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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.11.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 1235/04
Rechtsgebiete: BGB, GG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 12
BGB § 611
BGB § 862
BGB § 1004 analog
GG Art. 1
GG Art. 2
ZPO § 533
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei in der Personalakte aufbewahrten Schriftstücken, die den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers betreffen und deswegen besonders sensibel sind, besondere Schutzvorkehrungen gegen nicht erforderliche Kenntnisnahme zu treffen.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 2004 - 9 Ca 6822/03 - teilweise abgeändert, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen, wobei der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, ihr Schreiben vom 27. November 2002 an den Kläger, das Schreiben der Gewerkschaft ver. di vom 23. Mai 2003 an die Beklagte sowie das weitere Schreiben der Beklagten vom 6. Juni 2003 an die A. zusammen in einem verschlossenen Umschlag abzuheften, wobei allein der Leiter der Personalabteilung bzw. dessen Stellvertreter öffnungsberechtigt ist und jede Öffnung mit Datum und Grund der Öffnung auf dem Umschlag zu vermerken ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, wobei die Klage hinsichtlich der Mitteilung vom 12. August 2002 an PSL-P 33 über VTM-HR als unzulässig abgewiesen wird.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel zu tragen. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges haben der Kläger 72 % und die Beklagte 28 % zu tragen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob den Kläger betreffende Schreiben aus der Personalakte des Klägers zu entfernen sind.

Der am 10. Februar 1957 geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltspflichtige Kläger ist seit 01. Januar 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) anwendbar. Seit 1998 übt der Kläger die Funktion eines X-leiters zu einer Bruttomonatsvergütung von etwa 3.600,00 Euro aus. Er ist in den nicht allgemein zugänglichen Bereichen des B. eingesetzt und unterliegt deshalb der Überprüfung gemäß § 29 d LuftVG in Verbindung mit der Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf dem Gebiet des Luftverkehrs (im Folgenden nur noch: LuftVZÜVO). Im Abfertigungsfeld herrscht kraft behördlicher Anordnung ein absolutes Alkoholverbot.

Im Rahmen eines Hausbaues und nach dem Umzug in das neue Haus konsumierte der Kläger in erhöhtem Maße Bier, und er zog sich immer mehr von seiner Familie zurück. Die Ehefrau akzeptierte den Alkoholgenuss schließlich nicht mehr. Es gelang dem Kläger jedoch aus eigener Kraft nicht, den Alkoholgenuss einzustellen. Eine arbeitsmedizinische Untersuchung im Betrieb der Beklagten, in dem der Kläger wegen Alkoholgenuss nie auffällig geworden ist, ergab im September 2000 freilich keinen Befund.

Im März 2001 beschloss der Kläger auf Druck seiner Ehefrau und auf Anraten des Hausarztes, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Leber- und Blutwerte des Klägers waren zu diesem Zeitpunkt ungünstig.

In der Folgezeit bis jedenfalls zum April 2004 unterzogen sich der Kläger und seine Ehefrau einer Beziehungstherapie. Im Zusammenwirken mit dem Beziehungstherapeuten stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung einer Kur, wovon die Arbeitgeberin allerdings nicht informiert werden sollte. Ende Mai 2001 bewilligte die BfA dem Kläger eine Kur für einen Zeitraum von 16 Wochen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger die Arbeitgeberin in den Anlass der Kur nicht einweihen wollte, besprach der Kläger mit dem Beziehungstherapeuten, ab 30. Juli 2003 lediglich eine verkürzte Kur von vier bis sechs Wochen durchzuführen. Nach etwa zweieinhalb Wochen stellte der Kläger fest, dass die verkürzte Kur zur Genesung nicht ausreichen würde. Er erhielt darauf den Rat, dem direkten Vorgesetzten, Herrn C. , den Sachverhalt mitzuteilen, was er während der Kur im August 2001 auch tat. Auf Wunsch des Klägers erläuterte Herr C. dem engeren Mitarbeiterkreis den Sachverhalt. Er regte an, dass der Kläger mit der im Betrieb der Beklagten aufgebauten Suchtberatung Kontakt aufnehme, was der Kläger auch tat. Der Suchtberater, der der Schweigepflicht unterliegt, bat den Kläger, sich nach Beendigung der Kur mit ihm in Verbindung zu setzen. Herr C. und zwei Mitarbeiter der Suchtberatung besuchten den Kläger an seinem Kurort und sprachen mit ihm über seinen weiteren beruflichen Einsatz. Der Kläger sagte für die Zeit nach Beendigung der Kur eine Mitarbeit bei den Anonymen Alkoholikern am D. zu. Seit seiner Entlassung aus der Kur nimmt er die Dienste der betrieblichen Suchtberatung in Anspruch und arbeitet bei der Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker mit.

