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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 16 Sa 1644/05
Rechtsgebiete: TVG, VTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 1
VTV/Bau § 1 II
1. Das Verlegen von Laminat gehört nach Herkommen und Üblichkeit auch zu den Tätigkeiten, die von Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks durchgeführt werden.

2. Ein Betrieb, von dem, bezogen auf ein Kalenderjahr, arbeitszeitlich überwiegend Anstricharbeiten, Putzarbeiten und Laminatverlegearbeiten durchgeführt werden, zählt zu den vom betrieblichen Geltungsbereich der Bautarfverträge ausdrücklich ausgenommenen Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit die Putzarbeiten allein oder in Zusammenrechnung mit anderen vom Betrieb durchgeführten, in § 1 Abs.2 Abschn. IV und V VTV/Bau genannten Tätigkeiten nicht arbeitszeitlich überwiegend durchgeführt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn Anstricharbeiten mehr als 20% der Gesamtarbeitszeit ausmachen.


Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2005 - 3 Ca 124/04 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um Zahlungsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar bis März 2004.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Beklagte unterhält einen im Jahr 2001 gegründeten Betrieb, der beim Gewerbeamt Xxxx mit dem Tätigkeitsgebiet »Holz- und Bautenschutz, Theater- und Ausstellungsmaler, Bautrocknungsgewerbe, Akustiker« sowie »Bodenleger« eingetragen ist. Zur produktiven Winterbauförderung wird der Beklagte nicht herangezogen. Wie im Berufungsrechtszug unstreitig geworden ist, wurden vom Betrieb des Beklagten im Kalenderjahr 2004, in dem der Beklagte zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigte und überwiegend im Auftrag von Hausverwaltungen tätig geworden ist, folgende Tätigkeiten mit folgenden Arbeitsstunden durchgeführt:

Maler- und Lackiererarbeiten (in der Regel Anstricharbeiten an beschädigten Wänden) 1.682,58 Arbeitsstunden

Verlegung von Laminat 695,5 Arbeitsstunden

Reinigungsarbeiten in Treppenhäusern, Fluren, Aufzügen und Gartenanlagen 269,41 Arbeitsstunden

Wartungsarbeiten für Wohnungen nach Mieterwechsel 85,15 Arbeitsstunden

Vermietung von Trocknungslüftern (Aufstellung mobiler Radiatoren, die ohne Einfügung in das Mauerwerk in den zu entfeuchtenden Räumen aufgestellt werden 897,88 Arbeitsstunden

Putz- und Spachtelarbeiten an Decken, Wänden und Böden 387,57 Arbeitsstunden

Fliesenarbeiten in der Form des Ausbesserns beschädigter Fliesen durch Verlegung neuer Fliesen inklusive Verfugungen 465,61 Arbeitsstunden

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der Bautarifverträge. Demzufolge schulde er einmal die tarifvertraglich normierten Beitragszahlungen für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Februar 2001 bis November 2001. Deren Höhe errechne er, mangels Auskunftserteilung durch den Beklagten, auf der Grundlage von zwei beschäftigten Arbeitnehmern, dem im Jahr 2001 gezahlten Durchschnittslohn im Baugewerbe sowie dem tarifvertraglichen Beitragssatz. Daraus ergebe sich ein Betrag in Höhe von € 9.810,00. Ferner sei der Beklagte zur Erteilung der tarifvertraglich festgelegten Auskünfte für den Zeitraum Dezember 2001 bis März 2004 verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 9.180,00 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Dezember 2001 bis März 2004 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind, für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen: € 21.400,00.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, sein Betrieb sei kein baugewerblicher im tariflichen Sinn. Arbeitszeitlich überwiegend seien Reinigungs-, Wartungs- und Malerarbeiten ausgeführt worden. Diese gehörten nicht zum Baugewerbe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 29. Juni 2005 stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 75 - 85 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 08. Mai 2006 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass im Klagezeitraum zu mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten ausgeführt worden seien, die nicht unter die Bautarifverträge fielen oder von diesen ausgenommen seien. Diese baufremden Tätigkeiten, u.a. die Maler- und Lackiererarbeiten, dürften keine Berücksichtigung finden.

