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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 13 Sa 1739/07
Rechtsgebiete: KSchG, BGB
Vorschriften:
KSchG § 2 | |
BGB § 145 |
2) Es bleibt unentschieden, ob Änderungskündigungen mit Haupt- und Hilfsangeboten nicht schon als solche unwirksam sind.
3) Bei betriebsbedingten Änderungskündigungen in der Form der Entgeltkürzung für eine Vielzahl von Arbeitnehmer ist der Gleichbehandlungsgesetz zu beachten. Dabei kommt es nicht auf den jeweiligen Sanierungsbeitrag des einzelnen Arbeitnehmers an.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2007, - 11/12 Ca 3082/07 -, wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Änderung der vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen des Klägers.
Der am XX.XX.19XX geborene Kläger ist verheiratet und gegenüber drei Kindern unterhaltsverpflichtet und seit 18. Januar 1997 bei der Beklagten als Fahrer für zuletzt € 2.400,00 brutto pro Monat beschäftigt. Seit 01. Februar 2007 ist er Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte ist im Bereich der Lagerbewirtschaftung für Speditionsgesellschaften am Flughafen in Frankfurt am Main und in Kelsterbach tätig.
Mit Schreiben vom 28. März 2007 (Bl. 4 ff. d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2007 und bot dem Kläger zugleich ab 01. Mai 2007 die Weiterbeschäftigung mit derselben Tätigkeit wie zuvor an, jedoch mit einer Vergütung nach den Haustarifverträgen, wie zwischen der Beklagten und dem DHV - Deutscher- Handels- und Industrieangestellten-Verband im Christlichen Gewerkschaftsbund - in Form eines Manteltarifvertrages und Sanierungsentgelttarifvertrages vereinbart. In dem Kündigungsschreiben sind die angebotenen Änderungen wie folgt beschrieben:
Samstagschichten werden auf Werktagniveau gezahlt
Weihnachtsgeld entfällt
Urlaubsgeld entfällt
Krankensatz auf 1. Schichtbezahlung
Urlaubsreduktion auf 25 Tg
Urlaubsbezahlung nach Ausfallprinzip
20 Schichten im Monat Mindestanspruch
Stundenlohn neu 10,50 €
Hilfsweise bot die Beklagte dem Kläger die Weiterbeschäftigung auf der Basis der Entgelte des Tarifes "Lohn, Gehalt und Ausbildungsvergütung" für die Beschäftigten des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes in Hessen, gültig ab 01. Juni 2007, an. Dieses Änderungsangebot ist in der Kündigung wie folgt beschrieben:
Rein vorsorglich und hilfsweise kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis entsprechend der oben genannten ordentlichen Kündigungsfrist und bieten Ihnen gleichzeitig die Fortführung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Entgelte des Tarifes "Lohn, Gehalt und Ausbildungsvergütung" für die Beschäftigten des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes in Hessen (VdV), gültig ab 01.06.2002, an.
Ihren neuen Stundenlohn/Monatslohn (bei den in Angestelltengehälter einzustufenden Mitarbeitern) sowie die anderen Bedingungen entnehmen Sie bitte der folgenden Tabelle:
Samstagschichten werden auf Werktagniveau gezahlt
Stunden-/Monatslohn, Gehaltsgruppe: L1 10,10 €
Der Kläger nahm die Angebote jeweils unter Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an.
Die Beklagte begründete ihre Änderungskündigung in dem Kündigungsschreiben mit einem Sanierungskonzept. Sie sprach am 28. März 2007 auch gegenüber einer Vielzahl von weiteren Arbeitnehmern Änderungskündigungen aus, die konzeptionell im Wesentlichen der vorliegenden Änderungskündigung entsprechen.
Die Beklagte hörte vor Ausspruch der Änderungskündigungen den bei ihr gegründeten Betriebsrat an. Der Betriebsrat widersprach allen Änderungskündigungen.
Mit Schreiben vom 05. April 2007, beim Arbeitsgericht am 10. April 2007 eingegangen und der Beklagten am 19. April 2007 zugestellt, erhob der Kläger die vorliegende Änderungsschutzklage.
