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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 31.03.2003
Aktenzeichen: 16/12 Sa 1280/02
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
ZPO § 322
ZPO § 520
Gibt das Arbeitsgericht durch rechtskräftiges Urteil einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG statt, steht damit gleichzeitig rechtskräftig fest, dass zu dem Termin, zu dem die Kündigung ausgesprochen worden ist, zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Aus diesem Grunde muss einer weitere Kündigungsschutzklage, mit der sich der Arbeitnehmer gegen eine spätere, zum nämlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung wehrt, ohne weiteres Erfolg haben.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 16/12 Sa 1280/02

Verkündet laut Protokoll am 31. März 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 16, in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... Hattesen als Vorsitzenden, den ehrenamtlichen Richter Seng und die ehrenamtliche Richterin Walter als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 12. Juli 2002 - 2 Ca 350/01 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2001 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die 1953 geborene, ledige Klägerin war seit 01.06.1975 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21.08.1975 (Bl. 5/6 der Beiakten 2 Ca 478/97 Arbeitsgericht Marburg), in dem die Geltung der Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) in der jeweils gültigen Fassung vereinbart ist, bei der Beklagten, einer Stiftung des öffentlichen Rechts, die ein Altenheim mit Pflegeeinrichtung betreibt und ca. 200 Arbeitnehmer beschäftigt, als Küchenhilfe zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt ca. DM 3.500,00 brutto beschäftigt.

Mit Schreiben vom 25.07.1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht aus verhaltensbedingten Gründen. Die von der Klägerin dagegen erhobene Klage wies das Arbeitsgericht Marburg mit Urteil vom 29.05.1998 - 2 Ca 478/97 - nach Beweisaufnahme ab, auf die daraufhin von der Klägerin eingelegte Berufung gab das Landesarbeitsgericht mit am 27.01.2000 verkündeten Urteil der Klage statt (12 Sa 2415/98 HessLAG).

Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 12.04.2000 (Bl. 6 der Beiakten 2 Ca 200/01 Arbeitsgericht Marburg) unter Berufung auf § 10 BMT-G II und erneut mit Schreiben vom 17.11.2000 aufgefordert hatte, sich psychiatrisch auf ihre Arbeitsfähigkeit untersuchen zu lassen, wurde die Klägerin von dem ärztlichen Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Marburg-Süd untersucht. Das psychiatrische Gutachten (Bl. 32 - 57 d.A.) wurde der Beklagten zugeleitet.

Mit Schreiben vom 24.04.2001 (Bl. 10/10 R der Beiakten 2 Ca 200/01), der Klägerin am 27.04.2001 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin außerordentlich aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2001 mit der Begründung, aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens stehe fest, dass die Klägerin auf Dauer zur Erbringung ihrer Arbeitsleistungen außer Stande sei.

Mit weiterem Schreiben vom 28.06.2001 (Bl. 4 - 5 d.A.), der Klägerin am 29.06.2001 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin erneut außerordentlich aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2001 wegen dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.

Gegen die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2001 erhob die Klägerin Klage. Mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 12.10.2001 (2 Ca 200/01) stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 24.01.2001 nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung führte es aus, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats, außerdem sei die nach den anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen vorgeschriebene Begründung der Kündigung fehlerhaft, weil das medizinische Gutachten wörtlich zitiert worden sei, ohne dass die Klägerin den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden habe.

Mit der vorliegenden, am 16.07.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 28.06.2001.

