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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.03.2005
Aktenzeichen: 16/10 Sa 1283/03
Rechtsgebiete: AEntG, VTV/Bau, ZPO


Vorschriften:

AEntG § 1
VTV/Bau § 18 V
VTV/Bau § 22 I
ZPO § 174
Zahlt ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft für audrücklich bestimmte Monate Urlaubskassenbeiträge, erlischt damit seine Zahlungsverpflichtung für die bei der Zahlung bestimmten Monate. Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse ist nicht berechtigt, solche Zahlungen auf Beitragsforderungen für andere, nicht ausgeglichene Monate oder auf Zinsforderungen gegen den Arbeitgeber anzurechnen. Aus § 18 Abs. 5 und § 22 Abs. 1 VTV/Bau vom 20. Dezember 1999 ergibt sich nichts anderes.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 3. Juli 2003 - 4 Ca 2168/02 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 130.180,36 (i.W.: Einhundertdreißigtausendeinhundertachtzig 36/100 Euro) zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar bis Oktober 1999, April bis Juni sowie August bis Oktober 2002.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Die dazu erforderlichen Mittel haben die baugewerblichen Arbeitgeber durch Beiträge aufzubringen. Auf die Zahlung dieser Beiträge hat der Kläger einen unmittelbaren Anspruch.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft polnischen Rechts mit Sitz in X (Polen). Seit dem 02. Dezember 1998 ist sie als Inhaberin eines Maurer- und Betonbauerbetriebes in die Handwerksrolle bei der Handwerkskammer Wiesbaden eingetragen. In den Kalenderjahren 1999 und 2002 wurden von den aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland entsandten und zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassenen Arbeitnehmern der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Werkverträgen mit deutschen Unternehmen Rohbauarbeiten sowie Beton- und Armierungsarbeiten ausgeführt.

Für die Monate April bis Juni 1999 meldete die Beklagte dem Kläger Urlaubskassenbeiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gesamthöhe von € 10.413,34 und für die Monate März bis Oktober 2002 Urlaubskassenbeiträge in Höhe von € 116.276,56. Wie im Laufe des Berufungsverfahrens unstreitig geworden ist, zahlte die Beklagte in den Monaten Januar bis Oktober 1999 an ihre in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer Bruttolöhne in Höhe von insgesamt mindestens € 431.403,72. Für April 2002 zahlte die Beklagte an den Kläger € 7.229,08 und für die Monate Mai und Juni € 20.644,75. Diese Zahlungen erfolgten jeweils per Banküberweisung mit den Hinweisen "ULAK-Beitrag April 2002" bzw. "ULAK-Beitrag Mai + Juni 2002" und entsprachen der Höhe nach den ursprünglich für diese Monate gemeldeten Beträgen. Später meldete die Beklagte für Mai 2002 einen Betrag von € 78,65 und für Juni 2002 einen solchen von € 60,39 nach.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträge unterhalten und sei deshalb verpflichtet, für ihre in die Bundesrepublik Deutschland entsandten Arbeitnehmer Urlaubskassenbeiträge zu zahlen. Die betriebliche Tätigkeit der Beklagten in Polen habe im Klagezeitraum der in Deutschland entsprochen. Dass belege eine Auskunft einer Wirtschaftsauskunftei, wonach in Polen überwiegend Großbauwerke und Schwerbetonbauten erstellt worden seien. Dementsprechend sei die Beklagte verpflichtet, zum einen die für April bis Juni 1999 gemeldeten Beiträge in Höhe von € 10.413,34 zu zahlen sowie die gemeldeten Beiträge für März bis Oktober 2002 in Höhe von € 116.276,56 abzüglich geleisteter Zahlungen von insgesamt € 28.920,13 (voller Ausgleich der Monate März und Juli, teilweiser Ausgleich des Monats Juni), also € 87.356,43. Hinsichtlich der für 2002 geltend gemachten Einzelbeträge wird auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 28. November 2002 (Bl. 266 d.A.) Bezug genommen. Darüber hinaus schulde die Beklagte weitere Beitragszahlungen. Aus den Meldungen der Beklagten nach § 3 AEntG ergebe sich, dass 1999 und zwar im Zeitraum Januar bis Oktober, gewerbliche Arbeitnehmer von der Beklagten beschäftigt worden seien, die diese nicht gemeldet habe. Auf der Grundlage der sich aus den Meldungen nach § 3 AEntG ergebenden Beschäftigungszeiten, einer wöchentlichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer von 39 Stunden, dem tariflichen Mindestlohn und dem tariflich normierten Urlaubskassenbeitragssatz errechne sich ein weiterer Beitrag in Höhe von € 73.838,41. Insgesamt ergebe dies € 171.608,18. Soweit die Beklagte sich auf die Erfüllung bestimmter Forderungen für 2002 berufe, sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte tariflich zu Tilgungsbestimmungen nicht befugt sei und er die gezahlten Beiträge vollständig berücksichtigt., indem sie diese teilweise auf Zinsen und ältere Forderungen verrechnet worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 171.608,18 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger keine Beitragszahlungen. Die entsprechenden gesetzlichen bzw. tariflichen Regelungen seien unwirksam. Darüber hinaus habe sie unter Einbeziehung der in Polen geleisteten Arbeiten keinen baugewerblichen Betrieb im Klagezeitraum unterhalten, weil sie auch die Herstellung von Betonerzeugnissen, Reparaturen und Enthüllungen vornehme. Eine Berechnung von Mindestbeiträgen entsprechend den § 3 AEntG-Meldungen komme ohnehin nicht in Betracht. Schließlich seien die Beiträge für April bis Juni 2002 vollständig gezahlt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit seinem am 03. Juli 2003 verkündeten Urteil stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 668 bis 681 d.A.) Bezug genommen. Der Empfang dieses Urteils ist von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten, und zwar von Rechtsanwältin A., auf dem Empfangsbekenntnis mit Datum vom 11. Juli 2003 bestätigt worden.

