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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 01.08.2003
Aktenzeichen: 12 Sa 568/03
Rechtsgebiete: GewO, InsO


Vorschriften:

GewO § 109
InsO § 21
InsO § 22
InsO § 35
InsO § 55
InsO § 108
Ein ehemaliger Arbeitnehmer des Schuldners, dessen Arbeitsverhältnis vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endete, kann den Insolvenzverwalter nur dann auf Erteilung eines Zeugnisses in Anspruch nehmen, wenn dieser zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt war und die Stellung eines "starken" Insolvenzverwalters im Sinne der §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1, 22 Abs. 1, 2 InsO hatte.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Urteil

Aktenzeichen: 12 Sa 568/03

Verkündet laut Protokoll am 01. August 2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht Kammer in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2003

durch Richter am Arbeitsgericht Griebeling als Vorsitzender und den ehrenamtlicher Richter Creter und den ehrenamtlicher Richter Schiederig als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2003 - 3 Ca 7286/02 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm ein Arbeitszeugnis zu erstellen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Für den Kläger wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten, soweit für das vorliegende Berufungsverfahren von Interesse, über einen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

Der Kläger war seit 17. September 2001 als Sales-Manager für die Schuldnerin zu einer Bruttomonatsvergütung von 6.937,58 EUR tätig. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ordnete mit Beschluss vom 11. April 2002 die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin an. Ziffer 3 des Beschlusses hat folgenden Wortlaut:

"Gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

Der vorläufige Insolvenzverwalter ist im Rahmen der Unternehmungsfortführung befugt, Betriebsmittelkredite zu beanspruchen und aufzunehmen, den Kreditgebern hierfür Sicherheiten aus dem schuldnerischen Vermögen zu gewähren und die Kredite aus dem schuldnerischen Vermögen zurückzuführen. Die Antragstellerin ist insofern in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt (besonderes Verfügungsverbot)."

Unter Ziffer 6 ist Folgendes geregelt:

"Der vorläufige Insolvenzverwalter soll gemäß § 22 Abs. 2 InsO

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

b) ein Unternehmen, das die Antragstellerin betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Antragstellerin fortführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden; die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters."

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis aus Anlass von Gehaltsrückständen mit Schreiben vom 11. Juli 2002 fristlos. Das Amtsgericht eröffnete mit Beschluss vom 05. August 2002 die Insolvenz und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Nachdem eine Aufforderung gegenüber dem Geschäftsführer der Schuldnerin erfolglos blieb, machte der Kläger mit der vorliegenden Klage u. a. die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses durch den Beklagten geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach Insolvenzeröffnung sei der Insolvenzverwalter auch gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern der Schuldner des Zeugnisanspruchs, und behauptet, der Beklagte habe den Betrieb nach Insolvenzeröffnung fortgeführt.

Der Kläger hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Arbeitszeugnis zu erstellen, das sich auf Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass er zur Zeugniserteilung nicht verpflichtet sei, da er den Kläger zu keinem Zeitpunkt beschäftigt habe, und behauptet, er habe den Betrieb mit Insolvenzeröffnung nicht mehr fortgeführt. Alle Mitarbeiter seien bereits vom Geschäftsführer der Schuldnerin freigestellt worden.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Teilurteil vom 13. Februar 2003 - 3 Ca 7286/02 - der Zeugnisklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, mit der Insolvenzeröffnung trete der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein. Soweit er persönlich nicht zur Beurteilung der Arbeitnehmer fähig sei, müsse er sich auf Unterlagen wie die Personalakte stützen oder sich durch die Befragung von Vorgesetzten in die Lage versetzen, das Zeugnis erteilen zu können. Wegen der weiteren Begründung wird auf Bl. 31 und 32 d. A. verwiesen.

Der Beklagte hat gegen das am 13. März 2003 zugestellte Urteil am 11. April 2003 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Beklagte hält an seiner Meinung fest, dass er nicht passivlegitimiert sei. Der Anspruch auf Zeugniserteilung gehöre nicht zur Insolvenzmasse, wenn ein Arbeitsverhältnis schon vor der Insolvenzeröffnung beendet wurde. Der Anspruch könne auch deshalb nicht bestehen, weil der Betrieb der Schuldnerin nicht fortgeführt worden sei und er den Kläger nicht kenne.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vertrags des Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 07. April und 06. Juni 2003 verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2003 - 3 Ca 7286/02 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus sei für den Anspruch nicht entscheidend. Maßgeblich sei, dass der Beklagte sich über ihn bereits seit der Anordnung der vorläufigen Verwaltung ein Bild habe machen können.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vertrags des Klägers wird auf den Schriftsatz vom 04. Juni 2003 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG, 519 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und §§ 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG, 520 ZPO entsprechend rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet und ist daher zulässig.

