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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 31.08.2007
Aktenzeichen: 12 Sa 387/05
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 3
BetrVG § 78 Abs. 2
BGB § 307
BGB § 823 Abs. 2
1. Zum Schadensersatzanspruch eines Betriebsratsmitglieds gegen den Arbeitgeber aufgrund stark zurückgegangener Berücksichtigung beim Arbeitseinsatz zu zuschlagspflichtigen Arbeitzeiten seit seiner Wahl in den Betriebsrat.

2. § 37 Abs. 3 BetrVG geht bei der Vergütung von außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleisteter Betriebsratstätigkeit von einem Vorrang des Freizeitausgleichs aus. Erst wenn dieser verlangt wurde, seine Gewährung jedoch aus berieblichen Gründen unmöglich ist, kann die Vergütung der Zeit als Mehrarbeit verlangt werden (BAG 25.08.99 - 7 AZR 713/97).

3. Die Unwirksamkeit der 1. Strafe (6 Wochen) einer zweistufigen vertraglichen Ausschlussfrist führt auch zur Unwirksamkeit der an sich lang genug bemessenen dreimonatigen 2. Strafe; denn die Klausel ist insoweit nicht teilbar (§ 307 BGB)


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 2004, Az.: 19 Ca 4173/04, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.804,08 EUR (in Worten: Viertausendachthundertvier und 08/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 8/15 und die Beklagte zu 7/15 zu tragen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers für außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit und über einen Minderverdienstausgleich für einen geringeren Arbeitseinsatz zu zuschlagspflichtigen Arbeitszeiten seit seiner Wahl in den Betriebsrat.

Der Kläger ist seit dem 14.3.1994 als Sachbearbeiter zu einem Stundenlohn von zuletzt EUR 15,71 brutto in der telefonischen Kundenbetreuung bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 10.3.1994 enthält u.a. folgende Regelungen: es ist ein kalenderjährliches Arbeitszeitdeputat von 1040 Stunden, unter Berücksichtigung des Urlaubs 896 Stunden, vereinbart (Zif. 2). Seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden. Die kon-kreten Arbeitseinsätze und die Lage der Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen und werden, nach Möglichkeit unter Berücksichtigung der Wünsche des Mitarbeiters, von der Beklagten festgelegt (Zif.5). Die Geltendmachung von Ansprüchen unterliegt einer Verfallfrist (Zif. 16). Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sechs Wochen nach ihrer Fälligkeit, es sei denn, sie werden innerhalb dieses Zeitraums gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht. Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und lehnt die Gegenseite seine Erfüllung ab, so ist der Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.

Neben dem Arbeitsvertrag enthält die Betriebsvereinbarung vom 26.10.1998 in Zif. 10.2 weitere Regelungen zur Lage der Arbeitszeit der Mitarbeiter mit Jahresarbeitszeitdeputat. Auf die Regelungen der Betriebsvereinbarung wird Bezug genommen (Bl. 13 - 23 d.A.). Seit Ende 2003 setzt die Beklagte bei der Personaleinsatzplanung das Computersystem A ein, in dem die Mitarbeiter ihre Einsatzwünsche hinterlegen können.

Der Kläger arbeitete in der Vergangenheit häufig zu zuschlagspflichtigen Zeiten in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen und erhielt im Zeitraum Mai 2001 bis Mai 2002 im Monatsdurchschnitt € 639,66 brutto an Zuschlägen. Am 25.5. 2002 wurde der Kläger in den Betriebsrat gewählt. In der Folge setzte die Beklagte den Kläger in wesentlich geringerem Umfang zu zuschlagspflichtigen Zeiten ein. Im Zeitraum Juni 2002 bis Januar 2004 reduzierten sich seine Einkünfte aus den Zuschlägen im Monatsschnitt um € 400,36 auf € 239,32 brutto. Die Betriebsratstätigkeit findet ausschließlich zu Zeiten statt, die nicht zu den zuschlagspflichtigen Arbeitszeiten zählen. Soweit Betriebsratstätigkeit anfiel, wies die Beklagte dem Kläger Arbeitseinsätze während dieser Zeit zu.