Gegen das arbeitsgerichtliche Urteil hat die Beklagte mit einem am 13. August 2003 per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 08. November 2004 festgestellten und dort ersichtlichen Frist begründet.

Die Beklagte verfolgt ihr auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter und trägt vor, eine Versäumnis der Berufungsfrist liege nicht vor. Tatsächlich sei das vollständige Urteil am 14. Juli 2004 zugestellt worden. Das ergebe sich aus der mit diesem Eingangsstempel versehenen Ausfertigung des Urteils. Die Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis habe auf einem Versehen beruht. Irrtümlich sei das Datum des Eingangs des Sitzungsprotokolls des Arbeitsgerichts über die Urteilsverkündung auf dem Empfangsbekenntnis vermerkt worden. Dieses Protokoll sei am 11. Juli 2003 eingegangen. In der Sache sei das angefochtene Urteil unrichtig. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht nämlich davon ausgegangen, dass ihr Tätigkeitsschwerpunkt im Baugewerbe liege. Insoweit sei der klägerische Vortrag bereits nicht schlüssig, weil nicht substantiiert vorgetragen worden sei, welche Tätigkeiten sie in Polen ausführe. Insoweit habe einfaches Bestreiten ihrerseits ausgereicht. Auch der Höhe nach sei der Zahlungsanspruch nicht schlüssig dargelegt worden. So habe das Arbeitsgericht zu Unrecht ihre Zahlungen für die Monate April bis Juni 2002 nicht berücksichtigt, der Verweis des Arbeitsgerichts auf die tarifliche Regelung greife nicht, da diese nur Erstattungsforderungen betreffe. Bezüglich der geltend gemachten Mindestbeiträge sei das Arbeitsgericht fehlerhaft von den Berechnungen des Klägers ausgegangen, obgleich sie die an die Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne mitgeteilt habe. Eine Reihe von Arbeitnehmern, die der Kläger aufgeführt habe, seien gar nicht in Deutschland eingesetzt worden. Die zutreffenden Bruttolöhne ergäben sich aus ihrer Aufstellung. Insoweit wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 (Bl. 831 bis 840 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, nach Rücknahme der Klage in Höhe von € 22.729,44 mit Zustimmung der Beklagten, Zurückweisung der Berufung und trägt vor, entsprechend der von der Beklagten im Berufungsrechtszug für 1999 eingereichten Aufstellung über gezahlte Bruttovergütungen im Zeitraum Januar bis Oktober verlange er für diesen Zeitraum jetzt noch an Urlaubskassenbeiträgen € 61.522,31. Dieser Betrag ergebe sich aus der Bruttolohnaufstellung zuzüglich eines Betrages von € 47,28 für vier Arbeitnehmer, die im März 1999 112 Stunden gearbeitet hätten. Das folge aus einer Überprüfung des Arbeitsamtes Bielefeld, das diese Zahlen aus den Stundenaufzeichnungen ermittelt habe. Für diese Arbeitnehmer sei daher der tarifliche Mindestlohn für 112 Stunden anzusetzen. Im übrigen sei das arbeitsgerichtliche Urteil nicht zu beanstanden. Die Beklagte bezeichne sich selbst als Bauunternehmen, ihr Einlassung, dass sie keinen baugewerblichen Betrieb unterhalte sei unerheblich, weil unsubstantiiert.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhaben durch Vernehmung von Frau Rechtsanwältin A. als Zeugin. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschriften über die Berufungsverhandlung am 08. November 2004 und 23. März 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

Die Berufungsfrist wurde von der Beklagten gewahrt. Denn das erstinstanzliche Urteil ist der Beklagten nicht vor dem 14. Juli 2004 zugestellt worden.

Richtig ist, dass seitens der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die Zustellung des Urteils auf einem Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO bescheinigt worden ist, welches das Datum des 11. Juli 2003 trägt. Richtig ist auch, dass ein derartiges Empfangsbekenntnis grundsätzlich nicht nur Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Empfänger und damit der Zustellung erbringt (vgl. BGH 13. Juni 1996 NJW 1996, 2514, 2515; BGH 15. Juli 1998 NJW-RR 1998, 1442, 1443). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist jedoch zulässig. Dieser setzt voraus, dass die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angeben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können. Allein die Möglichkeit der Unrichtigkeit reicht dagegen nicht aus (vgl. BGH 13. Juni 1996 und 15. Juli 1998 aaO.).

Dieser Gegenbeweis wurde hier in zureichender Weise geführt.

Dabei gilt für die Prüfung der Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels, auch soweit es um die Entkräftung des aus einem Empfangsbekenntnis ersichtlichen Zustellungsdatums geht, der sogenannte Freibeweis (vgl. BGH 24. Januar 2001 NJW 2001, 2722). Berücksichtigt werden können insoweit auch eidesstattliche Versicherungen. Voraussetzung bleibt allerdings, dass der volle Beweis zu führen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass das erstinstanzliche Urteil den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht vor dem 14. Juli 2003 zugestellt worden ist. Aus der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten B. ergibt sich, dass diese regelmäßig am Tage der Zustellung des Urteils dieses mit einem Stempel mit dem Tagesdatum versieht und Rechtsmittelfristen einträgt. Der Datumsstempel weist den 14. Juli 2003 aus, der eingereichte Auszug aus dem Fristenkalender nennt den 14. August 2003 als Datum des Ablaufs der Berufungsfrist. Dafür, dass vor dem Anbringen des Eingangsstempels auf der Urteilsausfertigung die Zustellung von der Rechtsanwältin der Beklagten entgegengenommen worden ist, spricht nichts. Vielmehr hat Rechtsanwältin A. als Zeugin ausgesagt, regelmäßig werde das Urteil mit Eingangsstempel vorgelegt.