Nachdem der Kläger mit Zustimmung des Beklagten im Berufungsrechtszug seine Zahlungs- und Auskunftsklage für den Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2003 ebenso wie eine diesen Zeitraum betreffende Anschlussberufung zurückgenommen hatte, beantragt der Beklagte,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie den Beklagten im Wege der Anschlussberufung zu verurteilen, an den Kläger € 3.153,00 zu zahlen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es den Zeitraum Januar bis März 2004 betrifft, geht bezüglich dieses Zeitraums von der Auskunfts- zur Zahlungsklage über und trägt vor, aufgrund der zwischenzeitlich vom Beklagten selbst erteilten Meldungen über gezahlte Bruttolöhne für diesen Zeitraum errechne sich ein Beitrag von € 3.153,00, den der Beklagte schulde.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 08. Mai 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig. Auch die Anschlussberufung ist unbedenklich zulässig. Aus den zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung vom 08. Mai 2006 festgestellten Daten ergibt sich, dass die Anschlussberufung innerhalb der antragsgemäß verlängerten Berufungserwiderungsfrist und damit innerhalb der Frist des § 424 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegt und zudem auch ordnungsgemäß begründet wurde (§ 524 Abs. 3 ZPO).

In der Sache hat die Berufung Erfolg, während die Anschlussberufung zurückzuweisen war. Die Klage ist in dem im Berufungsrechtszug nach teilweiser, weil mit Zustimmung des Beklagten erfolgter wirksamer Klagerücknahme allein noch angefallenen Umfangs in der Form der Anschlussberufung nicht begründet.

Dass der Kläger von der Auskunfts- zur Zahlungsklage übergegangen ist, ist prozessual unbedenklich. Ob diese teilweise Umstellung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO nicht als Änderung der Klage anzusehen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Denn der Beklagte hat sich auf den geänderten Klageantrag im Berufungstermin widerspruchslos eingelassen. Damit wird eine seitens des Beklagten unter Umständen notwendige Einwilligung in eine etwa geänderte Klage unwiderlegbar vermutet (§§ 533 Nr. 1, 267 ZPO). Bedenken nach § 533 Nr. 2 ZPO bestehen schon deshalb nicht, weil der zur Höhe der Beitragsforderung gehaltene Vortrag des Klägers unstreitig ist und unstreitiger Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz stets berücksichtigt werden muss (vgl. BGH 18. November 2004, MDR 2005, 527).

Der Kläger kann von der Beklagten nicht, wie jetzt noch verlangt, Zahlung von € 3.153,00 verlangen. Denn hierfür fehlt eine Rechtsgrundlage.

Als allein mögliche Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen des Klägers kommt § 18 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20.12.1999 in der für das Kalenderjahr 2004 gültigen Fassung vom 17. Dezember 2003 nicht in Betracht. Durch diese tarifvertragliche Vorschrift können nämlich für den Klagezeitraum keine Verpflichtungen des Beklagten begründet werden, weil der VTV für ihn in diesem Zeitpunkt nicht gilt. Denn der Beklagte unterhielt im Klagezeitraum keinen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 VTV fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages »Betriebe des Baugewerbes«. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VTV sind das alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I - IV fallen. Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV gehören zu den in den Abschnitten I - III genannten Betrieben z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der in den Folgeziffern von Abschnitt V durchgeführten Art ausgeführt werden. Das bedeutet, dass Betriebe von denen, bezogen auf die Arbeitszeit der beschäftigten Arbeitnehmer pro Kalenderjahr (vgl. BAG 25. Juli 2001, AP Nr. 250 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), eine oder mehrere der in dem Beispielskatalog des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannten Tätigkeiten ausführen, dem betrieblichen Geltungsbereich unterfallen, ohne dass zusätzlich die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I - III geprüft werden müssen (ständige Rechtsprechung seit BAG 18. Januar 1984, AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst kommt es ebenso wenig an, wie auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 14. Januar 2004, AP Nr. 263 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ferner ist Bedacht darauf zu nehmen, ob der Betrieb unter einen der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV fällt.

Nach diesen Maßstäben war der Betrieb des Beklagten im Kalenderjahr 2004 und damit auch im Klagezeitraum kein baugewerblicher im tariflichen Sinn. Vielmehr gehört er zu den nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV ausdrücklich vom Geltungsbereich des VTV ausgenommenen Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks.