Die Klägerin hat vorgetragen, eine dauernde Leistungsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankung sei nicht gegeben, außerdem sei die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt, schließlich sei die Personalratsbeteiligung fehlerhaft.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.06.2001 mit Schreiben vom 28.06.2001 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung liege nach dem Ergebnis des ärztlichen Gutachtens, das sie auch ohne Zustimmung der Klägerin und ohne deren Schweigepflichtentbindung verwerten könne, vor. Der Personalrat sei am 28.06.2001 sowohl schriftlich (Bl. 29 - 31 d.A.) wie auch mündlich informiert worden und habe mit Schreiben vom gleichen Tag (Bl. 28 d.A.) der Kündigung zugestimmt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.07.2002 abgewiesen, nachdem die Durchführung einer beabsichtigten ärztlichen Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen daran gescheitert war, dass die Klägerin sich zur Untersuchung nicht eingefunden und der Gutachter seinen Auftrag an das Gericht zurückgegeben hatte.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 31.03.2003 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie meint, entgegen dem Arbeitsgericht sei die Kündigung aus sachlichen und rechtlichen Gründen unwirksam. Die Vorgehensweise der Beklagten wie auch der Zeitablauf seit der ersten Kündigung lasse erkennen, dass die Beklagte sich ihrer entledigen wolle. In rechtswidriger Weise habe die Beklagte die ärztliche Untersuchung betrieben und den gesamten Inhalt des Gutachtens den Parteien und dem Gericht bekannt gemacht. Die tarifvertraglich vorgesehene Verfahrensweise sei nicht eingehalten worden. Aus gutem Grunde habe sie vorsorglich einer Verwendung des Gutachtens widersprochen, sie habe außerdem den Arzt nicht von der Schweigepflicht entbunden. Sie habe auch berechtigte Vorbehalte gegen die vom Arbeitsgericht angeordnete Beweiserhebung gehabt. So habe der Beweisbeschluss nicht die von ihr verlangten Gründe für eine Begutachtung enthalten. Zudem könnten die von der Beklagten herangezogenen Vorfälle aus dem Jahre 1997 und davor nicht mehr zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden. Die Beklagte habe 3 Jahre gebraucht, um zu der Erkenntnis zu kommen, sie sei aus psychischen Gründen arbeitsunfähig. Sie habe zudem bei Bekanntwerden des Vorwurfs einer psychischen Erkrankung fachliche Hilfe in Anspruch genommen. Eine zielgerichtete Behandlung sei jedoch nicht für erforderlich gehalten worden. Für eine außerordentliche Kündigung obliege der Beklagten eine besondere Fürsorgepflicht. Keineswegs reiche die Feststellung eines Psychologen aufgrund einer 1 1/2-stündigen Untersuchung aus, um die Feststellung einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen zu treffen. Zudem sei der Beklagten die Erkenntnis einer psychischen Erkrankung auch erst zu einem Zeitpunkt gekommen, als sie mit der Kündigung aus dem Jahre 1997 endgültig gescheitert sei. Auch sei der Beklagten ein angemessener Zeitraum für eine etwa erforderliche Therapie zuzumuten. Allein der bisherige Ablauf der Rechtsstreitigkeiten lasse erkennen, dass eine Bereitschaft hierfür weder erkennbar noch überhaupt bestanden habe. Die Anhörung des Personalrats sei nicht nachgewiesen. Aufgrund des Beklagtenvortrags sei sie nur in der Lage, die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses zu bestreiten. In einem solchen Fall habe die Beklagte nachprüfbar zu belegen, ob und in welcher Weise der Beschluss die Zustimmung zur Kündigung enthalte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 12.07.2002 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2001 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen, bzw. zurückzuweisen.

Sie meint, die Berufung sei bereits mangels ausreichender Begründung unzulässig, weil eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fehle. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen. Eine zweitinstanzliche Begutachtung der Klägerin scheide aufgrund ihres Verhaltens vor dem Arbeitsgericht, nämlich weil sie die Nichtbegutachtung zu vertreten habe, aus.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 31.03.2003 Bezug genommen. Die Akten der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreite 2 Ca 478/97 und 2 Ca 200/01 ArbG Marburg waren beigezogen und Gegenstand der Berufungsverhandlung

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte und unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige Berufung (§ 64 Abs. 2 c ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Nach dieser Bestimmung, die über § 64 Abs. 6 ArbGG auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren Anwendung findet, muss sich aus der Berufungsbegründung aufgrund einzelfallbezogener konkreter Darlegung ergeben, dass für die Entscheidungsfindung relevante Rechtsnormen verletzt worden sind (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) und/oder es müssen konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die Zweifel an der richtigen oder vollständigen Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine neue Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO), schließlich sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, soweit ihr Vorbringen zulässig ist (§ 67 ArbGG), anzuführen. Diesen Merkmalen entspricht die Berufungsbegründung der Klägerin.