Der Kläger forderte die Beklagte mit E-Mail vom 29.1.2003 auf, ihm seine entgangenen Zuschläge zu ersetzen (Bl. 206 d.A.). Die Beklagte lehnte die Zahlung mit E-Mail vom gleichen Tage ab (Bl. 206 d.A.). In der Folge machte der Kläger durch Schreiben seiner Gewerkschaft vom 14.4.2003 und vom 18.7.2003 den Ausfall bei den Sonntags- und Nachtzuschlägen für die Zeit von Februar bis Juli 2003 sowie mit Schreiben vom 2.12.2003 für die Zeit von Mai 2002 bis November 2003 gegenüber der Beklagten geltend. Auf den Inhalt der genannten Schreiben wird Bezug genommen (Bl. 204, 464 - 467 d.A.).

Der Kläger hat behauptet, der verminderte Einsatz zu zuschlagspflichtigen Zeiten sei allein auf seine Wahl in den Betriebsrat zurückzuführen; denn sie habe zeitgleich mit seinem Amtsantritt eingesetzt. Die mit ihm vergleichbaren Mitarbeiter (B,C,D,E,F und G), die ebenfalls auf der Basis eines Jahresarbeitszeitdeputats in Teilzeit tätig seien, hätten nach Mai 2002 keine Einbußen bei den Zuschlägen hinnehmen müssen.

Der Kläger hat weiter behauptet, er habe in den Jahren 2002 und 2003 über die Erfüllung seines Arbeitszeitdeputats hinaus insgesamt 159,72 Stunden Betriebsratstätigkeit erbracht. Diese Zeiten seien ihm gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG als Mehrarbeit einschließlich Zuschlägen zu vergüten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 7.606,45 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung - 27.5.2004 - zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 2.608,22 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung - 27.5.2004 - zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Rückgang des Einsatzes des Klägers zu zuschlagspflichtigen Zeiten sei zum einen in seiner umfangreichen Betriebsratstätigkeit und zum anderen in betrieblichen Veränderungen im Arbeitsbereich Telefonische Kundenbetreuung begründet. Die Beklagte habe die Mitarbeiterkapazitäten für Einsätze zu zuschlagspflichtigen Zeiten seit 2002 schrittweise reduziert. Die Zahl der eingesetzten Mitarbeiter sei um die Hälfte reduziert worden, indem pro Schicht weniger Mitarbeiter eingesetzt und nur noch Schichten von 4 - 5 Stunden Länge gearbeitet werden. Fünf der insgesamt 13 Mitarbeiter des Teams 3, dem der Kläger angehört und mit denen er sämtlich vergleichbar sei, hätten nach Mai 2005 Einbußen bei den Zuschlägen hinnehmen müssen, und zwar zwischen 17 - 63 %. Zwei weitere Mitarbeiter haben Zuschläge in unveränderter Höhe erhalten und fünf Mitarbeiter hatten Zuwächse zu verzeichnen. Daraus ergebe sich, dass der Kläger die erlittenen Einbußen auch ohne seine Wahl in den Betriebsrat erlitten hätte. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, aufgrund des Verbrauchs seines Arbeitszeitdeputats für Betriebratstätigkeit in Ausübung ihres Direktionsrechts berechtigt gewesen zu sein, den Kläger nicht zusätzlich an Wochenenden zu Arbeitseinsätzen einzuteilen. Soweit der Kläger behauptet, er habe außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit erbracht, hat die Beklagte bestritten, dass es sich dabei um erforderliche Betriebsratstätigkeit gehandelt habe.

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 25.11.2004 (Az.; 19 Ca 4173/04) die Klage abgewiesen. Für die Begründung des Urteils wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 228 - 231 d.A.).

Der Kläger hat gegen das ihm am 28.1.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 28.2.2005 Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.5.2006 am 11.5.2006 begründet.

