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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 02.05.2003
Aktenzeichen: 12 Sa 992/01
Rechtsgebiete: BGB, BAT, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626
BAT § 54
KSchG § 1
Die Weigerung eines Arbeitnehmers, eine begangene, dem Arbeitgeber bereits bekannte Pflichtverletzung einzugestehen und/oder sich für eine solche zu entschuldigen, rechtfertigt für sich regelmäßig keine außerordentliche oder ordentliche Kündigung.

Macht der Arbeitgeber nach einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers das Absehen vom Ausspruch einer auf diese gestützten Kündigung davon abhängig, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung gesteht und/oder sich für sie entschuldigt, bringt er damit zum Ausdruck dass ihm nach seiner eigenen Auffassung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Dann fehlt es in der Regel an einer eine Kündigung rechtfertigenden negativen Zukunftsprognose.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 12 Sa 992/01

Verkündet laut Protokoll am 02. Mai 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 12, in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 02. Mai 2003 durch den Richter am Arbeitsgericht ... Griebeling als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Creter und Bepler als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld vom 20. März 2001 - 1 Ca 296/00 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 18. August 2000 nicht aufgelöst wurde.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens als Kassenleiter weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Der Beklagte ist ein vom Landkreis ... und den Städten und Gemeinden dieses Landkreises getragener Zweckverband im Sinne der §§ 5 ff. des Hessischen Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (KGG). Er beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG. Sein Zweck ist gemäß § 3 seiner Satzung die Übernahme der dem Kreis und den kreisangehörigen Kommunen zugewiesenen Aufgaben in Zusammenhang mit der Abfallvermeidung, -beseitigung und -verwertung. Nach § 4 der Satzung sind als Organe des Beklagten die Verbandsversammlung und der Verbandsvorstand vorgesehen. Gemäß § 7 der Satzung ist die Verbandsversammlung, in der die den Beklagten tragenden Körperschaften vertreten sind, u.a. für den Erlass von Satzungen und des Wirtschaftsplans und für die Festsetzung des Investitionsprogramms zuständig. In § 7 Abs. 2 der Satzung ist u.a. die Bildung eines Ausschusses für Finanzierung und Gebührenwesen geregelt. Dem Verbandsvorstand obliegt die laufende Verwaltung (§ 10 Abs. 1 der Satzung) und die Vertretung des Beklagten nach außen (§ 10 Abs. 2 der Satzung). Zum Vorstandsvorsitzenden wurde der der SPD angehörende Landrat des Kreises ... gewählt. In § 15 der Satzung ist vorgesehen, dass zur Erledigung der laufenden Verwaltung Geschäftsführer bestellt werden können. Der Beklagte beschäftigt als Geschäftsführer den in die Vergütungsgruppe BAT I a eingruppierten Angestellten ... und als dessen Vertreter den in die Vergütungsgruppe BAT III eingruppierten Angestellten.

Wegen des vollständigen Inhalts der Satzung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 23. April 2003 (Bl. 338 - 347 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger wurde im Jahr 1960 geboren. Er ist ledig und wurde im Jahr 2000 Vater. Er ist für den Beklagten gemäß eines Arbeitsvertrages vom 04. Juni 1996 seit 10. Juni 1996 tätig. In § 2 des Arbeitsvertrages ist vorgesehen, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen richtet. Der Kläger wurde zunächst als stellvertretender Kassenleiter beschäftigt und gemäß der Vergütungsgruppe BAT VI b vergütet. Mit Wirkung zum 01. September 1998 wurde er zum Kassenleiter befördert und in die Vergütungsgruppe BAT Vb umgruppiert. Er erhielt zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von DM 4.570,85.

Im Juli 1998 beschäftigten sich Herr ... und der Kläger mit der Anlage eines liquiden Vermögens des Beklagten aus Gebührenüberschüssen in Höhe von etwa 4 Mio. DM. Am 03. August 1998 erwarb der Beklagte nach Vorarbeiten des Klägers aufgrund eines von Herrn ... unterzeichneten Bestätigungsschreibens für 4 Mio. DM Anteile des DWS-Fonds "DB Emerging Markets Euro Fund" von der ... Nach Mitteilungen der Bank war der Wert des Anteils am 28. August 1998 auf 92% und am 02. September 1998 auf 90,01% des Kaufpreises gesunken. Herrn ... und dem Kläger gelang es, die ... Bank ... dazu zu bewegen, mit Schreiben vom 09. November 1998 eine Freistellung des Beklagten von Kursverlusten bis 31. Dezember 1999 schriftlich zuzusichern. Im Jahr 1999 wurden die Anteile mit einem Gewinn von ca. DM 116.000,00 veräußert. In einem Bericht der Wirtschaftsprüfer des Beklagten für das Jahr 1998 wurde der zum 31. Dezember 1998 um DM 162.000,00 unter dem Kaufpreis liegende Wert der Anlage unter gleichzeitigem Hinweis auf den Verkaufsgewinn aus dem Jahr 1999 angegeben. Durch diesen Bericht wurde das Fondsgeschäft zunächst intern bekannt und im Jahr 2000 durch Veröffentlichungen der Lokalpresse zu einem Thema von lokalpolitischem Interesse.

