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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.03.2007
Aktenzeichen: 16 Sa 1602/06
Rechtsgebiete: TVG, VTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 1
VTV/Bau § 1 Abs. 2
Die Voraussetzungen einer selbständigen baulichen Betriebsabteilung im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV/Bau liegen nicht vor, wenn die Arbeitnehmer je nach Auftragslage sowohl für bauliche wie für nichtbauliche Arbeiten eingesetzt werden.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. Juni 2006 - 3 Ca 1053/05 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlungs- und Auskunftsverpflichtungen der Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Juli und August 2002 sowie Februar 2004 bis Dezember 2005.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte, seit 01. Juli 1987 Mitglied der Gartenbau-BG, unterhält seit 01. Juli 1986 einen Betrieb, von dem Tätigkeiten des Garten- und Landschaftsbaus sowie Pflaster- und Straßenbauarbeiten durchgeführt werden, sowie ein Blumengeschäft unterhalten wird. Das Blumengeschäft befindet sich im gleichen Gebäude wie die Wohnräume der Beklagten, von diesen geteilt durch ein kleines Büro. Zu dem Blumengeschäft gehört ein Verkaufstunnel mit Frühjahrs- und Sommerblumen. In einer geschlossenen Halle und offenen Unterständen befindet sich bauliches Gerät. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite nutzt die Beklagte zusammen mit einem anderen Unternehmen ein Gelände, in dem Schaugärten angelegt sind. Diese sind mit gepflasterten Wegen durchzogen. Hinter diesem Gelände befindet sich ein Lagerplatz. Auf diesem werden neben Steinen auch Hölzer und Pflastermaterialien gelagert, die von der Beklagten verwendet werden. Ein weiterer Lagerplatz befindet sich hinter der bereits erwähnten Halle. Auch hier werden verschiedene Materialien gelagert. Auf der Fläche vor diesem Lagerplatz befinden sich eingeschlagene Pflanzen, die in Gärten eingesetzt werden.

Seit 16. Oktober 2002 ist die Beklagte mit ihrem Ehemann als Betriebsleiter mit dem Straßenbauhandwerk als handwerklichem Nebenbetrieb in die Handwerkrolle eingetragen. Beschäftigt werden von der Beklagten, die seit 01. Januar 2004 Mitglied im Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Niedersachsen-Bremen e.V. ist, im Blumenfachgeschäft drei Floristinnen, zwei Aushilfen und ein Gärtner im Außenbereich. Weiter beschäftigte die Beklagte in den Jahren des Klagezeitraums neben ihrem Ehemann die Arbeitnehmer Xxxxxx Xxxx, Xxxxxxx Xxxxxxxxxx, Xxxxxxxxx Xxxxxxx, Xxxx Xxxxxxx, Xxxx Xxxxxxxxx und Xxxxx Xxxxxx.