Richtig ist, dass arbeitszeitlich überwiegend vom Betrieb des Beklagten bauliche Tätigkeiten ausgeführt worden sind, die unter § 1 Abs. 2 VTV fallen. Putzarbeiten sind in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 34 VTV ebenso ausdrücklich genannt wie Fliesenverlegearbeiten in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 15 VTV. Spachtelarbeiten gehören zu den baulichen Leistungen im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV (vgl. Kammerurteil vom 25. Oktober 1999 - 16 Sa 184/99, AR-Bl. ES 370.8 Nr. 188). Nichts anderes gilt für Maler- und Lackiererarbeiten an Wänden und Decken. Denn derartige Tätigkeiten dienen, wie es § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV erfordert, der Erstellung bzw. Instandsetzung und Instandhaltung eines Bauwerks. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV erstreckt nämlich den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages grundsätzlich auf das gesamte Ausbaugewerbe und nimmt nur die in Abschnitt VII genannten Tätigkeiten unter den dort genannten Voraussetzungen von seinem Geltungsbereich aus (vgl. BAG 05. September 1990, AP Nr. 135 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die vorbezeichneten Arbeiten machten 2.715,73 Stunden aus und damit bei einer Gesamtstundenleistung im Jahre 2004 von 4.663,67 Stunden 58,23% der Gesamtarbeitszeit jenes Jahres.

Der Betrieb des Beklagten erfüllt im Kalenderjahr 2004 jedoch die Merkmale des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV.

Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV sind vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen Betriebe »des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden.«

Mit § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV haben die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes tariflich in einer die Gerichte bindenden Weise festgelegt, dass Betriebe dieses Gewerbezweiges, soweit nicht die Rückausnahmeregelung eingreift, von ihrem Tarifwerk nicht erfasst werden. Zwar haben die Tarifvertragsparteien nicht näher geregelt oder erläutert, was sie unter dem von ihnen verwendeten Begriff der »Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks« verstanden wissen wollen. Aus der gebotenen Auslegung ergibt sich jedoch, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes diesen Begriff so verstanden wissen wollen, wie er in der Fachsprache des Arbeits- und Wirtschaftslebens verstanden wird. Denn die tariflichen Regelungen des VTV gehören zum Arbeitsrecht. Deshalb ist für die Auslegung dieses Begriffs davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien ihn so verwendet haben, wie er von den beteiligten Berufskreisen, den die Fachsprache prägenden Berufsbildern und den berufsrechtlichen Bestimmungen verstanden wird (vgl. BAG 29. Mai 1991, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler).

Sowohl die Durchführung von Anstrich- wie auch die Durchführung von Putzarbeiten, aber auch das Verlegen von Laminatarbeiten zählen danach zu den Tätigkeiten, die nach Herkommen und Üblichkeit dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzuordnen sind.

Anstricharbeiten, also die farbliche Gestaltung der Oberfläche von Wänden und Decken gehört, wie bereits die Berufsbezeichnung dieses Gewerbezweiges zeigt, klassischerweise quasi zum Kernbereich des Maler- und Lackiererhandwerks (vgl. Klassifizierung der Berufe, Berufstätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, Ausgabe 1966 Nr. 2478). Nichts anderes gilt für die Durchführung von Verputzarbeiten. Das belegt die im Jahr 2004 noch gültige Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Maler- und Lackiererhandwerk vom 15. August 1973 (BGBl. 1973 I, S. 1040). Nach § 1 Abs. 2 Nr. 26 dieser Verordnung zählen Fertigkeiten in der Herstellung von Putzen sowie bestimmte Putz- und Stuckarbeiten (§ 1 Abs. 2 Nr. 34 der VO) zu den Kenntnissen und Fertigkeiten des Lackiererhandwerks (vgl. BAG 05. April 1995, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler). Hiervon gehen im Übrigen auch die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes selbst aus. Das zeigt die Rückausnahmeregelung. Zu den in der Rückausnahmeregelung genannten Tätigkeiten gehören nämlich u.a. Putzarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 34 VTV).