Mit Wirkung zum 01. Juli 2007 schloss die Beklagte einen Haustarifvertrag mit der Gewerkschaft ver.di ab. Nach diesem Tarifvertrag wurde das Lohnniveau ebenfalls gesenkt, jedoch nicht so erheblich wie durch die im Rahmen des Änderungsangebots in Bezug genommenen Bedingungen der Tarifverträge mit dem DHV bzw. nach dem Tarifvertrag des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes Hessen.
Der Kläger hat die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bezweifelt. Die Kündigungserklärung - so hat er weiter behauptet - sei unklar. Es sei nicht deutlich, ob die Tarifverträge nunmehr volle Geltung entfalten oder nur analog gelten sollen. Auch das hilfsweise unterbreitete Angebot sei unklar. Es sei nicht verständlich, ob der Haustarifvertrag insgesamt zum Bestandteil des Arbeitsvertrages werde oder nur der Stundenlohn gekürzt werde. Die Kündigung sei darüber hinaus sozial ungerechtfertigt. Der Geldmangel der Beklagten rechtfertige die Kündigung nicht. Die angegebenen Wirtschaftsdaten seien nicht belegt und unzutreffend. Soweit die Beklagte von der Nachwirkung des Tarifvertrages mit ver.di ausgeht, so sei dies für ihn als ver.di-Mitglied unzutreffend. Für ihn trete die Nachbindung nach dem TVG ein, sodass die ordentliche Änderungskündigung bereits aus diesem Grund ausgeschlossen sei. Da das Angebot selbst gegen den Tarifvertrag mit der Christlichen Gewerkschaft verstoße, sei die Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam. Es sei nicht verständlich, wie der neue Tarifvertrag mit ver.di nun mit dem Sanierungskonzept vereinbar sei, da dieser Tarifvertrag deutlich bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer enthalte.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 28. März 2007 sozial ungerechtfertigt oder aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Änderungskündigung enthalte die aufgelisteten Konditionen in hinreichender Deutlichkeit. Der Haustarifvertrag mit dem DHV sei nicht einbezogen worden. Im Kündigungszeitpunkt seien bei ihr 107 Mitarbeiter tätig gewesen, davon 10 Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich und 97 Mitarbeiter im gewerblichen Bereich des Lagers. Sie sei derzeit für zwei Kunden tätig: für die Spedition Kühne & Nagel am Flughafen mit 96 Mitarbeitern und für die Spedition A in B. Die Tätigkeit für C mache ca. 87% ihres Umsatzes aus. C habe im Herbst 2006 mit Wirkung zum 01. April 2007 unter sieben Dienstleistern einen Auftrag ausgeschrieben. Mindestens zwei Dienstleister hätten Preise angeboten, die unter 30% der von ihr abgerechneten Raten gelegen hätten. Um die Ausschreibung zu gewinnen, hätte die Geschäftsleitung in einer Geschäftsführersitzung vom 27. September 2006 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Abfertigungskosten in allen Bereichen deutlich zu reduzieren, von 8,1 Cent pro kg auf 5,9 Cent pro kg. Das Konzept sei den Arbeitnehmern in Betriebsversammlungen am 19. und 24. Oktober 2006 vorgestellt worden. Bei dem Verlust des Auftrags zum 31. März 2007 sei die Betriebsschließung wegen des Verlustes von 96 Arbeitsplätzen unvermeidbar gewesen. Die Summe der voraussichtlichen monatlichen Einnahmen nach der neuen Kostenstruktur hätte sich bei der Kalkulation auf der Basis der Ausschreibung mit einer Umschlagsmenge von 5.545.000 kg pro Monat auf € 327.155,00 belaufen. Dies sei bereits eine optimistische Berechnung, da im Jahr 2006 die Umschlagsmenge nur 4.100.000 kg pro Monat betragen habe. Der Vertrag mit C sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Sie, die Beklagte, hoffe zwar dabei auf ein Zusatzgeschäft, dieses habe sich aber noch nicht verwirklicht. Nur bei einer Qualitätsstufe von über 92% solle sie statt 