Der Kläger hat in insgesamt vier, vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, für die gewerblichen Arbeitnehmer, die Pflaster- und Straßenbauarbeiten erledigten, Sozialkassenbeiträge nach den Bautarifverträgen an ihn zu zahlen und die tarifvertraglich normierten Auskünfte zu erteilen, weil die Beklagte diese Arbeitnehmer ab 01. Januar 2002 in einer selbstständigen Betriebsabteilung "Pflasterarbeiten und Straßenbau" beschäftige. Zum 01. Januar 2002 sei der bis zu diesem Zeitpunkt einheitliche Betrieb von der Beklagten umstrukturiert und der Bereich Pflaster- und Straßenbau organisatorisch ausgegliedert worden. In diesem Betriebsbereich seien in den Kalenderjahren des Klagezeitraums arbeitszeitlich überwiegend Pflasterarbeiten sowie damit im Zusammenhang stehende Drainagearbeiten, Schachtarbeiten im Zusammenhang mit Drainagearbeiten sowie die Erstellung von Kleinkläranlagen durchgeführt worden. Ab Januar 2002 habe zwischen den verschiedenen Geschäftsbereichen der Beklagten kein Arbeitnehmeraustausch mehr stattgefunden. Jede der Betriebsabteilungen verfüge über eigene technische Betriebsmittel. Die Bereiche Gartenbau/Blumengeschäft und Straßenbau/Pflasterarbeiten seien räumlich voneinander getrennt. Die kaufmännische Verwaltung und Leitung des Blumengeschäfts und des Gartenbereichs obliege der Beklagten, die kaufmännische Verwaltung sowie technische Leitung der Abteilung Straßenbau/Pflasterarbeiten liege seit 01. Januar 2002 bei ihrem Ehemann. Dies bestätige die Eintragung der Handwerksrolle. Die Abteilung Pflasterbau/ Straßenbauarbeiten habe auch einen vom übrigen Betrieb abgegrenzten selbstständigen Betriebszweck. In dieser Abteilung würden fünf bis sechs Arbeitnehmer beschäftigt, nämlich die die Arbeitnehmer Xxxxxx Xxxx, Xxxxxxx Xxxxxxxxxx, Xxxxxxxxx Xxxxxxx, Xxxx Xxxxxxx, Xxxx Xxxxxxxxx und Xxxxx Xxxxxx. Die Abteilung verfüge über eine eigene Pflastermaschine, die ausschließlich für die Pflasterbau- und Straßenbauarbeiten eingesetzt werde. Betriebsbesuche eines Betriebsberaters hätten ergeben, dass eine selbstständige Betriebsabteilung vorliege, in der arbeitszeitlich überwiegend Straßenbau- und Pflasterarbeiten und in untergeordnetem Umfang, lediglich geringfügig, Pflanzarbeiten miterledigt würden. Demzufolge schulde die Beklagte zum einen Restbeiträge für zwei gewerbliche Arbeitnehmer im Juli und August 2002 in Höhe von insgesamt € 618,19 sowie die begehrte Auskunftserteilung für den Zeitraum Februar 2004 bis Dezember 2005.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger € 618,19 zu zahlen;

2. dem Kläger auf dem von ihm zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten, in den Monaten Februar 2004 bis Dezember 2005 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;

3. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von € 9.645,00 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei weder zur Zahlung noch zu Auskünften verpflichtet. Sie unterhalte einen typischen Betrieb des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus, weil arbeitszeitlich überwiegend Pflanz- und Pflegearbeiten an Pflanzen durchgeführt würden. Daneben werde ein Blumenfachgeschäft betrieben. Ihr Ehemann sei auch Gärtnermeister, ihr Sohn Techniker im Garten- und Landschaftsbau. Eine selbstständige Betriebsabteilung für Pflasterarbeiten und Straßenbau existiere nicht. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Ausgliederung dieses Bereichs aus dem übrigen Betrieb gegeben. So sei weder eine räumliche Trennung zwischen beiden Bereichen vorhanden, noch existierten eigene technische Betriebsmittel für die verschiedenen Bereiche. Die kaufmännische Leitung und Verwaltung des Blumengeschäfts liege bei ihr selbst, die technische Leitung des Gartenbaubetriebs und insgesamt alle technischen Leitungen bei ihrem Ehemann, seit 2004 zusammen mit ihrem Sohn. Sämtliche Arbeitnehmer, auch die vom Kläger bezeichneten, würden im gesamten Betrieb des Garten- und Landschaftsbaus je nach Bedarf und Auftragslage eingesetzt. Überwiegend würden von ihnen Garten- und Landschaftsbauarbeiten durchgeführt. Eigene Maschinen für eine selbstständige Betriebsabteilung Pflasterarbeiten existierten nicht. Im Übrigen gehe der Kläger selbst davon aus, dass zumindest untergeordnet in der lediglich behaupteten selbstständigen Betriebsabteilung auch Grünarbeiten durchgeführt worden seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 2006 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 59 - 68 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 26. März 2007 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er die tatsächlichen Voraussetzungen einer selbstständigen baulichen Betriebsabteilung nicht hinreichend dargetan habe. Die räumliche Trennung der Betriebsabteilung Straßenbau/Pflasterarbeiten ergebe sich daraus, dass die Halle, in der sich die Gerätschaften befänden, von dem übrigen Betriebsbereich durch das Wohnhaus abgegrenzt sei und die Pflastermaschine auf der gegenüberliegenden Straßenseite lagere. Buchhalterisch seien Garten- und Straßenbaubereich betriebswirtschaftlich mit eigenen Kostenstellen seit 01. Januar 2002 abgegrenzt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 28.06.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden - Az. 3 Ca 1053/05 - wird die Beklagte verurteilt,