Nach Rückkehr aus der Kur fand ein gemeinsames Frühstück mit dem direkten Vorgesetzten und den direkten Mitarbeitern statt, während dessen der Kläger den Grund seiner Kur offen legte und auf großes Verständnis stieß. Der Kläger bat um vertrauliche Behandlung der Angelegenheit.

Die Beklagte schrieb den Kläger unter dem 27. November 2002 (Kopie des Schreibens Blatt 6 d.A.) wie folgt an:

" ... in der Zeit vom 30. Juli 2002 bis 18. November 2002 haben Sie sich einer stationären Therapie unterzogen. Bei der nach Wiederaufnahme des Dienstes stattgefundenen arbeits-medizinischen Untersuchung ... wurde festgestellt, dass Sie ohne gesundheitliche Einschränkungen wieder Ihre bisherige Tätigkeit als X-leiter ausüben können.

Im Gespräch mit ... haben Sie die Teilnahme an der Selbsthilfe-Gruppe der E. zugesichert.

In einem am 27. November 02 bei ... geführten Gespräch wurde Ihnen dargestellt, dass wir von Ihnen erwarten, dass Sie sich an die mit Ihrem Vorgesetzten, der Suchtberatung und der Arbeitsmedizin getroffene Vereinbarung halten. Sie wurden darauf hingewiesen, dass Fehlverhalten zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen kann."

Eine Durchschrift dieses Schreibens, eines Schreibens der den Kläger vertretenden A. vom 23. Mai 2003, mit welchem die Herausnahme des Schreibens vom 27. November 2002 verlangt wurde (Kopie Blatt 5 d.A.), und eines an A. gerichteten ablehnenden Schreibens der Beklagten vom 06. Juni 2003 (Kopie Blatt 4 d.A.) wurden zur Personalakte genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die drei Schreiben vom 27. November 2002, vom 23. Mai 2003 und vom 06. Juni 2003 aus seiner Personalakte zu entfernen. Er hat sich dazu insbesondere auf § 8 BAT, die §§ 12, 862, 1004 BGB analog und auf § 35 BDSG berufen, er hat sein Persönlichkeitsrecht verletzt gesehen. Er sei nicht (mehr) alkoholkrank, seine Therapie sei erfolgreich verlaufen. Es sei im Übrigen unzutreffend, dass Alkoholkrankheit nicht heilbar sei, so gebe es zwischenzeitlich die Therapieform des kontrollierten Trinkens. Der Kläger hat gemeint, bei einem Verbleiben der Schreiben in der Personalakte seien Nachteile für seinen beruflichen Werdegang zu befürchten, etwa bei einer Entscheidung über eine Bewerbung oder Höhergruppierung. Auf die Regelungen der LuftVZÜVO könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, da deren § 5 Abs. 3 Nr. 5 ("Betäubungsmittel- und ggf. Alkoholabhängigkeit") nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 GG entspreche.

