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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.05.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 953/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 1 Abs. 2
BetrVG § 1 Abs. 3
Einzelfall zur Vergleichbarkeit zweier Arbeitnehmer (Kundenberater einer Bank) im Rahmen der Sozialauswahl; unterschiedliche Höhe der Vergütung als Abgrenzungskriterium.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. März 2004 - 15 Ca 3311/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und den Anspruch des Klägers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte ist ein privates Bankhaus mit Sitz in A. . In ihrem Betrieb in B. , der mehr als fünf Mitarbeiter beschäftigt, besteht ein Betriebsrat. Der am 10.3.1943 geborene, verheiratete und für vier Kinder unterhaltsverpflichtete Kläger war bei ihr seit dem 1.10.1999 zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 9.411,00 zuzüglich variabler Vergütung und Anspruch auf einen Dienstwagen beschäftigt. Nach den arbeitsvertraglichen Absprachen war der Kläger als Vermögensberater tätig und mit Gesamtprokura und dem Titel eines Direktors ausgestattet.

Nach Anhörung des Betriebsrats erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 21.3.2003 gegenüber dem Kläger die ordentliche, auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2003. Seit Mitte Juni 2003 war der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt. Mit seiner am 31.3. 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung.

Wegen des Weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vorbringens beider Parteien in erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 S.2 ArbGG).

Das Arbeitsgericht hat nach Ausbleiben der Beklagten im Termin am 20.10. 2003 zunächst ein der Kündigungsschutzklage stattgebendes Versäumnisurteil erlassen. Mit Urteil vom 29.3.2004 (Az. 15 Ca 3311/03) hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Beklagte zusätzlich zur vertragsgemäßen Weiterbeschäftigung des Klägers als Vermögensberater verurteilt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Beklagte bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht hinreichend berücksichtigt habe. Der Kläger sei nach der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit als Vermögensberater ohne Beschränkung auf reine Akquisitionstätigkeit mit den von der Beklagten so bezeichneten "normalen" Kundenberatern vergleichbar. Die Beklagte könne dem Kläger in Ausübung ihres Direktionsrechts auch deren Tätigkeiten zuweisen. Die so vergleichbaren Arbeitnehmer C. und D. seien nach ihren Sozialdaten im Verhältnis zum Kläger sozial weniger schutzbedürftig. Für weitere Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 101 - 102 d.A.).

Die Beklagte hat gegen das ihr am 28.4.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 25.5.2004 Berufung eingelegt und diese am 28.6.2004 begründet.

Die Beklagte behauptet, vor dem Hintergrund eines mit dem Gesamtbetriebsrat am 15.7.2002 geschlossenen Interessenausgleichs und Sozialplans, der einen Stellenabbau von 20 % als Ziel formuliere, habe die Geschäftsleitung aufgrund einer anhaltend schlechten Marktlage im September 2002 beschlossen, eine der zwei Akquisitionsstellen in der Niederlassung B. . abzubauen. Eine der beiden Stellen habe der Kläger inne gehabt, die andere der Mitarbeiter E. . Der Kläger sei von Anbeginn seiner Tätigkeit für die Beklagte hauptsächlich, später fast ausschließlich mit Akquisitionsaufgaben betraut gewesen. Zwar seien ihm im Verlaufe seiner Tätigkeit insgesamt 48 Kunden organisatorisch und EDV-technisch zugeordnet gewesen. Die Kundenzuordnung bilde die Grundlage für die Ertragszurechnung. Er habe diese Kunden jedoch zu keinem Zeitpunkt signifikant betreut. Zum größten Teil habe es sich dabei um Kunden externer Vermögensberater gehandelt, bei denen die Beklagte lediglich die Funktion der Depot führenden Bank hatte. Soweit in dem dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung angebotenen Beratervertrag die Rede davon sei, der Kläger werde weiterhin Kunden des Bankhauses in allen Fragen der Vermögensberatung betreuen und beraten, seien damit künftig vom Kläger erst noch zu gewinnende Kunden gemeint gewesen. Seit August 2002 habe der Kläger überhaupt nur noch einen Kunden betreut. Der Kläger habe keinen vertraglichen Anspruch auf die Betreuung von Bestandskunden.

