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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 16 Sa 1297/06
Rechtsgebiete: AEntG, ZPO
Vorschriften:
AEntG § 1 | |
ZPO § 130 | |
ZPO § 233 |
Zu Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Berufungseinlegung durch ein Fax, das keine Unterschrift wiedergibt.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30. Mai 2006 - 8 Ca 3698/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihr in der Zeit von Januar 1999 bis Dezember 2002 in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte ist eine juristische Person luxemburgischen Rechts mit Sitz in Xxxxxxxxxx (Luxemburg). Sie unterhielt in den Jahren 1999 bis 2002 einen Betrieb, von dem arbeitszeitlich überwiegend Hochbau- und Maurerarbeiten durchgeführt wurden. Derartige Arbeiten führte die Beklagte in den vorgenannten Jahren auch auf Baustellen in der Bundesrepublik Deutschland durch aus Luxemburg nach Deutschland entsandte, vornehmlich portugiesische, Arbeitnehmer aus.
Mit seiner der Beklagten am 31. Dezember 2003 zugestellten Klage vertritt der Kläger die Ansicht, die Beklagte sei zur Zahlung von Beiträgen zum deutschen Urlaubskassenverfahren für die von ihr nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer verpflichtet.
Der Kläger hat vorgetragen, die gesetzlichen bzw. tariflichen Voraussetzungen für eine Teilnahmeverpflichtung des Beklagten seien aufgrund der Art der in der Bundesrepublik Deutschland ausgeführten Tätigkeit gegeben. Die in Deutschland maßgeblichen bautariflichen Bestimmungen über den Urlaub seien für die Arbeitnehmer auch günstiger als die luxemburgischen Rechts. Mangels Auskunftserteilung durch die Beklagten errechne er seine Beitragsforderung anhand der Meldungen der Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern bzw. aus den Prüfberichten der Dienststellen der Zoll- und Arbeitsverwaltung über die Dauer der Beschäftigung der entsandten gewerblichen Arbeitnehmer, der wöchentlichen regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit, dem tariflichen Mindestlohn und dem Beitragssatz für Urlaubskassenbeiträge. Dementsprechend ergebe sich für den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 1999 ein Betrag vom € 6.060,82, für den Zeitraum März bis April sowie Juni bis Juli 2000 ein solcher von € 3.156,64 und für den Zeitraum November bis Dezember 2002 ein solcher von € 1.746,36 Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrages des Klägers zur Höhe der Klageforderung wird auf die Klageschrift vom 16. Dezember 2003 nebst Anlagen (Bl. 1 bis 15 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 10.963,82 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die tarifvertraglichen Bestimmungen über Beitragsverpflichtungen für baugewerbliche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland seien wegen Verstoßes gegen EG-Recht unwirksam. Durch die Vorschriften des luxemburgischen Urlaubsrechts würden die Arbeitnehmer einem dem deutschen Urlaubsrecht vergleichbaren Schutz genießen.
Das Arbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 30. Mai 2006 der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 157 bis 168 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung vom 19. März 2007 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Sie meint, die Berufung sei unbeschadet des Umstandes, dass die am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufungsbegründung per Fax keine Unterschrift wiedergebe, zulässig, weil ihr insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Am 02. Oktober 2002 sei die Berufungsbegründung gefertigt, dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt zur Unterschrift vorgelegt und von diesem unterzeichnet worden. Der zuständigen Sekretärin sei die Anweisung erteilt worden, den unterfertigten Schriftsatz per Telefax an das Berufungsgericht weiterzuleiten. Im Büro existiere die grundsätzliche Dienstanweisung, durch Kontrolle sicherzustellen, dass nur unterfertigte Schriftsätze per Telefax übersandt werden. Das sei offensichtlich aufgrund eines Versehens der Mitarbeiterin unterblieben. In der Sache sei das arbeitsgerichtliche Urteil unzutreffend, weil das in Luxemburg vorhandene Urlaubssystem mit dem in Deutschland gleichwertig sei. So genieße ein luxemburgischer Arbeitnehmer, der nach Deutschland entsandt werde, in finanzieller Hinsicht gleichartige Vorteile wie nach deutschem Recht. Das gelte insbesondere bei Beachtung steuerlicher Gegebenheiten
Die Beklagte beantragt,