Der Kläger behauptet, bis zu seiner Wahl in den Betriebsrat fast ausschließlich Arbeitseinsätze zu zuschlagspflichtigen Zeiten eingetragen zu haben und auch so eingesetzt worden zu sein. Auch nach seiner Wahl habe er sich weiterhin für solche Einsätze eingetragen, sei aber erheblich weniger zu den gewünschten Zeiten eingesetzt worden. Bei den anderen von ihm bereits als vergleichbar genannten Mitarbeitern sei das nicht der Fall gewesen. Sie hätten weiterhin in derselben Höhe Zuschläge erhalten. Vergleichbar seien diese sechs Kollegen, weil sie mit dem gleichen Jahresarbeitszeitdeputat im Call - Center tätig seien, und zwar ebenfalls fast ausschließlich zu zuschlagspflichtigen Arbeitszeiten. Der Kläger behauptet weiter, die Beklagte habe zwar die Anzahl der Mitarbeiter pro Schicht im Call-Center reduziert, jedoch gleichzeitig auch die Zahl der Mitarbeiter mit der Folge, dass die Anzahl der pro verbliebenem Mitarbeiter zu leistenden zuschlagspflichtigen Einsatzzeiten nicht geringer geworden sei. 50 % seiner Arbeitszeit habe die Beklagte von vornherein für die immer außerhalb zuschlagspflichtiger Zeiten stattfindende Betriebsratstätigkeit verplant.

Zum Anspruch auf Bezahlung von Überstunden behauptet der Kläger, diese seien durch die Teilnahme an den regelmäßigen Betriebsratssitzungen und an Seminaren entstanden. Im Jahre 2002 seien 73,08 und im Jahre 2003 seien 96,79 Stunden an Überstunden angefallen. Diese seien ihm, über den in erster Instanz eingeklagten Betrag hinaus, mit insgesamt EUR 2.773,98 brutto zu vergüten.

Der Kläger beantragt,

- unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 25. November 2004, Az.: 19 Ca 4173/04, die Beklagte zu verurteilen,

- an den Kläger 7.606,45 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2004 zu zahlen;

- an den Kläger 2.773,98 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie behauptet, den Kläger beim Einsatz zu zuschlagspflichtigen Zeiten nicht benachteiligt zu haben. Der Kläger sei auch in der Vergangenheit nicht ausschließlich oder überwiegend zu solchen Zeiten eingesetzt worden. Außerdem habe er keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf bestimmte Arbeits-einsatzzeiten. Die bewusste Benachteiligung sei zudem durch den Einsatz des Personalplanungstools (A), das die hinterlegten Wünsche der Mitarbeiter gleichmäßig berücksichtige, ausgeschlossen. Die Beklagte wiederholt ihre Behauptung, die Zahl der Einsatzstunden im Call - Center zu zuschlagspflichtigen Zeiten von 2002 bis Mitte 2005 fast um die Hälfte reduziert zu haben, indem sie weniger Mitarbeiter zeitgleich eingesetzt und die Schichten verkürzt habe. Die Reduzierungen wirkten sich bei den Mitarbeitern unterschiedlich aus. Bei fünf der 13 Mitarbeiter im Team des Klägers haben sie zu einer Erhöhung der Einkünfte aus Zuschlagszahlungen geführt, bei zweien seien die Zahlungen unverändert geblieben, bei weiteren fünf außer dem Kläger jedoch haben sie zur Verringerung der Einkünfte geführt. Für die Einzelheiten zur Entwicklung der Zahlung von Zuschlägen für sämtliche Mitarbeiter im Team 3 wird auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 24.5.2006 (Bl. 364 - 375 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 10.2.2006, 6.7.2007 und 20.7.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ § 8 ArbGG, 64 Abs. 1, 2 b ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 Abs. 1, 3 ZPO).

Die Berufung ist in der Sache teilweise erfolgreich. Die Klage ist insoweit begründet, als dem Kläger für die Zeit von Januar 2003 bis Januar 2004 gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 78 Abs. 2 BetrVG Anspruch auf eine Ausgleichzahlung für die Mindereinnahmen aus Zuschlägen für den Arbeitseinsatz an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht in Höhe von € 4.804,32 brutto zusteht. Soweit der Kläger die Zahlung dieser Leistung für das Jahr 2002 verlangt hat, sind die Ansprüche gemäß § 16 Arbeitsvertrag verfallen. Ansprüche des Klägers auf Vergütung von Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit in den Jahren 2002 und 2003 als Mehrarbeit gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG bestehen nicht.

