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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 496/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 174 S. 1
BGB § 174 S. 2
Zu den Anforderungen an die Vollmachtsbekanntgabe (§ 174 Satz 2 BGB) am Schwarzen Brett ( Anschluss an BAG Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 235/02; LAG Köln Urteil vom 03.05.2002 - 4 Sa 1285/01, NZA-RR 2003, 194).
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 7. Februar 2001 - 5 Ca 418/00 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 1. August 2000 zum 30. September 2000 nicht aufgelöst worden ist.

Die Anschlussberufung des Beklagten mit dem Auflösungsantrag des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung und um einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag.

Der Beklagte ist ein bundesweit tätiger freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit mit Sitz in A. In B betreibt der Beklagte als Sektion B ein Jugendgemeinschaftswerk mit verschiedenen Bereichen und etwa 45 fest angestellten Mitarbeitern und 30 bis 35 Honorarkräften; das zentrale Büro des Beklagten in B befindet sich in der -straße. Einrichtungsleiter der Sektion B war im Jahre 2000 der Sozialarbeiter C, der für die organisatorischen Abläufe zuständig war und für seinen Bereich das Direktionsrecht des Arbeitgebers ausübte, jedoch nicht kündigungsberechtigt war. Die Sektion B ist der Region ... zugeordnet, und insoweit waren ab dem 01. Mai 2000 kündigungsberechtigt die Herren D und E (vgl. dazu die Kopie des entsprechenden Aushangs vom 09. Mai 2000 = Bl. 56 d.A.). Die zuständige Leiterin des Sachgebiets Personal war Frau F , während Herr G als Geschäftsführer unmittelbarer Vorgesetzter des Herrn C war - beide waren nicht kündigungsberechtigt. Für den Bereich ..., zu dem B zählt, ist ein Betriebsrat gebildet.

Der 1962 geborene ledige Kläger, der einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, ist beim Beklagten seit dem 1997 in B als Sozialberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 29 Stunden beschäftigt. Er verdiente zuletzt DM 3.677,18 brutto pro Monat. Auf das Arbeitsverhältnis findet ein Haus-Manteltarifvertrag Anwendung. Dieser sieht in § 7 Abs. 2 vor, dass Mitarbeiter von dienstlichen Vorgängen zu außerdienstlichen Zwecken weder sich noch anderen Kenntnis, Abschriften, Ab- oder Nachbildungen verschaffen dürfen.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 01. August 2000 (Kopie Bl. 6 d.A., worauf für den Wortlaut Bezug genommen wird), das dem Kläger am selben Tage zuging, außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Die Kündigung wurde damit begründet, dass der Kläger Strafanzeige gegen Herrn C erstattet und der Anzeige Unterlagen des Beklagten beigefügt habe, die er sich unberechtigt verschafft habe. Der Betriebsrat war insoweit mit Schreiben vom 27. Juli 2000 (Kopie Bl. 46 f. d.A.) angehört worden und hatte mit Schreiben vom 31. Juli 2000 (Kopie Bl. 50 bis 52 d.A.) Stellung genommen. Mit weiterem Schreiben vom 01. August 2000 (Kopie Bl. 5 d.A.) wurde dem Kläger Hausverbot erteilt. Mit einem dritten Schreiben vom 01. August 2000 (Kopie Bl. 7 d.A.) - unterzeichnet von Herrn E, wobei keine entsprechende Originalvollmacht beilag - kündigte der Beklagte hilfsweise ordentlich zum 30. September 2000. Die Begründung dieser Kündigung stimmt mit der für die außerordentliche Kündigung überein, und die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende entspricht dem Mantel-Haustarifvertrag. Die ordentliche Kündigung ging dem Kläger am 03. August 2000 zu. Zuvor war der Betriebsrat .. dazu mit Schreiben vom 28. Juli 2000 (Kopie Bl. 48 f. d.A.) angehört worden und hatte mit seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2000 (Kopie Bl. 50 bis 52 d.A.) reagiert.

