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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: 15 Sa 1861/08
Rechtsgebiete: TV ATZ Post, TV Nr. 132, ATZ-TV DHL


Vorschriften:

TV ATZ Post vom 02. April 1998
TV Nr. 132
ATZ-TV DHL vom 07. September 2005
1. Es besteht kein Anspruch auf die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, wenn das entsprechende Angebot (mit einem Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erst nach dem Außerkrafttreten des maßgeblichen Tarifvertrages) erstmals nach dem Außerkrafttreten der maßgeblichen tarifvertraglichen Regelung unterbreitet worden ist.

2. § 2 Abs. 2 Satz 1 ATZ-TV DHL vom 07. September 2005 besagt nicht, dass für die DHL-Beschäftigten der TV ATZ Post über dessen Gültigkeit hinaus bis zu einer Kündigung des ATZ-TV DHL entsprechend anwendbar bleiben soll.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 29. Juli 2008 - 4 Ca 127/08 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, mit dem Kläger eine Altersteilzeitvereinbarung zu schließen.

Der Kläger ist am XX.XX.19XX geboren und seit dem 01. Oktober 1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt; er verdiente zuletzt 2.650,04 Euro brutto pro Monat. Er ist Mitglied der Gewerkschaft A..

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft A. abgeschlossene Altersteilzeittarifvertrag der B. vom 07. September 2005 (ATZ-TV DHL; Kopie Blatt 50 d.A.) Anwendung. Dessen § 1 sieht vor, dass für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten die Regelungen des Tarifvertrages über die Altersteilzeit bei der C. (TV ATZ) und hierzu ergangenen Anweisungen in der jeweils geltenden Fassung entsprechend gelten. § 2 des ATZ-TV DHL regelt, dass der Tarifvertrag mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden kann und dass die Nachwirkung ausgeschlossen ist. Für den maßgeblichen Text des TV ATZ - Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit bei der C. (TV ATZ) vom 02. April 1998, zuletzt geändert durch den Tarifvertrag Nr. 132 - wird Bezug genommen auf die zu den Gerichtsakten gereichte Kopie (Blatt 51 bis 59 d.A.). Mit dem genannten Tarifvertrag Nr. 132 vom 27. Dezember 2006 ist die Geltung des TV ATZ bis zum 31. März 2008 begrenzt. Der Vierte Abschnitt des TV ATZ hat danach in Absatz 1 folgenden Wortlaut:

(1) Der Tarifvertrag Nr. 37d tritt am 1. Juli 1998 in Kraft. Er tritt mit Ablauf des 31. März 2008 außer Kraft. Die Nachwirkung ist ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 12. April 2006 (Kopie Blatt 60 d.A.) wandte sich der Kläger an die Beklagte. Das Schreiben lautet wie folgt:

".... ,

ich stelle hiermit den Antrag auf Altersteilzeit gemäß Tarifvertrag der B..

Im Mai 2006 werde ich 56 Jahre, würde gerne die Altersteilzeitregelung in Anspruch nehmen für insgesamt fünf Jahre nach dem Blockmodell.

Ich bitte Sie, mir eine Information zu meinem Antrag zukommen zu lassen."

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 02. November 2006 (Kopie Blatt 62 d.A., worauf für den Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird) den Antrag ab, und zwar "auf Grund der rückläufigen wirtschaftlichen Entwicklung und der anfallenden Mehrkosten ... unter Berücksichtigung des betrieblichen Interesses."

Der Kläger hat darauf mit Schriftsatz vom 29. März 2008 - Faxeingang beim Arbeitsgericht am 31. März 2008, Zustellung an die Beklagte am 07. April 2008 - Klage erhoben mit den Anträgen,

1. die Beklagte zu verurteilen, mit ihm eine Altersteilzeitvereinbarung entsprechend des Tarifvertrages Nr. 37d über die Altersteilzeit der C. (TV ATZ) vom 02. April 1998 in Verbindung mit § 2 des Altersteilzeitvertrages der B. für die Dauer von fünf Jahren im Blockmodell mit dem Beginn der aktiven Zeit am 01. Juni 2007 und dem Beginn der passiven Zeit zum 01. Dezember 2009 und dem Ende der Altersteilzeit zum 31. Dezember 2012 abzuschließen,

hilfsweise für den Fall der Abweisung des Klageantrags zu 1.,

2. die Beklagte zu verurteilen, mit ihm eine Altersteilzeitvereinbarung entsprechend des Tarifvertrages Nr. 37d über die Altersteilzeit der C. (TV ATZ) vom 02. April 1998 in Verbindung mit § 2 des Altersteilzeitvertrages der B. für die Dauer von fünf Jahren im Blockmodell mit dem Beginn der aktiven Zeit am 28. März 2008 bis 29. April 2010 und dem Beginn der passiven Zeit am 30. April 2010 zum 31. Mai 2012 abzuschließen.