Hinzukommt entscheidend ein weiteres. Ausweislich des "ab-Vermerks" des Arbeitsgerichts (Bl. 684 d.A.) wurde das Empfangsbekenntnis nebst Urteil an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 11. Juli 2003 zur Post gegeben. Dieser Erledigungsvermerk des Urkundsbeamten ist eine öffentliche Urkunde iSv §§ 415 Abs.1, 418 Abs. 1 ZPO und begründet Beweis dafür, dass die entsprechende Verfügung am bezeichneten Tag erledigt worden ist (vgl. OLG Düsseldorf 29. Februar 2000 VersR 2001, 969; LAG Frankfurt 16. Dezember 1983 - 13 Sa 538/83). Einen Eingang des Urteils bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am gleichen Tag wie dem der Absendung durch das Arbeitsgericht anzunehmen, ist abwegig. Gleiches gilt für einen Eingang vor dem 14. Juli 2003, weil der 11. Juli 2003 ein Freitag war. Bei dieser Sachlage ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass das auf dem Empfangsbekenntnis angegebenen Datum unrichtig ist, weil Rechtsanwältin A. versehentlich auf dem Empfangsbekenntnis das Datum bescheinigte, das sich auf dem Eingangsstempel des ihr nach ihrer Aussage zusammen mit der Urteilsausfertigung vorgelegten Protokolls über den Verkündungstermin des Arbeitsgerichts befand, nämlich den 11. Juli 2003, während die Zustellung des Urteils tatsächlich nicht vor dem 14. Juli 2003 erfolgte.

In der Sache hat die Berufung lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Überwiegend ist sie daher nicht begründet. Soweit der Kläger mit Zustimmung der Beklagten die Klage teilweise im Berufungsrechtszug zurückgenommen hat, ist das erstinstanzliche Urteil ohnehin wirkungslos (§ 269 Abs.3 S.1 ZPO)

Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von € 130.180,36 verlangen.

Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Klägers ist § 1 Abs. 3 AEntG i.V.m. § 8 Ziffer 15 BRTV/Bau und den einschlägigen Vorschriften des VTV.

§ 1 Abs. 3 AEntG regelt nichts anderes als eine Erstreckung von tariflichen Normen, die aufgrund Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) - und damit kraft Tarifrechts - für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seine im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer. Diese Erstreckung erfolgt nicht etwa durch den entsprechenden Tarifvertrag, sondern unmittelbar durch das Gesetz selbst.

Die Erstreckung des Urlaubskassenverfahrens im Baugewerbe auf Unternehmen mit Sitz im Nicht-EG-Ausland begegnet keinen rechtlichen Bedenken, die Voraussetzungen, die in § 1 Abs.3 S.1 und 2 iVm Abs.1 AEntG für die Anwendung der den Beitragseinzug regelnden tariflichen Rechtsnormen aufgestellt sind, werden durch den BRTV/Bau und den VTV erfüllt. Das hat das BAG in mehreren Entscheidungen vom 25. Juni 2002 (vgl. z.B. BAG 25. Juni 2002, AP Nr. 12 und 15 zu § 1 AEntG) im Einzelnen begründet. Dem folgt die Berufungskammer, die diese Ansicht schon in den, den BAG-Entscheidungen vorangegangenen Urteilen vertreten hatte und auch weiter vertritt (vgl. zB Kammerurteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 512/00 - AR-Bl. ES 370.3 Nr.11)). Auf die vorzitierten Entscheidungen wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen. Neue, nicht schon in diesen Entscheidungen beschiedene Argumente hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Europarechtliche Bedenken gegen § 1 AEntG und die erstreckten tariflichen Normen bestehen im vorliegenden Fall nicht. Polen war im Klagezeitraum nicht Mitglied der EG, so dass eine Vereinbarkeit der vorstehend genannten Bestimmungen mit Art. 49, 50 EG nicht geprüft zu werden braucht. Sonstige europarechtliche, Polen betreffende Regelungen werden nicht verletzt (vgl. BAG 25. Juni 2002 aaO.).

Der Erstreckung der allgemeinverbindlich erklärten bautarifvertraglichen Regelungen steht auch nicht das Günstigkeitsprinzip entgegen. Die polnischen Regelungen über den Urlaub sind nicht günstiger als die deutschen erstreckten Regelungen (vgl. BAG 25. Juni 2002 AP Nr. 12 zu § 1 AEntG)

Ohne Bedeutung ist, dass hinsichtlich der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen der Beklagten und ihren Arbeitnehmern polnisches Recht galt. Bei § 1 AEntG handelt es sich um international zwingendes Recht iSv Art. 34 EGBGB (vgl. vgl. BAG 25. Juni 2002 aaO.).

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 AEntG sind in Bezug auf das Verhältnis zwischen den Parteien im vorliegenden Fall gegeben.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, dem iSv. § 1 Abs. 3 S. 1 AEntG im Zusammenhang mit der Gewährung von tariflichen Urlaubsansprüchen nach § 1 Abs. 1 die Einziehung von Beiträgen durch allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge (§ 8 Ziff.15 BRTV/Bau) übertragen ist. Die Urlaubsregelung dieses Tarifvertrages ist nicht zu beanstanden (vgl. BAG 25.06.2002 aaO.)