Der Kläger hatte unter dem 21. März 2000 durch seine Prozessbevollmächtigten (zunächst ohne Angabe des Namens des Klägers) Strafanzeige gegen Herrn C bei der Staatsanwaltschaft B erstattet, die dort unter dem Aktenzeichen xx geführt wurde (vgl. zum näheren Inhalt der Anzeige Seite 3 unten des Urteils des Arbeitsgerichts = Bl. 122 d.A.). Vorausgegangen waren Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und Herrn C, u.a. im Zusammenhang mit Arbeitszeitabrechnungen. Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn C wegen Untreue ist zwischenzeitlich gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz gegen Herrn C wurde gemäß § 153 Abs.1 StPO eingestellt und lediglich als Ordnungswidrigkeitsverfahren weitergeführt (Arbeitsamt B, Az.: xxx).

Mit Schreiben vom 08. August 2000 (Kopie Blatt 8 d.A.) wiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Kündigung vom 01. August 2000 zurück, weil ihr keine Vollmachtsurkunde beigelegen habe. Das Schreiben vom 08. August ging am 09. August 2000 beim Beklagten ein, wie dessen Reaktion vom 09. August 2000 (Kopie Bl. 344 d.A.) belegt.

Der Kläger hat die beiden Kündigungen erstinstanzlich für unwirksam erachtet. Es lägen zunächst keine Kündigungsgründe vor. Die Strafanzeige sei objektiv gerechtfertigt gewesen und in Wahrnehmung berechtigter Interessen erstattet worden. Er hat behauptet, er sei durch Herrn C unter Androhung des Verlustes des Arbeitsplatzes angewiesen worden, Abrechnungen zu manipulieren bzw. zu frisieren, um unberechtigterweise Gelder zur Durchführung von Maßnahmen zu erhalten. Er hat die Ansicht vertreten, er hätte sich selbst durch ein derartiges Verhalten strafbar gemacht, weshalb er nach Rücksprache mit seinem Anwalt, der ihm bestätigt habe, er - der Kläger - könne sich strafbar machen, keine andere Möglichkeit gesehen habe, als Strafanzeige zu erstatten. Rücksprachen mit Herrn C habe er erfolglos versucht, und Rücksprachen mit weiteren Vorgesetzten habe er als erfolglos ansehen müssen. Außerdem sei bezüglich der außerordentlichen Kündigung die 2-Wochen-Frist nicht eingehalten - der Beklagte habe spätestens seit dem 19. April 2000 von der Anzeige gewusst. Insoweit und bezüglich der ordentlichen Kündigung werde auch die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten. Die ordentliche Kündigung sei schließlich im Hinblick auf § 174 BGB unwirksam. Ein Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten liege im Übrigen nicht vor, da es sich bei den der Strafanzeige beigefügten Unterlagen um allgemein zugängliche Papiere gehandelt habe.

Der Kläger hat daher mit Schriftsatz vom 17. August 2000, der am selben Tage beim Arbeitsgericht eingegangen und dem Beklagten am 23. August 2000 zugestellt worden ist, Feststellungsklage bezüglich der beiden Kündigungen erhoben.

Er hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das zwischen ihm und dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 01. August 2000 sein Ende gefunden hat.

Demgegenüber hat der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber die Ansicht vertreten, wirksam außerordentlich gekündigt zu haben. Die Erstattung der Strafanzeige gegen Herrn C stelle einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar. Dies gelte umso mehr, als der Kläger keine Versuche unternommen habe, vorab eine unternehmensinterne Klärung herbeizuführen, was durchaus möglich gewesen wäre. Die Gefahr, sich selbst strafbar zu machen, habe für den Kläger nicht bestanden: Er sei zu keinem Zeitpunkt zu Manipulationen von Abrechnungen angehalten worden, und die vom Kläger erhobenen Vorwürfe träfen nicht zu. Zudem habe der Kläger gegen § 7 Abs. 2 des Manteltarifvertrages verstoßen, da er Kopien von betriebsinternen Unterlagen gefertigt und diese zur Begründung der Strafanzeige verwendet habe. Die zuständige Geschäftsführung sei im Übrigen erst am 27. Juli 2000 davon informiert worden, dass der Kläger die Strafanzeige erstattet habe.

