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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.01.2002
Aktenzeichen: 15 Sa 1786/01
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 76/207/EWG, Richtlinie 79/7/EWG, Richtlinie 86/378/EWG, Richtlinie 96/97/EG, BetrVG, ZPO


Vorschriften:

EGV Art. 141 Abs. 2
EGV Art. 119 zu Protokoll Nr. 2
EGV Art. 234
Richtlinie 76/207/EWG Art. 5
Richtlinie 79/7/EWG Art. 3 Abs. 1
Richtlinie 79/7/EWG Art. 3 Abs. 3
Richtlinie 79/7/EWG Art. 7 Abs. 1 lit. a)
Richtlinie 79/7/EWG Art. 7 Abs. 2
Richtlinie 86/378/EWG
Richtlinie 96/97/EG
BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 256 Abs. 1
Vom Arbeitgeber zugesagte Vorruhestandsgelder stellen Entgelt im Sinne des Art. 141 Abs. 2 EGV (früher inhaltsgleich: Art. 119 EGV) dar. Ergibt die Zusage für Frauen und Männer unterschiedliche Bezugsdauern, verstößt dies gegen Art. 141 Abs. 2 EGV, und zwar unabhängig vom staatlichen Rentensystem.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 1786/01

Verkündet laut Protokoll am 22.01.2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 15, in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am LAG Dr. Bader als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... Borig ... und Kraus als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2001 - 20/10 Ca 5396/01 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen einer Feststellungsklage um die Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin über das 60. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres Vorruhestandsgeld zu zahlen, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung von Frauen.

Die am 29. Juni 1942 geborene Klägerin war vom 01. Juli 1988 bis zum 31. Dezember 1999 bei der G... (nachfolgend: G...) als Verwaltungsangestellte beschäftigt.

Seit dem 01. Januar 2000 ist die Beklagte in Folge Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der G...

Am 08. Oktober 1997 hatten der Gesamtbetriebsrat der G... und der Hauptvorstand der G... eine Vorruhestandsregelung (nachfolgend: V...) geschlossen, für deren vollen Wortlaut auf die zu den Gerichtsakten gereichte Fotokopie (Blatt 10 bis 13 d.A.) Bezug genommen wird. In Auszügen lautet die VRR

1. Anspruchsvoraussetzung

1.1 Arbeitnehmerinnen, die mindestens 5 Jahre bei der G... (Beschäftigungsjahre laut Anstellungsvertrag bei der G...) beschäftigt sind, können Vorruhestandsgeld - nach Maßgabe dieser Vereinbarung in Anspruch nehmen.

1.2 Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld gemäß Ziffer 1.1. besteht für alle Beschäftigten, wenn sie

a) bis zum 30. Juni 2000 das 55. Lebensjahr vollendet haben und

b) bei der G... mindestens 5 Jahre ununterbrochen beschäftigt waren und

c) Anspruch auf

- Altersrente für langjährig Versicherte (Alter 63 Jahre) oder

- Altersrente für Frauen (Alter 60 Jahre) oder

- Altersrente bei Gesundheitseinschränkung haben werden.

1.3 Verpflichtung des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin für die Inanspruchnahme dieser Vereinbarung sind:

- die Beantragung des Vorruhestandsgeldes bis zum 31. Dezember 1998

- die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung mit der G... ... zum. Zwecke der Inanspruchnahme des Vorruhestandes,

- rechtzeitige Stellung des Antrages für den Bezug eines eigenen Altersruhegeldes, entsprechend der gesetzlichen Voraussetzung für die Beantragung.

1.4 Der Übertritt in den Vorruhestand beginnt frühestens ab Januar 2000. ... Der in der Anlage aufgeführte Entwurf einer Vorruhestandsvereinbarung ist Bestandteil der Vereinbarung.

2. Höhe und Fälligkeit des Vorruhestandsgeldes

2.1 Das Vorruhestandsgeld beträgt 75 v.H. des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts der letzten sechs Monate vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis.

