12, iin Frankfurt am Mai auf die mündliche Verhandlung vom 04. April 2003 durch den Richter am Arbeitsgericht ... Griebeling als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Schottler und und die ehrenamtliche Richterin Brehm als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2001 - 5 Ca 1991/01 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der im Jahr 1945 geborene, ledige Kläger war für die beklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) gemäß eines Vertrages vom 02. Juni 1986 seit 03. Juni 1986 als Betriebsangestellter tätig. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Der Kläger war zuletzt in die Vergütungsgruppe BAT VI b eingruppiert und erhielt eine Bruttomonatsvergütung von DM 3.827, 17. Er wurde im Bereich der als Eigenbetrieb organisierten Marktbetriebe der Beklagten als Aufseher für die Wochenmärkte ... und ... beschäftigt und war u.a. für die Marktaufsicht, die Vergabe der Stände und die Gebührenfestsetzung und -erhebung zuständig. Außerdem war er Vorsitzender des bei den Marktbetrieben gebildeten Personalrats. Die Betriebssatzung der Marktbetriebe, wegen deren Inhalt im Übrigen auf die Anlage zum Schriftsatz vom 18. März 2003 (Bl. 204, 205 d.A.) Bezug genommen wird, enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 3

Leitung des Eigenbetriebes

(1) Der Magistrat bestellt zur Leitung des Eigenbetriebes eine/n Betriebsleiter/in (nachfolgend Betriebsleitung genannt).

(2) Der Eigenbetrieb wird von der Betriebsleitung selbständig geleitet, soweit das Eigenbetriebsgesetz oder diese Satzung nichts anderes bestimmen. Ihr obliegt insbesondere die laufende Betriebsführung nach § 4 Abs. 1 EigBGes. Dazu gehören alle Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes laufend notwendig sind.

...

§ 6

Personalangelegenheiten

(1) Die Personalverwaltung des Eigenbetriebs erfolgt nach den für die Stadtverwaltung geltenden Grundsätzen.

(2) Die Befugnisse des Magistrats bei der Einstellung von Arbeitern/Arbeiterinnen und von Angestellten des Betriebsdienstes der Marktbetriebe (Abteilung Marktbetrieb, Werkstatt) bis einschließlich VergGr. V b BAT werden gemäß § 9 Abs. 2 EigBGes auf die Betriebsleitung übertragen.

(3) Dienstvorgesetzte/r der beim Eigenbetrieb Beschäftigten ist der/die Oberbürgermeister/in. Ständige/r Vertreter/in in dieser Eigenschaft ist der/die Betriebsleiter/in.

...

§ 7

Vertretung des Eigenbetriebes

(1) Die Betriebsleitung vertritt vorbehaltlich § 3 Abs. 2 EigBGes die Stadt in allen Angelegenheiten des Eigenbetriebes, soweit sie nicht nach § 5 EigBGes der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung oder nach § 8 EigBGes der Entscheidung des Magistrats unterliegen. ...

(2) Der Magistrat vertritt den Eigenbetrieb in allen Angelegenheiten, die der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung unterliegen. ...

...

§ 9

Zuständigkeit anderer städtischer Stellen

(1) ...

(2) Zuständigkeit des Personal- und Organisationsamtes:

Das Personal- und Organisationsamt ist zuständig für alle Personalangelegenheiten, soweit diese nicht gemäß § 6 Abs. 2 der Betriebsleitung übertragen sind. ..."

Die Aufgaben und die Zusammenarbeit der Ämter und sonstigen Verwaltungseinheiten sind in der "Allgemeinen Geschäftsanweisung der Stadtverwaltung ..." (AGA) geregelt. Das Personal- und Organisationsamt (nachfolgend: POA) ist danach u.a. zuständig für Personalangelegenheiten der Bediensteten der Beklagten. Eine Entscheidungsbefugnis über den Ausspruch von Kündigungen gegenüber städtischen Angestellten ist dem POA nicht zugewiesen. Wegen der Einzelheiten der AGA wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 27. März 2003 (Bl. 216 - 237 d.A.) Bezug genommen.

Im September 1999 erhielt der POA anlässlich eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits Kenntnis über Vorwürfe einer Standbetreiberin auf dem Wochenmarkt ..., dass diese sich vielfältigen Schikanen des Klägers ausgesetzt sehe, weil sie nicht die "marktüblichen Zusatzleistungen" erbringe. In einer von der Antikorruptionsstelle des POA durchgeführten Anhörung präzisierte sie am 09. September 1999 die Vorwürfe dahingehend, dass der Kläger bei der Vereinnahmung der Standgebühren Wechselgeld einbehalte und von Standbetreibern in größerem Umfang Naturalien annehme. In einer Kühlbox in seinem Auto verstaue er gefüllte Tüten, die er von Betreibern von Lebensmittelständen erhalte. In der Folgezeit leitete die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren ein und ließ die Standbetreiber und den Kläger von der Kriminalpolizei vernehmen. Nachdem er die Ermittlungen bemerkt hatte, verwahrte sich der Kläger mit einem an das POA gerichteten Schreiben vom 24. November 1999 gegen die Vorwürfe. In dem Schreiben, wegen dessen vollständigen Inhalt auf die Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 132, 133 d.A.) Bezug genommen wird, erklärte der Kläger u.a.,

"... dass ich darüber sehr empört bin, dass man solchen aus der Luft gegriffenen Behauptungen und Anschuldigungen nachgeht, ohne dass man den Betroffenen überhaupt einmal anhört. Ich bitte daher zu prüfen, welche rechtlichen Maßnahmen gegen diese Frau in die Wege geleitet werden können."

Am 08. Dezember 1999 übermittelte die Staatsanwaltschaft dem POA das Protokoll einer Beschuldigtenvernehmung des Klägers vom 07. Dezember 1999, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 26 - 31 d.A.) Bezug genommen wird. Aus dem Protokoll ist zu entnehmen, dass der Kläger zunächst alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe abstritt und erst auf Vorhalt einräumte, dass er gelegentlich das sich bei der Einnahme der Standgebühren ergebende Wechselgeld auf Veranlassung der Marktbeschicker als "Trinkgeld" einbehalten habe. Dies sei als "Kaffeegeld" gemeint gewesen. Gelegentlich habe er auch einmal Obst oder Gemüse und Wurstwaren für seinen persönlichen Verbrauch nach Marktschluss kostenlos erhalten. Es sei vorgekommen, dass er bei Einkäufen für seinen persönlichen Bedarf, z.B. bei Krawatten, Preisnachlässe akzeptiert habe.