1. an den Kläger € 618,19 zu zahlen;

2. dem Kläger auf dem von ihm zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Februar 2004 bis Dezember 2005 in der selbstständigen Betriebsabteilung Straßenbau/Pflasterarbeiten indem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;

3. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Berufungsurteils erfüllt wird, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von € 9.645,00 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, es gebe keine unterschiedliche kaufmännische und technische Leitung für die verschiedenen Betriebsbereiche, eine räumliche Abgrenzung der verschiedenen Arbeitsbereiche sei gar nicht möglich und auch nicht vorgenommen worden. Sämtliche Gerätschaften befänden sich in der Halle und den Unterständen. Dass für Juli und August 2002 zwei Arbeitnehmer beim Kläger gemeldet worden seien, beruhe auf unzutreffenden Erklärungen des Betriebsberaters des Klägers gegenüber ihrem Steuerberater. Nicht richtig sei, dass buchhalterisch zwei selbstständige Betriebsabteilungen geführt würden, die Verteilung der Arbeiten auf Kostenstellen sei unerheblich.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Ehemanns der Beklagten, des Einzelhandelskaufmanns Xxxxxxx Xxxx, des Garten- und Landschaftsbautechnikers Xxxxxxx Xxxxxxxxxx, des Schweißers Xxxxxxxxx Xxxxxxx, des Garten- und Landschaftsgärtners Xxxx Xxxxxxxxx und des Landschaftsgärtners Xxxxx Xxxxxx als Zeugen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 26. März 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Neben der ohne weiteres zulässigen Zahlungsklage begegnet auch die Auskunftsklage keinen Bedenken. Der Kläger erstrebt mit ihr, wie im Berufungsrechtszug ausdrücklich im Antrag klargestellt, die verlangten Auskünfte ausschließlich bezüglich der in einer selbstständigen Betriebsabteilung Straßenbau/Pflasterarbeiten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer. Damit ist das Auskunftsbegehren hinreichend bestimmt gekennzeichnet, ohne dass der Streit um den Umfang der Auskunft in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wäre. Richtig ist zwar, dass die Parteien darüber streiten, ob eine selbstständige Betriebsabteilung Straßenbau/Pflasterarbeiten bei der Beklagten überhaupt existiert. In Ansehung des Vorbringens des Klägers zur Klagebegründung lässt sich der Klageantrag jedoch ohne weiteres sachgerecht so ausdeuten, dass der Kläger Auskunftserteilung ausschließlich bezüglich der Arbeitnehmer erstrebt, die bei der Beklagten im Klagezeitraum arbeitszeitlich weit überwiegend Straßenbau- und Pflasterarbeiten durchgeführt haben, und zwar bezüglich der vom Kläger benannten Arbeitnehmer. Genau in diesem Sinne versteht auch die Beklagte das Auskunftsverlangen. Ob eine solche Verpflichtung besteht ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine der Begründetheit der Auskunftsklage.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil sowohl für das Zahlungs- wie für das Auskunftsverlangen eine Rechtsgrundlage fehlt.

Als allein mögliche Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch des Klägers kommt § 18 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) in den für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen ebenso wenig in Betracht wie § 21 VTV für das Auskunftsbegehren. Denn die in diesen tarifvertraglichen Normen statuierten Zahlungs- und Auskunftsverpflichtungen treffen die Beklagte für den Klagezeitraum nicht, weil der VTV für sie nicht galt. Die Beklagte unterhielt im Klagezeitraum nämlich keinen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fällt.

Dass der gesamte Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum vom Geltungsbereich des VTV erfasst wird, weil in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten verrichtet werden, die in den allgemeinen Geltungsbereichsbestimmungen der Abschnitte I - III des § 1 Abs. 2 VTV oder aber im Beispielskatalog der Abschnitte IV oder V genannt sind, wobei es auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit von Arbeitnehmern der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien ankommt, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Im Gegenteil ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Arbeitnehmer der Beklagten die überwiegende betriebliche Arbeitszeit auf Tätigkeiten im Bereich des Gartenbaus und des Verkaufs von Blumen und Pflanzen im Klagezeitraum entfallen ist. Beides sind keine baulichen Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 VTV.