Die Beklagte ist Arbeitgeber i. S. von § 1 Abs. 1 S. 1 AEntG, weil sie in den Jahren 1999 und 2002 Vertragspartnerin von Arbeitnehmern war, die im räumlichen Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages des Bauhaupt- und Baunebengewerbes i. S. der §§ 1 und 2 Baubetriebe VO, nämlich des BRTV/Bau, von ihr beschäftigt wurden.

Der BRTV/Bau ist ein Tarifvertrag des Bauhaupt- und Baunebengewerbes i. S. der §§ 1, 2 Baubetriebe VO. Denn sein betrieblicher Geltungsbereich erstreckt sich auf eben die Betriebe, die in den §§ 1, 2 Baubetriebe VO genannt sind (§ 1 Abs. 2 BRTV/Bau iVm § 1 Abs.2 VTV). Dieser Tarifvertrag ist seit jeher für allgemeinverbindlich erklärt.

Die Beklagte unterhielt in den Kalenderjahren 1999 und 2002 und damit auch im Klagezeitraum einen Betrieb, von dem überwiegend Bauleistungen i. S. des § 211 Abs. 1 SGB III erbracht wurden.

Nach § 211 Abs. 1 S. 2 SGB III sind Bauleistungen alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Dazu zählen alle Arbeiten, die, wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet, dazu bestimmt sind, ein Bauwerk zu erstellen oder zu ändern (vgl. BAG 05.September 1990 AP Nr. 135 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Hierzu gehören die überwiegenden sowohl in Polen wie in Deutschland in den Kalenderjahren 1999 und 2002 von der Beklagten durchgeführten Arbeiten.

Die von der Beklagten 1999 und 2002 in Deutschland durchgeführten Arbeiten sind bauliche Leistungen Hierzu rechnen nämlich Rohbauarbeiten ebenso wie Beton- und Armierungsarbeiten, da sie dazu bestimmt sind, ein Bauwerk zu erstellen.

Die Beklagte unterhielt in den Jahren 1999 und 2002 auch einen Betrieb, von dem überwiegend Bauleistungen durchgeführt wurden. Insoweit gilt für § 211 Abs. 1 SGB III nichts anderes als für die Frage der Unterworfenheit unter den Geltungsbereich der Bautarifverträge (vgl. BSG 09.12.1997, AP Nr. 205 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Es kommt darauf an, ob die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer, und zwar im jeweiligen betroffenen Kalenderjahr (vgl. BAG 22.04.1987 u. 12.12.1988 AP 82 u. 106 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), auf bauliche Tätigkeiten entfällt (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BAG 24.08.1994 AP Nr. 181 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Auf die Frage, ob insoweit wegen § 1 Abs.4 AEntG (in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung) nur auf die nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer abzustellen ist oder ob auf die Arbeitszeit im Gesamtbetrieb, also einschließlich der betrieblichen Tätigkeiten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, abgehoben werden muss oder ob, selbst bei einem arbeitszeitlichen Überwiegen nicht baulicher Tätigkeiten im Gesamtbetrieb, die Zuordnung der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer zu einer baugewerblichen Betriebsabteilung ausreicht (vgl. Kammerurteil v. 14.07.2003 aaO.), bedarf es im vorliegenden Fall keiner Antwort. Auch wenn man ausschließlich auf die gesamtbetriebliche Tätigkeit der Beklagten unter Summierung der Tätigkeiten in Deutschland und Polen, abhebt, überwogen im Klagezeitraum arbeitszeitlich bauliche Leistungen, weil solche auch unter Berücksichtigung der außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgeführten Arbeiten arbeitszeitlich überwiegend erbracht worden sind. Derartiges hat der Kläger schlüssig dargelegt, das Vorbringen der Beklagten ist demgegenüber nicht erheblich.

Nach dem Vortrag des Klägers wurden von der Beklagten in Polen überwiegend eben die Arbeiten ausgeführt, die auch in Deutschland verrichtet worden sind. Dieses Vorbringen ist schlüssig, weil es, seine Richtigkeit unterstellt, die Annahme rechtfertigt, dass arbeitszeitlich überwiegend im gesamten Betrieb der Beklagten bauliche Leistungen arbeitszeitlich überwiegend erbracht worden sind. Des Vortrages näherer Einzelheiten hinsichtlich der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten bedurfte es nicht. Die Begriffe "Rohbauarbeiten, Beton- und Armierungsarbeiten" haben, einen ausreichenden Tatsachengehalt, der eine Subsummierung unter die hier maßgeblichen Vorschriften ermöglicht. Das stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.

Der schlüssige Vortrag des Klägers wird durch das Vorbringen der Beklagten nicht in Frage gestellt.

Schlichtes Bestreiten des klägerischen Sachvortrages durch die Beklagten reichte schon deshalb nicht aus, weil jede Partei zur Vermeidung von Rechtsnachteilen die prozessuale Pflicht trifft, sich zu Behauptungen des Gegners über Handlungen der Partei zu äußern und Gegenbehauptungen aufzustellen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Kläger, wie hier, außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht und keine Möglichkeit hat, den Sachverhalt von sich aus zu ermitteln, während der Beklagte in der Lage ist, die erforderliche Aufklärung zu geben und dies ihn auch zuzumuten ist (vgl. BGH 11. Juni 1990 NJW 1990, 3151, 3152). Hier näher vorzutragen war der Beklagten, als derjenigen, die ihre betriebliche Tätigkeit organisiert, nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten.

