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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.02.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 398/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Der Arbeitnehmer ist zur Erstattung von Lohnkosten, die durch seine bezahlte Freistellung zur Teilnahme an einer Ausbildungsmaßnahme entstanden sind, nur verpflichtet, wenn diese Kosten in der zwischen den Parteien vor Beginn der Maßnahme zu treffenden Vereinbarung neben den Kosten für die Maßnahme selbst ausdrücklich erwähnt sind.

Eine Vereinbarung, die formuliert, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Maßnahme finanziert und die den Arbeitnehmer weiter verpflichtet, bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses "die entstandenen Kosten zurückzuzahlen", ist nicht hinreichend klar und eindeutig, um neben den Kosten für die Ausbildung selbst auch die Kosten X aufgrund der Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an der Veranstaltung mit einzuschließen.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2004, Aktenzeichen: 8 Ca 5411/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zweitinstanzlich nur noch darüber, ob die Beklagte - als Teil der zwischen ihnen vor Beginn einer Weiterbildungsmaßnahme getroffenen Vereinbarung - verpflichtet ist, die aufgrund der Freistellung zur Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme entstandenen Lohnkosten an die Klägerin zurückzuzahlen.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Beklagte war dort seit dem 1.11.2002 zu einem Monatsgehalt von zuletzt EUR 2.862,-- brutto als examinierte Krankenschwester / verantwortliche Pflegekraft beschäftigt. In einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 16.9.2002 trafen die Parteien im Wortlaut folgende Vereinbarung:

"Frau A (Beklagte) nimmt an einer Weiterbildungsmaßnahme zur Leitung eines ambulanten Pflegedienstes (= 460 Stunden) teil, der von Frau B (Klägerin) finanziert wird. Nach Beendigung der Weiterbildung verpflichtet sich Frau A. für drei Jahre im ambulanten Pflegedienst A zu arbeiten. Sollte das Arbeitsverhältnis vorher enden, verpflichtet sich Frau A die entstandenen Kosten an B zurückzuzahlen."

Die Beklagte nahm im Zeitraum vom 7.4.2003 bis 31.3.2004 mit Erfolg an der Weiterbildungsmaßnahme teil.

Mit Schreiben vom 11.3.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30.4.2004, nachdem ein konkurrierender ambulanter Pflegedienst ihr ein finanziell besseres Angebot für eine Tätigkeit als Pflegedienstleiterin (PDL) unterbreitet hatte. Am 26.3.2004 vereinbarten die Parteien die vorzeitige Aufhebung des Arbeitsvertrages zum 15.4.2004. Mit Schreiben vom selben Tage verlangte die Klägerin, gestützt auf Ziffer 5 der Nebenabreden zum Arbeitsvertrag, von der Beklagten die Rückzahlung der Weiterbildungskosten in Höhe von insgesamt EUR 8.494,20. Sie verteilten sich auf die reinen Lehrgangskosten (EUR 1.344,--) und die Lohnkosten für die Freistellung zur Teilnahme an der Maßnahme (EUR 7.150,--). Die Beklagte lehnte jede Zahlung ab.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die zwischen den Parteien individuell ausgehandelte Rückzahlungsvereinbarung sei wirksam und umfasse neben den Lehrgangskosten auch die Lohnkosten für die Freistellung der Beklagten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 8.494,20 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es handele sich bei den gesamten Nebenabreden um eine vorformulierte Vereinbarung, die der AGB-Kontrolle unterliege. Im Ergebnis erweise sich die Rückzahlungsvereinbarung dabei als unwirksam, weil sie keine reduzierende Staffelung der Rückzahlungsverpflichtung je nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehe und die Ausdehnung der Rückzahlungsverpflichtung auf die Lohnkosten sich aus ihr nicht mit der erforderlichen Klarheit ergebe. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung umfasse die Rückzahlungsverpflichtung lediglich die reinen Lehrgangskosten.