5,9 Cent 6,5 Cent von C pro kg erhalten. Auf dieser Grundlage von 5.545.000 kg pro Monat mit voraussichtlichen Einnahmen von € 327.155,00 ergäbe sich nach einer Kalkulation, dass im Ergebnis nur 70,02% des bisherigen Lohnes verfügbar seien. Rechne man die im Jahr 2005 vorhandenen 104 Mitarbeiter auf die zum Kündigungszeitpunkt 96 Mitarbeiter herunter, ergebe sich eine durchschnittliche monatliche Lohnsumme bei den derzeitigen Gehaltshöhen von € 298.155,00. Bei einer maximalen Tonnage sei ab 01. April 2007 nur ein Betrag von € 191.380,00 verfügbar, sodass ein monatlicher Fehlbetrag von € 106.773,00, mithin jährlich ein Fehlbetrag von € 1.281.287,00 zu verzeichnen wäre. Daher seien die Personalkosten um 30% zu senken. Alle anderen möglichen Mittel seien vorher überprüft worden. Die Kosten für die Verwaltung/Administration seien auf Einsparpotentiale geprüft und teilweise - wenn möglich - auch reduziert worden. Das gleiche gelte für Material, Mieten und Geräte sowie für Dienstleistungs-, Versicherungs- und Wartungsverträge. Man habe die Umfuhren bereits im Jahr 2005 selbst übernommen sowie einen Anbieterwechsel z. B. bei der hinzu gekauften Sattelzugkapazität durchgeführt und so eine bessere Auslastung durch die Abfertigung im Frachtterminal erreichen können. Es gäbe keine eigenen Grundstücke oder Gebäude mehr. Alle sonstigen Einsparungsmittel seien damit ausgeschöpft. Mildere Mittel bestünden nicht. Das größte und wichtigste Einsparpotential bieten die Gehaltszahlungen, da diese inklusive Arbeitgeberbeiträge 62,62% der Gesamtausgaben ausmachten. Nur bei Einsparungen in diesem Bereich könnte das wirtschaftliche Überleben des Betriebs gesichert werden. Daher hätte ein neues Konzept zur Personalkostensanierung erarbeitet werden müssen. Dieses hätte mehrere Konsequenzen zum Inhalt gehabt: Die Anzahl der Arbeitnehmer müsse von 96 auf 88 reduziert werden; sie, die Beklagte, habe ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zum 04. Dezember 2006 in eine OT-Mitgliedschaft geändert; das Lohnniveau müsse um 30% in Höhe von 15% durch Streichung bzw. Kürzung von Sonderleistungen und in Höhe von 15% durch Lohnreduzierungen gesenkt werden. Das Sanierungskonzept spiegele sich in dem Haustarifvertrag und Sanierungsentgelttarifvertrag vom 27. Februar 2007 wider. Die einzelnen Reduzierungen der monatlichen Gehaltszahlungen ergebe sich aus der Aufstellung Bl. 24 - 27 d.A. Grund für die unterschiedlichen prozentualen Reduzierungen sei das frühere Entlohnungssystem, in dem verschieden hohe prozentuale Zulagen auf den Grundlohn gewährt worden seien. Die Änderungskündigungen beabsichtigten die Lohnsummenkürzungen auf Niveau des DHV-Tarifvertrages. Der Gehalts- und Lohntarifvertrag für das Speditionsgewerbe Hessen wirke - so hat die Beklagte weiter ausgeführt - nicht nach, da er nie angewandt worden sei, sondern das eigene SVL-Vergütungssystem. Zunächst habe der bisherige Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des privaten Verkehrsgewerbes nach ihrer Kündigung der Mitgliedschaft Nachwirkung entfaltet. Ab 27. Februar 2007 ginge der Haustarifvertrag als speziellerer Tarifvertrag vor. Für den Fall, dass das Gericht die Nachwirkung des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer des privaten Verkehrsgewerbes weiterhin als gegeben ansieht, habe sie hilfsweise die Änderungskündigung auf das Lohnniveau des Lohntarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer des privaten Verkehrsgewerbes ausgesprochen. Dies führe zu einer Lohnreduzierung in Höhe von 16,72%. Die Samstagschichten würden auf Werktagsniveau gezahlt, dies erwirtschafte eine Reduzierung von 2,05%, sodass noch eine Einsparung von 10,50% fehle.