2.2 Das Bruttoarbeitsentgelt im vorgenannten Sinne ist das laufende monatliche Gehalt, ein Pauschalbetrag von 350,-- DM monatlich und die Arbeitgeberleistung zur Vermögensbildung.

2.3 ...

2.4 ...

2.5 Das Vorruhestandsgeld verändert sich jeweils seit Beginn der Zahlung um den Nettoprozentsatz, um den der aktuelle Rentenwert der gesetzlichen Rentenversicherung zuletzt vor diesem Zeitpunkt nach der jeweiligen Rentenanpassungsverordnung für die alten Bundesländer festgesetzt worden ist.

3. Beginn und Ende der Zahlung des Vorruhestandsgeldes

3.1 Die Zahlung des Vorruhestandsgeldes beginnt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Eintritt in den Vorruhestand.

3.2 Die Zahlung des Vorruhestandsgeldes endet mit Ablauf des Monats, in dem der/die ausgeschiedene Beschäftigte die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Dabei ist es unerheblich, ob der/die ausgeschiedene Beschäftigte zu diesem Zeitpunkt eine vorzeitige Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt oder geltend macht.

3.3 Die Zahlung des Vorruhestandsgeldes endet mit Ablauf des Monats, in dem der/die Beschäftigte eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bezieht.

3.4 ....

4. Nebentätigkeit

.....

5. Betriebliche Altersversorgung

.....

6. Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten

.....

7. Abtretung und Verpfändung

.....

8. Inkrafttreten und Laufzeit

.....

Auf dieser Basis schloss die Klägerin am 29. März 1999 mit dem Hauptvorstand der G... eine Vorruhestandsvereinbarung (nachfolgend: V...). Danach endete das Arbeitsverhältnis mit dem 31. Dezember 1999, und die Höhe des Vorruhestandsgeldes war mit zunächst DM 4.108,25 angegeben (insoweit unzutreffend die Angabe auf Seite 5 oben des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils [Blatt 58 d.A.]). Für den vollständigen Text der VRV wird auf die zu den Gerichtsakten gereichte Fotokopie (Blatt 7/8 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die V... und V... verstießen gegen Art. 119 EG-Vertrag und gegen Art. 3 Abs. 3 GG sowie gegen § 612 Abs. 3 BGB. Die Beklagte zahle an die männlichen Kollegen Vorruhestandsgeld bis zum 63. Lebensjahr, während sie und die übrigen Kolleginnen Vorruhestandsgeld nur bis zum 60. Lebensjahr erhielten. Sie könne zwar ab dem 60. Lebensjahr Altersrente für Frauen beziehen, doch werde auf Grund ihres Geburtsdatums diese Altersrente nur mit Abschlägen ausgezahlt und sei auch - dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit - niedriger als das Vorruhestandsgeld. Damit ergebe sich eine Benachteiligung gegenüber den männlichen Kollegen. Darüber hinaus sei eine längerfristige Benachteiligung gegeben, weil sich während der Bezugsdauer des Vorruhestandsgeldes durch die weitere Einzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen der Rentenanspruch erhöhe. Die gebotene Gleichstellung könne nur durch eine "Angleichung nach oben" erfolgen, also dadurch, dass an sie Vorruhestandsgeld ebenso lange zu zahlen sei wie an die männlichen Kollegen.

Die Klägerin hat daher vor dem Arbeitsgericht letztlich beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie vom 01. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2005 Vorruhestandsgeld in Höhe von DM 4.109,25 monatlich brutto zuzüglich der Erhöhung gem. Ziffer 2.5 der Vorruhestandsregelung zwischen dem Hauptvorstand der G... und dem Gesamtbetriebsrat der G... vom 08. Oktober 1997 zu zahlen, soweit sie nicht im genannten Zeitraum Anspruch auf Altersrente bei Gesundheitseinschränkung hat oder Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt.

Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass es sich vorliegend um eine "Diskriminierung" handele, die objektiv und notwendig in Zusammenhang mit dem für Frauen und Männer unterschiedlichen Rentenalter stehe und damit weder europarechtlich noch ansonsten zu beanstanden sei. Sie hat dazu auch verwiesen auf ein Gutachten von Professor Dr. D... für dessen Wortlaut auf die bei den Gerichtsakten befindliche Kopie (Blatt 32 bis 36 d.A.) verwiesen wird. Im Übrigen habe die V... Sozialplancharakter, und die Klägerin habe sich freiwillig auf das Angebot, Vorruhestandsgeld in Anspruch zu nehmen, eingelassen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16. Oktober 2001 (Blatt 54 bis 68 d.A.) der Klage stattgegeben. Es hat dabei die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf DM 118.346,40 festgesetzt. Auf dieses Urteil wird ergänzend bezüglich der Darstellung des Sach- und Streitstands sowie hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Zulässigkeit der Klage - konkret das Feststellungsinteresse - bejaht und die Klage für begründet erachtet. Es hat den Anspruch der Klägerin gestützt auf Art. 141 Abs. 2 EG-Vertrag (EGV) als gegeben angesehen. Es handele sich bei dem Vorruhestandsgeld um Entgelt im Sinne des Art. 141 Abs. 2 EGV, woran sich nichts dadurch ändere, dass die Klägerin die Vorruhestandsvereinbarung unterschrieben habe. Durch das Protokoll des EU-Vertrages zu Art. 119 EGV werde die Anwendung von Art. 141 Abs. 2 EGV ebenfalls nicht ausgeschlossen. Der Beklagten sei insoweit eine Differenzierung zwischen Männern und Frauen rechtlich verwehrt. Eine Berechtigung dazu ergebe sich auch nicht durch die Anknüpfung an die für Männer und Frauen unterschiedlichen Regelungen im Rentenrecht, wie auch Art. 7 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 nur für die Regelungen im Rahmen des Systems der sozialen Sicherheit gelte, nicht aber für Arbeitgeberleistungen wie hier.

Das Urteil ist der Beklagten am 25. Oktober 2001 zugestellt worden. Diese hat dagegen mit Schriftsatz vom 09. November 2001 - eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 15. November 2001 - Berufung eingelegt und sie zugleich begründet.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für unzutreffend und vertieft ihre Argumentation aus dem ersten Rechtszug. Für die Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrages der Beklagten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 09. November 2001 (Blatt 72 bis 79 d.A.). Die Beklagte hält daran fest, dass der Klage nicht stattzugeben sei, und betont einerseits den Zusammenhang mit dem staatlichen Rentensystem sowie andererseits den Aspekt der Freiwilligkeit der Entscheidung der Klägerin für den Vorruhestand.

Die Beklagte beantragt dementsprechend,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 16. Oktober 2001 - 20/10 Ca 5396/01 - die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt demgegenüber,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Auseinandersetzung mit dem zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten und unter Zusammenfassung des eigenen Sachvortrages aus erster Instanz. Für die Einzelheiten des Vortrages der Klägerin im Berufungsrechtszug in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 30. November 2001 mit Anlage (Blatt 84 bis 100 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Das von § 256 Abs. 1 ZPO geforderte Feststellungsinteresse ist gegeben. Es handelt sich darum, dass ein in seinen rechtserzeugenden Tatsachen bereits eingetretenes (Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 259 Rz. 3) Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO (dazu etwa Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 256 Rz.5 ff. mit weit. Nachw.) in seinem Bestand zu klären ist, wobei das Klärungsbedürfnis alsbald und nicht erst in ferner Zukunft besteht. Das rechtliche Interesse an der Feststellung ergibt sich daraus, dass die Klägerin ein rechtlich sicheres Fundament für ihr weiteres Verhalten - speziell für die Frage der Beantragung der Altersrente - benötigt. Die Möglichkeit einer Klage auf künftige Leistung steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen (BGH Urt. vom 07. Februar 1986 - V ZR 201/84 - NJW 1986, 2507), zumal auch diese hier mit den Unsicherheiten der abschließenden Berechnung (vgl. dazu Nr. 2.5 der V...) belastet wäre. Im Übrigen hat die mündliche Verhandlung vor der Berufungskammer ergeben, dass auch die Beklagte wegen der Unsicherheiten bezüglich der definitiven Berechnung der Zahlungsansprüche die Feststellungsklage als sachgerecht ansieht. Die Beklagte hat sich auf Frage nur deswegen nicht zu der Erklärung, nach eventueller rechtskräftiger Entscheidung der Feststellungsklage zu ihren Lasten entsprechend zu zahlen, bereit finden können, weil sie die Ansicht vertritt, dass bei einer Verurteilung die gesamte Geschäftgrundlage für die V... in Frage gestellt sei. Dieselbe sich aus dieser Überlegung ergebende Unwägbarkeit würde dann jedoch auch eine Zahlungsklage belasten, so dass eine Zahlungsklage sich hier schon deswegen nicht als der einfachere Weg zu einer abschließenden und umfassenden Klärung der Streitpunkte darstellt: Die Feststellungsklage ist vielmehr in der gegebenen Konstellation die sinnvolle, sachgerechte und prozessökonomische Vorgehensweise, die alle derzeit im Raum stehenden und klärbaren Fragen abdeckt (parallel BAG Urt. vom 23. Januar 1990 - 3 AZR 58/88 - NZA 1990, 778, zu A. der Gründe).