Am 13. Juni 2000 thematisierte der Kreisvorsitzende der CDU, der Bundestagsabgeordnete ... in einer Sitzung des Ausschusses für Fragen der Deponierung, der Finanzierung und des Gebührenwesens die Abstimmung des Anlagengeschäfts mit der Kommunalaufsicht beim Regierungspräsidium Kassel. In diesem Zusammenhang richtete der von diesem angesprochene Vorstandsvorsitzende des Beklagten an den Kläger sinngemäß die Frage, ob die Anlage mit dem Regierungspräsidium abgestimmt worden sei. Die Reaktion des Klägers ist zwischen den Parteien streitig. In dem vom Kläger gefertigten Protokoll der Sitzung heißt es zu diesem Punkt:

"Herr ... fragte weiter, warum es keine Anmeldung der Fondsanlage beim RP gab. Fondsanlagen benötigen keiner Anmeldung beim RP. Die Bestimmungen der Anlagen sind im Versicherungsaufsichtsgesetz geregelt. Durch die Garantieerklärung hat die Anlage jedoch den Charakter einer Festgeldanlage."

Das Protokoll wurde an die Teilnehmer der Sitzung nicht verteilt, weil der Ausschussvorsitzende die Unterzeichnung mit der Begründung verweigerte, die vorstehend wiedergegebene Passage gebe den Ablauf der Sitzung nicht zutreffend wieder. Der Kläger befand sich vom 23. Juni bis zum 21. Juli 2000 in Urlaub. Am 24. Juni 2000 berichtete die Zeitung Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (HNA) über das Anlagegeschäft. In dem Artikel wird der Vorstandsvorsitzende des Beklagten folgendermaßen zitiert:

"... weist darauf hin, dass diese Form der Geldanlage rechtlich zulässig sei und zuvor mit der Prüfungsbehörde beim Regierungspräsidium abgestimmt worden sei."

Wegen des weiteren Inhalts des Artikels wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 12. Januar 2001 (Bl. 59 d.A.) Bezug genommen. Eine Gegendarstellung erwirkte der Beklagte oder sein Vorstandsvorsitzender nicht. Am 25. Juni 2000 erschien im "Kreisanzeiger" unter dem Aufmacher "Wir sind alle Aktionäre" ein weiterer Artikel über die Anlage, in dem es heißt:

"Landrat ... als AZV-Vorsitzender zu dem Aktiengeschäft: "Man will uns hier unterstellen, wir hätten gesetzeswidrig gehandelt. Das stimmt nicht. Ich habe mich telefonisch im Regierungspräsidium erkundigt. Wir dürfen das Geld in Aktien anlegen, mittlerweile ist eine solche Anlageform gestattet." Das einzige Risiko sei ein verminderter Zinssatz gewesen."

Wegen des vollständigen Inhalts wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 12. Januar 2001 (Bl. 57, 58 d.A.) Bezug genommen. In der Ausgabe des Kreisanzeigers vom 02. Juli 2000 erschien eine dreispaltige Gegendarstellung des Beklagten, in der verschiedene Behauptungen aus dem Artikel vom 25. Juni 2000 als falsch bezeichnet werden, auf das vorstehend wiedergegebene Zitat des Vorstandsvorsitzenden jedoch nicht eingegangen wurde. Mit Schreiben vom 05. Juli 2000 forderte der Vorstandsvorsitzende des Beklagten den Kläger auf, "eine ausführliche schriftliche Sachverhaltsdarstellung" abzugeben, "aus der sich Ihre Einbindung und Kenntnisse über die o.g. Anlage ergeben sowie die Beteiligung anderer Mitarbeiter und Einbindung des Vorstandes". Nach der Einschaltung der Kommunalaufsicht wurde der Kläger nicht befragt. Unter dem 24. Juli 2000 gab der Kläger eine Stellungnahme ab, wegen deren Inhalts auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 14 - 16 d.A.) Bezug genommen wird.