Der Kläger bestätigte weiterhin, dass ihm das Merkblatt der Beklagten über das Verbot der Annahme von Geschenken bekannt sei und dass er dies jährlich unterschrieben habe, zuletzt vor einem Vierteljahr. In diesem vollständig in der Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 35, 36 d.A.) ersichtlichen, vierseitigen und auf rotem Papier bedruckten Merkblatt wird das Verbot der Annahme von Zuwendungen in Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis eingehend erläutert und darauf hingewiesen, dass es keine Rolle spiele, ob die dienstliche Handlung pflichtwidrig oder legal ist, bei deren Gelegenheit eine Zuwendung angeboten wurde, da bereits der Anschein der Empfänglichkeit für persönliche Vorteile zu vermeiden sei. Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Nichtbeachtung des Verbotes unabhängig von einer strafrechtlichen Verfolgung arbeitsrechtlich zur fristlosen Kündigung führen könne. Neben dem Protokoll vom 07. Dezember 1999 erhielt das POA am 08. Dezember 1999 Kenntnis vom Inhalt eines polizeilichen Vermerks, in dem das Ergebnis der Vernehmung von 52 Zeugen zusammengefasst war. Danach hatten 16 Zeugen angegeben, bei der Bezahlung der Marktgebühren zugunsten des Klägers mit Beträgen zwischen DM 0, 20 und DM 10, 00 aufzurunden, um "den Umstand des Geldwechselns zu ersparen", und vier Personen ausgesagt, dem Kläger Nahrungsmittel "zum Probieren" oder nach Marktende überlassen zu haben. Wegen des weiteren Inhalts des zweiseitigen Vermerks wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 33, 34 d.A.) verwiesen.

Am 13. Dezember 1999 wurde der Kläger von Mitarbeitern des POA zu den Vorwürfen angehört. Er räumte ein, dass ihm die Händler gelegentlich Wechselgeld in geringer Höhe von DM 0, 20 oder DM 0, 30 als Trinkgeld gegeben hätten und dass sich diese Gelder pro Markttag auf ca. DM 2, 00 bis DM 3, 00 summiert hätten. Höhere Beträge habe er nicht erhalten oder angenommen. Gelegentlich habe er nach Marktende von den Händlern auch unverkaufte Reste, etwa einen Apfel, eine Banane oder einen "Schnippel" Fleischwurst, geschenkt bekommen. Größere Mengen an Naturalien habe er nicht erhalten. Wegen des vollständigen Ergebnisses der Anhörung wird auf die in der Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 39 - 48 d.A.) ersichtliche Niederschrift Bezug genommen. Die Beklagte entband den Kläger mit Wirkung zum 16. Dezember 1999 von seiner Tätigkeit als Marktaufseher und setzte ihn in der Folgezeit innerhalb der Marktbetriebe anderweitig ein. Im Übrigen entschloss sie sich, zunächst die weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten.

Mit einem am 17. Februar 2000 eingegangenen Schreiben vom 15. Februar 2000 übersandte die Staatsanwaltschaft dem POA die Ermittlungsakte zur Einsichtnahme für drei Tage. Entsprechend einer vorherigen telefonischen Vereinbarung bat der zuständige Oberstaatsanwalt mit Schreiben vom 22. Februar 2000,

"... von den aufgrund der gewährten Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnissen in arbeitsrechtlicher Hinsicht zunächst keinen Gebrauch zu machen, solange dem Verteidiger des Beschuldigen ... die Akten noch nicht vorgelegen haben. Dies wird nunmehr veranlasst werden. Sobald der Verteidiger Akteneinsicht genommen hat, erhalten Sie von mir Nachricht."

Der Ermittlungsakte waren u.a. Aussagen der Zeugen ..., ... und vom 21. Oktober 1999, 18. November 1999 und 02. Februar 2000 zu entnehmen, denen gemäß der Kläger in ständiger Praxis Wechselgeldbeträge in größerem Umfang, zum Teil in Höhe von mehr als DM 20, 00, und erhebliche Mengen an Lebensmitteln sowie gelegentlich sonstige Waren von den Standbetreibern entgegengenommen hatte. Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 54 - 60 d.A.) Bezug genommen. Gemäß der in der Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 61 d.A.) ersichtlichen Aufstellung erbrachten insgesamt zwölf Betreiber immer und weitere fünf Betreiber gelegentlich Zuwendungen an den Kläger.

Nachdem die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 09. März 2000, bei der Beklagten eingegangen am 15. März 2000, mitgeteilt hatte, dass nach der Gewährung von Akteneinsicht an den Strafverteidiger keine Bedenken an der Verwertung des Inhalts der Ermittlungsakte mehr bestünden, hörte die Beklagte den Kläger am 17. März 2000 erneut zu dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens an. In der Anhörung hielt der Kläger zunächst an seiner Darstellung fest, dass er nur Pfennigbeträge erhalten habe. Auf konkrete Vorhaltungen räumte er jedoch die Annahme höherer Beträge von bis zu DM 3, 00 und an Weihnachten von bis zu DM 10, 00 als "Trinkgeld" ein. Wegen der Einzelheiten wird auf das in der Anlage zum Schriftsatz vom 17. Juli 2001 (Bl. 62 - 67 d.A.) ersichtliche Protokoll verwiesen.