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist, da sie auf Grund der Verschmelzung unstreitig die Pflichten aus der V... und der mit der Klägerin getroffenen V... übernommen hat (vgl. dazu auch 8.2 der V...), aus dem Regelwerk und der Vereinbarung in Verbindung mit Art. 141 Abs. 2 EGV (inhaltsgleich früher Art. 119 EGV) verpflichtet, der Klägerin über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (vgl. dazu konkret die Daten im Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils) Vorruhestandsgeld in der in der V... vorgesehenen und unstreitigen Höhe zu zahlen (sofern nicht die Einschränkungen gemäß dem Schlusshalbsatz des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils eingreifen).

Die V... ist, worüber die Parteien nicht streiten, wirksam auf der Basis der V... und der dort geregelten Voraussetzungen zustandegekommen. Die zwischen den Parteien einzig umstrittene Frage, ob der auch im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern unmittelbar anwendbare Art. 141 Abs. 2 EGV (etwa EuGH Urt. vom 08. April 1976 - Rs. 43/75 - [Gabrielle Defrenne / Société anonyme belge de navigation aérienne Sabena] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 2; Schlachter, EAS B 4100 Rz. 4 f. mit weit. Nachw.) dazu führt, dass der Klägerin ebenso wie den männlichen Kollegen das Vorruhestandsgeld bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres zu zahlen ist, ist zu Gunsten der Klägerin zu beantworten. Ob auch deutsche Rechtsvorschriften zum selben Ergebnis führen, kann wegen des Anwendungsvorrangs des Art. 141 EGV (Schlachter, a.a.O., Rz. 5 mit weit. Nachw.) auf sich beruhen.

Zunächst ist dabei festzuhalten, dass ausgehend von der Interessenlage der G... hinter der V... zwar gewiss die Motivation stand, auf diesem Wege im Hinblick auf die Verschmelzung mit der Beklagten Personal abbauen zu können. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei der V... nicht um einen Sozialplan handelt, da sie als solche nicht anknüpft an einen Personalabbau und dann dessen wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder mildern will (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Die V... wollte vielmehr über die Angebote zum Ausscheiden in den Vorruhestand einen - in seinem Volumen noch nicht bestimmten - Personalabbau erreichen und so möglichst anderweitige Entlassungsmaßnahmen vermeiden. Auf die Beklagtenargumente, die speziell auf die Sozialplanqualität der V... abstellen, ist damit nicht weiter einzugehen.

Das in der V... und der V... geregelte Vorruhestandsgeld stellt sich als Entgelt im Sinne des Art. 141 Abs. 2 EGV dar, womit zugleich ein Zurückgreifen auf Art. 5 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen vom 09. Februar 1976 (ABl. EG Nr. L 39 vom 14. Februar 1976, S. 40) ausscheidet (EuGH Urt. vom 13. Juli 2000 - Rs. C-166/99 - [Marthe Defreyn / Sabena SA] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 62, Randnr. 35 mit weit. Nachw.).