Soweit die Beklagte -. über Bestreiten hinaus - vorgetragen hat, ist ihr Vorbringen unerheblich. Denn ihr Vortrag beschränkt sich auf das Vorbringen, sie unterhalte in Polen einen Mischbetrieb, von dem Betonerzeugnisse hergestellt, Reparaturen durchgeführt und Enthüllungen vorgenommen würden. Abgesehen davon, dass diesem Vorbringen bereits nicht entnommen werden kann, was sich hinter den verwendeten Begriffen an Tätigkeiten verbirgt, lässt sich aus der Einlassung der Beklagten nicht ablesen, dass damit behauptet werden soll, dass andere als bauliche, vom Kläger behauptete Leistungen in den Kalenderjahren des Klagezeitraums arbeitszeitlich überwiegend durchgeführt worden sein sollen. Dazu ist der Vortrag der Beklagten zu ungenau und dunkel. Denn ihr Vortrag lässt bereits im Unklaren, ob tatsächlich etwas anderes, als vom Kläger vorgebracht, behauptet werden soll. Vielmehr bleibt es nach dem Beklagtenvorbringen möglich, dass ihre Behauptung lediglich dahingeht. dass neben baulichen Leistungen auch andere Tätigkeiten, angefallen sind. Ein solches Vorbringen ist jedoch rechtlich ohne Belang, weil es darauf ankommt, ob bauliche Leistungen arbeitszeitlich überwiegend erbracht worden sind oder nicht. Dazu fehlt es an Vortrag der Beklagten. Folglich fehlt es auch an einem hinreichenden Bestreiten der Beklagten in Bezug auf den klägerischen Vortrag zur arbeitszeitlich überwiegenden Tätigkeit in Polen und Deutschland. Mangels hinreichenden Bestreitens des Sachvortrags des Klägers gilt damit der Vortrag des Klägers als zugestanden (§ 138 Abs.2 und 3 ZPO). Gelegenheit zu etwaigem ergänzenden Vorbringen musste der Beklagten auch nicht eingeräumt werden. Denn bereits das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil nachdrücklich auf die Unerheblichkeit des Beklagtenvortrags hingewiesen. Gleichwohl wurde mit der Berufung kein ergänzender Vortrag gehalten.

Die durch § 1 Abs. 3 AEntG gesetzlich vermittelte Erstreckung der Norm des § 8 BRTV/Bau erfasste die Beklagte in den Kalenderjahren 1999 und 2002. Denn diese unterhielt im räumlichen Geltungsbereich des BRTV/Bau einen baugewerblichen Betrieb iSd Geltungsbereichsbestimmung des § 1 Abs.2 BRTV/Bau. Das folgt aus § 1 Abs. 4 AEntG, der die Gesamtheit der in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer als Betrieb iSd betrieblichen Geltungsbereichsnormen der Bautarifverträge fingiert, und dem Umstand, dass sämtliche in Deutschland durchgeführten Arbeiten solche sind, die von der Geltungsbereichsbestimmung des § 1 Abs. 2 erfasst werden. § 1 Abs.2 BRTV/Bau verweist auf den Geltungsbereich des VTV. Erfasst werden die in Deutschland durchgeführten Tätigkeiten jedenfalls von der allgemeinen Bestimmung des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Das ist zwischen den Parteien auch nicht im Streit.

Entsprechend schuldet die Beklagte dem Kläger für den Klagezeitraum die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen.

Die im übrigen von der Beklagten erhobenen Einwände gegen eine Zahlungsverpflichtung sind unerheblich.

Soweit die Beklagte an ihre Arbeitnehmer Urlaubsgeld gezahlt, ändert dies an der Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nichts. Den tariflichen Vorschriften lässt sich nicht entnehmen, dass Beitragsansprüche des Klägers nur bestehen, wenn der Arbeitgeber keine Urlaubsvergütungen gezahlt hat oder untergehen, wenn dies geschehen ist.

Soweit die Beklagte entsandten Arbeitnehmern Urlaub gewährt und Urlaubsvergütung gezahlt hat, hat sie gegen den Kläger einen Erstattungsanspruch (für 1999 § 19 VTV entsprechend, ab 2000 § 13 Abs.1 VTV). Dieser Erstattungsanspruch ist - in Höhe der erfolgten Zahlung - auch gegeben, wenn die Urlaubsvergütung nach polnischem Recht gezahlt wird. Denn Ansprüche der Arbeitnehmer nach deutschem und polnischem Recht bestehen nicht nebeneinander, sondern ergänzen sich lediglich gegenseitig (vgl. Kammerurteil v. 08.12.2003 - 16 Sa 785/03).

Der Höhe nach schuldet die Beklagte Zahlung von € 130.180,36.

Nach der Rspr. des BAG (v. 25.Juni 2002 aaO.) ergibt sich der Zahlungsanspruch für die vom Kläger für 1999 geltend gemachten Beitragsforderungen aus § 61 VTV (in der für 1999 geltenden Fassung). Auch wenn man dem nicht folgt, weil die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nicht befugt waren, für ausländische entsendende Arbeitgeber eigene, von den Bestimmungen für deutsche Arbeitgeber abweichende Vorschriften zu schaffen, besteht eine Zahlungsverpflichtung, nämlich, entsprechend der für inländische Arbeitgeber, gem. §§ 24 Abs. 1, 48 Abs. 1, 74 Abs. 1 VTV. iVm § 61 Abs. 1 VTV. Im übrigen resultiert für Zeiten ab 1. Januar 2000, also hier für die Klagemonate des Jahres 2002, der Zahlungsanspruch der Höhe nach aus § 18 VTV (in der ab 1. Januar 2000 geltenden Fassung = VTV 2000).