Das Arbeitsgericht hat im Termin vom 10. Januar 2001 die Ermittlungsakte xx zum Gegenstand der Verhandlung gemacht. Es hat zudem Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen C gemäß dem Beweisbeschluss vom 10. Januar 2001 (Bl. 114 d.A.). Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Seiten 2 und 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2001 (Bl. 114 f. d.A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07. Februar 2001 (Bl. 120 bis 140 d.A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 01. August 2000 nicht aufgelöst worden ist, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat dabei die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf DM 11.031,54 festgesetzt. Auf dieses Urteil wird ergänzend bezüglich der Darstellung des Sach- und Streitstands sowie hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat zwar in der Strafanzeige ohne vorherige interne Klärung und ohne den Versuch einer solchen ein gravierendes Fehlverhalten des Klägers gesehen, das nicht durch Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt gewesen sei, wobei der Vertrauensbruch des Klägers noch durch den Verstoß gegen § 7 Abs. 2 des Haus-Manteltarifvertrages verstärkt worden sei. Es hat es jedoch für dem Beklagten zumutbar gehalten, den Kläger bis zum Ende der ordentlichen Kündigung weiterzubeschäftigen. Auch hat es angenommen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Die ordentliche Kündigung hingegen sei wegen der Anzeige wirksam, und deren Wirksamkeit scheitere weder an § 102 Abs. 1 BetrVG - der Betriebsrat sei durch das Anhörungsschreiben vom 28. Juli 2000 ausreichend informiert worden - noch an § 174 Satz 1 BGB, da der Aushang vom 09. Mai 2000 nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ab der Zeit vor den Sommerferien für zwei Monate ausgehängt gewesen sei und dies eine hinreichende Bekanntmachung der Bevollmächtigung des Herrn E im Sinne des § 174 Satz 2 BGB dargestellt habe.

Das Urteil ist dem Kläger am 09. Februar 2001 zugestellt worden. Dieser hat dagegen mit Schriftsatz vom 06. März 2001 - eingegangen beim Landesarbeitsgericht per Fax am selben Tage - Berufung eingelegt. Die Berufung ist mit weiterem am 06. April 2001 per Fax eingegangenem Schriftsatz begründet worden.

Der Kläger hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der ordentlichen Kündigung für unzutreffend. Für die Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrages des Klägers in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (einschließlich der Beweisangebote) wird zunächst Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 06. April 2001 (Bl. 170 bis 188 d.A.) und den Schriftsatz vom 19. November 2001 (Blatt 196 bis 198 d.A.). Der Kläger hält daran fest, dass die ordentliche Kündigung nicht wirksam sei, da ihr keine Originalvollmacht beigelegen habe und die Kündigung deswegen zurückgewiesen worden sei. Er - der Kläger - habe von dem Aushang vom 09. Mai 2000 keine positive Kenntnis gehabt, wie dies erforderlich gewesen wäre. Auch werfe die Aussage des Zeugen C etliche Fragen auf, und der Zeuge, der mittlerweile selbst fristlos entlassen worden sei, weil er Mitarbeiter hinausgedrängt habe, die Abrechnungen zu Lasten der öffentlichen Kassen nicht mehr hätten mitmachen wollen, könne nicht als glaubwürdig angesehen werden. Der Kläger ist auch weiterhin der Ansicht, es habe strafbares Verhalten vorgelegen, und er sei auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen berechtigt gewesen, die Strafanzeige zu erstatten.