Die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers schrieben unter dem Datum des 27. März 2008 an die Beklagten. In dem Schreiben (Kopie Blatt 103/104 d.A.) wiesen sie darauf hin, dass sie beauftragt seien, die notwendigen gerichtlichen Schritte einzuleiten. Weiter heißt es:

"Lediglich aus Gründen anwaltlicher Vorsorge, stelle ich namens und im Auftrage meines Mandanten auf diesem Wege hilfsweise für den Fall des Unterliegens im Klageverfahren - erneut einen Antrag auf Altersteilzeit.

Mein Mandant wird voraussichtlich ab dem 01. Juni 2012 Altersrente beziehen. Im Zeitraum davor soll die Altersteilzeit im Blockmodell beginnend ab dem 28. März 2008 - hilfsweise zum frühest möglichen Zeitpunkt - gestaltet werden. Mein Mandant wünscht die Verteilung wie folgt:

Arbeitsphase: 28. März 2008 bis 29. April 2010

Freistellungsphase: 30. April 2010 bis 31. Mai 2012.

Er behält sich eine Änderung der gewünschten Lage der Arbeits- bezw. Freistellungsphase nach Rücksprache mit dem zuständigen Rentenversicherungsträger ausdrücklich vor."

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 28. März 2008 (Kopie Blatt 105/106 d.A.) ab. Dieses Schreiben ging am 31. März 2008 bei den Klägervertretern ein.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Beklagte habe keine sachlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die dem Abschluss der gewünschten Vereinbarung über Altersteilzeit entgegenstehen könnten. Auf das Außerkrafttreten des TV ATZ komme es nicht entscheidend an. § 2 ATZ-TV DHL enthalte eine eigenständige Beendigungsregelung, und eine Kündigung sei nicht erfolgt. Außerdem sei der Antrag noch rechtzeitig vor dem Auslaufen des TV ATZ gestellt worden.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht im Hinblick auf den frühestmöglichen Rentenbezug ab dem 01. Juni 2013 zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, mit ihm eine Altersteilzeitvereinbarung entsprechend des Tarifvertrages Nr. 37d über die Altersteilzeit der C. (TV ATZ) vom 02. April 1998 in Verbindung mit § 2 des Altersteilzeitvertrages der B. für die Dauer von fünf Jahren im Blockmodell mit dem Beginn der aktiven Zeit am 01. Juni 2008 und dem Beginn der passiven Zeit zum 01. Dezember 2010 und dem Ende der Altersteilzeit zum 31. Mai 2013 abzuschließen.

Die Beklagte hat demgegenüber beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dazu die Auffassung vertreten, ihre Altersteilzeitregelung sei vom Schicksal des TV ATZ abhängig. Der Beginn der vom Kläger begehrten Altersteilzeitvereinbarung liege jedoch außerhalb der Geltung des TV ATZ. Außerdem würde die Bewilligung der Altersteilzeit erhebliche Mehrbelastungen mit sich bringen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29. Juli 2008 (Blatt 190 bis 197 d.A.) der Klage stattgegeben, die Kosten des Rechtstreits der Beklagten auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 7.950, 12 Euro festgesetzt. Auf dieses Urteil wird zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes und bezüglich der Einzelheiten der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger erfülle alle allgemeinen Anforderungen des Tarifvertrages. Die Klage sei auch rechtzeitig vor Ablauf des Tarifvertrages erhoben worden, und es komme allein darauf an, ob der Antrag rechtzeitig gestellt sei. Die Beklagte könne sich im Übrigen nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei gem. § 2 TV ATZ berechtigt, aus sachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung des betrieblichen Interesses den Antrag des Klägers abzulehnen.

Gegen das ihr am 21. Oktober 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. November 2008 per Fax eingegangene Berufung der Beklagten, die mit weiterem Schriftsatz vom 29. Dezember 2008 - Faxeingang am 30. Dezember 2008 - begründet worden ist, nachdem auf den Antrag vom 10. Dezember 2008 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 31. Dezember 2008 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Sie vertieft dazu ihren Vortrag aus erster Instanz. Für den Vortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im Einzelnen (einschließlich der Beweisangebote) wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 29. Dezember 2008 (Blatt 232 bis 24 d.A.) und den Schriftsatz vom 10. März 2009 mit Anlage (Blatt 363 bis 374 d.A.).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 29. Juli 2008 - 4 Ca 127/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Auseinandersetzung mit dem zweitinstanzlichen Beklagtenvortrag und unter Intensivierung des eigenen Sachvortrags. Für den Vortrag des Klägers im Berufungsrechtszug in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im Einzelnen (einschließlich der Beweisangebote) wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 14. Februar 2009 mit Anlagen (Blatt 280 bis 343 d.A.) und den Schriftsatz vom 09. März 2008 mit Anlage (Blatt 346 bis 350 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet, die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte mit ihm den im zuletzt gestellten erstinstanzlichen Antrag umschriebenen Altersteilzeitvertrag schließt.