Mit ihrem Vortrag, ihre Zustimmung zur Untersuchung nach Aufforderung durch die Beklagte habe den Gutachter nicht berechtigt, den gesamten Gutachteninhalt den Parteien und dem Gericht bekannt zu geben, rügt sie unrichtige Rechtsanwendung durch das Arbeitsgericht. Denn dieses hat ausgeführt, auch ohne Schweigepflichtentbindungserklärung sei die Beklagte berechtigt gewesen, das Gutachten zu verwerten. Im Übrigen rügt sie mit ihrem Vortrag, der untersuchende Arzt sei durch den Hinweis auf angebliche Arbeitsverfehlungen beeinflusst worden, die Brauchbarkeit des vorprozessual eingeholten Gutachtens als Beleg für ihre dauernde Arbeitsunfähigkeit. Auch damit bezeichnet sie in ausreichender Weise Umstände, aus denen sich ihres Erachtens eine Rechtsverletzung durch das Gericht und die Erheblichkeit der Rechtsverletzung für die arbeitsgerichtliche Entscheidung ergibt. Schließlich trägt die Klägerin neue Tatsachen vor, indem sie vorbringt, sie habe selbst fachliche Hilfe in Anspruch genommen, eine zielgerichtete Behandlung sei jedoch nicht für erforderlich gehalten worden.

In der Sache hat die Berufung Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2001 nicht zum 31.12.2001 beendet worden. Eine andere Entscheidung kann schon deshalb nicht gefällt werden, weil dem die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Marburg vom 12.10.2001 (2 Ca 200/01) entgegensteht.

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Marburg vom 12.10.2001 steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die Kündigung vom 24.04.2001 nicht beendet worden ist. Da diese Kündigung zum 31.12.2001 ausgesprochen wurde, steht damit gleichzeitig auch rechtskräftig fest, dass zum Kündigungstermin dieser Kündigung (31.12.2001) ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Das schließt es aus, die vorliegende Kündigungsschutzklage, die sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu eben diesem Termin wendet, abzuweisen (vgl. KR/Friedrich, 6. Aufl. 2002, § 4 KSchG RdZiff. 265; Kammerurteil vom 20.09.1999 - 16 Sa 2617/98 - NZA-RR 2000, 413; LAG Düsseldorf 28.02.1997, LAGE § 4 KSchG Nr. 35). Im Einzelnen gilt Folgendes:

Streitgegenstand eines Kündigungsschutzverfahrens mit einem Antrag, wie hier, nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass der bestimmten Kündigung zu dem darin bezeichneten Kündigungstermin aufgelöst worden ist oder nicht (vgl. BAG 12.01.1977 und 17.06.1986, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 11 u. 31; BAG 16.03.1989 AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969; BAG 27.01.1994 und 13.03.1997, AP Nr. 28 u. 38 zu § 4 KSchG; BAG 05.10.1995, EzA § 519 ZPO Nr. 8). Mit der Rechtskraft des Urteils in einem Kündigungsschutzprozess mit dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG steht gleichzeitig fest, ob zum Kündigungstermin ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat oder nicht (vgl. z.B. BAG 12.06.1986 und 05.10.1995, a.a.O.; APS/Ascheid, 1. Aufl. 2000, § 4 KSchG RdZiff. 142; ErfK/ Ascheid, 3. Aufl. 2003, § 4 KSchG RdZiff. 80). Das ist Folge des sich aus § 322 ZPO ergebenden Präklusionsprinzips, wonach die unterlegene Partei eine vom rechtskräftigen Urteil abweichende Feststellung auch dann nicht erreichen kann, wenn sie in einem späteren Verfahren neue Tatsachen vorbringt, die schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben (vgl. BAG 12.01.1977, a.a.O., m.w.N.).