Für 1999 kann der Kläger der Höhe nach den zuletzt noch geltend gemachten Betrag von € 61.522,31 verlangen. Dieser ergibt sich, bis auf eine Differenz von € 47,28, aus den von der Beklagten selbst im Laufe des Berufungsverfahrens eingereichten Aufstellung über gezahlten Bruttolöhne und dem tariflichen Beitragssatz für Urlaubskassenbeiträge im Jahre 1999.

Hinsichtlich des Betrages von € 47,28 ist die Klage begründet, weil aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen des Arbeitsamtes Bielefeld davon auszugehen ist, dass im Monat März 1999 neben den von der Beklagten selbst angegebenen Arbeitnehmern zusätzlich die vom Kläger namentlich (Bl. 855 d. A.) benannten Arbeitnehmer jeweils mit 112 Arbeitsstunden von der Beklagten beschäftigt worden sind. Dem ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten. Entsprechend errechnet sich für diese Arbeitnehmer ein Urlaubskassenbeitrag von (mindestens) € 47,28. Berechnungsgrundlage für den Urlaubskassenbeitrag ist der Bruttolohn. Daraus folgt, dass es für Grund und Höhe der Beitragsschuld nur darauf ankommt, ob Lohnansprüche zugunsten der Arbeitnehmer entstanden sind, nicht darauf, ob sie seitens des Arbeitgebers auch erfüllt worden sind (vgl. BAG 20. Oktober 1982 AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Wenn die Arbeitnehmer, wovon, wie ausgeführt, ausgegangen werden muss, jeweils 112 Arbeitsstunden im März erbrachten, schuldete die Beklagte nach § 1 Abs.1 AEntG iVm § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages zur Regelung des Mindestlohns den als Mindestlohn festgelegten Stundenlohn. Dieser belief sich in den alten Bundesländern, in denen die Arbeitnehmer eingesetzt worden waren, auf 16,00 DM brutto. Der Mindestlohntarifvertrag vom 17. Juli 1997, der bis zum 31. August 1999 gültig war, war auch für allgemeinverbindlich erklärt.

Für die Klagemonate des Jahres 2002 kann der Kläger dagegen nur € 68.658,05 und nicht die begehrten € 87.356,43 fordern. Bezüglich des Mehrbetrages ist die Klage abzuweisen und die Berufung begründet.

Im einzelnen gilt folgendes:

Verlangen kann der Kläger folgende Beträge:

April: € 78,65

Mai: € 60,39

August: € 21.155,07

September € 26.538,46

Oktober: € 20.825,48

Für August, September und Oktober 2002 folgt das aus dem Umstand, dass die vorgenannten Beträge auf den eigenen Meldungen der Beklagten beruhen und Zahlungen der Beklagten insoweit unstreitig nicht erfolgt sind. Für Mai und Juni ergeben sich die vorbezeichneten Beträge aus dem Umstand, dass die Beklagte unstreitig für diese Monate die ursprünglich um diese Beträge zu niedrigen Beitragsmeldungen nach oben korrigiert hat.

Im übrigen kann der Kläger die für 2002 geforderten Beträge nicht verlangen.

Die geltend gemachte, auf eigener Meldung der Beklagten beruhende Forderung für April 2002 in Höhe von € 7.229,08 ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 BGB), für die gemeldeten Beiträge für Mai und Juni gilt dies bis auf die zuvor genannten, aus Nachmeldungen resultierenden Beträge ebenfalls.

Unstreitig hat die Beklagte mit der Zahlung des Betrages von € 7.229,08 sowie der Zahlung von weiteren € 20.644,75 bestimmt, dass diese Beträge zum Ausgleich der Beitragsschulden für den Monat April 2002 bzw. die Monate Mai und Juni 2002 dienen sollen. Das war für den Kläger, unbeschadet des Umstandes, ob im Zahlungszeitpunkt weitere Forderungen gegen die Beklagte bestanden, verbindlich (§ 366 Abs.1 BGB).

Entgegen der Ansicht des Klägers war dieser nicht berechtigt, die entsprechenden Zahlungen der Beklagten auf ältere Beitragsforderungen für 1999 bzw. auf Zinsen anzurechnen. Hierfür fehlt eine rechtliche Grundlage.

Aus § 18 Abs. 5 VTV 2000 ergibt sich eine derartige Befugnis, entgegen der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts, nicht.

§ 18 Abs. 5 VTV 200 lautet:

Erstattungsforderungen des Arbeitgebers sind mit der Maßgabe zweckgebunden, dass der Arbeitgeber über sie nur verfügen kann, wenn das bei der Einzugsstelle bestehende Beitragskonto keinen Debetsaldo ausweist und er seinen Meldepflichten entsprochen hat. Eine Aufrechnung gegen bestehende Beitragsforderungen ist für den Arbeitgeber ausgeschlossen. §§ 366 und 367 BGB finden keine Anwendung.