Das Regierungspräsidium korrigierte einen an das Hessische Ministerium des Innern und für Sport gerichteten Bericht vom 12. Juli 1999, demgemäß gegen den Erwerb der Anlage auch im Jahr 1999 keine aufsichtsrechtlichen Bedenken bestanden hätten, mit dem in der Anlage zum Schriftsatz vom 16. August 2002 (Bl. 292, 293 d.A.) ersichtlichen Schreiben vom 14. Juli 2000, in dem auch mitgeteilt wird, dass über die Art der Anlage mit der Aufsichtsbehörde keine Gespräche geführt worden seien. Über diesen Vorgang berichtete die HNA mit dem in der Anlage zum Schriftsatz vom 24. Juni 2001 (Bl. 175 d.A.) ersichtlichen Artikel vom 31. Juli 2000, in dem es heißt, das Regierungspräsidium habe seine ursprüngliche Meinung geändert. Aufsichtsrechtliche Schritte gegen den Beklagten sollten jedoch mangels Schadenseintritt nicht eingeleitet werden. Ein Artikel mit ähnlichem Inhalt erschien am 05. August 2000 in der Hersfelder Zeitung (Bl. 283 d.A.). Anfang August 2000 erhob die CDU-Fraktion in der Verbandsversammlung wegen des Anlagegeschäfts beim Regierungspräsidium eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Vorstandsvorsitzenden des Beklagten. Darüber wurde in der Lokalpresse wie in der Anlage zum Schriftsatz vom 12. Januar 2001 (Bl. 62 - 64 d.A.) ersichtlich berichtet.

Nachdem die Zeugin ... bis dahin den Vorgang untersucht und vom Regierungspräsidium die Auskunft erhalten hatte, dass die Kommunalaufsicht in die Angelegenheit nicht eingebunden gewesen sei, wurde der Kläger am 14. und 15. August 2000 vom Vorstandsvorsitzenden des Beklagten und der Zeugin ... in Gegenwart des Geschäftsführers des Beklagten und einer Supervisorin des Vorstandsvorsitzenden zu der Anlage befragt. Der genaue Hergang der Gespräche ist zwischen den Parteien streitig. Am 15. August 2000 erklärte der Kläger, er habe seiner schriftlichen Stellungnahme nichts mehr hinzuzufügen. Am Ende des Gesprächs wurde der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt. Mit Schreiben vom 18. August 2000 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise zum 30. September 2000. Die Lokalpresse berichtete über die Kündigung in fünf Artikeln aus der Zeit vom 22. bis zum 30. August 2000. Wegen deren Inhalt wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 24. Juni 2001 (Bl. 170 - 174 d.A.) Bezug genommen. Der Kreisvorsitzende der CDU forderte den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden des Beklagten, da dieser "nicht länger tragbar" sei und die Öffentlichkeit nachweislich belogen habe. Der Kläger wandte sich mit der vorliegenden, am 23. August 2000 beim Arbeitsgericht eingereichten und dem Beklagten am 25. August 2000 zugestellten Klage zunächst gegen eine "fristlose Kündigung des Beklagten vom 15. August 2000". Gleichzeitig kündigte er einen allgemeinen Bestandsfeststellungsantrag an. Er nahm am 28. August 2000 an einer Vorstandssitzung des Beklagten teil. Im Protokoll der Sitzung heißt es u.a.:

"Frau ... betont in diesem Zusammenhang, dass Herr ... jetzt zugibt, dass er Herrn Landrat ... auf seine Frage der Einbindung des Regierungspräsidiums nicht richtig geantwortet habe. Wie steht Herr ... zu der gemachten falschen Aussage? Herr ... erklärt, dass er sein Verhalten bedauere."

Am Ende der Sitzung beschloss der Vorstand mit fünf zu vier Stimmen, an der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger festzuhalten.

Der Kläger hat behauptet, er habe gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden des Beklagten jeweils nur erklärt, dass der Beklagte keine Genehmigung des Regierungspräsidiums benötige, solange Finanzanlagegeschäfte den Voraussetzungen von § 54 VAG genügten. Er habe darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Auskunft durch den Zeugen ... vom Regierungspräsidium in Kassel in allgemeiner Form im Frühjahr 2000 eingeholt worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche schriftliche Kündigung des Beklagten vom 18. August 2000 nicht aufgelöst worden ist,