Der Begriff des Entgelts im Sinne dieser Vorschrift umfasst alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen, vorausgesetzt, dass sie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar auf Grund des Dienstverhältnisses gewährt (EuGH Urt. vom 09. Februar 1982 - Rs 12/81 - [Eileen Garland / British Rail Engineering Limited] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 7). Daher schließt der Umstand, dass bestimmte Leistungen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden, nicht aus, dass sie den Charakter eines Entgelts im Sinne von Art. 141 Abs. 2 EGV haben (EuGH Urt. vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88 - [Douglas Harvey Barber / Guardian Royal Exchange Assurance Group] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18, Randnr. 12).

Entsprechend diesen Grundsätzen fallen Entschädigungsleistungen, die einem Arbeitnehmer bei betriebsbedingter Entlassung gewährt werden, unter Art. 141 Abs. 2 EGV (EuGH Urt. vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88 - [Douglas Harvey Barber / Guardian Royal Exchange Assurance Group] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18, Randnr. 13). Dasselbe gilt für die hier in Rede stehenden Vorruhestandsgeldleistungen (vgl. auch EuGH Urt. vom 06. Oktober 1993 - Rs. C-109/91 [G.C. Ten Oever / Stichting Bedrijfspensioenfonds voor het Glazenwassers- en Schoonmaakbedrijf] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 23). Sie stellen eine Form von Entgelt dar, das der Arbeitnehmerin jedenfalls mittelbar auf Grund des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, das ihr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, das ihr die Anpassung an die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstandene Lage erleichtert und das ihr für die Zeit bis zum Renteneintritt eine Einkommensquelle sichert (parallel EuGH Urt. vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88 - [Douglas Harvey Barber / Guardian Royal Exchange Assurance Group] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18, Randnr. 13).

Dass daneben sozialpolitische Erwägungen der Beklagten eine Rolle gespielt haben mögen, tangiert den Entgeltcharakter nicht (EuGH Urt. vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88 - [Douglas Harvey Barber / Guardian Royal Exchange Assurance Group] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18, Randnr. 18). Weiter ist es auch ohne rechtlichen Belang, dass die Beklagte über V... und V... die Vorruhestandsgeldleistungen freiwillig zugesagt hat, ohne hierzu zunächst vertraglich verpflichtet zu sein (EuGH Urt. vom 09. Februar 1982 - Rs 12/81 - [Eileen Garland / British Rail Engineering Limited] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 7, Randnr. 10; EuGH Urt. vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88 - [Douglas Harvey Barber / Guardian Royal Exchange Assurance Group] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18, Randnr. 19).

Das dem EG-Vertrag beigefügte Protokoll Nr. 2 zu Art. 119 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften schließt es schließlich nicht aus, die hier in Rede stehenden Vorruhestandsgeldleistungen als Entgelt im Sinne des Art. 141 Abs. 2 EGV zu verstehen. Das Protokoll lautet:

"Im Sinne des Artikels 119 gelten Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit nicht als Entgelt, sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder deren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltendem einzelstaatlichen Recht anhängig gemacht haben."

Es kann offen bleiben, ob es sich vorliegend um ein betriebliches System der sozialen Sicherheit im Sinne des Protokolls handelt (zu dieser Frage EuGH Urt. vom 13. Juli 2000 - Rs. C-166/99 - [Marthe Defreyn / Sabena SA] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 62). Jedenfalls werden die Leistungen nach V... und V... weder dem Grund noch der Höhe nach auf Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 zurückgeführt.

Art. 141 Abs. 2 EGV verbietet die hier gegebene unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, die darin besteht, dass Arbeitnehmerinnen das Vorruhestandsgeld nicht so lange beziehen können wie Arbeitnehmer und damit für den Differenzzeitraum als solchen finanziell schlechter gestellt sind als ihre männlichen Kollegen. Die Ungleichbehandlung wirkt sich überdies noch dahingehend aus, dass sich auf Grund der rentenrechtlichen Regelungen (diese sind in den Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils auf Seite 8 = Blatt 61 d.A. dargestellt, und darauf wird Bezug genommen) Rentenabschläge ergeben und dass den Arbeitnehmerinnen für den Differenzzeitraum die weiteren Beiträge zur Rentenversicherung und die sich dadurch ergebende Rentenerhöhung entgehen.