Hauptgrund für die Einstellung des Klägers seien seine behaupteten hervorragenden persönlichen Kontakte, die er aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer alteingesessenen Bankiersfamilie und aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit bei der F. besaß, gewesen. Er sei aufgrund seiner hervorragenden Kontakte für die Akquisition im höheren Kundensegment vorgesehen gewesen. Bei den Einstellungsgesprächen habe er sich zugetraut, aufgrund seiner Kontakte eine Million Euro Ertrag für die Beklagte zu erwirtschaften. Der Kläger habe sich in mehrfacher Hinsicht von allen anderen bei ihr tätigen Vermögensberatern unterschieden. Er sei der einzige gewesen, der auf vorhandene Kontakte habe aufbauen können, während alle anderen auf die Kaltakquisition angewiesen waren. Nur er allein habe durch seine Kontakte und seinen familiären Hintergrund Zugang zum höheren Kundensegment (Topklientel) gehabt. Von den anderen Vermögensberatern habe er sich des Weiteren durch seine wesentlich höhere Grundvergütung (113.000,-- EUR im Vergleich zu 72.000,-- bis 85.000,-- der anderen), den ihm verliehenen Titel Direktor und eine bereits nach fünf Jahren unverfallbare Pensionszusage unterschieden.

Mit der Kündigung habe die Beklagte auf die Akquisitionsbemühungen des wenig erfolgreichen Klägers verzichtet. Durch den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers erwachse dem weiteren mit Akquisitionsaufgaben beschäftigten Mitarbeiter E. keine zusätzliche Arbeit zu. Die Akquisition von Kunden im gehobenen Segment werde nunmehr auf der Partnerebene mit Unterstützung der jeweiligen Know-how-Träger wahrgenommen. Den einzigen vom Kläger noch betreuten Kunden habe der Mitarbeiter Glaser übernommen, ohne dadurch überobligatorisch belastet zu sein. Der Arbeitsplatz des Klägers sei nicht mehr neu besetzt worden.

Freie Arbeitsplätze seien bei der Beklagten nicht vorhanden.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie mangels Vergleichbarkeit des Klägers mit den anderen Vermögensberatern keine Sozialauswahl habe durch führen müssen. Neben dem Kläger sei nur Herr E. noch allein mit Akquisitionsaufgaben betraut gewesen. Da der Kläger jedoch in einem Kundensegment tätig gewesen sei, zu dem keiner seiner Kollegen Zugang gehabt habe und er aufgrund seiner besonderen Kontakte und familiären Herkunft für diese besondere Aufgabe arbeitsvertraglich auch deutlich besser ausgestattet worden sei als alle anderen Vermögensberater, fehle es an einer Vergleichbarkeit mit ihnen als Voraussetzung für eine Sozialauswahl. Zwischen dem Kläger und den übrigen Vermögensberatern fehle an der horizontalen Vergleichbarkeit. Der Kläger habe eine qualitativ höherstehende Aufgabe durchgeführt. Der unterschiedlichen Höhe der Vergütung komme indizielle Bedeutung für die Bestimmung der Vergleichbarkeit zu. Die Höhe der dem Kläger gezahlten Vergütung spiegele die Wertschätzung der Kontakte des Klägers wider. Eine Sozialauswahl zugunsten des Klägers habe zur Konsequenz, dass die Beklagte ihn mit Aufgaben beschäftigen müsse, die nicht maßgeblich für seine Einstellung waren und die die Fortzahlung der exorbitant hohen Vergütung des Klägers nicht rechtfertigten; denn sein besonderer persönlicher Hintergrund werde für eine "normale" Vermögensberatertätigkeit nicht mehr gebraucht. Die Anpassung des Gehalts des Klägers an die veränderte Aufgabenstellung wäre durch Ausübung des Direktionsrechts nicht mehr umzusetzen. Hinsichtlich des Mitarbeiters E. behauptet sie vorsorglich, dass einer Auswahl nach sozialen Kriterien zudem entgegenstehe, dass der Betrieb auf Herrn E. nicht verzichten könne. Im Unterschied zum Kläger akquiriere er erfolgreich und führe der Beklagten im Monat durchschnittlich ein bis zwei Neukunden zu. Im Vergleich dazu sei es dem Kläger im Verlaufe seiner gesamten Betriebszugehörigkeit lediglich gelungen, drei Kunden auf die Beklagte zu übertragen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 29.3.2004, Az.: 15 Ca 331703 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, es habe am Standort B. nur eine ausgewiesene Akquisitionsstelle gegeben, die mit Herrn E. besetzt sei. Von den übrigen Vermögensberatern, ihn selbst eingeschlossen, hätten einige mehr, andere weniger Akquisition betrieben. Seine Tätigkeit habe die Beratung von Bestandskunden und daneben die Akquisition von Neukunden aufgrund seiner persönlichen Kontakte umfasst. Er habe während seiner Beschäftigungszeit insgesamt 48 Kunden betreut. Davon habe er sieben selbst akquiriert, die anderen habe die Beklagte ihm zugewiesen. Er habe auch die von einem externen Vermögensberater akquirierten Kunden betreut. Er behauptet, die von ihm wahrgenommenen Aufgaben fielen weiterhin an und würden durch überobligatorischen Einsatz der anderen Mitarbeiter bewältigt.