Unschädlich ist, dass der Beklagte die Abweisung "der Klage" beantragt, d. h. -bei allein vom Wortlaut ausgehender Auslegung - auch des noch in erster Instanz anhängigen Teils der Klage. Der Antrag ist auslegungsfähig. Nach dem auch für die Auslegung von Prozessanträgen maßgeblichen erkennbaren Sinn und Zweck des Antrags (zur Auslegung prozessualer Anträge vgl. BAG 13. März 1997-2 AZR 512/96 - BAGE 85/262, zu II 4 a; 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - AP «SchG 1969 § 4 Nr. 38, zu B II 1) ist der Antrag so zu verstehen, dass der zweitinstanzliche Abweisungsantrag nur den allein in die zweite Instanz gelangten Gegenstand des Teilurteils vom 13. Februar 2003 betreffen soll.

II

Die Berufung ist auch begründet, da der Beklagte nicht Schuldner des Zeugnisanspruchs ist

1. Gemäß § 109 Abs. 1 S. 1, S. 3 GewO hat ein Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auf Verlangen Anspruch auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. Diese Regelung ist mit ihrem Inkrafttreten zum 01. Januar 2003 gemäß Art 10 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften (BGBl I/3412) für alle Arbeitsverhälthisse an die Stelle des bisher einschlägigen § 630 BGB getreten. Durch die Neufassung der §§ 6 Abs. 2 GewO, 630 S. 4 BGB ist klargestellt worden, dass § 109 GewO uneingeschränkt für alle Arbeitsverhältnisse gelten soll und damit im Arbeitsrecht § 630 BGB verdrängt (Düwell ZTR 2002/461, 462 f, Schöne NZA 2002/829, 832, ErfK-Müller-Glöge 3. Aufl. § 630 BGB Rdn 3, Kittner/Zwanziger-Appel Arbeitsrecht 2. Aufl. § 106 Rdn 2).

2. Die Neuregelung ändert nichts daran, dass der Zeugnisanspruch ausschließlich gegen den Arbeitgeber und nicht gegen Dritte gerichtet ist, lediglich zum Arbeitgeber besteht die zur Begründung der Schuldnerstellung notwendige vertragliche Beziehung. Der Kläger nimmt den Beklagten vergeblich in Anspruch, da der Beklagte aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses zur Schuldnerin durch die vor Insolvenzeröffnung ausgesprochene Eigenkündigung des Klägers gegenüber diesem nie in die Arbeitgeberstellung eingetreten ist.

a) Mit der Passivlegitimation des Konkursverwalters hinsichtlich der Zeugnisansprüche der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin nach der früheren Konkursordnung hat sich das Bundesarbeitsgericht in zwei Entscheidungen befasst. Mit Urteil vom 28. November 1966 (- 5 AZR 190/66 - BAGE 19/146, zu 3) hat der Fünfte Senat angenommen, der Gemeinschuldner bleibe zur Zeugniserteilung verpflichtet, wenn ein Arbeitnehmer vor Konkurseröffnung ausgeschieden ist und Klage auf Erteilung des Zeugnisses gegen die Gemeinschuldnerin erhebt. Dieser Rechtsstreit werde durch die Konkurseröffnung nicht unterbrochen und sei gegen den Gemeinschuldner fortzusetzen. In der Literatur zur Konkursordnung wurde daraufhin verbreitet angenommen, dass auch bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Konkursverwalter dem Arbeitnehmer ein Zeugnis nur für die Zeit von dessen Weiterbeschäftigung nach der Konkurseröffnung ausstellen müsse; für die übrige Zeit bleibe der Gemeinschuldner passivlegitimiert (vgl. die Nachweise bei BAG 30. Januar 1991 - 5 AZR 32/90 - BAGE 67/112, zu I 1).

Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts trat dieser Ansicht mit dem zitierten Urteil vom 30. Januar 1991 (a.a.O., zu I 1, 2) entgegen und nahm an, der mit der Entscheidung vom 28. November 1966 (a.a.O.) angenommene Fortbestand der Schuldnerstellung des Gemeinschuldners gelte nur, wenn der Arbeitnehmer vor der Eröffnung des Konkurses ausgeschieden sei. Dagegen habe bei einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus der Konkursverwalter den Zeugnisanspruch unabhängig davon zu erfüllen, wie lange das Arbeitsverhältnis noch fortgesetzt wird. Durch die Eröffnung des Konkurses trete er in die Arbeitgeberstellung mit der Folge ein, dass er Schuldner des Zeugnisanspruchs für die gesamte Laufzeit des Arbeitsverhältnisses werde. Auf die Dauer und die Intensität der tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers nach Konkurseröffnung komme es im Interesse der Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten nicht an. Die für die Erstellung eines qualifizierten Zeugnisses notwendigen Informationen müsse der Konkursverwalter sich durch die Auswertung der Personalakten und die Befragung von Vorgesetzten des Arbeitnehmers beschaffen. Für die Zeit vor Konkurseröffnung müsse er Auskünfte des Schuldners einholen. Ausgehend von dieser Entscheidung nahm Karsten Schmidt darüber hinaus an, dass der Konkursverwalter mit der Eröffnung des Konkurses unabhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Schuldner des Zeugnisanspruchs werde. Er leitete dies aus seinem eine Trennung der Bereiche des Gemeinschuldners und des Konkursverwalters ablehnenden, dem Konkursverwalter eine umfassende Leitungskompetenz für den Gemeinschuldner zuweisenden Verständnis der Aufgaben des Konkursverwalters ab (DB 1991/1930 ff).

Zu den Bestimmungen der Insolvenzordnung hat sich bisher kein einheitliches Meinungsbild entwickelt. Zum Teil übernimmt die Instanzrechtsprechung und die Literatur die vom Fünften Senat mit Urteil vom 30. Januar 1991 (a.a.O.) vertretene Abgrenzung (LAG Köln 30. Juli 2001 - 2 Sa 1457/00 - NZA-RR 2002/181; LAG Nürnberg 05. Dezember 2002 - 2 Ta 137/02 - ZInsO 2003/194, zu 2; Kittner/Däubler/Zwanziger-Däubler Kündigungsschutzrecht 5. Aufl. § 630 BGB Rdn. 11; ErfK-Müller-Glöge a.a.O. § 630 BGB Rdn. 13, 14). Demgegenüber nimmt Preis (Staudinger BGB Neubearbeitung 2002 § 630 Rdn. 24) an, dass grundsätzlich der Schuldner das Zeugnis zu erteilen habe. Die Pflicht gehe erst auf den Insolvenzverwalter über, wenn dieser den Betrieb fortführt und den Arbeitnehmer längere Zeit weiterbeschäftigt. Nach Auffassung von Schlesmann (Das Arbeitszeugnis 16. Aufl. S. 123) soll bei einem vor Insolvenzeröffnung beendeten Arbeitsverhältnis der Schuldner passivlegitimiert bleiben. Dies gelte im Fall einer Flucht des Schuldners jedoch nicht. Dann soll der Insolvenzverwalter als eine Art Aushilfsschuldner einspringen.

b) Nach Auffassung der Kammer ist an der vom Fünften Senat entwickelten Abgrenzung auch für das Insolvenzverfahren gemäß der InsO mit der Maßgabe festzuhalten, dass der Insolvenzverwalter dann Schuldner des Zeugnisanspruchs eines vor der Insolvenzeröffnung ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist, wenn er als vorläufiger Insolvenzverwalter im Sinne von § 55 Abs. 2 InsO die Verbindlichkeit begründet oder die Arbeitsleistung des während der vorläufigen Verwaltung ausgeschiedenen Arbeitnehmers in Anspruch genommen hat.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist für die Beurteilung nicht relevant, ob der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer kennen gelernt hat und sich deshalb persönlich ein Bild über Person, Verhalten und Leistung des Arbeitnehmers machen konnte (ebenso bereits Hessisches LAG 28. März 2003 - 12 SaGa 1744/02 - z. V. v., zu II 2). Wäre dies Voraussetzung für den Anspruch auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, hätte zumindest der weit überwiegende Teil der in nicht ganz kleinen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer überhaupt keinen Anspruch auf ein das gesamte Arbeitsverhältnis umfassendes qualifiziertes Zeugnis. Ein qualifiziertes Zeugnis ist grundsätzlich vom Arbeitgeber bzw. von dessen gesetzlichen Vertretern zu fertigen und zu unterzeichnen. Eine Übertragung dieser Pflicht auf andere Vertreter ist nur begrenzt zulässig (vgl. BAG 21. September 1999 - 9 AZR 893/99 - AP BGB § 630 Nr. 23, zu I 2 d aa). Da der Gesetzgeber den Zeugnisanspruch an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeknüpft hat, hat auch im Fall von Übergängen des Arbeitsverhältnisses zwischen verschiedenen Rechtsträgern und bei Vorgesetztenwechseln der letzte Arbeitgeber bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein das gesamte Arbeitsverhältnis umfassendes Zeugnis zu erteilen. So trifft etwa im Falle eines Betriebsübergangs diese Rechtspflicht den letzten Betriebsinhaber (LAG Köln 30. Juli 2001 a.a.O.). Diese Konzeption des Zeugnisanspruchs belegt, dass es für dessen Entstehung nicht auf persönliche Kenntnisse über den Arbeitnehmer ankommt. Verfügt der letzte Arbeitgeber selbst über derartige Kenntnisse nicht, hat er die vom Fünften Senat aufgezeigten Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung zu ergreifen, um die Zeugnisschuld erfüllen zu können.