Diese Bestimmung verhält sich nur über Erstattungsforderungen des Arbeitgebers gegen den Kläger wegen gezahlter Urlaubsvergütung an die Arbeitnehmer (§ 13 VTV 2000). Hinsichtlich Beitragsforderungen und deren Zahlung durch den Arbeitgeber besagt sie dagegen nichts. Das belegt bereits der allein auf Erstattungsforderungen und ihr rechtliches Schicksal abstellende Wortlaut der Norm. Der Ausschluss der §§ 366, 367 BGB bedeutet insoweit lediglich, dass es dem Kläger freisteht, solange der Arbeitgeber die tarifvertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat, zu entscheiden, wie die Erstattungsbeträge zu verwenden sind. So kann der Kläger, auch bei Beitragsrückständen, diese Beträge auszahlen oder mit den ihm zustehenden Beitragsforderungen gegen Erstattungsforderungen aufrechnen und insoweit selbst bestimmen, gegen welche Forderungen aufgerechnet werden soll (vgl. Kammerurteil v. 24. Juli 1995 - 16 Sa 2207/94).

Auch aus § 22 Abs.1 S. 2 VTV ergibt sich kein Recht des Klägers, unbeschadet von Leistungsbestimmungen des zahlenden Arbeitgebers, festzulegen, wie Beitragszahlungen seitens des beitragspflichtigen Arbeitgebers zu verrechnen sind.

§ 22 Abs.1 VTV lautet:

Der Sozialkassenbeitrag für gewerbliche Arbeitnehmer und der Beitrag für die Zusatzversorgung der Angestellten sind für jeden Abrechnungszeitraum spätestens bis zum 15. des folgenden Monats bei der Einzugsstelle einzuzahlen. §§ 366,367 BGB finden keine Anwendung.

Es ist bereits fraglich, ob § 22 Abs.1 VTV - über die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts hinaus - überhaupt erhebliches hinsichtlich eines Leistungsbestimmungsrechts eines Arbeitgebers mit Sitz im Ausland, wie der Beklagten, bei Zahlung von allein geschuldeten Urlaubskassenbeiträgen aussagt. Denn ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland schuldet hinsichtlich der von ihm nach Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmer keine Zahlung eines Sozialkassenbeitrages an die Einzugsstelle. Einzugstelle ist nach § 3 Abs.3 VTV die Zusatzversorgungskasse für Betriebe mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, Sozialkassenbeitrag ist die, von Arbeitgebern mit Sitz im Inland zu zahlende Summe der Beiträge für alle tariflich vorgesehenen Leistungsverfahren ( §18 VTV).

Letztlich kann das jedoch dahinstehen. Denn aus § 22 Abs.1 S.2 VTV lässt sich auch für Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland, die einen Sozialkassenbeitrag zu zahlen verpflichtet sind, keine generelle Befugnis des Klägers herleiten, Beitragszahlungen des zahlungsverpflichteten Arbeitgebers unabhängig von dessen auf bestimmte Monate bezogener Leistungsbestimmung zu verwenden, also, wie es der Kläger möchte, auch auf andere als die seitens des Schuldners bestimmten monatlichen Beitragsforderungen oder auf Zinsforderungen anzurechnen. Damit kann eine solche Befugnis auch nicht über § 22 Abs.1 VTV gegenüber Arbeitgebern mit Sitz im Ausland bestehen. Der tarifvertraglich normierte Ausschluss der §§ 366, 367 BGB betrifft nämlich nicht die Zuordnung gezahlter Sozialkassenbeiträge zu Zahlungszeiträumen, also zu bestimmten offenen Abrechnungsmonaten, sondern die Zuordnung des gezahlten Sozialkassenbeitrags zu den einzelnen Beitragsforderungen, aus denen sich der Sozialkassenbeitrag zusammensetzt. Das ergibt eine Auslegung der tariflichen Norm.

Einer derartigen Deutung von § 22 Abs.1 S.2 VTV ebnet bereits der Wortlaut der Norm selbst den Weg. Der Ausschluss der §§ 366, 387 BGB bezieht sich auf die Zahlung des in S. 1 der Bestimmung genannten Sozialkassenbeitrags. Hierunter verstehen die Tarifvertragsparteien, wie bereits ausgeführt, nicht nur den Beitrag zum tariflichen Urlaubskassenverfahren, sondern, wie § 18 VTV zeigt, den für die Aufbringung verschiedene tariflicher Leistungen zu zahlenden Gesamtbeitrag. Dieser ist nichts anderes als die rechnerische Zusammenfassung mehrerer Forderungen, nämlich der Forderungen auf Beitragszahlungen zum Urlaubskassen-, zum Lohnausgleichskassen-, zum Berufsbildungs- und, u.U., zum Zusatzversorgungskassenverfahren, die dem Grunde nach in verschiedenen Tarifverträgen geregelt sind (§ 8.15.1 BRTV/Bau, § 12 TV Lohnausgleich; § 32 BBTV [Tarifvertrag über die Berufsbildung]; § 13 TVA [Tarifvertrag über zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe]).

Weil der Sozialkassenbeitrag nichts anderes ist als die Zusammenfassung mehrerer, in verschiedenen Tarifverträgen dem Grunde nach normierter Beitragsforderungen, gewinnt der Ausschluss der §§ 366, 367 BGB auch einen greifbaren Sinn. Folge des Ausschlusses der §§ 366, 367 BGB ist es dann nämlich, dass keine Zuordnung einer erfolgten Beitragszahlung auf die unterschiedlichen Beitragsforderungen für die verschiedenen Verfahren zu erfolgen hat. Damit muss auch nicht festgestellt werden, inwieweit die auf die einzelnen Leistungsverfahren entfallenden Beitragsschulden erfüllt worden sind. Das ist auch sachlich vernünftig. Bei einem Bestimmungsrecht des baugewerblichen Arbeitgebers dahin, welche Beiträge für welche Leistungen er zahlen will, bestände nämlich die Gefahr, dass einzelne Leistungsverfahren finanziell auszubluten drohen, etwa dann, wenn vom Arbeitgeber bestimmt würde, dass mit Zahlungen nur die monatlichen Zahlungsverpflichtungen für bestimmte tarifliche Leistungen beglichen werden sollen. Durch den Ausschluss der §§ 366, 367 BGB ist dagegen sichergestellt, dass dann, wenn Beitragszahlungen in einer Höhe unterhalb des tatsächlichen monatlichen Sozialkassenbeitrags erfolgen, diese Zahlungen auf sämtliche tariflich vorgesehenen Verfahren entsprechend dem Anteil am Gesamtbeitrag verteilt werden können, also weder die Bestimmung durch den baugewerblichen Arbeitgeber, noch die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs.2 BGB noch die des § 367 BGB maßgeblich ist.