Demgemäß hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das Schreiben der Beklagten vom 27. November 2002 mit dem Zeichen VTM-HR/hk sowie das Schreiben seines Prozessvertreters vom 23. Mai 2003 sowie das Schreiben der Beklagten vom 06. Juni 2003 mit dem Zeichen VTM-HR aus seiner Personalakte herauszunehmen und die entsprechenden Daten zu löschen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, nicht zur Herausnahme der Schreiben aus der Personalakte des Klägers verpflichtet zu sein. Die Alkoholerkrankung könne nie vollständig geheilt werden, es bestehe jedenfalls die Gefahr eines Rückfalls. Schon im Hinblick auf die sie treffenden Fürsorge- und Aufsichtspflichten sei es geboten, den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen festzuhalten. Dies gelte auch im Hinblick auf eine etwaige künftig gebotene krankheitsbedingte Kündigung.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28. April 2004 (Blatt 63 bis 77 d.A.) die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt sowie den Wert des Streitgegenstandes auf 3.600,00 Euro festgesetzt. Auf dieses Urteil wird hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes und bezüglich der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat einen Entfernungsanspruch verneint: Die in den Schreiben enthaltenen Angaben sei nicht unrichtig, § 35 BDSG ergebe keinen Entfernungsanspruch, und die Beklagte habe in mehrfacher Hinsicht ein Interesse an der entsprechenden Dokumentation.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger am 23. Juni 2004 zugestellt worden. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist am 19. Juli 2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Auf den am 23. August 2004 per Fax eingegangenen Antrag hin ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 23. September 2004 einschließlich verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist dann am 22. September 2004 per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Er hält an seiner Auffassung fest, dass die Beklagte zur Entfernung der drei Schreiben und eines weiteren Schriftstücks vom 12. August 2002 (Kopie Blatt 138 d.A., worauf für den Inhalt Bezug genommen wird) aus seiner Personalakte verpflichtet sei, und intensiviert dazu seinen Vortrag aus erster Instanz. Es liege zunächst ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Die Beklagte habe in einem anderen Fall auf Intervention des jetzigen Betriebsratsvorsitzenden ein Schreiben wie das an den Kläger gerichtete vom 27. November 2002 aus der Personalakte des betroffenen Arbeitnehmers entfernt. Darüber hinaus sei ein berechtigtes Interesse der Beklagten am Verbleib der vier Schriftstücke in seiner Personalakte nicht anzuerkennen, erst recht nicht an einem Verbleib in der Personalakte ohne zeitliche Begrenzung. Für die weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beklagten im Berufungsrechtszug in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (einschließlich der Beweisangebote) wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 22. September 2004 (Blatt 102 bis 112 d.A.), den Schriftsatz vom 17. Januar 2005 (Blatt 131 bis 133 d.A.) und den Schriftsatz vom 23. März 2005 (Blatt 149 bis 151 d.A.) sowie die Schriftsätze vom 17. Mai 2005 (Blatt 164 bis 168 d.A.) und vom 12. Juli 2005 (Blatt 175/176 d.A.).

Der Kläger beantragt demgemäß nach teilweiser Klagerücknahme mit Zustimmung der Beklagten (betreffend den Antrag, die entsprechenden Daten zu löschen) und nach teilweisen beiderseitigen Erledigungserklärungen (betreffend den erstmals zweitinstanzlich gestellten Antrag auf Herausnahme des erstinstanzlichen Urteils und zweier Zeitungsartikel aus der Personalakte),

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 2004 - 9 Ca 6822/03 - abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, das Schreiben der Beklagten vom 27. November 2002 sowie das Schreiben der Gewerkschaft A. vom 23. Mai 2003 sowie das Schreiben der Beklagten vom 06. Juni 2003 und das Schreiben der Beklagten vom 12. August 2002 ersatzlos aus seiner Personalakte zu entfernen;

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, das Schreiben der Beklagten vom 27. November 2002 an den Kläger, das Schreiben der Gewerkschaft A. vom 23. Mai 2003 an die Beklagte sowie das weitere Schreiben der Beklagten vom 06. Juni 2003 an die Gewerkschaft A. und die hausinterne Mitteilung der Beklagten vom 12. August 2002 an PSL-P 33 über VTM-HR zusammen in einem verschlossenen Umschlag abzuheften, wobei allein der Leiter der Personalabteilung bzw. dessen Stellvertreter öffnungsberechtigt ist und jede Öffnung mit Datum und Grund der Öffnung auf dem Umschlag zu vermerken ist.

Die Beklagte beantragt demgegenüber,

die Berufung zurückzuweisen,

Die Beklagte verteidigt unter Auseinandersetzung mit dem zweitinstanzlichen Vortrag des Klägers das angefochtene Urteil. Sie bleibt dabei, dass die Schreiben in derzeitiger Weise in der Personalakte des Klägers zu verbleiben hätten. Für den Vortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 30. November 2004 (Blatt 119 bis 127 d.A.), den Schriftsatz vom 02. März 2005 (Blatt 143 bis 144 d.A.) sowie die Schriftsätze vom 15. April 2005 (Blatt 153 bis 158 d.A.) und vom 05. September 2005 (Blatt 178 bis 180 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg. Die Klage erweist sich hinsichtlich des Hauptantrages als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet. Bezüglich des in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Hilfsantrags ist die Klage teilweise unzulässig, ansonsten aber zulässig und begründet.

