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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 13 Ta 586/08
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

GKG § 38
ZPO § 282 Abs. 1
ArbGG § 56 Abs. 2
Die Verhängung einer Verzögerungsgebühr ist gerechtfertigt, wenn eine Partei im Verhandlungstermin "in die Säumnis flieht", um der gemäß § 56 Abs. 2 ArbGG drohenden Zurückweisung verspäteten Vorbringens zu entgehen.
Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 21. August 2008 - 3 Ca 443/07 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Im Gütetermin vom 19. Mai 2008 gab das Arbeitsgericht der Klägerin durch einen Hinweis- und Auflagenbeschluss auf, zu bestimmten konkret benannten tatsächlichen Gesichtspunkten bis 19. Juni 2008 ergänzend vorzutragen. Zugleich wurde Kammertermin auf den 31. Juli 2008 bestimmt. Auf Antrag der Klägerin wurde die Frist dann bis zum 24. Juni 2008 verlängert. Am 24. Juni 2008 ging dann ein Schriftsatz der Klägerin ein, am 30. Juli 2008 ein weiterer, datiert auf den 24. Juli 2008. Im Kammertermin vom 31. Juli 2008 wies die Kammervorsitzende darauf hin, dass der Vortrag aus dem letztgenannten Schriftsatz möglicherweise verspätet sein könnte. Die Klägerin stellte deshalb keinen Antrag. Auf Antrag der Beklagten erging sodann ein klageabweisendes Versäumnisurteil mit einem Gegenstandswert von 17.485,01 €. Die Klägerin legte nach Zustellung am 13. August 2008 unter dem 20. August 2008 hiergegen Einspruch ein. Das Arbeitsgericht bestimmte darauf Termin zur Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache auf den 09. Oktober 2008. Dieser Termin wurde dann aus innerdienstlichen Gründen verlegt auf den 23. Oktober 2008. Am Ende dieses Termins verkündete das Arbeitsgericht dann ein Urteil, mit dem das Versäumnisurteil vom 31. Juli 2008 aufrechterhalten wurde.

Durch Beschluss vom 21. August 2008 verhängte das Arbeitsgericht gegenüber der Klägerin nach deren Anhörung eine Verzögerungsgebühr in Höhe von 265.- € wegen der im Termin vom 31. Juli 2008 erfolgten "Flucht in die Säumnis". Der Beschluss wurde der Klägerin am 01. September 2008 zugestellt. Am 15. September 2008 legte die Klägerin Beschwerde ein mit dem Hinweis, es sei "legitim, vorliegend einen Geschäftsführerwechsel vorzubereiten".

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 29. September 2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren hat die Klägerin trotz gerichtlicher Aufforderung nichts mehr vorgetragen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21. August 2008 ist gemäß § 69 GKG statthaft und nach Maßgabe der oben angeführten Daten form- und firstgerecht erhoben (§ 69 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 und 3 GKG). Der Beschwerdewert von mehr als 200 € ist erreicht. Die Beschwerde ist damit zulässig.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klägerin eine Verzögerungsgebühr gemäß § 38 GKG in Höhe von 265.- € auferlegt.

Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Verzögerungsgebühr lagen vor. Durch Verschulden der Klägerin war die Anberaumung eines neuen Termins notwendig, weil die Klägerin im Kammertermin vom 31. Juli 2008 aus Furcht vor der Zurückweisung ihres Vortrags aus dem Schriftsatz vom 24. Juli 2008 keinen Antrag gestellt, die "Flucht in die Säumnis" angetreten und danach gegen das erlassene Versäumnisurteil Einspruch eingelegt hat, was zu einem neuen Termin am 23. Oktober 2008 führte.

Die Klägerin hat erst einen Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2008 neuen Sachvortrag in dem Prozess eingeführt, obwohl sie diesen Sachvortrag bei Beachtung der ihr obliegenden Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 1 ZPO) und der gerichtlichen Auflage vom 19. Mai 2008 (§ 56 Abs. 2 ArbGG) früher hätte halten können und müssen. Nachvollziehbare Entschuldigungsgründe sind nicht vorgetragen.

Das Verhalten der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) war auch allein ursächlich für die Anberaumung des neuen Termins.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei einer "Flucht in die Säumnis" die Verhängung einer Verzögerungsgebühr nicht statthaft sei.