Gegenteiliges in Bezug auf Art. 141 Abs. 2 EGV ergibt sich nicht aus Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. EG Nr. L 6 vom 10. Januar 1979, S. 24). Diese Regelung ist hier nicht einschlägig. Art. 7 lautet in Auszügen:

"(1) Diese Richtlinie steht nicht der Befugnis der Mitgliedsstaaten entgegen, folgendes von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen:

a) die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersgrenze oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen;

b) ...

(2) Die Mitgliedsstaaten überprüfen in regelmäßigen Abständen die aufgrund des Absatzes 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten."

Bereits Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 79/7/EWG legt vom Wortlaut her nahe, dass sich die Richtlinie an die Mitgliedsstaaten wendet und - soweit hier von Interesse - die Ausgestaltung des staatlichen Systems der Altersrente/Ruhestandsrente betrifft und deren Auswirkungen auf andere staatliche Leistungen, also nicht die hier in Rede stehenden Vorruhestandsleistungen des Arbeitgebers. Art. 3 der Richtlinie bestimmt denn auch in Abs. 1 Buchstabe a, dass sie Anwendung findet auf gesetzliche Systeme, die Schutz u.a. gegen die Risiken der Krankheit, des Alters und der Arbeitslosigkeit bieten, und in Abs. 1 Buchstabe b, dass sie weiter Anwendung findet auf Sozialhilferegelungen, soweit sie die unter Buchstabe a genannten System ergänzen oder ersetzen sollen. Bestätigt wird dies durch Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie, die für betriebliche Systeme separate Bestimmungen des Rates auf Vorschlag der Kommission vorsehen (dazu noch nachstehend). Damit ist für die hier zu beantwortenden Fragen das Urteil des EuGH vom 23. Mai 2000 - Rs. C-196/98 - [Regina Virginia Hepple / Adjudication Officer; Adjudication Officer / Anna Stec u.a.] (EAS RL 79/7/EWG Art. 7 Nr. 9) nicht einschlägig, wobei ergänzend anzumerken ist, dass der EuGH ausweislich der Begründung in Randnrn. 25 ff. ebenfalls der Ansicht ist, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG angesprochenen anderen Leistungen staatliche Leistungen sind, da nur dafür die verwendeten Argumente der Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit und der Kohärenz zwischen dem System der Altersrenten und dem der anderen Leistungen passen.

Die Richtlinie 86/378/EWG des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (ABl. EG Nr. L 225/40 vom 12. August 1986, S. 40), geändert durch die Richtlinie 96/97/EG des Rates vom 20. Dezember 1986 (ABl. EG Nr. L 46 vom 17. Februar 1997, S. 20; ber. ABl. EG Nr. L 151 vom 18. Juni 1999, S. 39) tangiert gleichfalls die Anwendung des Art. 141 Abs. 2 EGV nicht. Die Richtlinie 86/378/EWG stellt zwar die Ausfüllung der bereits oben angesprochenen Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 79/7/EWG dar (dazu die Ausführungen in den vorangestellten Erwägungen der Richtlinie 86/378/EWG), ändert aber nichts daran, dass Art. 141 Abs. 2 EGV direkt anwendbar ist, was am Ende der vorangestellten Erwägungen der Richtlinie 96/97/EG so auch ausdrücklich angesprochen ist (ebenso EuGH Urt. vom 14. Dezember 1993 - Rs. C-110/91 - [M / C GmbH] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 26, Randnr. 24, wobei es auf die zeitlichen Einschränkungen gem. Randnrn. 26 ff. hier nicht ankommt).