Die Oberbürgermeisterin der Beklagten erhielt von den vorstehenden Umständen am 27. März 2000 Kenntnis. Sie beantragte mit dem in der Anlage zum Schriftsatz vom 27. Juli 2001 (Bl. 68 - 73 d.A.) ersichtlichen Schreiben vom 27. März 2000, auf das Bezug genommen wird, beim Personalrat der Marktbetriebe unter ausführlicher Schilderung der Personalien des Klägers, des Sachverhalts und der Rechtslage die Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Auf den ihm am 27. März 2000 zugegangenen Antrag erklärte der Personalrat mit Schreiben vom 30. März 2000, das im Büro der Oberbürgermeisterin am selben Tag einging, dass er der Maßnahme nicht zustimme. Darauf beantragte die Oberbürgermeisterin der Beklagten als Dienststellenleiterin mit einem am selben Tag beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Schriftsatz vom 31. März 2000, die Zustimmung des Personalrats zu ersetzen. Nach dem Ablauf seiner vorherigen Amtszeit wurde der Kläger am 18. Mai 2000 erneut in den Personalrat der Marktbetriebe gewählt und am 19. Mai 2000 als dessen Vorsitzender bestätigt. Am 09. Juni 2000 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gegen Zahlung einer Geldauflage von DM 3.000, 00 ein.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ersetzte mit Beschluss vom 28. August 2.000 - 23 L 1910/00 (V) - die Zustimmung des Personalrats zur außerordentlichen Kündigung und führte zur Begründung aus, die Beklagte habe die Frist von § 626 Abs. 2 BGB mit der Einreichung des Antrags am 31. März 2000 gewahrt, da die Frist erst mit der Anhörung vom 17. März 2000 zu laufen begonnen habe. Die Beklagte habe nicht die bis Dezember 1999 gewonnenen Erkenntnisse zum Anlass weiterer Schritte nehmen müssen, sondern den Fortgang und das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten können. Eine Verwertung der durch die Einsicht in die Ermittlungsakte gewonnenen Erkenntnisse sei in arbeitsrechtlicher Hinsicht zunächst nicht möglich gewesen. Es sei kein Missbrauch der Kündigungsbefugnis, wenn die Beklagte als öffentliche Stelle dem dringenden Wunsch der Staatsanwaltschaft entsprochen habe, die Erkenntnisse zunächst nicht zu verwerten. Daher sei die Anhörung vom 17. März 2000 nicht verspätet gewesen. Der Antrag habe von der Oberbürgermeisterin der Beklagten fristwahrend eingereicht werden können. Da das Recht zur Entlassung allein dem Magistrat zustehe, habe die Eigenbetriebsleitung trotz § 8 Abs. 2 Satz 4 HPVG in personellen Angelegenheiten nicht die Dienststellenleiterstellung inne. Da der Kläger in den vergangenen Jahren fortlaufend gegen seine Pflicht nach § 10 BAT verstoßen habe, liege auch ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vor. Neben der Entgegennahme der Zuwendungen liege auch in deren Nichtanzeige ein schwerer Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, da gerade angesichts der vielfältig bekannt gewordenen Fälle von Korruption auch in der Verwaltung der Beklagten die besondere Erwartung bestehe, dass schon das bloße Angebot von Geschenken dem Arbeitgeber zur Kenntnis gebracht werde. Daher entfalle selbst bei einer gewissen Üblichkeit schon vom Ansatz her jede Rechtfertigung des Verhaltens des Klägers. Eine Weiterbeschäftigung könne von der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers noch nicht einmal für kurze Zeiträume erwartet werden.

Auf eine Vorlage vom 05. Oktober 2000 stimmte der mit dieser Angelegenheit dadurch erstmals befasste Magistrat der Beklagten am 16. Oktober 2000 der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vorbehaltlich der Rechtskraft des Beschlusses des Verwaltungsgerichts zu. In einer Sitzung vom 20. Oktober 2000 wurde die Eigenbetriebskommission der Marktbetriebe zu diesem Thema angehört. Nachdem der Kläger gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt hatte, beschloss der Personalrat der Marktbetriebe in einer Sitzung vom 01. März 2001, der personellen Maßnahme zuzustimmen. Die Beklagte erhielt hiervon durch ein Fax des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes am 02. März 2001 Kenntnis. Nachdem die Beteiligten das Zustimmungsersetzungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, stellte der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 08. März 2001 - 22 TL 3450/00 - ein. Gleichzeitig erklärte er den Beschluss des Verwaltungsgerichts für wirkungslos. Mit Schreiben vom 07. März 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen die ihm am selben Tag zugegangene Kündigung erhob der Kläger die vorliegende, am 09. März 2001 beim Arbeitsgericht eingereichte und der Beklagten am 19. März 2001 zugestellte Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte die Frist von § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt habe. Die wesentlichen Vorgänge seien der Beklagten durch die Unterrichtung vom 08. Dezember 1999 und die Anhörung vom 13. Dezember 1999 bekannt geworden. Da danach "Funkstille" geherrscht habe, habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass die gesamte Angelegenheit mit seiner Umsetzung ihr Bewenden gehabt habe. Zumindest habe die Beklagte nach der Übersendung der Ermittlungsakte nicht vier Wochen lang untätig bleiben dürfen. Der entsprechenden Bitte der Staatsanwaltschaft habe die Rechtsgrundlage gefehlt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.03.2001 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den Kündigungszeitpunkt vom 10.03.2001 hinaus als Betriebsangestellten im Rahmen der ... der Stadt Frankfurt am Main gemäß Vergütungsgruppe VI b gemäß Anlage 1 a BAT weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat an ihrem vom Verwaltungsgericht bestätigten Standpunkt zum Vorliegen eines wichtigen Grundes und zur Wahrung der Ausschlussfrist festgehalten und insbesondere darauf verwiesen, dass erst nach der Überlassung der Ermittlungsakte und der darauf durchgeführten Anhörung des Klägers die Tatsachen im Sinne eines wichtigen Grundes festgestanden hätten, die die Beklagte in die Lage versetzt hätten, die Entscheidung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu treffen. Der Kläger habe erst nach dem Einverständnis der Staatsanwaltschaft mit der arbeitsrechtlichen Verwertung der aus der Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse angehört werden können.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens und des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 160 - 166 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 18. Dezember 2001 - 5 Ca 1991/01 - die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 und Abs. 2 BGB angeschlossen. Die Ausschlussfrist habe nicht vor dem 15. März 2000 zu laufen begonnen, da die Beklagte bei der Staatsanwaltschaft "im Wort" gestanden habe. Wegen der näheren Begründung des Urteils wird auf Bl. 166 - 170 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 13. Februar 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Februar 2002 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. April 2002 am 10. April 2002 begründet.

Der Kläger räumt ein, sich nicht korrekt verhalten zu haben, hält jedoch an seiner Auffassung fest, dass die Ausschlussfrist nicht gewahrt sei. Schon durch die Anhörung vom 13. Dezember 1999 sei die Grundlage für eine außerordentliche Kündigung gegeben gewesen. Jedenfalls habe die Beklagte durch die Übersendung der Ermittlungsakte Gewissheit über den Kündigungssachverhalt erlangt. Die Auffassung, die Beklagte habe gegenüber der Staatsanwaltschaft "im Wort" gestanden, könne weder auf die StPO noch auf die RiStBV gestützt werden. Auch sei eine erneute Anhörung des Klägers nicht erforderlich gewesen. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung innerhalb der Marktbetriebe begründe sich mit dem fortbestehenden Amt als Vorsitzender von deren Personalrat.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 21. März und 27. August 2002 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18.12.2001 - 5 Ca 1991/01 -

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.03.2001 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den Kündigungszeitpunkt vom 10.03.2001 hinaus als Betriebsangestellten im Rahmen der Marktbetriebe der Stadt Frankfurt am Main gemäß Vergütungsgruppe VI b gemäß Anlage 1 a BAT weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist erneut darauf, dass aufgrund der Anhörung vom 13. Dezember 1999 lediglich ein kleiner Teil der Vorwürfe eingeräumt gewesen sei und dass sie daher die weitere Aufklärung des Tatkomplexes habe abwarten dürfen. Nach der Gewährung von Akteneinsicht habe sie zur vollständigen Sachverhaltsermittlung den Kläger anhören dürfen. Dies sei mit der gebotenen Eile geschehen, da die Beklagte gehalten gewesen sei, die Auflage der Staatsanwaltschaft einzuhalten. Eine Vernehmung des Klägers habe vor der Akteneinsicht seines Verteidigers auch keinen Sinn gehabt.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 17. Juli 2002 und vom 27. März 2003 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 c ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG a.F., 518 ZPO a.F. form- und fristgerecht eingelegt und gemäß §§ 66 Abs. 1 ArbGG a.F., 519 ZPO a.F. rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet und ist daher zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 07. März 2001 aufgelöst worden ist.

1. Aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers im Personalrat der der Beklagten ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung, dass Tatsachen vorliegen, die die Beklagte zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit wird auf den Maßstab von § 626 BGB Bezug genommen (BAG 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - BAGE 80/185, zu II 1; 20. Januar 2000 - 2 ABR 40/99 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40, zu II 2 a). Auch aus der aufgrund der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme anwendbaren Regelung von § 54 BAT ergibt sich keine weitergehende Beschränkung des nach §§ 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG, 626 BGB ohnehin eng begrenzten Kündigungsrechts. Der Begriff des wichtigen Grundes von § 54 Abs. 1 BAT deckt sich mit dem von § 626 Abs. 1 BGB (BAG 20. April 1977 - 4 AZR 778/75 - AP BAT § 54 Nr. 1; 08. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - AP BGB § 626 Nr. 163, zu B I 1).

Danach müssen zur Rechtfertigung der Kündigung Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der Abwägungsentscheidung zugunsten des Arbeitgebers zugrunde zu legen ist bei Funktionsträgern im Sinne von § 15 Abs. 1, Abs. 2 KSchG lediglich die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist eines vergleichbaren Arbeitnehmers ohne betriebs- bzw. personalvertretungsrechtliches Amt und nicht etwa die voraussichtliche Dauer des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit. Dies dient dazu, eine Benachteiligung durch die Innehabung des Amts gegenüber anderen Arbeitnehmern zu vermeiden (BAG 08. August 1968 - 2 AZR 348/67 - AP BGB § 626 Nr. 57, zu III; 06. März 1986 - 2 ABR 15/85 - BAGE 51/200, zu B II 4 a; 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98 - BAGE 91/30, zu B II 3; 27. September 2001 - 2 AZR 487/00 - EzA KSchG § 15 n.F. Nr. 54, zu II 2 b).

Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist - die gemäß § 53 Abs. 1 BAT bis zum 30. September 2001 gelaufen wäre - nicht zumutbar gewesen wäre. Der Kläger hat bereits in seiner ersten Anhörung vom 13. Dezember 1999 die Entgegennahme von Zuwendungen in regelmäßiger Praxis, wenn auch in - bei isolierter Betrachtung des Einzelfalls - geringwertigem Umfang, zugegeben. In der zweiten Anhörung räumte er weitergehend die Entgegennahme von Beträgen bis zu DM 10, 00 ein. Unabhängig von den weiteren Anschuldigungen der Zeugen verletzten bereits die vom Kläger eingestandenen Handlungen seine Pflichten als Angestellter des öffentlichen Dienstes gravierend. Der Kläger verstieß danach zunächst gegen die allgemeine Pflicht von § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT, sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Bereits ein derartiger Verstoß kann, selbst wenn es durch ihn zu keiner konkret messbaren Schädigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes kommt, im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG 08. Juni 2000 a.a.O., zu B I 3 d).

Noch höheres Gewicht hat, dass der Kläger mit diesem Verhalten trotz der wiederholten und mehr als deutlichen Hinweise der Beklagten entgegen § 10 Abs. 1 BAT Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers annahm und entgegen § 10 Abs. 2 BAT der Beklagten nicht mitgeteilt hat, dass ihm derartige Zuwendungen angeboten wurden. Geldzuwendungen sind grundsätzlich keine Aufmerksamkeiten symbolischer Natur, deren Annahme üblicherweise toleriert wird und die dementsprechend nicht anzeigebedürftig sind (vgl. BAG 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - BAGE 99/331, zu II 3). Am schwerwiegendsten ist schließlich, dass die Handlungen - wenn schon nicht den Tatbestand der Bestechlichkeit im Sinne von § 332 Abs. 1 StGB - jedenfalls den Tatbestand der Vorteilsnahme von § 331 Abs. 1 StGB erfüllten, da der Kläger für die Vornahme von Diensthandlungen Vorteile annahm. Dass dies bewusst und mit dem Willen des Klägers geschah, dass es sich daher also um vorsätzliche Pflichtverletzungen handelte, hat der Kläger in keinem Stadium des Rechtsstreits bestritten.

Ein mehrfacher Verstoß eines Angestellten des öffentlichen Dienstes gegen § 10 BAT - und erst recht gegen § 331 StGB - ist zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung gemäß §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT geeignet. Mit § 10 BAT ist eine wesentliche Dienstpflicht normiert, die eine saubere und unbestechliche Dienstausübung gewährleisten soll. Bürger sollen nicht veranlasst werden, zusätzliche Leistungen für Dienste aufzubringen, auf die sie einen Rechtsanspruch haben. Gleichzeitig sollen Bürger, die zusätzliche Leistungen nicht aufbringen wollen oder können, keinen Grund zu der Befürchtung haben, deshalb benachteiligt zu werden. Diese Ziele sind nur dadurch zu erreichen, dass - abgesehen von geringwertigen Aufmerksamkeiten - Belohnungen und Geschenke ganz unterbleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob mit ihnen Amtspflichtverletzungen bewirkt oder belohnt werden sollen. Der Normzweck rechtfertigt ein energisches Einschreiten öffentlicher Arbeitgeber (BAG 15. November 2001 a.a.O., zu II 2).

Nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung, dass sich die Beklagte nicht auf den Ausspruch einer Abmahnung beschränken musste. Die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitete Obliegenheit des Arbeitgebers zur einschlägigen Abmahnung des Arbeitnehmers vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung besteht nicht, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber ohne Konsequenzen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 04. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - BAGE 86/95, zu II 1 d; 08. Juni 2000 a.a.O., zu B I 2 b; 15. November 2001 a.a.O., zu II 4). In solchen Fällen wäre die Verweisung des Arbeitgebers auf eine Abmahnung mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht geeignet, die Gefahr zukünftiger Vertragsverletzungen und damit die Störung des Vertragsverhältnisses auszuräumen.