Der Kläger ist der Ansicht, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die fehlenden Hinweise auf das Lebensalter des Mitarbeiters E. und die 48 von ihm betreuten Kunden machten sie unvollständig und fehlerhaft.

Die Beklagte hätte auch eine Sozialauswahl durchführen müssen, bei der sich der Kläger im Abgleich der Sozialdaten aller Vermögensberater deutlich als der sozial schutzwürdigste erweise. Alle anderen seien wesentlich jünger als der Kläger, hätten weniger Unterhaltsverpflichtungen und seien, wenn überhaupt, nur unwesentlich länger beschäftigt als er. Der Kläger sei mit allen Vermögensberatern vergleichbar. Seine Tätigkeit unterscheide sich in nichts von der der Mitarbeiter G. , H. und I. . Da die Vergleichbarkeit nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen zu bestimmen sei, komme der einzelvertraglich ausgehandelten unterschiedlichen Höhe der Grundvergütung keine Bedeutung zu. Hinsichtlich des Mitarbeiters E. sei es der Beklagten verwehrt, sich auf berechtigte betriebliche Bedürfnisse zu seiner Weiterbeschäftigung zu berufen, nachdem sie diese in der Betriebsratsanhörung nicht erwähnt habe.

Zur Ergänzung des Berufungsvorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Wert des Streitgegenstands statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache selbst ist die Berufung nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat die von der Beklagten ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung zu Recht als sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam angesehen und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Vermögensberater verurteilt.

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 und 3 KSchG betriebsbedingt sozial gerechtfertigt und wirksam, wenn der Arbeitsplatz aufgrund einer gerichtlich nicht nachprüfbaren unternehmerischen Entscheidung entfällt, eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz nicht besteht und, im Falle des Vorhandenseins vergleichbarer Arbeitnehmer, eine dann durchzuführende Sozialauswahl zu dem Ergebnis führt, dass andere Arbeitnehmer sozial schutzwürdiger sind als der gekündigte Arbeitnehmer.

Die Beklagte hat die Wirksamkeitsvoraussetzungen für die betriebsbedingte Kündigung nicht schlüssig dargelegt. Die von der Beklagten am 21.3.203 ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung ist allein deshalb schon unwirksam, weil die Beklagte rechtsfehlerhaft keine Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG durchgeführt hat. Ausgehend von ihren eigenen Ausführungen zu den Kündigungsgründen hätte die Beklagte bei Beachtung sozialer Auswahlkriterien den vergleichbaren und sozial weniger schutzwürdigen Mitarbeiter E. anstelle des Klägers kündigen müssen. Es ist der Beklagten verwehrt, sich hinsichtlich des Mitarbeiters E. gemäß § 1 Abs. 3 S.2 KSchG a.F. auf wirtschaftliche Bedürfnisse, die seine Weiterbeschäftigung bedingen und damit der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen, zu berufen, da sie die dafür angeführten Gründe vorher dem Betriebsrat in der Anhörung nach § 102 BetrVG nicht mitgeteilt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 7.2. 1985, 2 AZR 91/84 AP 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, 15.6.1989 2 AZR 580/88 AP Nr.18 zu § 1 KSchG 1969; 5.12.2002 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 52) richtet sich die Vergleichbarkeit der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer in erster Linie nach objektiven, arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, und somit nach der bisherigen Tätigkeit. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion anderer Arbeitnehmer wahrnehmen kann. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Der Vergleich vollzieht sich insoweit auf derselben Betriebsebene (horizontale Vergleichbarkeit). An der Vergleichbarkeit kann es trotzdem noch fehlen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht aufgrund seines Direktionsrechts einseitig auf den anderen Arbeitsplatz versetzen kann.