I. Soweit der Kläger den Hauptantrag sowie den Hilfsantrag in der Berufungsinstanz auch auf eine hausinterne Mitteilung der Beklagten vom 12. August 2002 an PSL-P 33 über VTM-HR erstreckt, ist die Klage unzulässig. Es handelt sich insoweit um eine Klageänderung, die jedoch - anders als die Klageanträge im Übrigen - außerhalb des Tatsachenstoffes liegt, den das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die Berufung nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO).

II. Der Hauptantrag bezüglich der drei Schreiben vom 27. November 2002, vom 23. Mai 2003 und vom 06. Juni 2003 ist unbegründet, Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag, der bezüglich der drei Schreiben vom 27. November 2002, vom 23. Mai 2003 und vom 06. Juni 2003 sachdienlich ist und sich im Rahmen des erstinstanzlichen Streitstoffes bewegt (§ 533 ZPO), hat bezüglich der drei genannten Schreiben Erfolg.

1. Verletzt der Arbeitgeber innerhalb des Arbeitsverhältnisses das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, ist darin zugleich ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer zu sehen. Bei objektiv rechtswidrigen Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Beseitigung von fortwirkenden Beeinträchtigungen (BAG Urteil vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht), gestützt auf die §§ 12, 862, 1004 BGB in entsprechender Anwendung (zu weiteren potentiellen Anspruchsgrundlagen Wiese in der gemeinsamen Anmerkung zu BAG Urteil vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 -EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 5 und BAG Urteil vom 07. Oktober 1987 - 5 AZR 116/86 - EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 6, unter III.).

Das durch Art. 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. dazu etwas abweichend Wiese in der gemeinsamen Anmerkung zu BAG Urteil vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 -EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 5 und BAG Urteil vom 07. Oktober 1987 - 5 AZR 116/86 - EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 6, unter II.) schützt den Arbeitnehmer auch vor der Offenlegung personenbezogener Daten, und zwar auch von solchen, von denen der Arbeitgeber in zulässiger Weise Kenntnis erlangt hat. Allerdings können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen gerechtfertigt sein. Daher bedarf es zur Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts stets einer Güter- und Interessenabwägung (BAG Urteil vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht).

Für die Führung von Personalakten entwickelt das Bundesarbeitsgericht aus dem Dargestellten in dem bereits zitierten Urteil vom 15. Juli 1987 (a.a.O., zu A. I. 2. der Gründe) folgende spezielle Grundsätze, denen sich das Berufungsgericht anschließt:

Der Arbeitgeber hat bestimmte Informationen vertraulich zu behandeln oder für die vertrauliche Behandlung durch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen. Dabei bedürfen sensible Daten wie die über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers des verstärkten Schutzes. Insoweit ist der Arbeitnehmer nicht nur davor zu schützen, dass beliebige Dritte oder unzuständige Sachbearbeiter von den Gesundheitsdaten Kenntnis erlangen. Der Arbeitnehmer ist vielmehr darüber hinaus davor zu schützen, dass ein zuständiger Sachbearbeiter bei der Heranziehung der Personalakte - zufällig oder gewollt - Gesundheitsdaten auch dann zur Kenntnis nehmen kann, wenn er diese für die von ihm zu treffende Entscheidung gar nicht benötigt. Dabei ist das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers bereits dann verletzt, wenn der Arbeitgeber bei der Führung der Personalakte die erforderlichen Schutzmaßnahmen unterlässt.

2. Die gebotene Güter- und Interessenabwägung ergibt, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass wie mit dem Hauptantrag beantragt die genannten Schreiben völlig aus der Personalakte zu entfernen sind. Denn es liegen beachtliche Interessen der Beklagten daran vor, dass die Schriftstücke, die wie schon vom Arbeitsgericht zutreffend dargestellt inhaltlich richtig sind und auch von ihrer Diktion her das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht tangieren, in der Akte verbleiben, während die Interessen des Klägers hinreichend durch die der Beklagten auf den Hilfsantrag hin auferlegten Einschränkungen (dazu näher noch unten) gewahrt sind.