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den bisherigen Bedingungen als Kassenleiter weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, der Kläger habe gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden des Beklagten wiederholt, u.a. in der Ausschusssitzung vom 13. Juni 2000, wahrheitswidrig behauptet, dass die Fondsanlage von Anfang an mit dem Regierungspräsidium abgestimmt gewesen sei. Im Vertrauen auf diese Bestätigung habe der Vorstandsvorsitzende die entsprechenden Erklärungen in der Öffentlichkeit abgegeben. Am 15. August 2000 habe der Vorstandsvorsitzende den Kläger nochmals ausdrücklich gefragt, ob die strittige Anlage mit dem Regierungspräsidenten abgestimmt gewesen sei oder nicht. Er habe den Kläger auch auf die öffentliche Wirkung der Äußerung aufmerksam gemacht. Der Kläger habe darauf nichts erwidert. Die Erklärungen des Klägers zu der Abstimmung mit dem Regierungspräsidium - auf die die Kündigung ausschließlich gestützt werde - hätten zu der Lügebezichtigung und zu den Rücktrittsforderungen gegen den Vorstandsvorsitzenden geführt und dessen politische Existenz gefährdet.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 74 - 77 d.A.).

Das Arbeitsgericht Bad Hersfeld hat gemäß Beschluss vom 20. März 2001 durch Vernehmung der Zeugin ... Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. März 2001 Bezug genommen (Bl. 67 - 69 d.A.). Es hat die Klage mit Urteil vom 20. März 2001 - 1 Ca 296/00 - abgewiesen und dies - kurz zusammengefasst - mit der Feststellung begründet, dass der Kläger in der Sitzung vom 13. Juni 2000 die Frage des Vorstandsvorsitzenden des Beklagten mit dem Wortlaut "Es ist doch so, dass diese Sache mit dem Regierungspräsidenten abgestimmt worden ist?" wahrheitswidrig bejaht habe. Dies stehe durch die glaubhafte Aussage der Zeugin fest. Die wahrheitswidrige Bejahung der Frage und die unterlassene Richtigstellung seiner Antwort rechtfertigten die außerordentliche Kündigung, da dies die politische Existenz des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten gefährdet habe. Im Landkreis ... werde um wenig so ernsthaft diskutiert und gestritten wie um Fragen der Müllgebühren. Die in der Öffentlichkeit diskutierte Frage, ob der Beklagte sich auf riskante Anlagegeschäfte eigenmächtig oder nach Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde eingelassen habe, sei naturgemäß und für den Kläger erkennbar von größter Bedeutung gewesen. Eine Beschränkung auf den Ausspruch einer Abmahnung sei dem Beklagten nicht zuzumuten gewesen, da der Kläger mit der Billigung seines Verhaltens nicht habe rechnen können und die eingetretene Erschütterung des Vertrauensverhältnisses nicht mehr ungeschehen gemacht werden könne. Wegen der weiteren Begründung des Urteils wird auf Bl. 77 - 85 d.A. Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das am 04. Mai 2001 zugestellte Urteil am 31. Mai 2001 Berufung eingelegt und diese am 26. Juni 2001 begründet.

Der Kläger rügt die Nichteinhaltung der Frist von § 626 Abs. 2 BGB und das Fehlen eines Kündigungsgrundes. Er behauptet, in der Ausschusssitzung vom 13. Juni 2000 habe der Vorstandsvorsitzende des Beklagten auf die Frage, ob für die Fondsanlage die Zustimmung des Regierungspräsidiums eingeholt worden sei, den Geschäftsführer des Beklagten fragend angeschaut, der jedoch nicht geantwortet habe. Daraufhin habe er fragend zu dem das Protokoll führenden Kläger geblickt, der dadurch in seiner eigentlichen Arbeit unterbrochen worden sei. Der Kläger habe die allgemeine Antwort gegeben, dass Geldanlagen in Wertpapieren zulässig seien, wenn sie die Voraussetzungen des VAG erfüllten. Der Kläger habe zu keiner Zeit gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden oder gegenüber anderen Personen erklärt, dass das Anlagegeschäft mit dem Regierungspräsidium abgestimmt gewesen sei. In seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2000 habe er die Frage der Abstimmung mit dem Regierungspräsidium nicht erwähnt, weil sie für die Beteiligten keine Rolle gespielt habe. Deshalb sei er durch die entsprechende Frage am 14. August 2000 überrascht worden. In diesem Gespräch sei ihm konkret nur vorgehalten worden, dass er das Bestätigungsschreiben, mit dem die Anteile gekauft worden waren, als Sachbearbeiter entworfen und den Entwurf mit seinem Namenszeichen versehen hatte. Er habe den Eindruck gehabt, dass man den Geschäftsführer des Beklagten habe schonen und ihn - den Kläger - habe verantwortlich machen wollen. Er habe einer Art "Inquisition" gegenübergestanden. Am 15. August 2000 habe er darum gebeten, eventuell vorhandene konkrete Vorwürfe schriftlich zu formulieren, um eine Grundlage für eine Antwort zu haben. Darauf sei der Vorstandsvorsitzende des Beklagten aus der Haut gefahren. Die Kündigung sei offenbar nur aufgrund einer Unbeherrschtheit des Vorstandsvorsitzenden ausgesprochen worden. Dieser habe selbst in der Öffentlichkeit einen Irrtum über die Zustimmung des Regierungspräsidiums erregt. Der Kläger habe als Bauernopfer gedient, um die öffentliche Diskussion über die chaotischen Zustände beim Beklagten und die Verantwortung des Vorstandsvorsitzenden zu beenden.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 24. Juni und 20. November 2001 sowie vom 08. März und 29. Juli 2002 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld vom 20. März 2001 - 1 Ca 296/00 - abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung, hilfsweise ordentliche schriftliche Kündigung des Beklagten vom 18. August 2000 nicht aufgelöst worden ist,