1. Dem Kläger steht gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 78 Abs. 2 BetrVG im Wege des Schadensersatzes ein Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs für die seit seiner Wahl in den Betriebsrat entgangenen Mindereinnahmen aus tariflichen Zuschlägen für den Arbeitseinsatz an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht zu.

§ 87 Abs. 2 BetrVG untersagt dem Arbeitgeber jede Handlung, durch die ein Betriebsratsmitglied ausschließlich oder überwiegend wegen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Rahmen der Betriebsverfassung benachteiligt wird. Unter Benachteiligung ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern zu verstehen, die nicht aus sachlichen oder in der Person des Betroffenen liegenden Gründen, sondern um ihrer Tätigkeit innerhalb der Betriebsverfassung willen erfolgt. Eine besondere Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass ein Betriebsratsmitglied bei objektiver Betrachtung schlechter gestellt ist als ein Nichtmitglied. Das Benachteiligungsverbot erstreckt sich auf sämtliche Bestandteile der Vergütung sowie auf die berufliche Entwicklung. Eine Schlechterstellung ist nur dann in Kauf zu nehmen, wenn sie für alle Arbeitnehmer des Betriebes, der Betriebsabteilung oder der Beschäftigtengruppe gilt.

Schuldhafte Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot können Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen, weil § 87 Abs. 2 BetrVG ein Schutzgesetz im Sinne dieser Bestimmung ist. Die Beweislast trägt grundsätzlich derjenige, der die unzulässige Benachteiligung behauptet; jedoch können die Regeln des Beweises des ersten Anscheins zur Anwendung gelangen. Danach wird oft eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass zwischen der Amtstätigkeit und der Benachteiligung ein Ursachenzusammenhang besteht (vgl. zusammenfassend FESTL BetrVG 23. Aufl. § 78 Rz. 17, 19 - 21 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; DKK/Buschmann BetrVG 10. Aufl. § 78 Rz. 18, 21 - 24).