ihr wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 03. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, und wiederholt und vertieft seine Rechtsauffassung, wonach der Beklagte im gesamten Klagezeitraum zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen verpflichtet war.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 19. März 2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Zulässigkeit der Berufung scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten hat. Das ist zwar der Fall, weil die Berufungsbegründungsfrist am 02. Oktober 2006 24.00 Uhr abgelaufen ist und bis zu diesem Zeitpunkt keine ordnungsgemäße Bebrufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen ist. Der Beklagten ist jedoch auf ihren innerhalb der Frist des § 234 ZPO gestellten Antrag hin die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Insoweit gilt:
Die am 02. Oktober 2006 per Fax beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung ist nicht ordnungsgemäß, weil auf ihr keine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wiedergegeben ist. Nach st. Rspr (vgl. z.B. BAG 14. Januar 1986 AP Nr. 2 zu § 94 ArbGG; BGH 14 Februar 2006 NJW 2006, 1521; BGH 10. Mai 2005 NJW 2005, 2086) muss die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen. Die Unterschrift ist grundsätzlich Wirksamkeitserfordernis, weil sie die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen soll, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Sichergestellt werden soll damit, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass er mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Erfolgt die Einreichung eines bestimmenden Schriftsatzes per Telefax, so muss die Unterschrift auf dem Fax wiedergegeben sein (§ 130 Nr.6 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass das Fehlen der Unterschrift im vorliegenden Fall deshalb ausnahmsweise unerheblich ist, weil sich aus anderen Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, fehlen.
Der Beklagten ist jedoch wegen Versäumung der Berufungsgebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugewähren.
Bei fristgerechter Einreichung einer nicht unterzeichneten Berufungsbegründungschrift kann Widereinsetzung in den vorigen Stan gewährt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtlich ausgehenden Schriftsätze vor Absendung auf das Vorhandensein einer Unterschrift zu überprüfen (vgl. BGH 06. Dezember 1995 NJW 1996, 998; BGH 05. März 2003 NJW-RR 2003, 1366). Das Bestehen einer solchen Anweisung im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten hat die Beklagte hier durch eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht. Wenn bei dieser Sachlage gleichwohl eine nicht unterzeichnete Kopie der Berufungsbegründungsschrift an das LAG per Fax versandt wurde, fehlt es an einem der Beklagten zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, so dass auf den am 16 Oktober 2006 innerhalb der Frist des § 234 Abs.1 S.2 ZPO beim LAG eingegangenen Antrag der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren war.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von € 10.963,82 verurteilt. Denn diesen Betrag kann der Kläger von der Beklagten als Urlaubskassenbeiträge für den Klagezeitraum verlangen.
Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Klägers ist § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG in den Fassungen vom 19. Dezember 1998 und 21. Dezember 2000, in Verbindung mit § 8 Ziffer 15 BRTV/Bau und den einschlägigen Bestimmungen des VTV in den für den Klagezeitraum gültigen Fassungen.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG ist ein Arbeitgeber im Sinne des Abs. 1 Satz 1 verpflichtet, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien die ihr nach Satz 1 zustehenden Beiträge - das sind im Zusammenhang mit der Gewährung von tariflichen Urlaubsansprüchen durch allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge einer gemeinsamen Einrichtung zustehende Beiträge - zu leisten. Diese Regelung war im Klagezeitraum geltendes Recht und traf die Beklagte.
§ 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG regelt nichts anderes als eine Erstreckung von tariflichen Normen, die aufgrund Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) - und damit kraft Tarifrechts - für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seine im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer. Diese Erstreckung erfolgt nicht etwa durch den entsprechenden Tarifvertrag, sondern unmittelbar durch das Gesetz selbst.
Die notwendigen Voraussetzungen für eine Erstreckung der, Zahlungsverpflichtungen eines Arbeitgebers gegenüber dem Kläger begründenden, tariflichen Vorschriften des Baugewerbes auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland liegen hier vor. Von der Beklagten wurden nämlich durch entsandte Arbeitnehmer im Klagezeitraum mit der Durchführung von Hochbau- und Maurerarbeiten arbeitszeitlich überwiegend sowohl in Deutschland wie in Luxemburg Bauleistungen im Sinne von § 211 Abs.1 SGB III und der tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes erbracht.