Sie - die Beklagte - habe den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Ferner habe sie gegenüber der Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige mit Schreiben vom 06. März 2007 gemacht.
Durch Urteil vom 11. Oktober 2007 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, im Wesentlichen mit der Begründung, die Beklagte habe die Finanzlage des Betriebs als Voraussetzung für die Berechtigung einer Entgeltreduzierung nicht hinreichend dargelegt. Außerdem seien unterschiedlich hohe Lohnkürzungen vorgenommen worden. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 107 - 118 d.A.).
Gegen dieses der Beklagten am 22. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 21. November 2007 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. Januar 2008 mit einem am 25. Januar 2008 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Im Jahr 2005 sei das Betriebsergebnis mit € 81.258,74 negativ gewesen, im Jahr 2006 sein ein Verlust in Höhe von € 600.321,59 aufgetreten und für das Jahr 2007 sei bei Beibehaltung der bisherigen Kostenstruktur im Personalbereich und unter Berücksichtigung der ab dem 01. April 2007 reduzierten Einnahmen aus dem C-Auftrag ein weiterer Verlust von € 1.031.601,80 prognostiziert worden. Die Zahlen verdeutlichten, dass sie, die Beklagte, auf Basis der bisherigen Personalkostenstruktur und der bereits in den Jahren 2005 und 2006 aufgelaufenen negativen Betriebsergebnisse und da das Betriebsvermögen bereits aufgebraucht sei, im Jahr 2007 insolvenzgefährdet wäre. Ein ausgeglichenes Ergebnis hätte sie nur bei einer Personalkostenreduzierung von mindestens 30% erzielen können. Für das Kalenderjahr 2007 ergäbe eine Simulation der Erlöszahlen für die ersten drei Monate, die sich auf der Basis der mit der Firma Kühne & Nagel ab dem 01. April 2007 abzurechnenden Preise ergäbe, und der restlichen 9 Monate nach den tatsächlich erlösten Beträgen ein Erlös von € 4.733,834,88, und zwar auf der Basis der bisherigen Vergütungen. Es sei ersichtlich, dass erneut erhebliche betriebliche Verluste zu verzeichnen wären, nämlich € 1.076,734,64.
Alle sonstigen Einsparpotentiale seien ausgeschöpft. Betriebliche Vermögenswerte seien durch die früheren Verlustjahre aufgezehrt. Die in unterschiedlicher prozentualer Höhe angebotenen Vertragsänderungen bezögen sich nur auf die Grundvergütung. Die weiteren Personalkostenreduzierungsmaßnahmen seien für alle gleich, nämlich die Streichung des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes, die Umstellung der Urlaubs- und der Samstagsbezahlung, die Änderung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Festlegung der Schichten auf 20 pro Monat sowie der Widerruf der übertariflichen Zulagen. Dadurch stünde jedenfalls kein Arbeitnehmer besser als vorher, auch wenn einige tatsächlich durch die Vereinheitlichung der Grundvergütung eine höhere Grundvergütung als bisher erhielten. Im Übrigen, so meint die Beklagte, komme es für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung nicht auf den jeweiligen Einzelsanierungsbeitrag bestimmter Arbeitnehmer an. Ein Abstellen auf das Gewicht des Einzelbeitrags stelle eine unzulässige Individualisierung des dem Arbeitgeber von der Rechtsprechung abverlangten Sanierungskonzepts dar. Das Wesen eines derartigen Sanierungskonzepts sei es, dass der Arbeitgeber einen kollektiven Weg gehen muss, der sich aus vielen Einzelbestandteilen zusammensetze. Sie, die Beklagte, habe alle Arbeitnehmer gleich behandelt, indem sie allen Beschäftigten eine Änderungskündigung nach einem einheitlichen Sanierungskonzept erklärt habe.