§ 38 GKG kommt auch dann zur Anwendung, wenn eine Partei von der Möglichkeit Gebrauch macht, in die Säumnis zu fliehen (streitig; ebenso OLG Celle vom 13. August 2007, NJW-RR 2007, 1726; Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage 2009, § 296 Randziffer 40; Deubner, JuS 2008, 508; Beckmann, MDR 2004, 430; a. A. LAG Hamm vom 09. Mai 2001, DB 2001, 1424; OLG Hamm vom 21. Februar 1995, NJW-RR 1995, 1406; Baumbach/.../, ZPO, 66. Auflage 2008, § 342 Randziffer 4; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG-JVEG, 2007, § 38 GKG Randziffer 6; unklar Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 38 GKG Randziffer 12; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand Dezember 2008, § 38 Randziffer 7). Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift hängt allein davon ab, ob das schuldhafte Verhalten einer Parteien die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig gemacht hat oder nicht. Ein solcher Fall ist aber auch dann gegeben, wenn eine Partei nach Hinweis des Gerichts auf die eventuelle Verspätung des Sachvortrags die "Flucht in die Säumnis" antritt. Entgegen de Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm (a. a. O.) kann dem Wortlaut der Vorschrift keine Einschränkung dahingehend entnommen werden, dass im Fall der Säumnis die Verhängung einer Verzögerungsgebühr ausscheide. Dagegen spricht bereits die im § 38 Abs. 1 Satz 1 genannte Ausnahmeregelung für die Fälle des § 335 ZPO. Durch die Bezugnahme auf die Vorschriften für das Versäumnisurteil und die Bestimmung einer Ausnahmeregelung für die Fälle des § 335 ZPO folgt im Umkehrschluss, dass die Regelung grundsätzlich auch für den Fall gilt, dass nach einem Versäumnisurteil ein Einspruch eingelegt wird (OLG Celle, a. a. O., Beckmann a.a.O.).

Der Verhängung der Verzögerungsgebühr steht auch nicht entgegen, dass die Partei mit der "Flucht in die Säumnis" von eine gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht. Richtig ist, dass es keiner Partei verwehrt werden kann, gegen sich ein Versäumnisurteil ergehen zu lassen. Anknüpfungspunkt für die Anwendung des § 38 GKG ist vorliegend aber nicht der Umstand, dass die Klägerin gegen sich ein Versäumnisurteil hat ergehen lassen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin gegen die ihr obliegenden Prozessförderungspflichten verstoßen hat, indem sie Sachvortrag bis kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgehalten hat und erst nach Hinweis des Gerichts auf die mögliche Verspätung in die Säumnis floh, um der drohenden Sanktion in Form der Präklusion zu entgehen. Insofern kann nichts anderes gelten, als wenn der Prozess wegen eines erst im Termin erfolgten neuen Sachvortrags hätte vertagt werden müssen. Mit der Flucht in die Säumnis hat die Klägerin also nicht prozessordnungsgemäß gehandelt, sondern nur eine Möglichkeit ausgenutzt, die ihr die Prozessordnung bietet. Prozessordnungsgemäß wäre es gewesen, den erst am 30. Juli 2008 eingeführten Vortrag innerhalb der gesetzten Frist rechtzeitig vorher anzukündigen. Dass das verspätete Vorbringen durch das Verhalten der Klägerin der Zurückweisung entging, ändert nichts daran, dass es die Verfahrensdauer verlängert hat. Dies allein ist für § 38 GKG von Bedeutung. Für die Zurückweisung des Vorbringens kommt es dagegen darauf an, dass die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens das Verfahren verlängern würde. Das wird verhindert, wenn schon eine andere Ursache - hier die Säumnis der Klägerin - diesen Effekt hat. Das Einschieben einer anderen Verlängerungsursache ist das Anliegen bei der Flucht in die Säumnis (Deubner a. a. O.). Die Säumnis bzw. das Nicht-Verhandeln wird als Vehikel benutzt, an sich verspäteten Vortrag doch noch in den Prozess einzuführen. Dies ist mit den nachteiligen Folgen eines Versäumnisurteils nicht sanktioniert.

Die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigter haben auch schuldhaft gehandelt. Verschulden im Sinne des § 38 GKG liegt vor, wenn der Schuldner vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (§ 276 BGB). Ein grobes Verschulden oder eine Verschleppungsabsicht ist entgegen der Ansicht des OLG Hamm (a. a. O.) nicht erforderlich. Auch dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Obwohl das Gerichtskostengesetz mehrfach überarbeitet worden ist, hat der Gesetzgeber an der Formulierung "Verschulden" festgehalten und gerade nicht, wie z. B. im § 296 Abs. 2 ZPO den Begriff der "groben Nachlässigkeit" gewählt (vgl. Beckmann, a. a. O.; Hartmann, a. a. O., § 38 Randziffer 8).

Da die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigter im vorliegenden Fall zumindest fahrlässig gegen die ihr obliegende Prozessförderungspflicht verstoßen hat und in Kenntnis drohender Präklusion willentlich die "Flucht in die Säumnis" angetreten hat, ist ein Verschulden anzunehmen.

Ihrer Höhe nach richtet sich die Verzögerungsgebühr nach der Höhe der Verfahrensgebühr, Anlage 2 zu § 34 GKG. Bei einem Streitwert von 17.485,01 € beträgt eine Verfahrensgebühr 265.- €. Gründe für die Ermäßigung der Gebühr gemäß § 38 Satz 2 GKG sind nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 69 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 8 GKG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist eine weitere Beschwerde nicht gegeben. Er ist damit unanfechtbar (§ 69 Satz 2 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 GKG).



Ende der Entscheidung

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