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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 28.04.2006
Aktenzeichen: 15 Ta 118/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5 Abs. 2 Satz 2
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 1
§ 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG erstreckt sich auch auf Abs. 3 Satz 1: Es ist innerhalb der Antragsfrist unter Angabe der entsprechenden Mittel der Glaubhaftmachung zur Einhaltung der Antragsfrist vorzutragen.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 14. Februar 2006 - 4 Ca 258/05 - aufgehoben. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 23. August 2005 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Im Hauptverfahren streiten die Verfahrensbeteiligten um die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 19. Juli 2005 (Kopie Blatt 10 d.A.), die dem Kläger am 20. Juli 2005 zugegangen ist.

Die Klage vom 23. August 2005 gegen die Kündigung ist am 25. August 2005 beim Arbeitsgericht eingegangen, der Beklagten ist sie am 01. September 2005 zugestellt worden. Zugleich hat der Kläger die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt.

Der Kläger hat behauptet, er sei nach Erhalt der Kündigung aus psychischen Gründen nicht in der Lage gewesen, fristgerecht die Kündigungsschutzklage zu erheben. Für die Antragsbegründung im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 23. August 2005 mit Anlagen (Blatt 1 bis 11 d.A.) Bezug genommen, insbesondere die Kopie eines ärztlichen Attestes des A. vom 19. August 2005 (Blatt 11 d.A.; das Original befindet sich als Blatt 46 bei der Gerichtsakte), daneben auf den weiteren Schriftsatz vom 13. Oktober 2005 mit Anlagen (Blatt 39 bis 52 d.A.) - unter diesen Anlagen befindet sich eine dreiseitige eidesstattliche Versicherung des Klägers ohne Datum (Blatt 47 bis 49 d.A.).

Die Beklagte ist dem Antrag mit den Schriftsätzen vom 20. September 2005 mit Anlagen (Blatt 20 bis 28 d.A.) und vom 03. November 2005 (Blatt 53 bis 55 d.A.) entgegen getreten.

Das Arbeitsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 14. Februar 2006 die Klage nachträglich zugelassen, wobei für die weitere Darstellung des Sach- und Streitstandes und die Gründe der Entscheidung auf Blatt 61 bis 67 d.A. Bezug genommen wird.

Der Beschluss ist der Beklagten am 21. Februar 2006 zugestellt worden. Am 07. März 2006 ist beim Landesarbeitsgericht per Fax die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten eingegangen, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12. April 2006 (Blatt 84 d.A.) nicht abgeholfen hat.

Für den Inhalt der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz 07. März 2006 mit Anlage (Blatt 75 bis 82 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger tritt der sofortigen Beschwerde entgegen (vgl. dazu den Schriftsatz vom 31. März 2006 mit Anlage = Blatt 87 bis 90 d.A.).

II.

Die Entscheidung über die statthafte (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung (§ 78 Satz 1 ArbGG, §§ 572 Abs. 4, 128 Abs. 4 ZPO) ergehen und wird vom Vorsitzenden allein getroffen (§ 78 Satz 3 ArbGG).

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die verspätete Klage gegen die streitgegenständliche Kündigung kann nicht nachträglich zugelassen werden. Der Antrag ist unzulässig.

Zwar ist dem Erfordernis des § 5 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz KSchG Rechnung getragen, und die Höchstfrist des § 5 Abs.3 Satz 2 KSchG ist gewahrt. Auch benennt der Antrag Tatsachen, die aus der Sicht des Klägers die nachträgliche Zulassung rechtfertigen sollen, und es sind Mittel für die Glaubhaftmachung dieser Tatsachen angegeben (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG).

Doch fehlt es an der fristgerechten Angabe, ab welchem Zeitpunkt das der rechtzeitigen Klagerhebung entgegenstehende Hindernis behoben war (vl. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG).