In Anwendung dieser Grundsätze und ausgehend vom Vortrag der Beklagten zu den jeweiligen Tätigkeiten sind auf jeden Fall der Kläger und der Mitarbeiter E. als vergleichbar anzusehen. Nach dem Inhalt ihres Arbeitsvertrages sind beide als Vermögensberater beschäftigt und - nach Behauptung der Beklagten - fast ausschließlich mit Akquisitionsaufgaben betraut. Nach der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages des Klägers könnte die Beklagte dem Kläger die Position des Mitarbeiters E. in Ausübung ihres Direktionsrechts zuweisen. Zwischen beiden besteht auch Austauschbarkeit; denn der Kläger kann aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und seiner beruflichen Qualifikation die konkrete Tätigkeit des Mitarbeiters E. verrichten. Der Umstand, dass Herr E. Neukunden per Kaltakquise gewinnen muss, während der Kläger in der Vergangenheit auf bestehende Kontakte zurückgreifen konnte, steht dem nicht entgegen. Der Unterschied zwischen beiden Tätigkeiten besteht lediglich in der Art der Herstellung des Erstkontakts. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Kläger angesichts seiner langen Erfahrung im Umgang mit Kunden sich im Rahmen einer kurzen Einarbeitungszeit die hierbei gefragten Techniken aneignen und sie umsetzen kann. Dabei werden ihm sein Name und seine Herkunft den Zugang auch und gerade zum "normalen" Bankkunden sicherlich erleichtern.

Die beiden Arbeitsplätze bestehen letztendlich auch auf derselben Ebene der Betriebshierarchie. Die horizontale Vergleichbarkeit ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger in einem anderen, höherwertigen Kundensegment akquiriert hat als der Mitarbeiter E. und dass er nach den weiteren Vertragsabsprachen insbesondere bei der Grundvergütung und der Pensionszusage besser gestellt war als Herr E. . Beide Tätigkeiten bleiben dennoch gleichwertig. Die Vergleichbarkeit ist - wie bereits ausgeführt - vorrangig nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen zu bestimmen, wobei es nicht darauf ankommt, ob der andere Mitarbeiter auch den kündigungsbedrohten hätte ersetzen können. Zudem sollen Unterschiede in der Vergütung nach der Rechtsprechung (BAG 15.6.1989 NZA 1990, 226; APS/Kiel 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 674) nur bei einfacheren Tätigkeiten und der Eingruppierung in ein Vergütungssystem eine Rolle spielen, weil insbesondere die unterschiedliche Eingruppierung auch einen Hinweis auf die unterschiedliche Wertigkeit der Tätigkeit gibt. Eine derartige Tätigkeit ist die des Vermögensberaters nicht. Die Höhe der Vergütung ist hier stark marktabhängig, wird individuell ausgehandelt und sagt über die Abstufung nach dem Schwierigkeitsgrad und der Einordnung in die betriebliche Hierarchie wenig aus.

Aus den mitgeteilten Umständen der Einstellung des Klägers wird nicht deutlich, dass für einen "Akquisiteur im höheren Segment" allein aufgrund dieses Aufgabenbereichs eine wesentlich höhere Vergütung gezahlt werden müsse als für andere Akquisiteure und Vermögensberater. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die mit dem Kläger ausgehandelten Leistungen der Preis dafür waren, dass er seine Tätigkeit bei seinem vorherigen Arbeitgeber zugunsten eines Engagements bei der Beklagten aufgab. Das wird durch den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Notiz des Headhunters deutlich belegt, die seinen Gehaltswunsch von DM 300.000,-- wiedergibt. Der Kläger wollte mindestens so ausgestattet sein wie bei seinem vormaligen Arbeitgeber, der Citibank. Dazu gehörten des Weiteren - angesichts des Alters des Klägers zu Beginn seiner Tätigkeit von 56 Jahren selbstverständlich - auch eine bereits nach fünf und nicht erst nach zehn Jahren unverfallbar werdende Pensionszusage und ein Direktorentitel. Das dem Kläger gewährte "Leistungspaket" hat nach den ganzen Umständen weniger mit der Qualität der geschuldeten Leistung, sondern mehr mit den Marktbedingungen zur Zeit seiner Einstellung und den individuellen sozialen Daten des Klägers, insbesondere seines Alters, zu tun.

