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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2006
Aktenzeichen: 13 Ta 341/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 197 Abs. 1 S. 3 | |
ZPO § 104 |
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 29. Mai 2006 - 9 Ca 72/99 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Durch Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. März 2000 wurde der vorliegende Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren rechtskräftig entschieden mit folgendem Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 25. August 1999 - Az.: 9 Ca 72/99 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.048,24 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem zugrundeliegenden Nettobetrag seit dem 01.12.1998 zu zahlen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin, die erstinstanzlichen Kosten der Beklagte.
Am 30. November 2005 beantragte der Beklagte Kostenfestsetzung gegen die Klägerin für den zweiten Rechtszug wie folgt:
Gegenstandswert: DM 5.048,24 (€ 2.581,12)
1. 10/10 Prozessgebühr, §§ 11, 31 Z. 1 BRAGO = | DM 487,50 (€ 249,26) |
2. 10/10 Verhandlungsgebühr §§ 11, 31 Z. 2, 35 BRAGO = | DM 487,50 (€ 249,26) |
3. Postgebührenpauschale, § 26 BRAGO = | DM 40,00 (€ 20,45) |
4. 16 % USt = | DM 162,40 (€ 83,03) |
Summe: | DM 1.177,40 (€ 602,00) |
Zugleich wurde Verzinsung in Höhe von 4 % beantragt.
Nach Anhörung der Klägerin setzte der Rechtspfleger durch Beschluss vom 29. Mai 2006 die Kosten antragsgemäß fest. Die Klägerin legte hiergegen nach Zustellung am 06. Juni 2006 unter dem 09. Juni 2006 sofortige Beschwerde ein mit der schon im Anhörungsverfahren vertretenen Ansicht, die Forderung des Beklagten sei verjährt und verwirkt. Der Beklagte habe ihre, der Klägerin, Kostenpflicht für den 2. Rechtszug verschuldet. Im Übrigen sei auch die Höhe der Forderung unzutreffend, z. B. sei eine Verhandlungsgebühr mangels Verhandlung nicht angefallen. Die Klägerin beantragte zugleich, "die Vollziehung des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses auszusetzen".
Der Rechtspfleger hat durch Beschluss vom 28. Juni 2006 der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und die Sache, auch zur Entscheidung über die "Aussetzung der Vollziehung", dem Hessischen Landesarbeitsgericht vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gem. den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RpflG; 78 ArbGG statthaft, der Beschwerdewert von mehr als 200 Euro ist erreicht. Auch im Übrigen ist die Beschwerde zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Der Beklagte kann von der Klägerin die Erstattung der begehrten Kosten verlangen. Der Rechtspfleger hat die Kosten nach Grund und Höhe zutreffend festgesetzt
Die Klägerin hat hiergegen letztlich erfolglos die Einrede der Verjährung erhoben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob im Kostenfestsetzungsverfahren die Einrede der Verjährung als materiell-rechtliche Einrede überhaupt geprüft werden kann (vgl. zum Streitstand BGH vom 23. März 2006, NJW 2006, 1962). Auch wenn dies zu bejahen wäre, ist keine Verjährung eingetreten, selbst dann nicht, wenn das "neue" Verjährungsrecht Anwendung fände.
Nach nahezu unbestrittener Ansicht verjährt der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach rechtskräftig werdende Kostengrundendscheidung in 30 Jahren (BGH a. a. O.; OLG München vom 05. Mai 2006 - 11 W 2155/05 -, zitiert nach Juris; OLG Karlsruhe, MDR 1996, 750; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage 2006, § 8 Randziffer 36). In der Zeit vor dem 01. Januar 2002 wurde teilweise auch auf die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a. F. verwiesen (OLG Frankfurt, AnwBl 1989, 106 und MDR 1977, 665; MünchKomm-ZPO/Belz, 2. Auflage, vor § 91 Randziffer 8), was heute indessen zur Anwendung der kürzeren Verjährungsfrist gem. § 195 BGB führen würde (vgl. VGH München, Rechtspfleger 2004, 65). Nach der seinerzeit und auch heute herrschenden Ansicht folgt die Verjährungsfrist von 30 Jahren aber als sogenannte Vollstreckungsverjährung aus § 218 BGB a. F. bzw. jetzt § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB (Baumbach/..., ZPO, 64. Auflage 2006, § 104 Randziffer 13 Stichwort: Verjährung; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, § 8 RVG Randziffer 24; MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Auflage 2001, § 218 Randziffer 5; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Auflage 2006, § 197 Randziffer 11).
Dem folgt die Beschwerdekammer mit der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 23. März 2006, NJW 2006, 1962), was hier zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren führt.