Damit könnten Zahlungs- und Auskunftsverpflichtungen der Beklagten nur dann bestehen, wenn im Klagezeitraum bei der Beklagten eine selbstständige baugewerbliche Betriebsabteilung existiert hätte. Das ist nicht der Fall.

Maßgebend ist insoweit § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 VTV. Satz 2 dieser Bestimmung lautet:

Selbstständige Betriebsabteilungen sind Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages.

Die ab 01. September 2002 für allgemeinverbindlich erklärte Fassung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 VTV enthält zudem folgenden Satz 3:

Als solche (= selbstständige Betriebsabteilung) gilt auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die außerhalb der stationären Betriebsstätte eines nicht von den Abschnitten I - IV erfassten Betriebes baugewerbliche Arbeiten ausführt.

Die tariflichen Merkmale einer selbstständigen baugewerblichen Betriebsabteilung waren bei der Beklagten im Klagezeitraum nicht erfüllt.

Mit der Verwendung des Begriffs "selbstständige Betriebsabteilung" in § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 Satz 2 VTV verweisen die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff der Betriebsabteilung (vgl. BAG 11. September 1991, AP Nr. 145 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Danach ist eine Betriebsabteilung eine Abteilung, die, bezogen auf einen konkreten Gesamtbetrieb, eine personelle Einheit darstellt, organisatorisch abgrenzbar ist, die über eigene technische Betriebsmittel verfügt sowie einen eigenen spezifischen Zweck verfolgt, der auch nur ein Hilfszweck sein kann (vgl. BAG 25. Januar 2005, AP Nr. 21 zu § 1 AEntG; BAG 28. September 2005, AP Nr. 278 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 28. September 2005 - 10 AZR 28/05). Das zusätzliche tarifliche Merkmal der Selbstständigkeit erfordert darüber hinaus eine auch für Außenstehende wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung sowie einen besonders ausgeprägten spezifischen arbeitstechnischen Zweck (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 25. Januar 2005, a.a.O.; BAG 24. November 2004, AP Nr. 12 zu § 61 ArbGG 1979; BAG 28. Juli 2004, AP Nr. 268 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 28. September 2005, a.a.O.). Eine bloße betriebsinterne Spezialisierung derart, dass getrennte Arbeitsgruppen jeweils bestimmte Aufgaben versehen, genügt für die Annahme einer selbstständigen Betriebsabteilung nicht (vgl. BAG 13. Mai 2004, AP Nr. 265 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 28. September 2005, a.a.O.). Werden Arbeitnehmer je nach Auftragslage für unterschiedliche Betriebszwecke eingesetzt, kann von einer selbstständigen Betriebsabteilung nicht ausgegangen werden, weil in einem solchen Fall die personelle und organisatorische Abgrenzbarkeit fehlt (vgl. BAG 22. April 1987, AP Nr. 82 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Die vorgenannten Merkmale einer selbstständige Betriebsabteilung waren bei der Beklagten im Klagezeitraum nicht erfüllt. Es fehlte bereits an einer organisatorisch abgegrenzten personellen Einheit, von der die vom Kläger vorgetragenen Straßenbau- und Pflasterarbeiten durchgeführt worden sind.

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die von dem Kläger als einer selbstständigen Betriebsabteilung Straßenbau/Pflasterarbeiten zugeordnet behaupteten Arbeitnehmer praktisch ausschließlich Pflasterarbeiten durchgeführt haben. Vielmehr hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die betreffenden Arbeitnehmer je nach Auftragslage sowohl zu gärtnerischen Arbeiten (Pflanzen setzen, Anpflanzungen vornehmen, Rasen sähen usw.) eingesetzt worden sind, wie auch zu Pflasterarbeiten. Das haben sämtliche vernommenen Zeugen übereinstimmend bekundet. Zudem hat jeder der Zeugen angegeben, der Anteil der gärtnerischen Arbeiten habe bei ihm weit überwogen. Der Ehemann der Beklagten hat ausgesagt, er sei für die Einteilung der Arbeiten und Annahme der Aufträge im gesamten Betrieb zuständig, seine Frau leite hauptsächlich den Blumenladen und mache die Buchführung.