Art. 141 Abs. 2 EGV lässt in seinem Anwendungsbereich keine je nach Geschlecht unterschiedliche Festsetzungen des Rentenalters zu (EuGH Urt. vom 14. Dezember 1993 - Rs. C-110/91 - [M / C GmbH] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 26, Randnr. 25). Dies gilt unabhängig davon, wie das staatliche Rentensystem ausgestaltet ist. Der EuGH hat insoweit dem Argument der Verzahnung zwischen gesetzlichem und betrieblichem System eine ausdrückliche und klare Absage erteilt. Er hat ausgeführt, dass nationale Bestimmungen keine Auswirkungen auf den diskriminierenden Charakter von Regelungen haben, die allein aus den entsprechenden Vereinbarungen resultieren (EuGH Urt. vom 14. Dezember 1993 - Rs. C-110/91 - [M / C GmbH] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 26, Randnr. 16 ff., speziell 18 bis 20; EuGH Urt. vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88 - [Douglas Harvey Barber / Guardian Royal Exchange Assurance Group] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18, Randnr. 35). Entsprechendes gilt hier, wo die Bezugsdauer des Vorruhestandsgeldes im Blick auf die staatlichen Rentenregelungen nach Geschlechtern unterschiedlich geregelt ist, ohne dass auf der Basis des Art. 141 Abs. 2 EGV und angesichts der hier gegebenen unmittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts auf anderweitige Sachgründe oder eine Abwägung von Vor- und Nachteilen abgestellt werden könnte (vgl. auch EuGH Urt. vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88 - [Douglas Harvey Barber / Guardian Royal Exchange Assurance Group] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18, Randnr. 34).

Das Urteil des EuGH vom 09. November 1993 - Rs. C-132/92 - [Birds Eye Walls Limited / F.M. Roberts] (EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 25), das bereits einen völlig anders gelagerten Sachverhalt zum Gegenstand hat (Probleme der Höhe einer Überbrückungsrente), ergibt nichts Gegenteiliges. Der EuGH ist darin einerseits davon ausgegangen, dass partiell keine Diskriminierung vorliegt, weil die für die Überbrückungsrente geltende Regelung neutral sei (a.a.O. Randnr. 23), und dass im Übrigen Art. 119 EGV nicht verletzt sei, weil die Unterschiede in der Höhe des Überbrückungsgeldes ihre Ursache in früheren Entscheidungen bezüglich der Beiträge zur gesetzlichen Rente hätten (a.a.O., Randnrn. 25 ff). Diese Argumentationsstrukturen sind für die hier gegebene Situation nicht einschlägig.

Die Folge der Verletzung des Art. 141 Abs. 2 EGV ist, dass der Arbeitgeber und hier die Beklagte die Ungleichbehandlung zu beseitigen hat. Das bedeutet, dass die ungleich behandelte Arbeitnehmerin einen Anspruch darauf hat, Vorruhestandsgeld ebenso wie die Arbeitnehmer ebenfalls bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres zu beziehen (vgl. EuGH Urt. vom 27. Juni 1990 - Rs. C-33/89 [Maria K / Freie und Hansestadt Hamburg] EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 19 = NZA 1990, 771, Randnr. 20; BAG Urt. vom 23. Januar 1990 - 3 AZR 58/88 - NZA 1990, 778, zu B.III.1. der Gründe). Eine Zahlung lediglich der Differenz zwischen Vorruhestandsgeld und Rente ab Vollendung des 60. Lebensjahres für die drei Jahre reicht zur Beseitigung der Ungleichbehandlung nicht aus, da es damit bei den angesprochenen Folgen bezüglich der Rentenhöhe bliebe.

Die Frage eines möglichen Doppelbezuges von Vorruhestandsgeld und staatlicher Rente bedarf keiner weiteren Erörterung, da bereits der gestellte Antrag den Doppelbezug ausschließt.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist nicht geboten, da die Revision zugelassen ist, das Landesarbeitsgericht damit nicht letztinstanzlich entscheidet (Art. 234 Satz 3 EGV), und wird vom Berufungsgericht angesichts der Revisionszulassung auch nicht für sachdienlich erachtet (vgl. Art. 234 Satz 2 EGV).

Ende der Entscheidung

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