Soweit demgegenüber die Ansicht vertreten wird, Streitgegenstand eines Kündigungsschutzverfahrens mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG und entsprechend auch Gegenstand der Rechtskraft sei lediglich die Wirksamkeit einer bestimmten Kündigung, der Bestand des Arbeitsverhältnisses werde nicht festgestellt (vgl. z.B. Boemke, RdA 1995, 211 (222); Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl. 1999, RdZiff. 1158), kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen lässt sich eine solche Einengung des Streitgegenstandes nicht mit dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG vereinbaren, wonach die Klage darauf gerichtet ist, dass "das Arbeitsverhältnis" durch die Kündigung nicht beendet worden ist, zum anderen geht auch § 11 KSchG erkennbar davon aus, dass durch eine erfolgreiche Klage mit dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird. Denn in dieser Norm heißt es "besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort". Hinzu kommt, dass das Ziel der Rechtskraft, nämlich Rechtsfrieden und Rechtsgewissheit zu erreichen, durch eine Einengung des Streitgegenstandes auf die bloße Wirksamkeit der angegriffenen Kündigung nicht erreicht werden kann. Denn unbeschadet erfolgreicher Kündigungsschutzklage könnten fortlaufend neue Auflösungstatbestände behauptet werden, die das Arbeitsverhältnis vor Zugang der Kündigung, zwischen Zugang der Kündigung und Kündigungstermin oder zum Kündigungstermin beendet haben.

Überzeugen kann auch nicht die Auffassung, wonach ein einer Klage mit dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebendes rechtskräftiges Urteil nur darüber befindet, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, nicht aber zum Kündigungstermin ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, mit der Folge, dass andere Beendigungstatbestände, die das Arbeitsverhältnis zu einem Termin nach Kündigungszugang beendet haben, in einen Folgerechtsstreit eingebracht werden können (vgl. LAG Nürnberg 05.12.1995, LAGE § 4 KSchG Nr. 33).

Eine solche Differenzierung erscheint sinnwidrig. Denn einmal würden, genau wie nach der Ansicht, die den Streitgegenstand auf die bloße Wirksamkeit der angegriffenen Kündigung beschränkt und die Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ausblenden möchte, für die Rechtssicherheit nicht tragbare Konsequenzen entstehen. Neue Auflösungstatbestände zwischen Kündigungszugang und Kündigungstermin könnten in einem Nachfolgeprozess bei Klageerfolg des Arbeitnehmers nämlich jederzeit "nachgeschoben" werden.