Allerdings ist davon auszugehen, dass ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland dann nicht am Urlaubskassenverfahren teilzunehmen hat, wenn die entsandten Arbeitnehmer nach den Regeln des Entsendestaates hinsichtlich des Urlaubs besser gestellt sind als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer nach Maßgabe der allgemeinverbindlichen Tarifverträge (vgl. BAG 25. Juni 2002 AP Nr.12 und 15 zu 3 1 AEntG) und es damit auf Grund des gebotenen Günstigkeitsvergleichs gar nicht zu einer Anwendung der allgemeinverbindlichen tariflichen Urlaubsvorschriften kommt (vgl. BT-Drucks. 13/2414S. 9). Die Bestimmungen des AEntG sind nämlich insoweit einschränkend auszulegen (vgl. BAG 20. Juli 2004 und 03. Mai 2006 AP Nr.18 und 25 zu § 1 AEntG)
Der danach gebotene Vergleich zeigt, dass das Luxemburgische Recht die entsandten Arbeitnehmer nicht besser stellt. Die Parteien haben zum Inhalt der einschlägigen Luxemburger Regelungen übereinstimmend vorgetragen, weiterer Ermittlungen nach § 293 ZPO bedarf es nicht.
Die Urlaubsansprüche der Luxemburgischer Arbeitnehmer des Baugewerbes sind in dem Urlaubsgesetz für Angestellte und Arbeiter im Privatsektor vom 22. April 1966 idF vom 11. April 1996 und in dem Kollektivvertrag für das Baugewerbe vom 16. Juli 1996 und (inhaltsgleich) 14. Juli 2000 geregelt.
Im Vergleich zu den urlaubsrechtlichen Bestimmungen des § 8 BRTV/Bau sind die vorgenannten Reglungen jedenfalls nicht günstiger. Das hat das Arbeitsgericht unter Würdigung der jeweiligen Bestimmungen zur Länge des Urlaubs, der Berechnungsmaßstäbe zur Höhe der Urlaubsvergütung, der Übertragbarkeit des Urlaubs, der Urlaubsabgeltung und der Mitnahme von Urlaubsansprüchen zu anderen Arbeitgeber, zudem auch im Hinblick auf die Regelungen über die Mindestvergütung für Arbeitnehmer im Baugewerbe, im einzelnen ausgeführt. Diese Ausführungen macht sich die Berufungskammer zu eigen und verweist, zur Vermeidung bloßer Wiederholungen, auf dieselben (§ 69 Abs.2 ArbGG).
Soweit die Beklagte im Berufungsrechtszug demgegenüber darauf abhebt, der Urlaubsanspruch verfalle nach deutschem Recht, wenn er nicht bis zum Ende des Folgejahres gewährt werde, übersieht sie, dass der Arbeitnehmer, soweit der Urlaub nicht gewährt wird, gegen den Beklagten nach § 8.8 BRTV/Bau einen Entschädigungsanspruch erwirbt, der innerhalb eines weiteren Jahres, u.U. auch noch später, geltend gemacht werden kann. Der Hinweis der Beklagten auf steuerliche Vorteile für entsandte Arbeitnehmer nach luxemburgischem Recht ist schließlich schon deshalb unerheblich, weil in den vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich nur die Normen einbezogen werden könne, die sachlich miteinander vergleichbar sind, also den gleichen Gegenstand regeln. Etwaige, im Einzelfall sich zudem, jeweils nach den einschlägigen steuerlichen Merkmalen, u.U. unterschiedlich gestaltende Nachteile für luxemburgischer Arbeitnehmer in steuerlicher Hinsicht bei Geltung der deutschen bautariflichen Vorschriften über den Urlaub entstehen nicht aufgrund der deutschen urlaubsrechtlichen Bestimmungen, sondern aufgrund gesetzlicher Regelungen des Steuerrechts, nämlich den dort verankerten Leistungspflichten.
Europarechtliche Bedenken gegen §1 AEntG und die erstreckten tariflichen Normen bestehen im vorliegenden Fall nicht.
Die Erstreckung der allgemeinverbindlichen Urlaubs- und Urlaubskassentarifverträge für das Baugewerbe verstößt nicht gegen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit der Art. 49, 50 EG. Das hat das BAG (Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 AZR 343/03 AP Nr. 18 zu § 1 AEntG und 9 AZR 369/03 EzA § 1 AEntG Nr.4) für die seit 1999 geltenden Bestimmungen für Arbeitgeber mit Sitz in Portugal ausdrücklich festgestellt. Dem folgt die Berufungskammer, wie bereits zuvor (vgl. Kammerurteil v. 17. Januar 2005 - 16 Sa 957/04) unter ausdrücklicher Aufgabe ihrer früheren gegenteiligen Ansicht und verweist zur Begründung auf die vorzitierten Entscheidungen des BAG, die überzeugen.