Auch Besonderheiten des Insolvenzverfahrens geben zu einer einschränkenden Auslegung keine Veranlassung. Zwar trifft der Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Beklagten aus dem Berufungstermin zu, dass in der Insolvenz häufig Massenentlassungen durchgeführt werden und Insolvenzverwalter daher nicht selten durch eine Vielzahl zu erteilender Zeugnisse belastet werden können. Dies ist jedoch keine spezifische Besonderheit des Insolvenzverfahrens, sondern auch außerhalb der Insolvenz die typische Folge von Massenentlassungen. Der Umstand, dass ein Insolvenzverwalter sich mit der Insolvenzeröffnung in erheblichem Umfang Informationen verschaffen muss, um das Insolvenzverfahren pflichtgemäß betreiben zu können, betrifft eine Vielzahl verschiedener Rechtsverhältnisse und ist ein wesentlicher Bestandteil seiner Aufgaben. Derartige Probleme rechtfertigen keine Einschränkung des allgemeinen Zeugnisanspruchs. Der Insolvenzverwalter hat vielmehr gemäß § 97 InsO die Möglichkeit, den Schuldner zur Erfüllung von dessen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten anzuhalten und sich auf diese Weise die erforderlichen Informationen zu verschaffen. Dass es auf die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung während des Insolvenzverfahrens nicht ankommen kann, wird zudem dadurch noch deutlicher, dass mit § 108 Abs. 1 S. 1 InsO auf das Tatbestandsmerkmal des "angetretenen" Dienstverhältnisses von § 22 KO verzichtet wurde.

Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs gegen den Insolvenzverwalter ist daher nicht die persönliche Kenntnis des Insolvenzverwalters. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Insolvenzverwalter insolvenzrechtlich ganz oder zum Teil in die Arbeitgeberstellung eintritt. Der Insolvenzverwalter wird durch die Insolvenzeröffnung nicht zum Schuldner jeglicher arbeitsvertraglicher Ansprüche. Zwar bestehen Dienstverhältnisse des Schuldners gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 InsO mit Wirkung gegen die Masse fort. Nach § 108 Abs. 2 InsO können Ansprüche aus Dienstverhältnissen für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden.

Daraus ist abzuleiten, dass der umfassende Eintritt des Insolvenzverwalters in die Arbeitgeberstellung des Schuldners gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 InsO, der auch die Pflicht zur Erteilung eines Zeugnisses beinhaltet, nur Arbeitsverhältnisse betrifft, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht beendet sind (vgl. FK-InsO-Wegener 3. Aufl. § 308 Rdn. 5). Nur noch nicht beendete Vertragsverhältnisse können im Sinne von § 108 Abs. 1 S. 1 InsO fortbestehen.

Bei zu diesem Zeitpunkt bereits beendeten Arbeitsverhältnissen richten sich die Pflichten des Insolvenzverwalters dagegen nach den Bestimmungen der §§ 35 bis 55 InsO. Die Insolvenzmasse erfasst gemäß § 35 InsO nur das Vermögen des Schuldners. Forderungen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung, die durch das Vermögen nicht befriedigt werden können, werden von der Insolvenz daher nicht umfasst und sind weiter gegen den Schuldner geltend zu machen, sofern sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Für Zeugnisansprüche geltend machende, vor Insolvenzeröffnung ausgeschiedene Arbeitnehmer kommt als Rechtsgrundlage insoweit lediglich § 55 Abs. 2 InsO in Betracht. § 55 Abs. 2 InsO ist die gegenüber § 108 Abs. 2 InsO speziellere Regelung und erweitert die Pflichten eines zunächst als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzten Verwalters (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01 - BGHZ 151/353, zu III 1). Gemäß § 55 Abs. 2 S. 1 InsO gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO gilt dies entsprechend für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit ein vorläufiger Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alternative InsO ist dagegen nicht einschlägig, da diese Bestimmung nur Verbindlichkeiten betrifft, die in der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt werden müssen. Zeugnisansprüche vorher ausgeschiedener Arbeitnehmer fallen darunter nicht, da sie bereits vorher erfüllt werden können.