Die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 KSchG ergeben insgesamt, dass innerhalb der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG auch darzulegen ist - unter Angabe der entsprechenden Mittel der Glaubhaftmachung -, wann das der rechtzeitigen Klageerhebung entgegenstehende Hindernis behoben war (ebenso im Ergebnis LAG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08. November 1991 - 15 Ta 327/91 - LAGE § 5 KSchG Nr. 54 = NZA 1992, 619; Löwisch/Spinner, KSchG, 9. Aufl., § 5 Rz. 21; HWK/Pods, § 5 KSchG Rz. 8; offenbar auch Gallner, in: Handkommentar zum KSchG, 2. Aufl., § 5 Rz. 35 und 36; a.A. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 02. März 1971 - 11 Ta 7/71 - DB 1971, 1120; Wenzel, in: Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz. 39 mit weit. Nachw.: Angaben zur Rechtzeitigkeit des Zulassungsantrags können nachgeschoben werden; KR-Friedrich, 7. Aufl., § 5 KSchG Rz. 124 mit weit. Nachw.: Mittel der Glaubhaftmachung zu Frage der Wahrung der Antragsfrist können unabhängig von dieser Frist auch später angegeben werden, während die Darlegung offenbar innerhalb der Antragsfrist zu erfolgen hat). Wenn § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG von der Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen spricht, sind damit selbstverständlich auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG mit angesprochen. Dies entspricht insoweit auch den Parallelregelungen in §§ 234 Abs. 1 und 2, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO und der Rechtsprechung hierzu (dazu etwa Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 236 Rz. 5 mit weit. Nachw.), ohne dass es darauf ankommt, ob § 236 ZPO das Vorbild für § 5 KSchG war (gegen diese im Beschluss des LAG Frankfurt am Main vom 08. November 1991, a.a.O, enthaltene Begründung etwa Wenzel, a.a.O.). Im Übrigen wäre es nicht recht einsichtig, warum für den Vortrag und die Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung hinsichtlich der Begründetheit des Antrags (also zu § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG) die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gelten soll, nicht aber für den Vortrag und die Angabe der Mittel der Glaubhaftmachung hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags (also hier zur Frage der Behebung des Hindernisses).

Die Antragsschrift vom 23. August 2005 enthält jedoch im Hinblick auf § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gar keine Ausführungen. Im Gegenteil könnte man dem mit der Antragsschrift vorgelegten ärztlichen Attest entnehmen, dass das Hindernis lediglich im Monat Juli 2005 bestand, da das Attest sich ausdrücklich nur zu einem psychopathologischen Ausnahmezustand in diesem Monat äußert.

Der Auflagenbeschluss des Arbeitsgerichts aus der Güteverhandlung vom 23. September 2005 - darin ist dem Kläger u.a. aufgegeben worden, darzulegen, wann er wieder in der Lage war, sich gegen die Kündigung zu wehren - vermag daran nichts zu ändern; er ist nicht in der Lage, die sich aus dem Gesetz ergebenden Anforderungen zu modifizieren.

Damit kann jedenfalls hinsichtlich der Frage des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht mehr auf den weiteren klägerischen Schriftsatz vom 13. Oktober 2005 und die damit vorlegte eidesstattliche Versicherung des Klägers ohne Datum (Blatt 47 bis 49 d.A.) abgestellt werden. Dieser Schriftsatz und die eidesstattliche Versicherung dienen insoweit nicht einer Konkretisierung oder der Erläuterung von bereits Vorgetragenem (zu dieser Möglichkeit etwa HWK/Pods, § 5 KSchG Rz. 9 mit weit. Nachw.), sondern äußern sich erstmals zu Frage der Einhaltung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG.

Im Übrigen führt auch diese eidesstattliche Versicherung keineswegs zu einer hinreichenden Glaubhaftmachung der Behauptung, dass das Hindernis - der psychische Zustand des Klägers - erst am 11. August 2005 (also einen Tag nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG), behoben war. Die Darlegungen des Klägers auf der zweiten Hälfte der Seite 2 der eidesstattlichen Versicherung legen vielmehr den Eindruck nahe, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bereits in den Tagen vor dem 11. August 2005 jedenfalls soweit gebessert hatte, dass der Kläger bereits zuvor für eine Klageerhebung und erforderlichenfalls für eine Antragstellung gem. § 5 KSchG hätte sorgen können, hat doch der Kläger ausgeführt:

"Ich dachte, es geschafft zu haben, aus diesem tiefen Loch wieder heraus zu kommen, vergaß hierbei aber leider, dass ich meinen Arbeitsplatz verloren hatte. Ich hatte Aufgaben und kam wieder in Schwung. Langsam konnte ich mich auch wieder auf andere Dinge konzentrieren, meinen Haushalt führen. Ich 'funktionierte' wieder. Das Bewusstsein, keine Arbeit mehr zu haben, kam auf. ..."

Im Weiteren hat der Kläger dargelegt, auf Hinweise eines Freundes, sich doch gegen die Kündigung zu wehren, den Anwalt am 11. August 2005 dann um einen Termin für eine Rechtsberatung gebeten zu haben.

Auf die Frage des Verschuldens (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG) ist nach allem nicht weiter einzugehen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Möglichkeit einer Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht (BAG Beschluss vom 20. August 2002 - 2 AZB 16/02 - EzA § 5 KSchG Nr. 34).

Ende der Entscheidung

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