Nach den hier ausgeführten Grundsätzen wird der Kläger nach dem Beweis des ersten Anscheins aufgrund seiner Wahl in den Betriebsrat von der Beklagten dadurch benachteiligt, dass er weitaus geringer zu zuschlagspflichtigen Zeiten eingesetzt wird als vor der Wahl und dies bei anderen Mitarbeitern seines Teams, die dieselbe Tätigkeit im Call - Center verrichten wie er, nicht der Fall ist. Unstreitig ist der Kläger ab dem Zeitpunkt seiner Wahl in den Betriebsrat am 25.5.2002 bis zum Januar 2004 in erheblichem Umfang weniger zu zuschlagspflichtigen Zeiten zur Arbeit eingesetzt worden als vorher. Das hatte zur Folge, dass er im Vergleich zum Referenzzeitraum von Mai 2001 bis zu seiner Wahl im Monatsdurchschnitt € 400,36 brutto weniger an Einkünften aus Zuschlägen erhalten hat. Nach den eigenen Ausführungen der Beklagten gehen die Mindereinnahmen auf jeden Fall im Umfang der erbrachten Betriebsratstätigkeit, die bis zu 50 % seiner Arbeitszeit in Anspruch nahm, allein auf seine Wahl in den Betriebsrat zurück. Auch wenn die Beklagte in Ausübung ihres Direktionsrechts das Recht haben sollte, den Kläger zu anderen als zuschlagspflichtigen Zeiten einzusetzen, so darf dem Kläger daraus jedoch kein Nachteil bei der Vergütung erwachsen, wenn die Ausübung des Direktionsrechts in einer bestimmten Weise auf die Amtstätigkeit des Klägers zurückzuführen ist. Die Beklagte hat darüber hinaus nicht vermocht, schlüssig darzulegen, dass außerdem noch vom Kläger hinzunehmende betriebliche Gründe, die alle Mitarbeiter der Beschäftigtengruppe des Klägers in gleicher Weise einschließlich Verdiensteinbußen betroffen haben, zur Verminderung der Einsätze zu zuschlagspflichtigen Zeiten und der Einkünfte aus Zuschlägen geführt haben. Sie hat damit die Vermutung, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Amtstätigkeit und der Benachteiligung besteht, nicht widerlegt. Die Beklagte ist bei ihren Ausführungen dazu, seit dem Jahre 2002 die Einsatzkapazitäten an Wochenenden fast auf die Hälfte reduziert und dass im Wesentlichen durch den Einsatz einer geringeren Zahl von Mitarbeitern pro Schicht und einer Verkürzung der Schichten erreicht zu haben, nicht auf den erheblichen Einwand des Klägers eingegangen, sie habe in demselben Zeitraum auch die Zahl der Mitarbeiter in einem Ausmaß verringert, dass die Einsatzzeiten am Wochenende pro verbliebenem Mitarbeiter sich nicht verringert hätten. Nach den Ausführungen der Beklagten, die keine konkreten Zahlen enthalten, ist nicht nachvollziehbar, wie viele Einsatzstunden es zu zuschlagspflichtigen Zeiten bis Ende Mai 2002 gab, in welchem Umfang sie abgebaut wurden und in welchem Umfang sich in demselben Zeitraum die Zahl der im Call - Center arbeitenden Mitarbeiter verändert hat. Damit ist nicht bestimmbar, in welchem Umfang das mögliche Volumen von Einsatzstunden zu zuschlagspflichtigen Zeiten an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht pro Mitarbeiter tatsächlich zurückgegangen ist. Des Weiteren hat die Beklagte ausgeführt, dass die behaupteten Reduzierungen sich bei den dreizehn Mitarbeitern des Team 3, zu dem auch der Kläger gehört, unterschiedlich ausgewirkt haben. Dabei fällt auf, dass sie bei insgesamt sieben Mitarbeitern entweder zu keiner Minderung der Einkünfte aus Zuschlägen oder gar einer Erhöhung um durchschnittlich 39 % geführt haben und, soweit fünf Mitarbeiter ebenfalls Einbußen erlitten haben, diese im Durchschnitt bei 24 % liegen, während die Einkünfte des Klägers sich um 63 % verringert haben. Im Ergebnis ist nicht zu erkennen, dass hier betriebliche Gründe zu einer Verringerung der Arbeitseinsätze zu zuschlagspflichtigen Zeiten und daraus folgend zu einer auf alle Schultern gleichmäßig verteilten Last in Form verringerter Einkünfte aus Zuschlägen geführt haben, die der Kläger auch nach seiner Wahl in den Betriebsrat mit allen anderen Kollegen im Team, die dieselbe Tätigkeit im Call - Center verrichten, im selben Maße mit zu tragen hätte. Hier ist richtigerweise, ohne Berücksichtigung von Voll- oder Teilzeit oder BAV- oder Nicht-BAV-Kräften auf die 13 Mitglieder des Team 3, die alle dieselbe Tätigkeit verrichten, als Vergleichsgruppe abzustellen. Die Beklagte widerlegt sich mit ihrem eigenen Vortrag, wenn sie ausführt, dass sieben Mitarbeiter Steigerungen erfahren oder stabile Zahlungen erhalten haben.

Das Verschulden der Beklagten ergibt sich daraus, dass sie den Kläger bewusst zu Zeiten, zu denen Betriebsratstätigkeit anstand, statt zu zuschlagspflichtigen Zeiten zur Arbeit eingesetzt hat.

Der Höhe nach war die Beklagte zur Zahlung der unstreitigen durchschnittlichen monatlichen Differenz von € 400,36 brutto zwischen den Einkünften während der jeweiligen Referenzzeiträume vor und nach seiner Wahl in den Betriebsrat zu verurteilen. Da allerdings die Ansprüche für die sieben Monate im Jahre 2002 (€ 2.802,52 von Juni - Dezember) aufgrund der Ausschlussfrist in § 16 Arbeitsvertrag verfallen sind (s.u.) und der Kläger rechnerisch die Differenz nur für 19 statt 20 Monate eingeklagt und diesen Rechenfehler auf ausdrücklichen Hinweis des Gerichts nicht berichtigt hat, konnte nur die zwölffache Differenz ausgeurteilt werden.