Ergänzend wird insoweit auf die Berufungsbegründung vom 25. Januar 2008 nebst beigefügten Anlagen 5 - 7 (Bl. 129 ff. d.A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2007 - 11/12 Ca 3082/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Das von der Beklagten verwendete Gutachten zur wirtschaftlichen Situation der Beklagten sei zum Zeitpunkt seiner Erstellung bereits überholt gewesen. Der bemühte Sachverständige habe nicht die einzelnen Vertragsbedingungen mit der Firma Kühne & Nagel gekannt. Auch die übrigen Daten seien unzutreffend. Daher seien die von der Beklagten vorgelegten Berechnungen ohne Aussagewert. Der neu abgeschlossene Haustarifvertrag mit ver.di zeige, dass es durchaus noch Ressourcen gegeben hätte, um mit einer geringeren Personalkostenreduzierung auszukommen. Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer bei der Kürzung des Grundgehalts sei sachlich ungerechtfertigt. Auch innerhalb möglicher Vergleichsgruppen seien die Kürzungen unterschiedlich hoch.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 06. Mai 2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 lit. c ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
In der Sache ist die Berufung erfolglos.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Änderungskündigung vom 28. März 2007 ist unwirksam, weil das darin enthaltene Änderungsangebot nicht ausreichend bestimmt ist. Die Kündigung bewirkte daher keine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers.
Eine Änderungskündigung ist nach der Definition des § 2 Satz 1 KSchG ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen hinzukommen. Das Änderungsangebot muss wie jedes Angebot im Sinne von § 145 BGB eindeutig bestimmt bzw. bestimmbar sein. Das angestrebte Rechtsgeschäft muss vom Empfängerhorizont aus beurteilt, in sich verständlich und geschlossen sein. Dem gekündigten Arbeitnehmer muss also ersichtlich sein, welche (wesentlichen) Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen und welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis künftig haben soll. Nur so kann der Arbeitnehmer seine Entscheidung über das Angebot in Kenntnis aller wesentlichen Vertragsbedingungen bzw. -änderungen treffen. Dabei genügt eine Bestimmbarkeit des Angebots. Der Inhalt der Offerte ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu interpretieren und zu bestimmen. Ist danach das Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, führt dies zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG vom 16. September 2007 - 2 AZR 628/03 - NZA 2005, 635; BAG vom 17. Mai 2001 - 2 AZR 460/00 - EzA Nr. 3 zu § 620 BGB Kündigung; LAG Hamm vom 07. September 2007 - 4 Sa 423/07 - zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz vom 15. März 2002 - 3 Sa 1098/07 - NZA-RR 2002, 670; KR-Rost, 8. Aufl. 2007, § 2 KSchG Rz 28 b; ErfK/Oetker, 8. Aufl. 2008, § 2 KSchG Rz 10).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte im Rahmen ihrer Änderungskündigung vom 28. März 2007 ein Haupt- und ein Hilfsangebot unterbreitet und dem Kläger die Wahl überlassen. Es mag dahinstehen, ob nicht diese Form der Änderungskündigung als solche schon unwirksam ist (so etwa ErfK/..., a. a. O.; ArbG Düsseldorf vom 18. Oktober 2005, NZA-RR 2006, 21). Die Berufungskammer ist jedenfalls der Auffassung, dass dann, wenn der Arbeitgeber sich entschließt dem Arbeitnehmer im Rahmen einer Änderungskündigung Alternativangebote zu unterbreiten, jedes dieser Angebote für sich genommen hinreichend bestimmt sein muss. Geschieht dies nicht, hat der Arbeitnehmer in Wahrheit keine Entscheidungsfreiheit. Er würde entweder gezwungen sein, von sich aus Vertragsverhandlungen mit dem Arbeitgeber aufzunehmen oder er wird von dem unbestimmten Angebot Abstand nehmen. So ist es hier. Zugunsten der Beklagten mag unterstellt werden, dass der Kläger die in erster Linie angebotene Vertragsänderung noch in Gänze überschauen konnte. Immerhin erwähnt die Änderungskündigung, dass dem Kläger die Haustarifverträge, die mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund abgeschlossen wurden, bereits vorlagen. Hinsichtlich der hilfsweise angebotenen Änderung ist aber nur mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis "auf der Basis der Entgelte des Tarifs