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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 16 Sa 1627/07
Rechtsgebiete: RVG, GKG


Vorschriften:

RVG § 33
RVG § 321 Abs. 1
GKG § 45 Abs. 1 S. 2
Wird eine im Berufungsrechtszug erstmals erhobene Hilfswiderklage in der Berufungsverhandlung wirksam zurückgenommen, ist ihr Wert bei der Festsetzung des Streitwertes für die Gebührenberechnung nicht zu berücksichtigen (§ 45 Abs.1 S.2 GKG). Die Festsetzung des Streitwertes für die Gebührenfestsetzung ist in diesem Fall auch für die Bemessung des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit maßgebend. Eine (zusätzliche) Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG kommt nicht in Betracht.
Tenor:

Der Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30. Juli 2008 auf Festsetzung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG wird zurückgewiesen.

Gründe:

I

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin begehrt Festsetzung des Streitwertes gem. § 33 RVG für eine von der Beklagten im Berufungsrechtszug erstmals erhobene und dann wegen Rücknahme nicht im Berufungsurteil beschiedene Hilfswiderklage. Im Beschluss über den Gebührenstreitwert wurde der Wert der Hilfswiderklage, entsprechend der den Parteien und Parteivertretern bekannt gemachten Absichtserklärung nicht berücksichtigt.

II

Der Festsetzungsantrag ist zurückzuweisen. Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG kommt nicht in Betracht.

Nach § 33 RVG setzt das Gericht des Rechtszuges den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder es an einem solchen Wert fehlt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit im Berufungsverfahren nach dem durch Beschluss vom heutigen Tage festgesetzten Streitwert richten.

Nach § 23 Abs.1 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, soweit diese nach dem Wert, also nicht wertunabhängig, erhoben werden. § 32 Abs.1 RVG bestimmt, dass im Falle der gerichtlichen Wertfestsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes, diese Festsetzung auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebend ist.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall:

Eine Wertfestsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes ist hier erfolgt. Diese Wertfestsetzung konnte den Wert der Hilfswiderklage nicht berücksichtigen. Gem. § 45 Abs.1 S.2 GKG ist ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch, auch ein im Wege der Hilfswiderklage geltend gemachter (vgl. KG 11. Juni 2007 JurBüro 2007,468), mit dem Hauptanspruch nämlich nur dann zusammenzurechnen, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Da über die Hilfswiderklage der Beklagten wegen deren Rücknahme keine Entscheidung ergangen ist, musste deren Wert bei der Wertfestsetzung ausgeblendet werden.

Der ohne den Wert der Hilfswiderklage festgesetzte Streitwert für die Gerichtsgebühren gilt nach § 32 Abs.1 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts. Damit ist für eine Festsetzung eines Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs.1 RVG kein Raum (vgl. z.B. Hess. LAG 23. April 1999 NZA-RR 1999, 434, LAG Berlin 03. März 2004 NZA-RR 2004, 374; LAG Bremen 30. Juli 2001 LAGE § 19 GKG Nr.18; LAG Düsseldorf 05. Dezember 2006 - 6 Ta 583/06 - [juris]; KG 11. Juni 2007aaO; OLG Karlsruhe 20. März 2007 AGS 2007,470; OLG Hamm 02. Januar 2007 JurBüro 2007,204; OLG Brandenburg 07. Februar 2006 JurBüro 2006,595).

Soweit demgegenüber in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten wird, eine Wertfestsetzung habe gleichwohl nach § 33 Abs.1 RVG zu erfolgen, weil sich die anwaltliche Tätigkeit auch auf den Hilfsantrag erstreckt habe (vgl. z.B.; LAG Hamm 26.05.1989 LAGE § 19 GKG Nr. 6; LAG Köln 14. September 2001 AR-Blattei ES 160.13 Nr 229 LAG Nürnberg 30. September 2004 AR-Blattei ES 160.13 Nr 268; Egon Schneider, LAGE Anmerkung zu § § 19 GKG Nr. 4;.; Creutzfeldt: Die Wertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Verfahren NZA 1996, 956 f., 961, 962; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 18. Aufl. 2008 VV 3100 Rz 132; Hartmann Kostengesetze 37. Aufl. 2007 § 45 Rz 33; Mayer/Kroiß RVG 2. Aufl. 2006 § 33 Rz 6; Steffen AR-Blattei SD 160.13.1 Rz 278; wohl auch VGH Baden-Württemberg Justiz 2008,196), kann dem nicht gefolgt werden. Denn diese Meinung findet im Gesetz keine Stütze.

Insoweit gilt:

Der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen ist unmissverständlich: Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bestimmt sich nach den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Vorschriften, soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten (§ 23 Abs.1 RVG). Für die Wertbemessung wiederum gilt auch § 45 Abs.1 S.2 GKG. Wird dieser Wert festgesetzt, ist diese Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend (§ 32 Abs.1 RVG).

Einzuräumen ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass dieser sich vorsorglich mit der Hilfswiderklage der Beklagten zu befassen hatte. Allein dieser Umstand rechtfertigt jedoch eine Wertfestsetzung nach § 33 Abs.1 RVG nicht. Richtig ist, dass sich die Gebühren des Rechtsanwalts nach dem Wert berechnen, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert, § 2 Abs.1 RVG). Welchen Wert die anwaltliche Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren hat, bestimmen jedoch u.a. gerade §§ 23 Abs.1, 32 Abs.1 RVG, § 45 Abs.1 S. 2 GKG. Damit gibt es auch keinen Grundsatz, wonach der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren generell unter Einrechnung von Hilfsanträgen berechnet. Das Gegenteil folgt vielmehr aus den vorzitierten gesetzlichen Regelungen.

Der erkennbare Sinn und Zweck des § 45 Abs.1 S.2 GKG, nämlich die Belastung mit Gerichtsgebühren für Hilfsanträge nur dann, wenn sich das Gericht mit derartigen Hilfsanträgen befasst und über sie entschieden hat, kommt zudem auch bei der Bemessung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit zum Tragen. Die Streitwertfestsetzung in Verbindung mit der Kostengrundentscheidung dient neben der Bemessung der Gerichtsgebühren auch dem Kostenausgleich zwischen den Parteien. In diesem Zusammenhang wäre es zumindest befremdlich, von dem Prozessgegner eine Vergütung für einen lediglich hilfsweise gestellten Antrag zu verlangen, über den weder prozessual noch materiellrechtlich entschieden worden ist und hinsichtlich dessen die Prozessparteien daher weder ein Ergebnis noch einen Prozessfortschritt erlangt haben (ebenso. KG 11. Juni 2007 aaO).

Damit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für eine gesonderte Festsetzung nach § 33 RVG. Vielmehr gilt der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Streitwert auch für die Erstattung von Anwaltskosten.

Gerichtsgebühren für diesen Beschluss fallen nicht an, eine Kostenerstattung gibt es nicht (§ 33 Abs.9 RVG).

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 33 Abs. 4 S.3 RVG).

Ende der Entscheidung

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