Der Kläger hat dementsprechend beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 07. Februar 2001 - 5 Ca 418/00 - abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 01. August 2000 noch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 01. August 2000 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat demgegenüber beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Auseinandersetzung mit dem zweitinstanzlichen Vortrag des Klägers und unter Intensivierung und Zusammenfassung des eigenen Sachvortrages aus erster Instanz. Für die Einzelheiten des Vortrages des Beklagten im Berufungsrechtszug in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 02. November 2001 (Bl. 199 bis 206 d.A.). Der Beklagte ist darüber hinaus der Ansicht, im Falle des Obsiegens des Klägers sei das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Er verweist dazu auf den bisherigen Vortrag zu den Kündigungen und lastet dem Kläger zudem mit seinem Vortrag in der Berufungsinstanz zum strafbaren Verhalten Rechthaberei an, da er trotz der erfolgten Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO an seiner verfehlten Sichtweise festhalte - ein Ansatz für eine weitere Zusammenarbeit sei damit nicht mehr gegeben.

Der Beklagte hat daher beantragt,

das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer entsprechend der Betriebszugehörigkeit des Klägers angemessenen Abfindung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG aufzulösen.

Der Kläger hat demgegenüber beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Mit Urteil vom 27. November 2001 - 15 Sa 411/01 - (Bl. 219 bis 234 d.A.) hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Beklagten mit dessen Auflösungsantrag festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 01. August 2000 zum 30. September 2000 nicht aufgelöst worden ist.

Die zugelassene Revision des Beklagten hat zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03. Juli 2003 (Bl. 243 bis 250 d.A.) geführt, auf das für die Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird. Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 27. November 2001 aufgehoben und die Sache zu anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Der Kläger hält auch nach der Zurückverweisung an seiner Sicht fest, dass die ordentliche Kündigung des Beklagten unwirksam sei. Dazu wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 18. Juni 2004 mit Anlagen (Bl. 322 bis 352 d.A.) und den Schriftsatz vom 14. Juli 2004 mit Anlage (Bl. 360 bis 365 d.A.).

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 01. August 2000 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und beantragt hilfsweise, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer entsprechend der Betriebszugehörigkeit des Klägers angemessenen Abfindung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG aufzulösen.

Der Beklagte seinerseits ist weiterhin der Ansicht, wirksam gekündigt zu haben. Jedenfalls sieht er einen Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliches Urteil. Diesbezüglich wird Bezug genommen auf den Schriftsatz 03. Juni 2004 mit Anlagen (Bl. 283 bis 301 d.A.) und den Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 (Bl. 413 bis 422 d.A.).

Der Kläger beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.

Die innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 des nach §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 unstreitig anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erhobene Klage (§ 253 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 270 Abs. 3 ZPO a.F.) gegen die in der Berufung allein streitgegenständliche ordentliche Kündigung - auf eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung ist damit nicht einzugehen - ist begründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die Kündigung des Beklagten vom 01. August zum 30. September 2000 nicht aufgelöst worden.

Dabei kann dahinstehen, ob die Kündigung sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 KSchG) ist, und die Klärung dieser Frage ist auch nicht im Hinblick auf den Auflösungsantrag geboten (dazu noch unten). Die Kündigung ist nämlich gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam.

Dem Kündigungsschreiben vom 01. August 2000 - unterzeichnet von Herrn E als Bevollmächtigtem -, einem einseitigen Rechtsgeschäft, war keine Vollmachtsurkunde beigefügt, und der Kläger hat durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 08. August 2000 die Kündigung wegen des Fehlens der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte hier mit dem Zugang beim Beklagten am 09. August 2000 auch unverzüglich im Sinne des § 174 Satz 1 BGB. Sie ist, auch wenn man das Interesse des Beklagten an rascher Klärung in Rechnung stellt, ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) vorgenommen worden, da dem Kläger die Einholung rechtskundigen Rates und eine gewisse angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen war.