Ebenfalls zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks rechnet das Verlegen von Laminat.

Das belegen die berufsrechtlichen Bestimmungen. § 1 Abs. 2 Nr. 28 der VO vom 15. August 1973 nennt bei den dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnenden Kenntnisse und Fertigkeiten das »Ausführen von Tapezier-, Klebe- und Spannarbeiten mit Tapeten, mit Tapeten ähnlichen Stoffen und mit Boden-, Wand- und Deckenbelägen«. Die nachfolgende Verordnung vom 13. Juni 2005 (BGBl. 2005 I, S. 1659 ff.), gültig ab 01. Oktober 2005, führt in § 2 Abs. 3 Nr. 1 b als spezifische Fertigkeiten und Kenntnisse des Maler- und Lackiererhandwerks auf das Planen, Ausführen und Kontrollieren von »Raumgestaltungen mit Decken-, Wand- und Bodenbelägen unter Berücksichtigung von Fertigparkett und Schichtwerkstoffen sowie Heimtextilien«. Die Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 03. Juli 2003 (BGBl. 2003 I, S. 1064) nennt in der Anlage 2 zu § 7 (Ausbildungsrahmenplan) in der Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung unter A. 3. c) ausdrücklich das Gestalten von »Räumen und Flächen mit Beschichtungsstoffen sowie mit Decken-, Wand- und Bodenbelägen«. Das berufskundliche Schrifttum bestätigt, dass auch das Verlegen von Bodenbelägen nach Herkommen und Üblichkeit eine Tätigkeit des Malers und Lackierers ist. Denn dieses rechnet zu den Tätigkeiten dieses Berufszweiges die Durchführung von Fußbodenbelagsarbeiten (vgl. Gerner, Handwerkerlexikon, 1984, S. 128).

Eine letzte Bestätigung findet der Umstand, dass das Verlegen von Bodenbelägen (auch) nach Herkommen und Üblichkeit eine Tätigkeit des Maler- und Lackiererhandwerks ist, in tarifvertraglichen Regelungen. Denn die Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks haben mittlerweile, nämlich im Rahmentarifvertrag vom 06. April 2005 (allgemeinverbindlich ab 21. Juni 2005, BAnz. Nr. 2 vom 04. Januar 2006) in der betrieblichen Geltungsbereichsnorm des § 1 Ziffer 2 bestimmt, dass zu den Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks, mit hier nicht interessierenden Einschränkungen, auch solche Betriebe rechnen, die Bodenbelagsarbeiten durchführen.

Das Verlegen von Laminat ist nichts anderes als das Verlegen von Bodenbelägen. Unter Bodenbelag versteht man herkömmlicherweise die oberste Schicht oder Bedeckung des Fußbodens (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Jubiläumsausgabe 1990, S. 286). Laminat ist nichts anderes als ein aus Kunststoffen und harzen aufgebauter Schichtpressstoff mit chemikalien- und witterungsbeständigen Beschichtungen (vgl. Wahrig, a.a.O., S. 811).

Der Einordnung der Verlegung von Bodenbelägen als einer Tätigkeit, die herkömmlicherweise dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzuordnen ist, steht auch nicht entgegen, dass die Laminatverlegung nicht exklusiv dem Maler- und Lackiererhandwerk zugeordnet wird, sondern eine Tätigkeit ist, die herkömmlicherweise nicht nur von Malern und Lackierern, sondern auch von anderen Berufen verrichtet wird.

Dem ist so. Das Verlegen von Laminat ist auch eine Tätigkeit, die den Gewerbezweigen des Parkettlegers, des Bodenlegers und des Raumausstatters herkömmlicherweise zugeordnet zu werden pflegt. Das zeigen die berufsrechtlichen Bestimmungen. § 3 Nr. 13 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Parkettleger/zur Parkettlegerin vom 17. Juni 2002 (BGBl. 2002 I. S. 1852 ff.) zählt zu den Tätigkeiten und Kenntnissen dieses Berufs u.a. das Verlegen von Schichtwerkstoffen. § 3 Nr. 13 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Bodenleger/zur Bodenlegerin vom 17. Juni 2002 (BGBl. 2002 I, S. 1861 ff.) nennt bei den diesem Berufs zuzuordnenden Fertigkeiten und Kenntnissen das Verlegen von Fertigparkett und Schichtwerkstoffen. Das Gestalten und Verlegen von Bodenbelägen wird schließlich in § 4 Nr. 15 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Raumausstatter/zur Raumausstatterin vom 18. Mai 2004 (BGBl. 2004 I, S. 980, zuletzt BGBl. 2005 I, S. 864 und 1285) angeführt. § 1 Abs. 2 Nr. 18 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderung im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Raumausstatterhandwerk vom 09. April 1975 (BGBl. 1975 I, S. 909 ff.) rechnet dem Raumausstatterhandwerk als Kenntnisse und Fertigkeiten das Verlegen von Bodenbelägen aus Textilien und Kunststoffen durch Spannen, Kleben und Schweißen zu.