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den bisherigen Bedingungen als Kassenleiter weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Vorstandsvorsitzenden des Beklagten sei derart stark gestört, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar sei. Grundlage der Kündigung sei die wahrheitswidrige Behauptung, dass die Anlage mit dem Regierungspräsidium abgestimmt worden sei, und deren unterlassene Korrektur durch den Kläger. Der Beklagte behauptet, dem Geschäftsführer ... habe die sog. technische Geschäftsführung oblegen. Der Kläger sei für kaufmännische Fragen verantwortlich und hinsichtlich der Fondsanlage der alleinige Sachbearbeiter gewesen. Der Geschäftsführer habe lediglich formal die Verantwortung getragen. Der Vorstandsvorsitzende des Beklagten sei am 25. Juni 2000 mit der Aussage, er habe sich im Regierungspräsidium telefonisch erkundigt, falsch zitiert worden. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Anlage mit dem Regierungspräsidium abgestimmt gewesen sei. Vor der Sitzung vom 13. Juni 2000 habe der Vorstandsvorsitzende telefonischen Kontakt mit dem Kläger wegen der Geldanlage gehabt und den Kläger gefragt, ob er die Anlage mit dem Regierungspräsidium abgestimmt habe. Dies habe der Kläger bejaht. In der Ausschusssitzung vom 13. Juni 2000 habe der Vorstandsvorsitzende erklärt, dass die Anlage mit dem Regierungspräsidium in Kassel abgestimmt gewesen sei. Er habe dabei zum Kläger herübergeschaut und diesen gefragt, ob das stimme. Der Kläger habe dies ausdrücklich bestätigt.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe sich spätestens zu dem Zeitpunkt korrigieren müssen, in dem die Frage der Abstimmung mit dem Regierungspräsidium politische Bedeutung gewann und in der Öffentlichkeit lautstark diskutiert wurde. Bis zum 14. August 2000 seien alle Beteiligten von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers ausgegangen. Erst nach dem Gespräch vom 14. August 2000 habe die Zeugin ... beim Regierungspräsidium in Erfahrung gebracht, dass es dort nichts Schriftliches über den Vorgang gebe. Erst darauf sei der Vorstandsvorsitzende davon ausgegangen, dass die Aussage des Klägers nicht richtig sei. In dem Gespräch am darauf folgenden Tag habe der Vorstandsvorsitzende dem Kläger u.a. vorgehalten, welche Informationen der Kläger ihm bezüglich der Einbindung des Regierungspräsidiums im März 2000 in Zusammenhang mit der Vorlage des Prüfberichts für das Jahr 1998 und in der Ausschusssitzung gegeben hatte. Dabei sei der Kläger gefragt worden, ob die streitige Anlage mit dem Regierungspräsidium abgestimmt gewesen sei oder nicht. Der Vorstandsvorsitzende habe den Kläger auf die öffentliche Wirkung der Äußerung aufmerksam gemacht, die aufgrund der vom Kläger abgegebenen Informationen nach außen getragen worden sei. Weiterhin habe der Vorstandsvorsitzende darauf hingewiesen, dass dem Kläger kein Schaden zugefügt werde, wenn er zur Wahrheit stehe und seine Fehler einräume. Die einzige Antwort des Klägers sei die gewesen, dass er seiner Stellungnahme nichts mehr hinzuzufügen habe. Da der Kläger daher sein Fehlverhalten nicht habe eingestehen wollen, sei dem Beklagten nichts anderes übrig geblieben, als den Kläger vom Dienst zu suspendieren und das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Der Kläger sei durch sein Verhalten für die Eskalation der politischen Diskussion verantwortlich gewesen. In der Vorstandssitzung vom 28. August 2000 habe er erklärt, er habe billigend in Kauf genommen, dass der Vorstandsvorsitzende des Beklagten in Schwierigkeiten gerate.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 28. August 2001 sowie vom 01. Februar, 22. Juli und 16. August 2002 verwiesen.