Die Beklagte hat vor dem Hintergrund der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur personenbedingten Kündigung wegen Alkoholerkrankung (vgl. dazu mit weit. Nachw. etwa Bram, in: Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 1 Rz. 143 ff.) jedenfalls ein schützenswertes Interesse daran, dass in einem möglichen Kündigungsschutzverfahren wegen krankheitsbedingter Kündigung dokumentiert werden kann, wie die Erkrankung und die Therapie verlaufen sind und in welcher Weise die Beklagte den Kläger hierbei unterstützt hat. Dabei kann offen bleiben, ob dieses Interesse der Beklagten zeitlich unbegrenzt besteht oder welche Höchstgrenzen hier möglicherweise zu ziehen sein könnten. Jedenfalls kann das umschriebene Interesse der Beklagten im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (knapp drei Jahre nach dem ersten Schreiben, das nach den Vorstellungen des Klägers zu entfernen ist) noch nicht verneint werden.

Ein Anspruch auf völlige Entfernung der drei Schreiben aus der Personalakte des Klägers ergibt sich auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen. Insbesondere lässt sich keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes feststellen, da die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie grundsätzlich Schreiben wie im Falle des Klägers zu den Personalakten nimmt und dort belässt. Auch wenn es in einem Einzelfalle anders gehandhabt worden ist, liegt damit auf jeden Fall kein Verstoß gegen eine betriebliche Ordnung vor, zumal es sich dabei ohnehin nur um eine individuelle Besserstellung handelte (vgl. insgesamt zum Gleichbehandlungsgrundsatz mit weit. Nachw. HWK/Thüsing § 611 BGB Rz. 181 ff., bes. 182 und 188).

3. Der Kläger hat jedoch Anspruch darauf, dass die drei Schreiben innerhalb der Personalakte in besonderer Weise geschützt verwahrt werden: Die Schreiben sind in einem geschlossenen Umschlag zu verwahren, und allein der Leiter der Personalabteilung der Beklagten bzw. dessen Stellvertreter ist berechtigt, den Umschlag zu öffnen, wobei Datum und Grund der Öffnung auf dem Umschlag zu vermerken sind.

Auch der Beklagtenvortrag ergibt, dass die bestehenden Regelungen über den Zugriff auf die Personalakte des Klägers jedenfalls dazu führen können, dass Zugriffsberechtigte die in der Personalakte enthaltenen Schreiben zur Kenntnis nehmen können, ohne dass sie diese für die von ihnen zu treffende Entscheidung oder für die ihnen obliegende Sachbearbeitung benötigen.

Damit sind Schutzmaßnahmen geboten, da die drei Schreiben den Gesundheitszustand des Klägers betreffen, und diese Schutzmaßnahmen können wie bereits vom Bundesarbeitsgericht dargestellt (BAG Urteil vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu A. I. 2. und zu B. I. der Gründe) darin bestehen, dass die sensiblen Daten/Schriftstücke in einem geschlossenen Umschlag innerhalb de Personalakte aufbewahrt werden, wie dies der Kläger mit seinem Hilfsantrag beantragt. Dass diese Maßnahme (mit den entsprechenden flankierenden Regelungen zum Zugriff auf den verschlossenen Umschlag) die Beklagte unzumutbar belasten würde, ist nicht zu sehen und ist auch dem Beklagtenvortrag nicht zu entnehmen. Im Übrigen stellt sich diese Maßnahme im Rahmen der vom Bundesarbeitsgericht erörterten besonderen Schutzmaßnahmen (BAG Urteil vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu A. I. 2. und zu B. I. der Gründe) ohnedies als die den Arbeitgeber am wenigsten belastende Maßnahme dar (ebenso Wiese in der gemeinsamen Anmerkung zu BAG Urteil vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 -EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 5 und BAG Urteil vom 07. Oktober 1987 - 5 AZR 116/86 - EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 6, unter IV.).

III. Die Kosten des Rechtsstreites sind entsprechend dem Ausmaß des Obsiegens und Unterliegens der Parteien unter Einbeziehung der teilweisen Klagerücknahme (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO: insoweit liegt die Kostenlast an sich beim Kläger, doch hat dies im Hinblick auf die Regelung in § 92 Abs. 2 ZPO kostenmäßig insgesamt keine Auswirkungen) und der teilweisen übereinstimmenden Erledigungs-erklärungen (§ 91a Abs. 1 ZPO: insoweit hat der Kläger die Kosten zu tragen, da die Klage insoweit aus denselben Gründen wie oben bezüglich der hausinternen Mitteilung vom 12. August 2002 dargestellt unzulässig war) - in beiden Instanzen unterschiedlich - zu verteilen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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