Dass in der Tat davon ausgegangen werden muss, dass ein rechtskräftiges Urteil entsprechend dem Klageantrag nach § 4 Satz 1 KSchG gleichzeitig bindend feststellt, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Kündigungstermins besteht, wird zudem durch eine weitere Überlegung bestätigt. Gehen zwei vom Arbeitgeber zum selben Kündigungstermin ausgesprochene Kündigungen am selben Datum zu, so müsste, soweit der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungstermin von der Feststellungsklage nach § 4 Satz 1 KSchG nicht umfasst würde, bezüglich beider Kündigungen unter Umständen unterschiedlich entschieden werden können (so in der Tat MünchArbR/Berkowsky, 2. Aufl. 2000, § 148 RdZiff. 100.; unklar KR/Friedrich a.a.O. § 4 KSchG Rz 230). Abgesehen davon, dass ein solches Ergebnis zumindest dem klagenden Arbeitnehmer nicht mehr an die Hand gäbe als ein letztlich nutzloses Gutachten über die Unwirksamkeit einer Kündigung kann dies auch materiell-rechtlich nicht richtig sein. Erweist sich nämlich im Beispielsfall die eine Kündigung als wirksam, so ist die Klage gegen die andere Kündigung schon deshalb abzuweisen, weil eine materiell-rechtliche Voraussetzung für einen Klageerfolg, nämlich ein kündbares Arbeitsverhältnis zum Kündigungstermin, fehlt. Denn Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der mit der Kündigung beabsichtigten Beendigung des Rechtsverhältnisses (vgl. BAG 20.09.2000 AP Nr. 8 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung). Das zeigt, dass unterschiedliche Entscheidungen zu zwei zum selben Kündigungstermin ausgesprochene, jeweils mit einem Antrag nach § 4 KSchG angegriffene Kündigungen materiell-rechtlich ausgeschlossen sind. Dann ist es nur folgerichtig, dass dann, wenn über eine der Kündigungen rechtskräftig zugunsten des Arbeitnehmers entschieden worden ist, eine abweichende, nämlich klageabweisende Entscheidung über die andere Kündigung, gestützt auf deren Wirksamkeit, nicht mehr ergehen kann. Denn eine solche Entscheidung wäre widersprüchlich, weil sie sich über eine notwendigerweise im Vorprozess mit getroffene Feststellung hinwegsetzte, nämlich diejenige, dass zum Kündigungstermin ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Die vom LAG Nürnberg (a.a.O.) für seine Ansicht herangezogenen Entscheidungen des BAG stehen nicht entgegen. Im Urteil vom 26.08.1993 (AP Nr. 113 zu § 626 BGB) hat das BAG die hier in Rede stehende Frage offen gelassen, ob ein Urteil auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, auch rechtskräftig feststellt, dass zum Kündigungstermin ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Hierauf kam es nicht streitentscheidend an. Im Beschluss vom 28.02.1995 (EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 51) handelte es sich um eine Kündigung, die zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wurde, der nach dem Kündigungstermin der rechtskräftig beschiedenen Kündigungsschutzklage lag. Dass die Rechtskraftwirkung nicht weiter reicht als über den Zeitpunkt des Kündigungstermins hinaus, also auf den Termin auf den sie getroffen worden ist, ist selbstverständlich.

Ein Arbeitgeber wie die Beklagte wird durch das vorstehend entwickelte Verständnis von Streitgegenstand, Rechtskraft und Präklusionswirkung eines einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebenden Urteils auch nicht unzumutbar belastet. Denn es steht ihm frei, weitere, zum Kündigungstermin ausgesprochene Kündigungen in den Rechtsstreit über die erste Kündigung einzuführen. Hat der Arbeitnehmer gegen diese weiteren Kündigungen nicht binnen der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage erhoben und bestehen keine sonstigen Unwirksamkeitsgründe hinsichtlich der zweiten Kündigung, muss der Klageabweisungsantrag des Arbeitgebers schon deshalb Erfolg haben. Hat der Arbeitnehmer auch die zweite Kündigung, wie im vorliegenden Fall, gesondert klageweise angegriffen, wird der Arbeitgeber auf eine Verbindung der Rechtsstreite hinzuwirken haben, notfalls muss er - soweit er damit scheitert - gegen die Stattgabe der Klage hinsichtlich der ersten Kündigung Berufung einlegen. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nichts in dieser Richtung getan, obwohl sich aus den Akten des vorliegenden Rechtsstreits unmissverständlich ergibt, dass die vorangegangene Kündigung vom April 2001 zum selben Termin ebenfalls streitbefangen war und beide Kündigungsrechtsstreitigkeiten zudem vor dem Arbeitsgericht am gleichen Tag zur gleichen Stunde verhandelt worden sind.

Weil aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts Marburg vom 12.10.2001 feststeht, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2001 nicht zum 31.12.2001 aufgelöst worden ist, steht damit gleichzeitig fest, dass zum Kündigungstermin (31.12.2001) ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Da eine gegenteilige Entscheidung nicht getroffen werden kann, kann das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagten am 28.06.2001 ebenfalls zum 31.12.2001 ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden sein, weil dies voraussetzte, dass zum Kündigungstermin kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hat

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 91 ZPO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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