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 14.12.2004 (Az.: 8 Ca 5411/04) die Beklagte zur Zahlung der Lehrgangskosten in Höhe von EUR 1.344,-- nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es zunächst ausgeführt, dass es sich bei Ziffer 5 der Nebenabrede nicht um einen der AGB-Kontrolle unterliegenden Vertrag, sondern eine individuelle Absprache handelt. Die Rückzahlungsvereinbarung hat es grundsätzlich als wirksam angesehen. Darüber hinaus ist es durch Auslegung der Vereinbarung zum Ergebnis gelangt, dass die darin begründete Verpflichtung zur Rückzahlung lediglich die tatsächlichen Lehrgangskosten, nicht aber die Lohnkosten für die Freistellung zur Teilnahme an der Maßnahme umfasse. Die von den Parteien gewählten Formulierungen sprächen dafür, dass sich die entstandenen Kosten nur auf die Lehrgangskosten beziehen. Das zeige sich auch darin, dass die Vereinbarung keine Freistellung der Beklagten regele. Auch gebe es sonst keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Wille der Parteien bei Abschluss der Vereinbarung darauf gerichtet gewesen sei, dass die Beklagte bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Kosten einer Freistellung zurückzahlen sollte.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 2.2.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 2.3.2005 Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt und diese, nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4.5.2005, am 4.5.2005 auch begründet.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit falsch sei, als es die Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten nicht auf die Lohnkosten für die Zeit der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme erstreckt habe. Zu den erstattungsfähigen Kosten einer Weiterbildung zählten alle dem Arbeitgeber durch die Teilnahme des Arbeitnehmers an der Maßnahme entstandenen Kosten, so neben den reinen Lehrgangskosten eben auch die entstandenen Lohnkosten für die Freistellung zur Teilnahme an der Weiterbildung. Von daher sei auch die Vereinbarung der Parteien klar und hinreichend deutlich.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 8.12.2004 (Az.: 8 Ca 5411/04) abzuändern:

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin über das angefochtene Urteil hinaus weitere 7.150,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 1.5.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstands statthaft und im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen eine Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung der durch ihre Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme entstandenen Lohnkosten als unbegründet abgelehnt und die Klage insoweit abgewiesen. Die Kammer folgt in vollem Umfang den überzeugenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und macht sie sich inhaltlich zu eigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Begründung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Das Berufungsvorbringen der Klägerin gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

Grundsätzlich zählen zu den erstattungsfähigen Kosten einer Aus- oder Weiterbildung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar auch die Lohnkosten (BAG EzA zu § 611 BGB Ausbildungskosten Nr. 18, 19). Ob sie jedoch im konkreten Fall zurückzuzahlen sind, ergibt sich allein aus der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung und deren Auslegung. Diese Vereinbarung ist vor Beginn der Maßnahme zu treffen. Sie muss klare und eindeutige Absprachen darüber enthalten, welche Ausbildungskosten der Arbeitgeber übernimmt und ob, und in welchem Umfang, wann und unter welchen Voraussetzungen sie vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen sind. Der Arbeitnehmer muss so auf alle Folgen, die sich für ihn aus dem Abschluss einer solchen Vereinbarung ergeben, zu Beginn der Maßnahme klar und unmißverständlich hingewiesen werden, damit er von Anfang an überschauen kann, worauf er sich einläßt (BAG 19.3.1980 AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 9; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 554).

Ausgehend von diesen Grundsätzen enthält die Rückzahlungsvereinbarung der Parteien keine klare und eindeutige Absprache darüber, dass die Beklagte auch die der Klägerin für die Zeit ihrer Freistellung entstandenen Lohnkosten bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuzahlen hätte. Diese Kosten sind in der Vereinbarung weder ausdrücklich erwähnt, noch erschließen sie sich klar und eindeutig aus der Formulierung, dass die entstandenen Kosten zurückzuzahlen sind. Einen Hinweis auf die entstandenen Kosten gibt lediglich die Eingangsformulierung der Klausel. Wenn es dort heißt, dass die Beklagte an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnimmt, die von der Klägerin finanziert wird, kann das jedoch nur so ausgelegt werden, dass damit die Kosten für die Maßnahme selbst gemeint sind. Um der Beklagten in aller gebotenen Klarheit vor Augen zu führen, dass sie auch die im Verhältnis zu den Lehrgangskosten weitaus höheren Lohnkosten zurückzuzahlen hat, hätte es ihrer ausdrücklichen Erwähnung in der Vereinbarung selbst bedurft. Das ist jedoch nicht geschehen.

Die Klägerin hat gem. §§ 64 Abs.6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Ein gesetzlich begründeter Anlass für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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