Der Umstand, dass das Verlegen von Bodenbelägen, und damit auch von Laminat, nicht nur dem Maler- und Lackiererhandwerk, sondern herkömmlicherweise auch anderen Gewerbezweigen zugeordnet zu werden pflegt, ist für § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV ohne Belang. Diese Bestimmung verlangt nach ihrem Wortlaut nämlich nicht, dass Tätigkeiten ausgeführt werden, die ausschließlich dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzuordnen sind. Vielmehr verlangt die Bestimmung lediglich, dass es sich lediglich um einen Betrieb handeln muss, von dem arbeitszeitlich überwiegend solche Tätigkeiten durchgeführt werden, die dem Maler- und Lackiererhandwerk herkömmlicherweise zuzuordnen sind.

Anderes folgt auch nicht aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang.

Im Gegenteil bestätigt der Inhalt des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV selbst, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes für die Zuordnung eines Betriebes zum Maler- und Lackiererhandwerk die Durchführung von Tätigkeiten, die ausschließlich diesem Handwerkszweig zuzurechnen sind, nicht verlangen. Denn die Vorschrift belegt, dass den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes die Tatsache, dass es Tätigkeiten gibt, die nicht nur vom Maler- und Lackiererhandwerk, sondern auch von anderen Gewerbezweigen ausgeführt zu werden pflegen, alles andere als unbekannt gewesen ist. Diesem Umstand haben sie nämlich mit der Rückausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV (»soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden«) ausdrücklich selbst Rechnung getragen. Mit dieser Rückausnahmebestimmung haben die Tarifvertragsparteien nämlich klargestellt, dass auch Betriebe, die Tätigkeiten ausüben, die nach Herkommen und Üblichkeit dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzuordnen sind, dann von ihrem Tarifwerk erfasst werden, wenn sie unter die vorbezeichnete Rückausnahmeregelung fallen. Da der Beispielskatalog der Abschnitte IV und V des § 1 Abs. 2 VTV in weitem Umfang Tätigkeiten wiedergibt, die bestimmten baulichen Gewerbezweigen zuzurechnen sind (z.B. Putzarbeiten dem baulichen Beruf des Stukkateurs), lässt das nur den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien mit der Rückausnahmeregelung abschließend klar stellen wollten, wann Betriebe, die Tätigkeiten ausführen , die nach Herkommen und Üblichkeit lediglich »auch« dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen sind, gleichwohl vom Tarifwerk des Baugewerbes erfasst sein sollen.

Nichts anderes gilt im übrigen, wenn man mit dem BAG davon ausgeht, dass von einem vom Ausnahmetatbestand des § 1 Abs.2 Abschn. VII erfassten Betrieb (u.a.) nur dann auszugehen ist, wenn zu mehr als 20% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten ausgeübt werden, die nur dem ausgenommenen Gewerbezweig zuzuordnen sind (vgl. z. B. BAG, 16.Mai 2001 AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker; BAG, 24.Februar 1988 und 23.November 1988 AP Nr. 2 und 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdeckerhandwerk; BAG, 03.Dezember 1986 und 14.Oktober 1987 AP Nr. 73 und 87 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG, 06.Mai 1987 - 4 AZR 664/86; BAG, 28.November 1990 - 4 AZR 208/90; BAG, 22.September 1993 - 10 AZR 401/91. BAG, 23.August 1995 AP Nr. 193 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, BAG, 20.September 1995 - 10 AZR 609/94; BAG, 24.November 2004 AP Nr. 12 zu § 62 ArbGG 1979; BAG, 22.Januar 1997 AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler; BAG 20. April 2005 - 10 AZR 282/04 -). Denn dies ist hier der Fall. Maler- und Lackiererarbeiten in der Form von Anstricharbeiten sind Tätigkeiten, die herkömmlicherweise ausschließlich dem Maler- und Lackiererhandwerk zugehören. Diese fielen mit mehr als 39% der Gesamtarbeitszeit des Kalenderjahres 2004 deutlich über 20% der Gesamtarbeitszeit an.