Lohn, Gehalt und Ausbildungsvergütung für die Beschäftigten des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes in Hessen, gültig ab 01. Juni 2007" fortgeführt werden soll. Dann ist davon die Rede, dass Samstagschichten auf Werktagsniveau gezahlt werden und der Stunden-/Monatslohn, Gehaltsgruppe: L1 bei € 10,10 liegen soll. Diese Hinweise sind zu unbestimmt und auch nicht bestimmbar. Es bleibt schon offen, ob der zitierte Tarifvertrag als Ganzes oder nur "auf der Basis der Entgelte" wirken soll, wobei dabei wieder fraglich ist, in welcher Form und in welchem Umfang diese Entgelte zum Gegenstand der neuen vertraglichen Vereinbarung werden sollen. Offenbar hat der zitierte Tarifvertrag ein vollständiges Eingruppierungssystem, das der Kläger bei diesem Angebot nicht für sich nachvollziehen konnte. Deshalb ist auch unklar, was der Unterschied zwischen der Bezahlung von "Samstagschichten" und der Veränderung auf "Werktagsniveau" bedeutet. Diese Unwirksamkeit des "Hilfsangebots" führt nach Auffassung der Berufungskammer zur Unwirksamkeit des Änderungsangebots insgesamt und damit auch zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung als solcher. Es reicht nicht aus, dass - möglicherweise - das "Hauptangebot" hinreichend bestimmt ist, denn dann wäre es dem Arbeitnehmer aufgegeben, selbst zu entscheiden, welches Angebot gültig ist und welches nicht. Dies ist mit dem Grundsatz der Kündigungsklarheit unvereinbar (ebenso LAG Hamm vom 07. September 2007, a. a. O.).
Darüber hinaus ist die Änderungskündigung vom 28. März 2007 nach rechtzeitiger Klageerhebung nach Maßgabe des zweifelsfrei anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes auch sozial ungerechtfertigt (§§ 1 Abs. 1; 1 Abs. 2; 2; 4; 23 Abs. 1 KSchG).
Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG vom 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - NZA 2008, 523; BAG vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 - NZA 2006, 587). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BAG vom 19. Mai 1993 - 2 AZR 584/92 - NZA 1993, 1075).
Die die ordentliche Änderungskündigung sozial rechtfertigenden dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG setzen voraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist. Dies kann auf einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebes oder einzelner Arbeitsplätze beruhen, von der auch das Anforderungsprofil der im Betrieb nach Umstrukturierung verbleibenden Arbeitsplätze erfasst werden kann. Besteht die vom Arbeitgeber angebotene Vertragsänderung allein in einer Absenkung der bisherigen Vergütung, so gelten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, folgende Grundsätze:
Die Unrentabilität des Betriebs kann einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen darstellen, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind (vgl. zuletzt BAG vom 12. Januar 2006, a. a. O.; KR-Rost, 8. Aufl. 2008, § 2 KSchG Rz 107 a; APS-Künzl, 2. Aufl., § 2 KSchG Rz 257 ff.). Eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die eine aus wirtschaftlichen Gründen sonst erforderlich werdende Beendigungskündigung vermeidet, ist danach grundsätzlich zulässig. Sie ist oft das einzige dem Arbeitgeber zur Verfügung stehende Mittel. Prüfungsmaßstab ist, ob die betrieblichen Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegenstehen (BAG vom 01. Juli 1999 - 2 AZR 826/98 - AP Nr. 53 zu § 2 KSchG 1969).
Stets müssen die betrieblichen Erfordernisse dringend sein. Bei betriebsbedingten Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift (BAG vom 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - NZA 2006, 92; BAG vom 26. Januar 1995 - 2 AZR 371/94 - BAGE 79, 159 und BAG vom 01. Juli 1999 - 2 AZR 826/98 - AP Nr. 53 zu § 2 KSchG 1969). Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Es ist allgemein anerkannt, dass Geldmangel den Schuldner nicht entlastet. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG vom 20. August 1998 - 2 AZR 84/98 - AP Nr. 50 zu § 2 KSchG 1969 und BAG vom 01. Juli 1999 - 2 AZR 826/98 - AP Nr. 53 zu § 2 KSchG 1969). Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und ferner darlegt, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen (KR-Rost, 8. Aufl. 2008, § 2 KSchG Rz 107 c).