Dass es sich um gravierende Pflichtverletzungen handelte und dass die Beklagte nicht bereit sein würde, derartige Verhaltensweisen ohne Konsequenzen für das Bestehen des Arbeitsverhältnisses hinzunehmen, musste sich dem Kläger jedenfalls durch das ihm regelmäßig zur Kenntnis gebrachte Merkblatt der Beklagten aufdrängen, mit dem er eingehend über die Rechtslage und insbesondere sondere auch über die ihm drohenden Konsequenzen einschließlich der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses unterrichtet wurde. Eine derartige "antizipierte Abmahnung" hat zwar nicht ohne weiteres dieselbe Warn- und Rügefunktion wie eine echte Abmahnung, kann im Einzelfall bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Abmahnung aber ein dem Arbeitnehmer ungünstiges Ergebnis rechtfertigen (vgl. BAG 05. April 2001 - 2 AZR 580/99 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 32, zu II 3 b; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rdnr. 280; HaKo-KSchG-Fiebig § 1 Rdnr. 240; Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner Kündigungsschutzrecht 5. Aufl. Einl. Rdnr. 139). Dies hat das Arbeitsgericht vorliegend zu Recht angenommen. Der Kläger hat über einen langen Zeitraum vorsätzlich in genauer Kenntnis der im Fall des Bekanntwerdens seines Verhaltens drohenden Folgen gegen elementare Pflichten eines öffentlichen Angestellten verstoßen und damit dokumentiert, sich nicht vertragstreu verhalten zu wollen. Nach einer derartigen Handlungsweise wäre eine Abmahnung einerseits nicht hinreichend erfolgsversprechend und andererseits nicht geeignet gewesen, die eingetretene Störung des Vertragsverhältnisses zu beseitigen, zumal der Kläger auch während der Ermittlungen die Entgegennahme der Zuwendungen nicht offen und vorbehaltlos eingestanden hat. Er versuchte vielmehr zunächst mit dem Schreiben vom 24. November 1999, die sein Verhalten aufdeckende Standbetreiberin als Verleumderin hinzustellen und dadurch die Wahrheit weiter zu verbergen. Auch in den Anhörungen vom 13. Dezember 1999 und 17. März 2000 machte er jeweils nicht von Beginn an umfassende Angaben, sondern offenbarte immer nur das, was sich nach den jeweiligen Vorhaltungen nicht mehr abstreiten ließ. Ein derartiges Verhalten ließ eine Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien und eine störungsfreie Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht erwarten.

Eine Versetzung des Klägers wäre ebenfalls nicht geeignet gewesen, die Störung des Vertragsverhältnisses auszuräumen. Die Möglichkeit der Versetzung ist in der Regel nur bei arbeitsplatzbezogenen, nicht aber bei arbeitsplatzunabhängigen Kündigungsgründen zu prüfen (BAG 08. Juni 2000 a.a.O., zu B III 1; KR-Fischermeier a.a.O. § 626 BGB Rdnr. 292). Der Kläger hat keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz aufgezeigt, an dem die Möglichkeit weiterer Verstöße gegen § 10 BAT oder § 331 StGB ausgeschlossen ist.

Die abschließende Interessenabwägung rechtfertigt kein dem Kläger günstigeres Ergebnis. Zwar haben die Interessen des Klägers am Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses angesichts seines sozialen Besitzstandes aufgrund der Dauer des Arbeitsverhältnisses, unter Berücksichtigung des Alters des Klägers und angesichts der wenig positiven Aussichten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt ein erhebliches Gewicht. Gleichwohl überwiegen die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung. Dies folgt einerseits aus der vom Kläger bewirkten massiven Schädigung öffentlicher Interessen und des Ansehens der Beklagten im Verhältnis zu den betroffenen Standbetreibern, die sich dem mehr oder weniger sanften Druck ausgesetzt sahen, dem Kläger Waren und Einnahmen ohne Gegenleistung zu überlassen, um sich seines Wohlwollens zu versichern. Andererseits belegt das Verhalten des Klägers während der Ermittlungen, dass er sich nicht aus innerer Überzeugung die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eingestanden hat und dass damit nicht davon ausgegangen werden konnte, dass kein Grund mehr für die Annahme bestand, dass mit vergleichbaren Vertragsverletzungen in Zukunft nicht mehr gerechnet werden musste.

2. Die Beklagte hat auch die Ausschlussfrist der §§ 54 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BAT, 626 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB gewahrt.

a) Bedarf die außerordentliche Kündigung eines betriebs- oder personalvertretungsrechtlichen Funktionsträgers der Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats und erteilt dieser die Zustimmung nicht, ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, die Kündigung im Sinne der §§ 54 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BAT, 626 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung über den für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalt auszusprechen. In diesem Fall tritt an die Stelle des Kündigungsausspruchs die Einleitung des arbeits- bzw. verwaltungsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens (BAG 24. April 1975 - 2 AZR 118/74 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 3, zu II 6 b; 24. Oktober 1996 - 2 AZR 3/96 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 32, zu II 1). Die Wahrung dieser Frist ist allerdings im Kündigungsschutzverfahren regelmäßig nicht mehr zu prüfen, wenn das Zustimmungsersetzungsverfahren abgeschlossen ist, da sie Voraussetzung für die Ersetzung der Zustimmung ist und daher von der Präklusionswirkung der rechtskräftigen Ersetzungsentscheidung umfasst wird (BAG 11. Mai 2000 - 2 AZR 276/99 - BAGE 94/313, zu II 2 b). Dies ist im vorliegenden Verfahren anders, da es aufgrund der Erledigung des Zustimmungsersetzungsverfahrens an einer rechtskräftigen Entscheidung fehlt.

b) Die Ausschlussfrist beginnt zu laufen, wenn der Kündigungsberechtigte positiv Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt. Ausschlaggebend sind nicht die ersten vagen Informationen über den Kündigungsgrund. Der Kündigungsberechtigte kann sich vielmehr um eine möglichst vollständige Aufklärung der für und gegen die Kündigung sprechenden Umstände bemühen und geeignete Maßnahmen zur Ermittlung der relevanten Tatsachen ergreifen (BAG 28. Oktober 1971 - 2 AZR 32/71 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 1, zu III 1, 2; 29. Juli 1993 - 2 AZR 90/93 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 31, zu II 1 b). Die Kenntnisse des Kündigenden müssen so fundiert sein, dass sie es ihm erlauben, seiner prozessualen Darlegungs- und Beweislast zu genügen (BAG 29. Juli 1993 a.a.O., zu II 1 c bb; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73, zu II 5). Aufgrund der Beschleunigungsfunktion der Ausschlussfrist wird deren Beginn allerdings nur durch Maßnahmen gehemmt, die der Kündigende bei pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens für notwendig halten durfte. Zudem müssen die Ermittlungen mit der vom Normzweck gebotenen Eile durchgeführt werden. Der Fristbeginn kann durch Aufklärungsmaßnahmen nicht länger als unbedingt nötig herausgeschoben werden (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 32, zu II 1, 3; 28. April 1994 - 2 AZR 730/93 - AP BGB § 626 Nr. 117, zu III 1). Führt der Kündigende die Aufklärungsmaßnahmen nicht mit der notwendigen Zügigkeit durch, beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Ermittlungen bei der gebotenen Eile hätten abgeschlossen sein können (BAG 31. März 1993 a.a.O., zu II 3).