Weil danach die Durchführung von Maler- und Lackiererarbeiten, von Putz- und Spachtelarbeiten sowie das Verlegen von Laminat zu den Tätigkeiten zu rechnen ist, die nach Herkommen und Üblichkeit (auch) von Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks durchgeführt zu werden pflegen, fällt der Betrieb des Beklagten im Klagezeitraum unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV. Denn auf die vorbezeichneten Arbeiten entfielen im Kalenderjahr 2004 2.945,62 Arbeitsstunden. Das sind 63,16% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit dieses Kalenderjahres.

Die Merkmale der Rückausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV erfüllt der Betrieb des Beklagten nicht. Die Merkmale der Rückausnahmeregelung sind nur dann gegeben, wenn von einem Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks arbeitszeitlich überwiegend die in der Rückausnahme genannten Tätigkeiten durchgeführt werden (vgl. BAG 05. April 1995, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler; BAG 19. Juli 2000, AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).Das ist hier nicht der Fall.. Von den durchgeführten Tätigkeiten fallen nämlich lediglich die Putzarbeiten und die Fliesenverlegearbeiten unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV (Nr. 34 und 15). Diese überwogen in dem Kalenderjahr 2004 jedoch nicht arbeitszeitlich, weil sie lediglich 18,29% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit dieses Kalenderjahres ausmachten. Alle übrigen, vom Beklagten durchgeführten Tätigkeiten fallen nicht unter die Rückausnahmeregelung. Maler- und Lackiererarbeiten sind in § 1 Abs. 2 Abschnitt IV oder V VTV nicht genannt. Das Gleiche gilt für Reinigungs- und Wartungsarbeiten. Das Aufstellen von Trocknungslüftern fällt nicht unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 4 VTV (Bautrocknungsarbeiten), weil hierzu nach dem Tarifwortlaut nur solche Arbeiten rechnen, die unter Einwirkung auf das Gefüge des Mauerwerks der Entfeuchtung dienen. Dazu gehört das Aufstellen von Trocknungsgeräten, die durch Luft und Wärme Feuchtigkeit entziehen sollen, nicht (vgl. Kammerurteil vom 07. August 1995 - 16 Sa 1460/94).

Auch die Laminatverlegung fällt nicht unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 38 VTV ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung zu den baulichen Leistungen nur das Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen zählt. Damit wird das Verlegen von Bodenbelägen von dieser Norm nur erfasst, wenn die Fußbodenverlegung und die sonstigen baulichen Leistungen bei Ausführung durch denselben Betrieb nach der Üblichkeit im Arbeits- und Wirtschaftsleben, insbesondere aufgrund einheitlicher Auftragserteilung, zusammengehören und sich damit bedingen. Ein lediglich zeitlicher oder technischer Zusammenhang reicht nicht aus (vgl. BAG 28. September 1988, AP Nr. 98 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Dass in diesem Sinne die Verlegung von Laminat in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen erfolgte, hat der für die Erfüllung der Voraussetzungen der Rückausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV nach der allgemeinen Regel darlegungs- und im Streitfall beweispflichtige Kläger selbst nicht vorgebracht.

Weil der Betrieb des Beklagten danach im Klagezeitraum unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV fiel, schuldet der Beklagte auch nicht die Zahlung der tariflich normierten Beiträge.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Soweit er die Klage zurückgenommen hat, folgt das aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, der auf eine Teilklagerücknahme jedenfalls entsprechend anzuwenden ist. Soweit der Kläger im Rechtsstreit unterlegen ist, ergibt sich die Kostentragungspflicht aus § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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