Besteht nach diesen Darlegungen ein anerkennenswerter Anlass zu einer betriebsbedingten Änderungskündigung, dann darf der Arbeitgeber lediglich solche Änderungen vorschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG vom 15. März 1991 - 2 AZR 582/90 - AP Nr. 28 zu § 2 KSchG 1969; BAG vom 24. April 1997 - 2 AZR 352/96 - AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969; BAG vom 16. Februar 2002 - 2 AZR 292/01 - NZA 2003, 147). Besteht etwa ein dringendes betriebliches Bedürfnis zu Entgeltkürzungen, so ist der Arbeitgeber regelmäßig verpflichtet, bei der Kürzung des Entgelts innerhalb des Betriebes Gleichbehandlungsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Arbeitnehmer müssen es billigerweise nicht hinnehmen, dass der Arbeitgeber bei wirtschaftlichen Verlusten ohne sachlichen Grund einzelne von ihnen herausgreift und ihnen eine erhebliche Einkommensminderung ansinnt, während er das Einkommen der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Arbeitnehmer unangetastet lässt (BAG vom 12. November 1998 - 2 AZR 91/98 - NZA 1999, 471; KR-Rost, a. a. O., Rz 107 d).
Gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt der Arbeitgeber auch, wenn er die angebotenen Gehaltskürzungen ohne sachlichen Grund in unterschiedlicher Höhe vorsieht. So ist es hier. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass die von der Beklagten vorgesehenen Gehaltsreduzierungen in nicht nachvollziehbarer Weise zwischen 33,7% Minus bis zu einem Mehrverdienst von 9,99% differenzieren, auch wenn es hierbei "nur" um das Grundgehalt geht, wie die Beklagte im zweiten Rechtszug klargestellt hat. Diese Schwankungsbreite ist mit einer notwendigen allgemeinen Entgeltreduzierung wegen dringender wirtschaftlicher Notlage nicht zu rechtfertigen. Es spielt dabei auch keine Rolle, dass "unter dem Strich", also nach Berücksichtigung aller Zulagen, Gratifikationen usw., kein Arbeitnehmer nach der Änderungskündigung mehr verdienen soll als vorher. Die im Blick auf die angeblichen betriebsbedingten Notwendigkeiten nicht zu rechtfertigenden Differenzierungen bei den Gehaltskürzungen bleiben gleichwohl bestehen.
Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass es für die Beurteilung einer vorliegenden betriebsbedingten Änderungskündigung durch Gehaltsreduzierung nicht auf den jeweiligen Einzelsanierungsbeitrag ankäme und es ausreiche, dass die Einsparungen, die das Sanierungskonzept verlangt, erreicht würden. Diese Erwägung bedeutete zu Ende gedacht die Aufgabe jeden Schutzes vor betriebsbedingten Kündigungen. Auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, auf das die Beklagte zur Stützung ihrer Ansicht verweist (Urteile vom 30. Januar 2007 - 5 Sa 357/06 - zitiert nach juris und vom 21. Februar 2007 - 3 Sa 349/07 - LAGE Nr. 57 zu § 2 KSchG) sieht dies nicht anders. Dort ist vielmehr ausdrücklich die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes betont und deshalb der Einwand der dortigen Kläger zurückgewiesen worden, ihr persönlicher Einsparungsbeitrag sei bei der Sanierung des Betriebs nicht mehr relevant, nachdem die überwiegende Mehrzahl der betroffenen Arbeitnehmer die Änderungskündigung akzeptiert hätten. Nur in diesem Zusammenhang - so das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zu Recht - stelle das Abstellen auf das Gewicht des verbliebenen Einzelsanierungsbeitrags eine unzulässige Individualisierung des Sanierungskonzepts dar.
Da auch die hilfsweise angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen in der Änderungskündigung vom 28. März 2007 keine gleichförmigen oder nach sachlichen Gründen differenzierenden Gehaltskürzungen enthält, ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, ohne dass es noch auf andere eingewandte Unwirksamkeitsgründe ankäme.
Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) ist nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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