Die Zurückweisung war nicht gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

Zunächst ergibt der Beklagtenvortrag nicht, dass Herr E in eine Stellung berufen war, mit der das Kündigungsrecht regelmäßig verbunden ist (vgl. dazu allgemein und mit weit. Nachw. BAG Urteil vom 03. Juli 2003 - 2 AZR 235/02 -, zu III. 2. a) der Gründe = Bl. 250 d.A.). Der Beklagte beruft sich hierauf trotz des Hinweises des Bundesarbeitsgerichts im eben zitierten Urteil unter III. 2. b) der Entscheidungsgründe (Bl. 250 d.A.) auch gar nicht, sondern stellt ausschließlich auf den nachstehend noch abzuhandelnden Aushang ab.

Der Kläger ist weiterhin nicht durch den Aushang vom 09. Mai 2000 am Schwarzen Brett der B Einrichtung des Beklagten hinreichend von der Bevollmächtigung E's zur Kündigung in Kenntnis gesetzt worden (dazu BAG Urteil vom 03. Juli 2003 - 2 AZR 235/02 -, zu III. 2. c) der Gründe = Bl. 250 Rücks. d.A., mit weiterem Hinweis auf das Urteil des LAG Köln vom 03. Mai 2002 - 4 Sa 1285/01 - NZA-RR 2003, 194).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aushang vom 09. Mai 2000 zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 01. August 2000 sich noch am Schwarzen Brett befand, genügt der Aushang nicht den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht durch seinen Verweis auf das zitierte Urteil des LAG Köln stellt und denen die Berufungskammer folgt.

Das anderweitige In-Kenntnis-Setzen soll einen gleichwertigen Ersatz für die Vorlage der Vollmachtsurkunde darstellen, und dies lässt sich hier nicht feststellen. Nach dem Vortrag des Klägers - die Aussage des Zeugen C vom 10. Januar 2001 (Bl. 114 d.A.) ergibt nichts Gegenteiliges - waren am Schwarzen Brett im Regelfall interne Stellenausschreibungen, Betriebsratsinformationen oder auch Informationen über Kurse oder Weiterbildungen zu finden. Der Beklagte hat dazu lediglich darauf verwiesen, es seien dort wichtige Mitarbeiterinformationen ausgehängt gewesen. Dies genügt jedoch nicht dafür, annehmen zu können, es sei in B allgemein üblich gewesen, dass Erklärungen von maßgeblicher Bedeutung für die Arbeitsverhältnisse dort ausgehängt waren. Erst recht ergibt sich daraus nicht, dass den Arbeitnehmern und damit auch dem Kläger klar gewesen wäre, sie müssten regelmäßig das Schwarze Brett in Augenschein nehmen, um für ihr Vertragsverhältnis relevante Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen. Ein Hinweis des Beklagten an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich über das Schwarze Brett insoweit auf dem Laufenden zu halten, existiert gleichfalls nicht. Im Übrigen deutet der Aushang vom 09. Mai 2000 selbst darauf hin, dass Bevollmächtigungsregelungen früher durch Rundschreiben erfolgten, was gegen die generelle Üblichkeit derartiger Mitteilungen über das Schwarze Brett spricht. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass der Aushang vom 09. Mai 2000 trotz offensichtlichen Fortbestehens der entsprechenden Bevollmächtigungen nach nicht allzu langer Dauer - weder Beginn noch Ende des Aushangs sind festgehalten worden - wieder vom Schwarzen Brett entfernt worden ist, nicht dafür, dass die in B Verantwortlichen dem Aushang eine sonderliche Bedeutung beimaßen.

Der hilfsweise Auflösungsantrag des Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG bleibt ohne Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob hinreichende Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht erwarten lassen. Denn die Kündigung ist hier aufgrund der Regelung des § 174 Satz 1 BGB unwirksam, also jedenfalls nicht ausschließlich wegen ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam, und dies schließt einen wirksamen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (etwa BAG Beschluss vom 21. September 2000 2 AZN 576/00 - EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 44 mit weit. Nachw.; mögliche Ausnahmefälle stehen hier nicht zur Debatte), der die Berufungskammer folgt, aus.

Da die Beklagte insgesamt unterlegen ist, hat sie die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO), einschließlich der Kosten der Revision.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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