Ob die Aufklärungsmaßnahmen zu neuen Erkenntnissen führen oder nicht, ist für den Fristbeginn irrelevant. Verfolgt der Kündigungsberechtigte geeignete Maßnahmen mit der notwendigen Zügigkeit, bleibt der Fristlauf bis zu deren Abschluss auch dann gehemmt, wenn sie erfolglos bleiben und keine neuen Erkenntnisse liefern (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 2, zu 4; 14. November 1984 - 7 AZR 133/83 - AP BGB § 626 Nr. 89, zu II 4). Hält der Kündigende danach einen bestimmten Kenntnisstand für ausreichend und legt er diesen seiner Kündigung zugrunde, muss er binnen zwei Wochen die Kündigung aussprechen. Anderenfalls verliert er sein Kündigungsrecht (BAG 29. Juli 1993 a.a.O., zu II 1 c dd). Zu den zur Sachverhaltsaufklärung geeigneten Maßnahmen gehört bei verhaltensbedingten Kündigungen die Anhörung des Kündigungsgegners. Diese ist regelmäßig innerhalb einer Frist von einer Woche durchzuführen, die nur aus sachlich erheblichen, verständigen Gründen überschritten werden darf (BAG 06. Juli 1972 - 2 AZR 386/71 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 3, zu I 5, II 3; 12. Februar 1973 - 2 AZR 116/72 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 6, zu 2 c; 10. Juni 1988 - 2 AZR 25/88 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 27, zu III 2 c). Zu den Gründen, die eine Verschiebung der Anhörung über die Wochenfrist hinaus rechtfertigen, gehören neben einer Verhinderung ermittelnder Personen vor allem in der Sphäre des Kündigungsgegners liegende Gründe wie Krankheit oder Abwesenheit (BAG 10. Juni 1988 a.a.O., zu III 3 c; Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler a.a.O. § 626 BGB Rdnr. 210; MünchKomm-Schwerdtner BGB 3. Aufl. § 626 Rdnr. 206).

Von diesem Maßstab ausgehend rügt der Kläger allerdings zu Recht, dass das POA die nach der Gewährung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft noch in Betracht kommende Aufklärungsmaßnahme - die erneute Anhörung des Klägers - nicht rechtzeitig ergriffen hat. Die Einsichtnahme in die Ermittlungsakte führte zwar zu einem neuen Kenntnisstand, der geeignet war, den Lauf der Ausschlussfrist erneut in Gang zu setzen. Der Beklagten waren bis dahin nur die verharmlosende Darstellung des Klägers vom 07. und 13. Dezember 1999 und der kurze Vermerk der Kriminalpolizei vom 23. November 1999 bekannt. Zwar mögen auch die dadurch bereits bekannt gewesenen Umstände zur Kündigungsrechtfertigung ausreichend gewesen sein. Die Beklagte war jedoch nicht zum umgehenden Ausspruch der Kündigung gezwungen, sondern konnte von einer Kündigung aus diesen Gründen absehen, ohne das Recht zu verlieren, nach dem Bekanntwerden der weiteren, bereits aufgrund der erst später vom Kläger eingeräumten höheren Zahlungsbeträge schwerwiegenderen Umstände doch zu kündigen. Für die Annahme eines Verzichts auf das Kündigungsrecht fehlt jede Tatsachengrundlage. Eine entsprechende Zusicherung der Beklagten hat auch der Kläger nicht behauptet.

Nach dem Bekanntwerden der durch die Akteneinsicht gewonnenen neuen Erkenntnisse hätte der Kläger allerdings spätestens binnen Wochenfrist erneut angehört werden müssen. Das Ersuchen der Staatsanwaltschaft, von diesen Kenntnissen zunächst keinen Gebrauch zu machen, bewirkte entgegen der Ansicht der Beklagten keine Hemmung des Fristlaufs. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass eine Rechtsgrundlage für dieses Ersuchen fehlte. Erst recht handelte es sich dabei nicht um eine verbindliche "Auflage". Gemäß Ziffer 185 Abs. 2 Satz 1 der für die Akteneinsicht maßgeblichen, auf landesrechtlicher Grundlage bundeseinheitlich geltenden Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) erhalten öffentliche Körperschaften auf Ersuchen Einsicht in Strafakten, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen. Dieser Anspruch steht nach Ziffer 186 RiStBV nur unter dem Vorbehalt vorrangiger Interessen der Verfahrensbearbeitung. Gründe der Verfahrensbearbeitung standen der Verwertung der Erkenntnisse durch das POA jedoch ersichtlich nicht entgegen. Insbesondere sprachen ermittlungstaktische Gründe nicht dagegen, da die Staatsanwaltschaft auch zur Gewährung von Akteneinsicht zugunsten des Verteidigers des Klägers bereit war.

Angesichts des daher bestehenden, nicht der Disposition der Staatsanwaltschaft unterliegenden Anspruchs der Beklagten auf Akteneinsicht war das Ersuchen der Staatsanwaltschaft kein sachlicher Grund zur Zurückstellung der Anhörung des Klägers, da es keine rechtliche Bindung begründete. Für den Lauf der Ausschlussfrist kommt es lediglich auf die Kenntnis des Kündigungsberechtigten an, nicht aber darauf, ob dessen Informanten mit der kündigungsrechtlichen Verwertung der Informationen zu Lasten des Arbeitnehmers einverstanden sind, sofern nicht aus bestimmten Rechtsgründen ein Verwertungsverbot besteht. Die Bestimmung des Laufs der Ausschlussfrist ist dem Einfluss Dritter entzogen, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um öffentliche Stellen wie die Staatsanwaltschaft handelt.