Der Kläger hat weniger eingeklagt als ihm für den Klagezeitraum Juni 2002 bis einschließlich Januar 2004 (20 Monate) zusteht. Nach dem Gedanken des § 366 Abs. 2 BGB sind die von der Beklagten zu erbringenden Leistungen zunächst auf die älteren Schulden anzurechnen. Das führt dazu, dass von dem Verfallszeitraum im Jahre 2002 sieben Monatszahlungen erfasst werden und für den Monat Januar 2004 dem Kläger kein Betrag mehr zugesprochen werden kann.

Die Ansprüche des Klägers für das Jahr 2002 sind aufgrund der Ausschlussfrist in § 16 Arbeitsvertrag verfallen, die Ansprüche ab Januar 2003 hingegen nicht.

Nach § 16 Arbeitsvertrag verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sechs Wochen nach ihrer Fälligkeit, es sei denn, sie werden innerhalb dieses Zeitraums gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht. Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und lehnt die Gegenseite seine Erfüllung ab, so ist der Anspruch innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.

Da die Ausschlussfrist in einem Formulararbeitsvertrag vereinbart ist, den die Beklagte nicht nur gegenüber dem Kläger verwendet hat, stellt sie eine allgemeine Geschäftsbedingung dar und unterliegt grundsätzlich der AGB-Kon-trolle. Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB sind auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1.1.2002 begründet worden sind, die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen erst ab dem 1.1. 2003 anzuwenden. Für das Jahr 2002 gilt demnach noch die alte Rechtslage.

Nach der alten Rechtslage ist die Ausschlussfrist in § 16 Arbeitsvertrag zulässig (§§ 138, 242 BGB). Das Bundesarbeitsgericht hat einstufige wie zweistufige Ausschlussklauseln mit einer Frist zur Geltendmachung von je einem Monat als wirksam angesehen (BAG Urt. v. 13.10.2000 - 10 AZR 168/00 - BAGE 96,371; Urt. v. 27.2.2002 - 9 AZR 543/00 - BB 2002, 2285; ebenso rechtskräftig in einem Rechtsstreit zwischen den Parteien vom Arbeitsgericht Frankfurt mit Urteil vom 15.3.2007 - 19/11 Ca 1865/04 entschieden).

Der Kläger hat hinsichtlich der Ansprüche für das Jahr 2002 auf jeden Fall die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung nicht eingehalten. Er hat die Ansprüche für 2002 erstmals mit E-Mail vom 29.1.2003 (Bl. 206 d.A.) geltend gemacht. Die Beklagte hat sie mit E-Mail vom selben Tage abgelehnt (Bl. 206 d.A.). Danach hätte der Kläger bis zum 29.4.2003 Klage erheben müssen. Tatsächlich hat er die Klage allerdings erst am 3.5.2004 eingereicht. Die Ansprüche sind damit verfallen.