Für Arbeitgeber mit Sitz in Luxemburg gilt nichts anderes. Auch für die aus diesem Land entsandten Arbeitnehmer trägt das Urlaubskassenverfahren deutlich zu ihrem Schutz bei.
Wie bereits dargelegt, sind die für den Zeitraum der Entsendung geltenden tariflichen Urlaubsregelungen für luxemburgische Arbeitnehmer (bzw. Arbeitnehmer, für die im Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber luxemburgisches Recht gilt) günstiger als die des Großherzogtums Luxemburg. Die Tarifvertragsparteien haben diese Ansprüche durch tarifliche Meldepflichten der Arbeitgeber gegenüber dem Beklagten (§§ 59, 60 VTV bis Ende 1999, seitdem §§ 5 ff. VTV), durch die Erhebung des Sozialkassenbeitrages (§ 61 VTV bis Ende 1999, seitdem §§ 18 und 22 VTV), durch die Berechnung des Urlaubs und die Erteilung einer Bescheinigung an den Arbeitnehmer (§§ 64 und 68 VTV bis Ende 1999, nunmehr § 6 Abs. 9 VTV) sowie die Auszahlung der Urlaubsabgeltung (§ 66 VTV bzw. ab 01 Januar § 8.6.2 iVm § 8.6.1 lit f BRTV/Bau im typischem Fall der Rückkehr ins Heimatland ohne Urlaubsnahme in Deutschland) verfahrensmäßig geregelt, um die tariflichen Urlaubsansprüche (§ 8 Nr. 15.1 BRTV) sicherzustellen. Die tariflichen Bestimmungen werden vom Kläger auch effektiv durch die Erstellung von Broschüren und Bescheinigungen in der Heimatsprache der entsandten Arbeitnehmer sowie durch die Beschäftigung fremdsprachlichen Personals durchgeführt.
Darin liegt ein tatsächlicher Vorteil für die entsandten Arbeitnehmer, der deutlich zu ihrem sozialen Schutz beiträgt. Geht es - wie hier - um die Erstreckung von Regeln auf ausländische Arbeitsverhältnisse, die aus der Sicht beider Vertragsparteien "nur" im Ausland gelten und die Notwendigkeit, diese im Heimatland durchzusetzen, ist eine Durchsetzungslücke während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses naheliegend. Eine Auseinandersetzung zwischen dem entsendenden Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer erübrigt sich, wenn wie hier ein Direktanspruch gegen eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien geschaffen wird.
Die Erstreckung der tariflichen Regelungen ist geeignet, dieses Ziel zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Die bloße Gewährung eines materiellrechtlichen Anspruches trüge für sich genommen nichts zu seiner effektiven Sicherung bei.
Das Sicherungsziel wird auch nicht durch Vorschriften geschützt, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedsstaat unterliegt, in dem er ansässig ist - hier in Luxemburg. Das luxemburgische Recht sieht kein vergleichbares effektives Umlageverfahren zur Sicherung von Urlaubsansprüchen, insbesondere nicht von solchen vor, die auf dem BRTV beruhen. Die bloße Möglichkeit, materiellrechtliche Ansprüche gerichtlich - sei es in Luxemburg oder in Deutschland - durchzusetzen, entspricht hinsichtlich ihrer einfachen, schnellen und kostenlosen Durchführbarkeit nicht dem Sozialkassenverfahren.
Dass schließlich mit dem Jahre 2000 die Erbringung von Leistungen durch den Kläger davon abhängig ist, dass sie mit Beiträgen unterlegt sind, soweit ein Arbeitgeber rückwirkend zum Sozialkassenverfahren herangezogen wird (§ 13 Abs. 2 VTV), ändert an den aufgezeigten tatsächlichen Vorteilen nichts und unterstreicht, dass der Kläger im Interesse auch der entsandten Arbeitnehmer auf die Durchsetzung seiner Ansprüche angewiesen ist.
Verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Erstreckung der Urlaubskassentarifverträge durch § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AEntG bestehen ebenfalls nicht (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juli 2004 und 03. Mai 2006 jeweils aaO)) .