Auch eine Verpflichtung moralischer Art gegenüber der Staatsanwaltschaft entband die Beklagte nicht von der Obliegenheit, die Anhörung alsbald durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht befugt, ohne rechtliche Grundlage faktische Verwertungsverbote zu schaffen. Der Beklagten hätte es im übrigen frei gestanden, die Staatsanwaltschaft auf die laufende Ausschlussfrist hinzuweisen und ihr anheim zu stellen, anstelle der Beklagten zunächst dem Strafverteidiger Akteneinsicht zu gewähren. Hätte die Beklagte dies vor der Einsichtnahme klargestellt, hätte kein Vertrauensverlust im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft gedroht.

Auch der für die Befolgung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft offensichtlich ursächliche Rechtsirrtum hemmte den Fristlauf nicht. Die §§ 54 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BAT, 626 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB stellen allein auf die Kenntnis der für die Kündigung relevanten Tatsachen, nicht aber auf deren zutreffende rechtliche Einordnung als verwertbarer Kündigungssachverhalt ab. Die ggf. notwendigen rechtlichen Erkundigungen muss der Kündigungsberechtigte innerhalb der Frist einholen, da die Frist gerade dazu dient, Klarheit zu schaffen, ob ein bestimmter bekannter Sachverhalt zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung genommen werden soll (vgl. LAG Hamm 01. Oktober 1998 - 8 Sa 969/98 - LAGE BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 10, zu I 2 c; KR-Fischermeier a.a.O. § 626 BGB Rdnr. 331; APS-Dörner § 626 BGB Rdnr. 129).

Schließlich überzeugt auch der Hinweis der Beklagten nicht, dass eine sachgerechte Anhörung des Klägers erst nach der Akteneinsicht von dessen Verteidiger möglich gewesen sei. Die Anhörung des Arbeitnehmers dient nicht der Erörterung eines gegen diesen anhängigen Strafverfahrens, sondern dazu, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu gewähren, sich eine größere Sicherheit über die von ihm erkannten Kündigungsgründe zu verschaffen. Die Beklagte hätte daher auch vor der Akteneinsicht des Strafverteidigers, ggf. vorab und unter Vorlage von Kopien der aus Sicht der Beklagten relevanten Zeugenaussagen, dem Kläger die Gründe mitteilen können, die sie für ihren Kündigungsentschluss als ausschlaggebend ansah. Dann wäre bereits kurz nach der Übermittlung der Strafakte an die Beklagte eine sachgerechte Anhörung des Klägers zu den neuen Erkenntnissen möglich gewesen.

c) Die Ausschlussfrist ist jedoch deshalb gewahrt, weil die Verzögerung der Sachverhaltsaufklärung lediglich den Mitarbeitern des POA zur Last fällt und dies der Beklagten nicht zurechenbar ist. Da mit der Betriebssatzung die mit § 9 Abs. 2 EBG gewährte Möglichkeit, die Befugnis zur Entscheidung über Entlassungen der im Bereich eines Eigenbetriebes Beschäftigten auf die Betriebsleitung zu übertragen, nicht genutzt wurde, war für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist die Kenntnis des gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO für Kündigungen von Gemeindebediensteten zuständigen Gemeindevorstands maßgeblich. Bei juristischen Personen kommt es für den Fristbeginn auf die Kenntnis des Organs an, das gesetzlich oder nach der Satzung für die Entscheidung über die Kündigung zuständig ist. Das Wissen einzelner Mitglieder des Gremiums setzt den Lauf der Frist nicht in Gang, da das Gremium als Kollektiv zur Entscheidung berufen ist und die Entscheidung erst nach förmlicher Einberufung im Rahmen einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Sitzung treffen kann (vgl. etwa BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 33, zu II 3; 25. Februar 1998 - 2 AZR 279/97 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 195, zu II 5; 11. März 1998 - 2 AZR 287/97 - AP BGB § 626 Nr. 144, zu II 5; BGH 15. Juni 1998 - II ZR 318/96 - BGHZ 139/89, zu I). Dieser Grundsatz ist auch auf Körperschaften des öffentlichen Rechts anwendbar. So ist das Wissen des Bürgermeisters einer Kommune unerheblich, wenn nach der einschlägigen Gemeindeordnung nicht er, sondern der Gemeindevorstand kündigungsberechtigt ist (BAG 20. April 1977 - 4 AZR 778/75 - AP BAT § 54 Nr. 1; 18. Mai 1994 a.a.O., zu II 3 b; VGH Mannheim 28. November 1995 - PL 15 S 2169/94 - PersR 1996/439).

Dies gilt auch für das hessische Gemeinderecht. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO obliegt die Entscheidung über die Entlassung von Gemeindebediensteten dem Gemeindevorstand und nicht etwa dem Bürgermeister oder anderen Gremien. Allein ausschlaggebend ist daher der Kenntnisstand des Gemeindevorstands als Organ. Dem Gemeindevorstand pflichtwidrig nicht oder nicht unverzüglich weitergegebene Kenntnisse anderer Mitglieder der Gemeindeverwaltung einschließlich des Bürgermeisters können nach den Grundsätzen der Wissensvertretung (vgl. hierzu BAG 05. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 11, zu II 3 a; 18. Mai 1994 a.a.O., zu II 3; 25. Februar 1998 a.a.O., zu II 5 c) der Gemeinde nur zugerechnet werden, wenn die Stellung des Mitglieds es erwarten ließ, dass es den Gemeindevorstand über den Kündigungssachverhalt unterrichten werde, und wenn eine mangelhafte Organisation für die Verzögerung der Kenntnisweitergabe ursächlich und der Gemeinde eine andere Organisation zumutbar war. Dem Bürgermeister obliegt daneben ggf. die Verantwortung, eine Sitzung des Gemeindevorstands einzuberufen (vgl. BAG 18. Mai 1994 a.a.O., zu II 3; dagegen für das hessische Gemeinderecht zu Unrecht auf die Kenntnis des Bürgermeisters abstellend VGH Kassel 27. September 1994 - TL 1511/94 - ZTR 1995/229; zutreffend die Kündigungsbefugnis des Gemeindevorstands nach § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO betonend BAG 07. November 2002 - 2 AZR 493/01 - AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 18, zu II 1b).