Die Kammer hat gemäß Beschluss vom 23. August 2002 durch Vernehmung der Zeugen ... und ... Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. August 2002 Bezug genommen (Bl. 301 - 305 d.A.).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG a.F., 518 ZPO a.F. frist- und formgerecht eingelegt und den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG a.F., 519 ZPO entsprechend rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet und ist daher zulässig.

II.

Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Kündigung vom 18. August 2000 nicht aufgelöst, da diese nicht wirksam ist.

1. Die Wirksamkeit der Kündigung wird nicht durch die §§ 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG fingiert, da der Kläger die dreiwöchige Klagefrist der §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gewahrt hat. Der Kläger hat zwar binnen drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung vom 18. August 2000 hinsichtlich dieser Kündigung keinen punktuellen Kündigungsschutzantrag im Sinne von § 4 Satz 1 KSchG angekündigt. Der zunächst als Klageantrag zu 2) erhobene allgemeine Feststellungsantrag wahrte jedoch die Klagefrist und konnte später in einen Antrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG geändert werden. Ein als Feststellungsantrag formulierter Klageantrag wie der ursprüngliche Antrag zu 2) kann regelmäßig nicht bloß als floskelhafter Hinweis auf die Rechtsfolgen der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG verstanden werden. Er ist auch dann als selbständiger Antrag zu behandeln, wenn zum Zeitpunkt der Ankündigung des Antrags noch keine weiteren Beendigungstatbestände erkennbar sind und deshalb zunächst das Feststellungsinteresse fehlt, da er auch dann im Laufe des Rechtsstreits zulässig werden kann (BAG 07. Dezember 1995 - 2 AZR 772/94 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 33, zu III 2 a). Führt der Arbeitnehmer weitere Beendigungstatbestände in das Verfahren ein, kann er den Antrag jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gemäß §§ 264 Nr. 2 ZPO, 6 KSchG fristwahrend auf einen punktuellen Antrag im Sinne des § 4 Satz 1 KSchG beschränken. Dies muss nicht innerhalb der Frist von § 4 Satz 1 KSchG geschehen (BAG 07. Dezember 1995 a.a.O., zu III 2 b; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - BAGE 85/262, zu II 1 c, d, 3).

2. Die Kündigung vom 18. August 2000 ist gemäß §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT, 1 Abs. 1 KSchG insgesamt unwirksam, da weder ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne der §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT noch ein Grund im Verhalten des Klägers vorlag, der geeignet war, die Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial zu rechtfertigen.

a) Eine verhaltensbedingte Kündigung ist weder eine Sanktion für vergangenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers noch ein Mittel zur Disziplinierung der Belegschaft, auch wenn im Einzelfall Gesichtspunkte der Betriebsdisziplin bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sein können. Das Kündigungsrecht dient dazu, zukunftsbezogen das Risiko weiterer Störungen des Vertragsverhältnisses auszuschließen (BAG 21. November 1996 - 2 AZR 357/95 - AP BGB § 626 Nr. 130, zu II 4; 04. Juni 1997 - 2 AZR 562/96 - AP BGB § 626 Nr. 137, zu II 1 d, 2 b; BVerfG 02. Juli 2001 - 1 BvR 2049/00 - NJW 2001/3474, zu II 1 a; ErfK-Müller-Glöge 3. Aufl. § 626 BGB Rdn. 2). Ein derartiges Risiko kann im Normalfall nur dann mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, wenn der Arbeitnehmer eine einschlägige Abmahnung missachtet hat. Bei einem steuerbaren Verhalten besteht die Abmahnungsobliegenheit daher gemäß der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch dann, wenn eine Vertragspflichtverletzung den Vertrauensbereich tangiert (grundlegend BAG 04. Juni 1997 a.a.O., zu II 1 d). Zu prüfen ist, ob bei Ausspruch der Abmahnung eine Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses erwartet werden konnte. Eine Abmahnung ist danach nur dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar war und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber ohne Gefährdung des Bestandes des Arbeitsverhältnisses offensichtlich ausgeschlossen war (BAG 04. Juni 1997 a.a.O., zu II 1 d, 2 b; 08. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - AP BGB § 626 Nr. 163, zu B I 2 b; 15. November 2002 - 2 AZR 605/00 - AP BGB § 626 Nr. 175, zu II 4). Auf einen solchen Sachverhalt beruft sich der Beklagte vergeblich.

Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich letztlich aus der eigenen Argumentation des Beklagten. Der Beklagte hat zweitinstanzlich - in Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin ... vom 20. März 2001 - erläutert, dass nicht das vorherige Verhalten des Klägers der eigentliche Anlass der Kündigung war, sondern die Weigerung des Klägers vom 15. August 2000, zu seinem Verhalten Stellung zu nehmen und einzuräumen, dass die nach der Darstellung des Beklagten von ihm bis dahin wiederholt aufgestellte Behauptung, dass die Fondsanlage mit dem Regierungspräsidium abgestimmt gewesen sei, falsch war. Kündigungsanlass war daher nicht eine eventuelle Pflichtverletzung im Vorfeld, sondern die Weigerung, diese nach Ansicht des Beklagten begangene Pflichtverletzung einzugestehen. Eine derartige Weigerung ist jedoch nicht zur Kündigungsrechtfertigung geeignet.

Die 13. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts hat jüngst angenommen, dass einem Arbeitgeber die Berufung auf einen Kündigungsgrund verwehrt ist, wenn er dem Arbeitnehmer Gelegenheit gibt, sich für eine den Kündigungsgrund bildende Pflichtverletzung zu entschuldigen. Dann sei nach der eigenen Einschätzung des Arbeitgebers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar. Kündige der Arbeitgeber nach der Verweigerung der begehrten Entschuldigung, sei dies eine dem kündigungsrechtlichen Prognoseprinzip widersprechende und damit unzulässige Abstrafung des Arbeitnehmers (Hess. LAG 26. November 2002 - 13 Sa 465/02 - n.v.). Dies widerspricht der allgemeinen Ansicht, dass der Maßstab des wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB ein rein objektiver ist und der subjektive Kenntnisstand und die Motivation des Kündigenden für die Kündigung irrelevant sind (vgl. etwa BAG 13. November 1955 - 2 AZR 39/54 - AP BGB § 626 Nr. 4; 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - AP BGB § 626 Nachschieben von Kündigungsgründen Nr. 1, zu 2 b; Staudinger-Preis BGB Neubearbeitung 2002 § 626 Rdn. 57, 66; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rdn. 109; APS-Dörner § 626 BGB Rdn. 34), nur scheinbar. Jedenfalls auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu untersuchen, ob dem Kündigenden unter den im Einzelfall vorliegenden Umständen die Vertragsfortsetzung nicht mehr zumutbar ist oder ob von ihm eine Beschränkung auf mildere Mittel verlangt werden kann. Bringt er selbst zum Ausdruck, dass ihm unter bestimmten Bedingungen, etwa nach dem Ausspruch einer Entschuldigung des Vertragspartners, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als möglich erscheint, ist dies - wenn schon nicht ohne weiteres ausschlaggebend - zumindest ein für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kündigung wesentlicher Umstand.

In der Regel ist es dem Kündigungsberechtigten verwehrt, in einer solchen Situation das Absehen von der Kündigung von einem Schuldeingeständnis und/oder von einer Entschuldigung des Kündigungsgegners abhängig zu machen, da eine Rechtsgrundlage für ein derartiges Ansinnen fehlt. Die gegenüber verhaltensbedingten Kündigungen in der Regel in Betracht kommenden milderen Mittel sind der Ausspruch von Er- und Abmahnungen oder von Um- oder Versetzungen o.ä. (vgl. die Aufstellung bei APS-Dörner § 626 BGB Rdn. 88). Dies entspricht nicht nur der langjährigen Rechtsprechung, sondern ist inzwischen - den vorliegenden Kündigungssachverhalt noch nicht erfassend - mit § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I/3138) normiert worden. Das an den Vertragspartner gerichtete Verlangen, eine eigene Schuld einzugestehen oder sich zu entschuldigen, ist typischerweise kein geeignetes Mittel zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr, da es meist eine spontane Reaktion in einer vom Vertragspartner häufig als Stresssituation empfundenen Auseinandersetzung verlangt. Die Fähigkeit, in einer solchen Lage gegenüber der anderen Seite flexibel seinen Standpunkt aufzugeben und die gewünschte Erklärung abzugeben, besagt wenig darüber, ob eine solche Erklärung tatsächlich ernst gemeint ist und eine Wiederholung vergleichbarer Pflichtverletzungen nicht mehr zu befürchten ist. Umgekehrt kann mit Hilfe von Er- und Abmahnungen eine Wiederholungsgefahr auch bei Personen beseitigt werden, die in der Situation des persönlichen Aufeinandertreffens nicht willens oder ihrer psychischen Konstitution nach nicht in der Lage sind, die gewünschte Erklärung abzugeben.