Der Höhe nach kann der Kläger als Beitragszahlung für den Zeitraum Januar 1997 bis Juni 2002 nach den Bestimmungen des VTV € 10.963,82 verlangen. Nach der Rechtsprechung des BAG (25.06.2002, a.a.O.) ergibt sich die Höhe des Urlaubskassenbeitrags für Zeiten vor dem 01. Januar 2000 aus § 61 VTV (in der insoweit geltenden Fassung = VTV aF). Auch wenn man dem nicht folgt, weil die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nicht befugt waren, für ausländische entsendende Arbeitgeber eigene, von den Bestimmungen für deutsche Arbeitgeber abweichende Bestimmungen zu schaffen, besteht eine Zahlungsverpflichtung. Diese resultiert nämlich, entsprechend der für inländische Arbeitgeber, aus §§ 24 Abs. 1, 48 Abs. 1, 74 Abs. 1 VTV aF in Verbindung mit § 61 Abs. 1 VTV aF. Für Zeiten ab 01. Januar 2000 folgt die Zahlungspflicht der Höhe nach aus § 18 VTV (in den ab 01. Januar 2000 geltenden Fassungen = VTV 2000).
Die Forderungsberechnung des Klägers ist nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nämlich Beitragsforderungen anhand der tariflichen Mindestlöhne berechnen (vgl. BAG 25. Juni 2002, a.a.O.). Einwände zur Höhe hat die Beklagte auch nicht vorgebracht.
Die übrigen Einwände des Beklagten sind nicht geeignet, die Klageforderung in der vorstehenden Höhe zu Fall zu bringen.
Soweit die Beklagte an ihre Arbeitnehmer nach luxemburgischen Recht Urlaubsvergütungen gezahlt haben sollte, ändert dies an einer Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nichts. Den tariflichen Vorschriften lässt sich nicht entnehmen, dass Beitragsansprüche des Klägers nur bestehen, wenn der Arbeitgeber keine Urlaubsvergütungen gezahlt hat, und untergehen, wenn dies geschehen ist.
Die Beklagte wird dadurch auch nicht unzulässig doppelt belastet. Geht man davon aus, dass im Kalenderjahr 1999 die einen Direktanspruch der Arbeitnehmer auf Urlaubsvergütung gegen den Beklagten normierenden tariflichen Bestimmungen wirksam waren (so BAG 25. Juni 2002, a.a.O.), ist § 19 VTV aF (Erstattungsanspruch für Inländer) entsprechend anzuwenden (vgl. Kammerurteil vom 09. Februar 2004 - 16 Sa 393/00). Geht man dagegen davon aus, ausländische Arbeitnehmer und Arbeitgeber seien vor 2000 in Bezug auf die Urlaubsvergütung wie Inländer zu behandeln gewesen, ist die Situation nicht anders. § 19 VTV findet unmittelbare Anwendung. Mit der Zahlung der Urlaubsvergütung nach luxemburgischen Recht erfüllte die Beklagte nämlich in Höhe der geleisteten Zahlungen gleichzeitig seine entsprechende Pflicht nach dem BRTV/Bau. Denn der Arbeitnehmer kann materiell-rechtlich für gewährten Urlaub Urlaubsvergütung nur einmal fordern, deutsche und luxemburgische Regelungen sind lediglich, sich bei unterschiedlicher Höhe ggf. ergänzende, unterschiedliche Anspruchsgrundlagen. Das ergibt sich aus einer sachgerechten Auslegung der tariflichen Urlaubsbestimmungen. Diese normieren nicht mehr und nicht weniger als einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub in bestimmter Länge mit bestimmter Zahlungspflicht des Arbeitgebers. Damit ist die Gefahr einer Doppelzahlungsverpflichtung ausgeschlossen. Für Zeiten ab 01. Januar 2000 hat der Beklagte ohnehin einen Erstattungsanspruch nach § 13 VTV 2000. Damit erweist sich die Inanspruchnahme der Beklagten auch nicht als rechtsmissbräuchlich. Es steht ihr frei, entsprechende Erstattungsansprüche gegenüber dem Kläger geltend zu machen, wobei sie allerdings zu beachten haben wird, dass nach den tariflichen Vorschriften der Arbeitgeber über Erstattungsansprüche nur verfügen kann, wenn sein Beitragskonto keinen Debetsaldo aufweist und er seinen Meldepflichten entsprochen hat (§ 18 Abs.5 VTV).
Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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