Für die Ansprüche ab Januar 2003 hat der Kläger zwar teils die erste, teils die zweite Stufe der Verfallfrist nicht eingehalten. Darauf braucht jedoch nicht im Detail eingegangen zu werden, weil hier gilt, dass keine Stufe der Ausschlussfrist zur Anwendung kommt; denn die Klausel ist insgesamt nach § 307 BGB unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 25.5.2005 - 5 AZR 572/05 und vom 28.9.2005 - 5 AZR 52/05; juris) sind Fristen von weniger als 3 Monaten sowohl für die schriftliche (1. Stufe) als auch für die gerichtliche (2. Stufe) Geltendmachung gemäß § 307 BGB unwirksam. Sie stellen eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben dar (§ 307 Abs.1 S. 1 BGB), sind mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und schränken wesentliche Rechte, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben so ein, dass die Erreichung des Vertragswecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die unangemessen kurze Frist führt dazu, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist und ersatzlos wegfällt (§ 306 Abns. 1 u. 2 BGB).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt unmittelbar zur Unwirksamkeit der lediglich auf sechs Wochen bemessenen ersten Stufe der Ausschlussfrist. Sie hat aber auch die Unwirksamkeit der, isoliert betrachtet, hinreichend langen zweiten Stufe der Ausschlussfrist zur Folge; denn die Klausel ist insoweit nicht teilbar (anderer Ansicht ErfK/Preis 7. Aufl. § 194 - 218 BGB unter Berufung auf das Urteil des BAG vom 28.9.2005, der der Entscheidung zugrunde liegende Fall hatte jedoch nur eine einstufige Frist zum Prüfungsgegenstand). Der Beginn der zweiten Stufe der Ausschlussfrist wird hier durch die Ablehnung des Anspruchs durch den Arbeitgeber ausgelöst. Sähe man die zweite Stufe der Ausschlussfrist als wirksam an, hätte das eine nach dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht hinnehmbare Schlechterstellung desjenigen Arbeitnehmers zur Folge, der vor einer Klageerhebung seine Ansprüche zunächst gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht hat, ohne dazu aufgrund der Unwirksamkeit der ersten Stufe verpflichtet gewesen zu sein; denn der Arbeitgeber wird in der Regel erst durch eine Geltendmachung der Ansprüche ihm gegenüber veranlasst, die Ansprüche abzulehnen. Die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber schafft so für den Arbeitnehmer einen erhöhten Zeitdruck für de Einreichung einer Klage. Bei dem Arbeitnehmer hingegen, der seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber nicht geltend macht, sondern irgendwann vor Ablauf der Verjährungsfristen direkt zur gerichtlichen Geltendmachung schreitet, wird der Arbeitgeber in der Regel nicht zur Ablehnung der Ansprüche veranlasst und der Beginn der zweiten Stufe der Ausschlussfrist nicht ausgelöst werden. Für den die schriftliche Geltendmachung (zu Recht) ignorierenden Arbeitnehmer entsteht so der Zeitdruck für die Klageeinreichung nicht. Er ist nur an die gesetzlichen Verjährungsfristen gebunden, während derjenige, der durch seine - wegen der Unwirksamkeit der ersten Stufe nicht erforderliche - schriftliche Geltendmachung eine Ablehnung des Arbeitgebers herbeiführt hat, sich bei der Klageerhebung plötzlich einer viel engeren zeitlichen Begrenzung ausgesetzt sähe.

2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitsvergütung gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG für in den Jahren 2002 und 2003 geleistete Überstunden zu.

Das Begehren des Klägers war darauf gerichtet, dass die Beklagte von ihm außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeit als Mehrarbeit vergüten sollte. Anspruchsgrundlage für diesen Anspruch ist allein § 37 Abs. 3 BetrVG. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen jedoch schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgserichts (Urt. vom 25.8.1999 - 7 AR 713/97; EzA zu § 37 BetrVG 1972 Nr. 140) geht die Regelung des § 37 Abs. 3 BetrVG vom Vorrang des Freizeitausgleichs vor dessen Abgeltung durch einen Vergütungsanspruch aus. Nur bei einer auf betriebsbedingten Gründen beruhenden Unmöglichkeit der Gewährung von Arbeitsbefreiung kommt eine Vergütung der aufgewendeten Zeit in Betracht. Das dient zum einen der Begrenzung der Arbeitsbelastung des Betriebsratsmitglieds. Zum anderen soll hierdurch im Interesse der persönlichen Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder so weit wie möglich verhindert werden, dass Betriebsrats-mitglieder entgegen dem Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG durch ihre Betriebsratstätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche erwerben. Deshalb wandelt sich der Anspruch auf Arbeitsbefreiung weder mit dem Ablauf der Monatsfrist des § 37 Abs. 3 S. 2 BetrVG noch durch eine bloße Untätigkeit des Arbeitgebers in einen Vergütungsanspruch. Der Vergütungsanspruch entsteht vielmehr nur, wenn die Arbeitsbefreiung aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist. Davon ist auszugehen, wenn sich der Arbeitgeber darauf beruft und deshalb Freizeitausgleich verweigert. Solange diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist das Betriebsratsmitglied darauf angewiesen, den Freizeitausgleichsanspruch geltend zu machen und notfalls gerichtlich durchzusetzen.

Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er zu irgendeiner Zeit von der Beklagten Freizeitausgleich verlangt und diese das Verlangen unter Hinweis auf betriebliche Gründe abgelehnt hätte.

Der Zinsanspruch des Klägers ist aus § 291 BGB ab dem Tage der Klagezustellung begründet.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92 ZPO jeweils anteilig zu tragen.

Ende der Entscheidung

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