Die Nichtabgabe des vom Beklagten verlangten Geständnisses des Klägers rechtfertigt für sich daher die Kündigung nicht. Das vorherige Verhalten des Klägers allein machte dem Beklagten nach dessen eigener Auffassung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch nicht unzumutbar. Das Verhalten des Klägers im Gespräch vom 15. August 2000 rechtfertigt auch nicht den Vorwurf, weiter pflichtwidrig eine Abstimmung der Anlage mit dem Regierungspräsidium vorgespiegelt zu haben. Nach der Schilderung des Beklagten schwieg der Kläger in dem Gespräch zu diesem Thema. Dies allein war zur Aufrechterhaltung eines eventuellen Irrtums des Vorstandsvorsitzenden des Beklagten, der an diesem Tag auch nach der Darstellung des Beklagten nicht mehr bestand, nicht geeignet.

b) Selbst wenn jedoch unterstellt wird, dass die vom Beklagten behauptete falsche Darstellung des Klägers grundsätzlich zur Rechtfertigung der Kündigung in Betracht kommt, scheitert die Kündigung jedenfalls daran, dass im Rahmen der Interessenabwägung die Interessen des Klägers am Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses das Lösungsinteresse des Beklagten übersteigen. Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass die unzutreffende Vorspiegelung einer Abstimmung der Anlage mit der Kommunalaufsicht eine ernsthafte Vertragspflichtverletzung darstellt. Gemäß §§ 666, 675 BGB ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber über seine Tätigkeit zutreffend Auskunft und Rechenschaft zu erteilen. Dies gilt umso mehr in einer politisch sensiblen Angelegenheit wie der fraglichen Fondsanlage.

Das danach auf der Grundlage der Sachverhaltsdarstellung des Beklagten vorliegende Verschulden des Klägers wird jedoch durch mehrere Umstände gemildert. Zum einen ist es nicht Aufgabe von Angestellten im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V b BAT-VkA, maßgeblich Entscheidungen über die Anlage von Millionensummen zu treffen oder vorzubereiten und im Zusammenhang mit solchen Geschäften politische Auswirkungen zu prüfen. Zum anderen offenbarte das Verhalten des Vorstandsvorsitzenden des Beklagten vor dem 14. August 2000 keineswegs ein besonders ausgeprägtes Interesse an der Abstimmung der Anlage mit der Kommunalaufsicht. Die vom Beklagten behauptete Frage an den Kläger, ob die Anlage mit dem Regierungspräsidium abgestimmt worden sei, und die von ihm behauptete, auf das Wort "ja" beschränkte Antwort des Klägers blieben rein oberflächlich. Es ist völlig unklar, was mit dem Begriff "abgestimmt" gemeint gewesen sein soll. Eine kurze Nachfrage, wann welche Erklärung des Regierungspräsidiums zu dem Geschäft abgegeben worden war, und die Bitte um Vorlage entsprechender Bescheide hätten ausgereicht, um über den wahren Sachverhalt Klarheit zu erlangen. Auffällig ist zudem, dass gegenüber dem Bericht des Kreisanzeigers vom 25. Juni 2000 von Seiten des Beklagten zwar eine umfangreiche, zahlreiche Details des Berichts betreffende Gegendarstellung abgegeben wurde, ausgerechnet die dem Vorstandsvorsitzenden des Beklagten zugeschriebene Äußerung, dass er sich telefonisch beim Regierungspräsidium erkundigt habe, in der Gegendarstellung aber nicht angesprochen wurde. Dies dürfte für die seinerzeitige Interessenlage bezeichnend gewesen sein, zumal auch der Kläger in der Bitte um Stellungnahme vom 05. Juli 2000 zu diesem Thema nicht befragt wurde.

Im Hinblick darauf ist das eventuell bestehende Verschulden des Klägers nicht derart gewichtig, dass dessen Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis der Parteien die Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen können. Die verhaltensbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten würde erhebliche Auswirkungen auf das weitere berufliche Fortkommen des Klägers haben und insbesondere dessen Chancen auf eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst erheblich beeinträchtigen. Dass das eventuelle Verschulden des Klägers für sich nicht so gewichtig ist, dass es die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machte, räumt der Beklagte mit seiner zweitinstanzlichen Argumentation auch letztlich selbst ein.

3. Da die Kündigung vom 18. August 2000 daher unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien demzufolge fortbesteht, hat der Kläger gemäß der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) Anspruch darauf, bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens seinem Arbeitsvertrag entsprechend als Kassenleiter beschäftigt zu werden. Besondere, dem ausnahmsweise entgegenstehende Interessen des Beklagten ergeben sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht.

III.

Der Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Ein die Zulassung der Revision veranlassender Grund im Sinne von § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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