Für den prozessualen Kostenerstattungserstattungsanspruch ist eine besondere Verjährungsfrist nicht bestimmt. Für ihn gilt deshalb zunächst auch die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Da der Anspruch aber, aufschiebend bedingt, erst mit der Erhebung der Klage oder der Einleitung anderer Verfahren entsteht, ist seine Verjährung zunächst nach § 204 Abs. 1, 2 BGB bis zum Ablauf von 6 Monaten nach der rechtskräftigen Entscheidung, der anderweitigen Beendigung oder einem auf seinem Nichtbetreiben durch die Parteien beruhenden Stillstand des Verfahrens gehemmt. Wird das Verfahren, wie hier, mit einer rechtskräftigen Entscheidung abgeschlossen, wird rechtskräftig nicht nur über die Hauptsache entschieden. Vielmehr wird mit der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens auch rechtskräftig festgestellt, ob und in welchem Umfang eine Partei verpflichtet ist, der anderen Partei die hier entstandenen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Damit wird der Kostenerstattungsanspruch im Sinne von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtskräftig festgestellt und unterliegt der 30-jährigen Verjährung (Baumbach/..., a. a. O. § 104 Randziffer 13 Stichwort: Verjährung; Zöller/Herget, ZPO, 25. Auflage 2005, § 104 Randziffer 21 Stichwort: Verjährung). Eine in diesem Sinne rechtskräftige Feststellung liegt nämlich nach allgemeiner Meinung nicht erst vor, wenn der Schuldner zu einer bezifferten Zahlung oder zu einer bestimmten anderen Leistung verurteilt worden ist; es genügt ein Urteil oder eine andere Entscheidung, die seine Leistungspflicht rechtskräftig feststellt (BGH a. a. O. und Urteil vom 03. November 1988, NJW-RR 1989, 215; RGZ 84, 370; MünchKomm-BGB/Grothe, a. a. O., § 218 Randziffer 5). Eine solche Feststellung erfolgt durch die Kostengrundentscheidung.
Die somit 30-jährige Verjährung ist damit im vorliegenden Fall noch lange nicht abgelaufen.
Der von der Klägerin weiter erhobene Einwand der Verwirkung greift ebenfalls nicht. Auch für ihn ist streitig, ob er im Kostenfestsetzungsverfahren überhaupt berücksichtigt werden kann (vgl. einerseits z. B. Zöller/Herget, a. a. O., § 104 Randziffer 21 Stichwort: Verwirkung; LG Bonn, Rechtspfleger 1984, 245; KG KGR 94, 95; andererseits OLG Düsseldorf MDR 1988, 972; Bay VGH Rechtspfleger 2004, 65). Selbst wenn der Verwirkungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren wirksam erhoben werden könnte, wäre er im vorliegenden Fall ohne Erfolg. Eine Verwirkung ist nämlich nicht eingetreten. Bekanntlich ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten dürfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGHZ 43, 292; BGHZ 84, 281; BGH NJW 1982, 1999). Zu dem sogenannten "Zeitmoment", also dem Verstreichenlassen einer längeren Zeit, was hier durchaus angenommen werden könnte, bedarf es daher regelmäßig des sogenannten "Umstandsmoments". Nach ihm muss sich der Verpflichtete auf Grund eines Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet habe, dieser werde sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, a.a.O., § 242 Randziffer 95; BAG NJW 2001, 2907).
Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat nicht unternommen, was bei der Klägerin das Vertrauen genährt hätte, er werde den streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch nicht mehr geltend machen. Er hat "nur" lange abgewartet. Das reicht zur Verwirkung nicht aus.
Wenn die Klägerin weiterhin meint, das Begehren des Beklagten verstoße gegen Treu und Glauben, weil den Beklagten ein Verschulden daran treffe, dass die zweitinstanzliche Kostenentscheidung teilweise zu ihrem, der Klägerin, Nachteil ausgefallen sei, verkennt sie, dass die Kostengrundentscheidung und damit auch die sie tragenden Erwägungen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr angreifbar sind.
Auch der Höhe nach begegnen der Kostenfestsetzung keine Zweifel. Der Beklagte hat nach der in 2000 noch geltenden BRAGO abgerechnet, ausgehend von einem offenkundig korrekten Gegenstandswert. Ergänzend verweist die Beschwerdekammer hierzu auf die Ausführung des Rechtspflegers in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 28. Juni 2006, die sich die Beschwerdekammer zu Vermeidung von Wiederholungen zu eigen macht (Bl. 139 d.A.). Insbesondere kann der Beklagten entgegen der Ansicht der Klägerin auch eine Verhandlungsgebühr verlangen, obwohl eine mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht stattgefunden hat. Gemäß § 35 BRAGO war der Beklagte im vorliegenden Fall gebührenrechtlich so zu stellen, als habe eine Verhandlung stattgefunden.
Der weitere Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung, gemeint: Einstellung der Zwangsvollstreckung, ist mit vorliegender Entscheidung gegenstandslos.
Die Kostenentscheidung für die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus Nr. 8613 der Anlage 1 zu § 34 GKG.
Ende der Entscheidung
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