Die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens am 31. März 2000 war danach nicht verfristet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Magistrat der Beklagten noch überhaupt keine Kenntnis von den zum Anlass der Kündigung gemachten Umständen. Selbst wenn es jedoch auf die Kenntnisse der Oberbürgermeisterin der Beklagten ankäme, wäre dies unschädlich, weil auch diese erst am 27. März 2000 und damit nur vier Tage vor der Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens unterrichtet wurde. Die bereits seit 17. Februar 2000 bestehenden Kenntnisse des POA lösten den Fristlauf nicht aus. Das POA war weder aufgrund der HGO noch aufgrund der Bestimmungen der AGA zur Entscheidung über die Kündigung von Arbeitsverhältnissen befugt. Letzteres würde nach § 71 Abs. 1 Satz 3 HGO eine gesonderte Beauftragung durch den Magistrat voraussetzen (vgl. BAG 07. November 2002 a.a.O., zu II 1 b - d).

Allerdings haben die Mitarbeiter des AGA die Stellung von Wissensvertretern. Da das POA gemäß Ziff. 3.13.3 AGA für die Bearbeitung von Personalangelegenheiten zuständig ist, ist von dessen Mitarbeitern aufgrund ihrer Stellung zu erwarten, dass diese den Magistrat als für die Entscheidung über Kündigungen zuständiges Gremium unverzüglich unterrichten, wenn ihnen in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit Umstände bekannt werden, die Anlass einer außerordentlichen Kündigung eines Angestellten der Beklagten sein können. Dass die durch die Akteneinsicht erlangten Informationen wegen des nicht verbindlichen Ersuchens der Staatsanwaltschaft zunächst nicht weitergegeben wurden, verstieß gegen diese Obliegenheit. Die Zurechnung der Kenntnisse der Mitarbeiter des POA scheidet jedoch deshalb aus, weil die Verzögerung der Weitergabe nicht auf einem Organisationsverschulden der Beklagten beruhte. Das vorläufige Unterbleiben der Unterrichtung der Oberbürgermeisterin als der nach § 69 Abs. 1 Satz 1 HGO für die Einberufung der Sitzungen des Magistrats und nach § 70 Abs. 1 Satz 1 HGO für die Vorbereitung dieser Sitzungen Verantwortlichen beruhte ausschließlich auf der Fehleinschätzung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft, die durch die Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse zunächst nicht zu verwerten. Dies wird dadurch belegt, dass das POA nach der "Freigabe" der Informationen durch die Staatsanwaltschaft unverzüglich die zweite Anhörung des Klägers durchführte und sodann die Oberbürgermeisterin unterrichtete und die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens innerhalb von zwei Wochen durch seine vorbereitenden Tätigkeiten gewährleistete. Die Tätigkeit des POA allgemein betreffende Organisationsmängel sind daher nicht feststellbar.

Den Umstand, dass keine Vorgaben vorhanden waren, die das POA trotz des Ersuchens der Staatsanwaltschaft zu einer sofortigen Weitergabe der Informationen anhielten, hat die Beklagte nicht als Organisationsverschulden zu vertreten. Das Ersuchen der Staatsanwaltschaft war ein außergewöhnlicher Vorgang. Ein vergleichbarer Sachverhalt war, soweit ersichtlich, noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung. Auch in der arbeitsrechtlichen Literatur finden sich keine einschlägigen Ausführungen. Gegen das Vorliegen eines Verschuldens spricht zudem, dass mit dem Verwaltungsgericht und mit dem Arbeitsgericht zwei Kollegialgerichte die Einschätzung der Beklagten über die hemmende Wirkung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft teilten. Umso weniger konnte von der Beklagten erwartet werden, vorsorglich organisatorische Vorkehrungen für den Eintritt eines derart ungewöhnlichen Falles zu treffen.

d) Das Kündigungsersuchen wurde an zuständigen Personalrat gerichtet. Personalvertretungsrechtlich gelten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 22. Halbsatz HPVG Eigenbetriebe als selbständige Dienststellen. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers dem Eigenbetrieb zugeordnet war, hat die Beklagte nach § 83 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 HPVG zu Recht den Personalrat des Eigenbetriebs als Beschäftigungsdienststelle beteiligt.

e) Das Mitbestimmungsverfahren konnte wirksam von der Oberbürgermeisterin eingeleitet werden. Zwar wäre gemäß §§ 83 Abs. 1 Satz 1, 69 Abs. 2 Satz 1, 8 Abs. 2 Satz 4 HPVG auch der Eigenbetriebsleiter als Leiter der Beschäftigungsdienststelle im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 22. Halbsatz HPVG zuständig gewesen. Da jedoch mangels einer Übertragung nach § 9 Abs. 2 EBG die Entscheidung über die Entlassung gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO beim Gemeindevorstand lag, konnte die Oberbürgermeisterin als Leiterin der zur Entscheidung berufenen Dienststelle aufgrund der §§ 83 Abs. 1 Satz 2, 69 Abs. 2 Satz 1, 8 Abs. 2 Satz 1 HPVG die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens an sich ziehen. Selbst wenn sie jedoch nicht zuständig gewesen wäre, wäre dies unschädlich, da der Personalrat dies nicht gerügt hat. Wird ein personalvertretungsrechtliches Beteiligungsverfahren nicht von dem zuständigen Dienststellenleiter, sondern von einer unzuständigen anderen Person durchgeführt, ist die Beteiligung nur unwirksam, wenn der Personalrat dies rügt. Akzeptiert der Personalrat dagegen die Vertretung, ist dem Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess die Berufung auf die fehlende Zuständigkeit verwehrt (ständige Rechtsprechung, etwa BAG 26. Oktober 1995 - 2 AZR 743/94 - AP BPersVG § 79 Nr. 8, zu II 2 d; 13. Juni 1996 - 2 AZR 402/95 - AP LPVG Sachsen-Anhalt § 67 Nr. 1, zu II 2; 25. Februar 1998 - 2 AZR 226/97 - AP LPVG NW § 72 a Nr. 2, zu II 2 b; a.A. MünchArbR-Berkowsky 2. Aufl. § 147 Rdnr. 135, der den personalvertretungsrechtlichen Kompetenznormen zu Unrecht einen indivdiualschützenden Zweck zubilligt).

3. Mit der Kündigung vom 07. März 2001 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis schließlich auch unverzüglich nach der Mitteilung der Zustimmungsentscheidung des Personalrats gekündigt (§ 91 Abs. 5 SGB IX analog).

III.

Die Kosten der Berufung sind gemäß § 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind. Als Revisionsgrund im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG käme lediglich die Frage in Betracht, welche Auswirkungen ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft, durch Akteneinsicht gewonnene Erkenntnisse zunächst nicht zu verwerten, auf den Lauf der Frist der §§ 626 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB, 54 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BAT hat. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits beruht jedoch nicht tragend auf dieser zugunsten des Klägers beantworteten Frage.

Ende der Entscheidung

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