An der Richtigkeit der Aussagen der vernommenen Zeugen zu zweifeln besteht für die Berufungskammer keine Veranlassung. Sämtliche Zeugen haben ihre Angaben in dem erkennbaren Bemühen um inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass sie sich von den Interessen der Beklagten am Ausgang des Rechtsstreits haben leiten lassen, fehlen. Das gilt auch für den Ehemann der Beklagten und den Sohn der Beklagten. Deren Aussagen stimmen inhaltlich mit denen der übrigen vernommenen Zeugen überein.

Muss danach aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon ausgegangen werden, dass sämtliche vernommenen Zeugen sowohl im Bereich Gartenbau wie im Bereich Pflastern tätig waren, so genügt allein dies, um eine personelle Einheit oder organisatorische Abgrenzbarkeit der Betriebsteile "Gartenbau/Blumenladen" und "Straßenbau/Pflasterarbeiten" zu verneinen (vgl. BAG 22. April 1987, a.a.O.). Denn es fehlt an der Möglichkeit, die Arbeitnehmer einer bestimmten Abteilung zuzuordnen und damit an der nach außen erkennbaren organisatorischen Abgrenzbarkeit verschiedener Bereiche.

Nichts anderes gilt, wenn man davon ausgehen wollte, die Bereiche "Blumenladen" einerseits und sonstige Tätigkeiten andererseits seien gegeneinander organisatorisch abgrenzbar. Von einer selbstständigen baulichen Betriebsabteilung kann nämlich auch dann nicht gesprochen werden. Das gilt schon deshalb, weil alle vernommenen Arbeitnehmer ausgesagt haben, sie hätten, jeder für sich, arbeitszeitlich überwiegend nicht die vom Kläger behaupteten, sondern die von der Beklagten vorgetragenen gärtnerischen Arbeiten durchgeführt. Das schließt die Annahme aus, es habe im Klagezeitraum bei der Beklagten eine selbstständige bauliche Betriebsabteilung bestanden. Eine solche kann nämlich nur vorliegen, wenn in dieser arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten durchgeführt werden.

Für den Zeitraum 2004 und 2005 gilt im Ergebnis nicht deshalb etwas anderes, weil in diesem Zeitraum § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 Satz 3 VTV gilt. Diese Bestimmung ist so zu verstehen, dass eine selbstständige Betriebsabteilung - kraft tarifvertraglicher Fiktion - dann gegeben ist, wenn mehrere baugewerblich tätige Arbeitnehmer in koordinierter Form baugewerbliche Arbeiten durchführen (vgl. BAG 25. Januar 2005, a.a.O.). Dafür spricht nichts. Zwar haben die Zeugen bekundet, auch - arbeitszeitlich freilich nicht überwiegend - Pflasterarbeiten durchgeführt zu haben. Dass mehrere Arbeitnehmer für bestimmte Zeiten im Verbund derartige Arbeiten ausgeführt haben, hat die Beweisaufnahme jedoch nicht ergeben. Irgendetwas in dieser Richtung, das über den nicht bewiesenen Vortrag hinausginge, dass alle als Zeugen benannten Arbeitnehmer praktisch ausschließlich Straßenbau- und Pflasterarbeiten durchgeführt hätten, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Aus diesem Grunde bedarf es keiner Antwort auf die Frage, ob zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Abs. 1 Satz 3 VTV die Durchführung baugewerblicher Arbeitnehmer durch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern für einen bestimmten Zeitraum erforderlich ist oder ob eine, von der Zeitdauer unabhängige projektbezogene Betrachtungsweise ausreicht.

Kann danach nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Beklagten im Klagezeitraum eine selbstständige baugewerbliche Betriebsabteilung vorhanden war, scheiden Zahlungs- und Auskunftsverpflichtungen der Beklagten gegenüber dem Kläger von vornherein aus. Aus diesem Grunde kommt es auf die Frage der Verbandsmitgliedschaft der Beklagten entscheidungserheblich nicht an.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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