Ein solches Verständnis von § 22 Abs.1 VTV wird durch eine weitere Überlegung bestätigt. Eine Deutung des § 22 Abs.1 VTV als vollständiger Ausschluss des Bestimmungsrechts des Arbeitgebers bei Zahlung von Beiträgen für bestimmte Monate würde zu einem widersinnigen Ergebnis führen. Denn die Tarifvertragsparteien haben in § 22 VTV niemanden, weder die in § 22 Abs.1 S. 1 VTV genannte Einzugsstelle noch den Gläubiger der jeweiligen Beitragsanteile, bestimmt, der befugt sein soll die Bestimmung zu treffen, welche von mehren offenen monatlichen Beitragsforderungen durch die Zahlung von Beiträgen als getilgt angesehen werden soll. Das hätte zur Folge, dass jegliche Zuordnung einer Zahlung - bei Bestehen von Beitragsforderungen für mehrere Monate -, und damit auch eine Erfüllung von Beitragsverpflichtungen durch Zahlung des Verpflichteten, ausgeschlossen wäre. Ein solches Ergebnis wäre absurd., Absurditäten können den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden.

Ein weiteres kommt hinzu. Ein vollständiger Ausschluss des Leistungsbestimmungsrechts des Arbeitgebers bei der Zahlung von Beitragsschulden verträgt sich nicht mit der tariflichen Zinsregelung des § 24 VTV. Würde man nämlich die Einzugsstelle oder den Kläger als befugt ansehen, zu bestimmen, auf welche monatliche Beitragsschuld oder auf welche bestehende Zinsverbindlichkeit Zahlungen des Arbeitgebers anzurechnen sind, wären die Einzugsstelle oder der Kläger imstande, die Voraussetzungen für die Höhe von Zinsansprüchen nach § 24 VTV teilweise selbst zu bestimmen. Zinsen schuldet der Arbeitgeber nämlich, wenn er mit der Zahlung von Beitragsforderungen in Verzug ist, d.h., wenn er bis zum 15. des jeweiligen Folgemonats seine monatliche Beitragsverpflichtung nicht erfüllt hat. Könnten Kläger oder Einzugsstelle, unbeschadet einer anderen Leistungsbestimmung des Arbeitgebers, Zahlungen z.B. nicht auf die seitens des Arbeitgebers bestimmten älteren, sondern auf jüngere Beitragsforderungen anrechnen, könnten sie damit auf eine Voraussetzung des Verzuges, nämlich den Rückstand mit bestimmten monatlichen Zahlungsverpflichtungen, unmittelbar Einfluss nehmen. Zwar mag man dann davon ausgehen, dass der Arbeitgeber den im Beispielsfall gegebenen Verzug im Hinblick auf die älteren Forderungen ab Zahlung nicht zu vertreten hat. Das würde jedoch Zinsberechnungen zusätzlich erschweren und zudem dazu führen, dass zwischen rückständigen Beitragsforderungen und mit Verzugszinsen belasteten Beitragsforderungen zu differenzieren wäre. Das wiederum würde das Beitragsverfahren unnötig komplizieren. Darüber hinaus kann bereits eine Absicht, den Kläger oder die Einzugsstelle entscheiden zu lassen, mit welchen Zahlungsverpflichtungen sich der Arbeitgeber für welchen Zeitraum in Rückstand befindet, den Tarifvertragsparteien angesichts der tariflichen Regelung des § 24 VTV nicht unterstellt werden.

Lässt sich danach weder aus § 18 Abs.5 noch aus § 22 Abs.1 S.2 VTV ableiten, dass der Kläger die von der Beklagten ausdrücklich zur Tilgung von allein geschuldeten Urlaubskassenbeiträgen für die Monate April bis Juni 2002 bestimmten Zahlungen zum Ausgleich von Beitragsverpflichtungen für andere Monate verwenden durfte, sind die Beitragsforderungen für diese drei Monate in Höhe der erfolgten Zahlungen erloschen.

Dass damit u.U. eine Beitragsforderungen für den Monat Juli 2002 noch offen ist, weil der Kläger u.U. die für die vorgenannten Monate erfolgten Zahlungen (unrichtig) teilweise auf diesen Monat angerechnet hat, mag sein, spielt hier jedoch keine Rolle. Denn die Beitragsforderung für diesen Monat ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vielmehr macht der Kläger für diesen Monat ausdrücklich keine Beitragsforderung geltend, und hat dies, trotz Erörterung der sich stellenden und ausgeführten Rechtsfragen im Berufungstermin auch nicht hilfsweise getan.

Die Kosten des Rechtsstreits waren unter Berücksichtigung des Umfanges des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens und der im Berufungsrechtszug erfolgten teilweisen Klagerücknahme, hinsichtlich derer der Kläger kostenpflichtig ist (§ 269 Abs.3S.2 ZPO), nach § 92 Abs.1 ZPO entsprechend zu verteilen.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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