Die Akquisition in einem besonderen Kundensegment hebt die Tätigkeit selbst in ihrer Wertigkeit nicht an, auch wenn es am Markt schwieriger ist, eine geeignete Person für diese Tätigkeit zu finden. Die persönlichen Kontakte, die den Kläger eher als andere befähigen, die Tätigkeit auszuüben, erscheint der Kammer vergleichbar z. B. mit der Eigenschaft, einer bestimmten Immigranten- oder ethnischen Gruppe zuzugehören und der Fähigkeit, Sprache zu sprechen. Ein Mitarbeiter, der diese Eigenschaft und Fähigkeit in sich vereinigt, ist sicher auch besser geeignet, Kunden aus der jeweiligen Gruppe anzuziehen und zu binden. Wenn seine Tätigkeit als Kundenberater sich ansonsten von der der seiner Kollegen nicht unterscheidet, sondern alle dieselben Produkte anbieten und verkaufen, könnte das Ausbleiben dieser besonderen Kundengruppe im Kontext einer darauf ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nicht dazu führen, diesen Mitarbeiter wegen seiner besonderen ethnischen Zugehörigkeit und Sprachkenntnisse als mit keinem anderen Verkaufsberater vergleichbar anzusehen.

Unter Berücksichtigung der drei sozialen Grundkriterien, der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltsverpflichtungen erweist sich der Kläger gegenüber dem Mitarbeiter E. eindeutig als der sozial schutzwürdigere. Sowohl sein höheres Lebensalter als auch die größere Zahl der Unterhaltsverpflichtungen sprechen hier für den Kläger. Er ist 20 Jahre älter als Herr E. und hat vier unterhaltsberechtigte Kinder gegenüber zweien auf Seiten von Herrn E. . Gleichzeitig liegen beide bei der Dauer der Betriebszugehörigkeit nur um wenige Monate zugunsten des Herrn E. auseinander. Angesichts der großen Differenzen beim Lebensalter und den Unterhaltsverpflichtungen kommt dem jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Die Beklagte kann sich gegenüber dieser Auswahlentscheidung nach sozialen Kriterien nicht mit Erfolg auf eine diesem Ergebnis entgegenstehende Ausnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG a. F. berufen. Das ist ihr im konkreten Fall verwehrt. Die Beklagte hat sich erstmals in der Berufungsinstanz im Kündigungsschutzprozess darauf berufen, dass einer Auswahlentscheidung nach sozialen Gesichtspunkten die betriebliche Notwendigkeit, den Mitarbeiter E. weiter zu beschäftigen, entgegenstehe. Sie hat es jedoch unterlassen, darüber in der Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG den Betriebsrat zu informieren. In der Anhörung hat sie lediglich die Sozialdaten des Mitarbeiters E. mitgeteilt und die Ansicht vertreten, dass er im Verhältnis zum Kläger sozial schutzwürdiger sei. Die Unterrichtungspflicht umfasst jedoch auch betriebstechnische, wirtschaftliche und sonstige betriebliche Bedürfnisse, wenn diese nach Auffassung des Arbeitgebers der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG entgegenstehen. Versäumt es der Arbeitgeber, den Betriebsrat hierüber zu unterrichten, kann er sich im Kündigungsschutzprozess auf derartige Gründe nicht berufen (HaKo-Griebeling 2. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 111; LAG Berlin 20.8.1996 - 12 Sa 54/96 LAGE KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 19; APS/Koch § 102 BetrVG Rz. 114; FKHES § 102 Rz. 35).

2. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung als Vermögensberater weiter zu beschäftigen.

Zu den Rechten aus dem Arbeitsverhältnis gehört auch ein klagbarer Anspruch auf Weiterbeschäftigung, den der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts aus § 611 BGB i.V.m. § 242 BGB, Art. 1 u. 2 GG abgeleitet hat (BAG GS EzA zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Der Beschäftigungsanspruch besteht während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses und ist zu bejahen, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers nicht entgegenstehen. Das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt in der Regel ab dem Zeitpunkt, zu dem im Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht.

Die Voraussetzungen für den Beschäftigungsanspruch sind hier erfüllt. Die Unwirksamkeit der Kündigung ist in zwei Instanzen durch Urteil festgestellt worden. Überwiegende, gegen die Weiterbeschäftigung des Klägers sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat gem. §§ 64 Abs.6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Ende der Entscheidung

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