Sein diesbezüglicher Antrag ist nämlich außerhalb der Geltungsdauer der maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen erfolgt (nach dem 31. März 2008) und erstrebt ein Altersteilzeitverhältnis für die Zeit ab dem 01. Juni 2008, hat also keine rechtliche Grundlage mehr (vgl. auch BAG Urteil vom 15. April 2008 - 9 AZR 111/07 - EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 24, zu B. II. 2. b) bb) (1) der Gründe, wo darauf abgestellt wird, dass die Regelung im Zeitpunkt der begehrten Fiktion der Abgabeerklärung voll wirksam war; im Ergebnis wie hier LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 14. November 2008 - 13 Sa 1715/08 -, zu II. 1. der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 12. Dezember 2008 - 6 Sa 1995/08 -, 1.1 der Gründe)). Der Antrag, der dem zur Entscheidung stehenden Klageantrag entspricht, ist erstmals mit dem Schriftsatz vom 23. Mai 2008 (Blatt 82 d.A.) gestellt worden ist, der der Beklagten am 30. Mai 2008 zugestellt worden ist.

Zwar ist der ATZ-TV DHL selbst nach wie vor nicht gekündigt, doch geht die in § 1 dieses Tarifvertrages geregelte Verweisung auf den TV ATZ - eine derartige Verweisung ist zulässig (vgl. BAG Beschluss vom 30. Januar 1990 - 1 ABR 98/88 - BAGE 64, 94 = AP Nr. 78 zu § 99 BetrVG 1972, zu B. II. 1. der Gründe mit weit. Nachw.) - in der Zeit nach dem Ablauf des 31. März 2008 in Leere, so dass der ATZ-TV DHL ab dem 01. April 2008 ohne Regelungsgehalt bleibt.

Wenn § 1 ATZ-TV DHL davon spricht, dass der TV ATZ in der jeweils geltenden Fassung entsprechend gelten soll, setzt dies nach dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang (dazu BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - AP Nr.135 zu § 1 TVG Auslegung) voraus, dass der TV ATZ jedenfalls in irgendeiner Form noch Rechtsgeltung beansprucht, und sei es aufgrund Nachwirkung (vgl. BAG Beschluss vom 30. Januar 1990 - 1 ABR 98/88 - BAGE 64, 94 = AP Nr. 78 zu § 99 BetrVG 1972, zu B. II. 1. der Gründe). § 2 Abs. 2 Satz 1 ATZ-TV DHL führt zu keinem gegenteiligen Ergebnis. Diese Regelung ermöglicht es vielmehr erkennbar, sich auch während der Gültigkeit des TV ATZ von der Verweisung gem. § 1 ATZ-TV DHL zu lösen. Ihr lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass es bis zu einer Kündigung des ATZ-TV DHL bei der entsprechenden Anwendbarkeit des TV ATZ (in der letzten Fassung) bleiben soll, auch über die Gültigkeit des TV ATZ hinaus (ebenso im Ergebnis LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 14. November 2008 - 13 Sa 1715/08 -, zu II. 1. und 2. der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 12. Dezember 2008 - 6 Sa 1995/08 -, 1.1 der Gründe).

Der TV ATZ entfaltet ab dem 01. April 2008 jedoch keinerlei Wirkung mehr, da er zum 31. März 2008 außer Kraft getreten und die Nachwirkung ausgeschlossen ist, was so im Tarifvertrag vereinbart werden kann (BAG Urteil vom 08. Oktober 1997 - 4 AZR 87/96 - NZA 1998, 492).

Auf die früheren und im Tatbestand referierten Anträge des Klägers ist nicht mehr einzugehen. Sofern sie überhaupt bestimmt genug und ansonsten im Hinblick auf den TV ATZ annahmefähig waren, haben sie durch die jeweiligen Ablehnungen durch die Beklagte ihre rechtliche Wirksamkeit verloren (§ 146 BGB). Im Übrigen hatten sie andere Inhalte, die in dieser Form nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits sind, so dass es auch nicht darauf ankommt, ob sie möglicherweise noch rechtzeitig gestellt gewesen wären.

Alle weiteren von den Parteien diskutierten Fragen bedürfen keiner Erörterung mehr.

Es bestand keine Veranlassung, dem Kläger bezüglich des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. März 2009 einen Schriftsatznachlass zu gewähren. Auf die dort angesprochenen Tatsachen kommt es für die Entscheidung nicht an, und bezüglich der Rechtsfragen sind keine wesentlichen neuen Aspekte angesprochen.

Der Kläger hat als die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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