c) Der Kläger kann seine Forderung auf keine der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen stützen. Die Voraussetzungen der §§ 108 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegen nicht vor, da der Kläger das Arbeitsverhältnis selbst vor der Eröffnung der Insolvenz beendet hat. Der Zeugnisanspruch ist auch nicht im Sinne von § 55 Abs. 2 S. 1 InsO durch eine Handlung des Beklagten begründet worden. § 55 Abs. 2 S. 1 InsO erfasst nur die vom vorläufigen Insolvenzverwalter während der Eröffnungsphase begründeten Verbindlichkeiten, nicht aber Rechtspflichten des Schuldners (Smid InsO § 55 Rdn. 35; FK-InsO-Schumacher a.a.O. § 55 Rdn. 33, 34). Der Zeugnisanspruch des Klägers wurde nicht in diesem Sinn vom Beklagten begründet. Er entstand vielmehr als Rechtspflicht der Schuldnerin aufgrund der vom Kläger herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und unterfiel daher § 55 Abs. 2 S. 1 InsO unabhängig vom Bestehen der nach §§ 21, 22 InsO erforderlichen Ermächtigung nicht.

Auch auf § 55 Abs. 2 S. 2 InsO vermag der Kläger seinen Anspruch nicht zu stützen. § 55 Abs. 2 S. 2 InsO soll nicht in weitergehenderem Umfang Verbindlichkeiten begründen als § 55 Abs. 2 S. 1 InsO. Die Regelung setzt daher ebenso wie § 55 Abs. 2 S. 1 InsO voraus, dass das Insolvenzgericht gegen den Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot im Sinne der §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1, 22 Abs. 1 InsO oder eine entsprechende Einzelermächtigung gemäß § 22 Abs. 2 InsO erlassen hat. Ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 InsO genügt nicht (BGH 18. Juli 2002 a.a.O., zu III 2, IV 2 b; 13. März 2003 - IX ZR 64/02 - NJW 2003/1865, zu II 1 a; BAG 04. Dezember 2002 - 10 AZR 16/02 - AP InsO § 38 Nr. 2, zu B II 1 b bb). In Hinblick darauf tritt ein vorläufiger Insolvenzverwalter nur im Fall der Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbotes oder entsprechender Anordnungen des Insolvenzgerichts in die Arbeitgeberstellung ein (Lakies BB 1998/2638, 2639; Berscheid Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz Rdn. 508).

Derartige Anordnungen bestanden zugunsten des Beklagten nicht. Gemäß Ziffer 3 des Eröffnungsbeschlusses vom 11. April 2002 wurde kein allgemeines, sondern nur ein Arbeitsverhältnisse der Schuldnerin nicht betreffendes besonderes Verfügungsverbot und daneben nur ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt verhängt. Gemäß Ziffer 6 b verblieb die Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse der Schuldnerin bei dieser. Da der Beklagte daher gegenüber dem Kläger nie die Arbeitgeberstellung übernahm, wurde er nicht Schuldner des Zeugnisanspruchs.

d) Daran würde entgegen der Ansicht von Schlesmann (a.a.O. S. 123) nichts ändern, falls der bisherige Geschäftsführer der Schuldnerin nicht mehr erreichbar sein sollte. Das Insolvenzrecht sieht für solche Fälle keinen Übergang der Schuldnerstellung auf den Insolvenzverwalter vor. Es ist vielmehr ein allgemeines Gläubigerrisiko, dass sich der Schuldner der Leistung zu entziehen versucht. Überdies hat der Kläger aber auch eine Flucht des Geschäftsführers der Schuldnerin nicht schlüssig dargelegt. Der Umstand, dass dieser auf die außergerichtliche Geltendmachung des Zeugnisanspruchs durch den Kläger nicht reagierte, besagt nichts darüber, dass die Klageerhebung und gegebenenfalls die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin von vornherein keine Aussicht auf Erfolg verspricht.

III.

Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Über die erstinstanzlichen Kosten des Gegenstands des Berufungsverfahrens ist nicht zu entscheiden, da der Rechtsstreit insoweit nicht in der Berufungsinstanz angefallen ist. Das Arbeitsgericht hat insoweit die Kostenentscheidung zu Recht dem Schlussurteil vorbehalten (vgl. BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 465/99 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 39, zu III).

Die Revision wird für den Kläger gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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