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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.08.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 1888/02
Rechtsgebiete: AEntG, TVG, VTV/Bau


Vorschriften:

AEntG § 1
TVG § 5
VTV/Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13
1. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge erstreckt sich seit der Bekanntmachung vom 17.01.2000 (BAnz Nr. 20 v. 29.01.2000) nicht auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die in der Bundesrepublik Deutschland Fertigbauarbeiten durchführen. Derartige Arbeitgeber sind hinsichtlich ihrer aus dem Ausland nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer nicht zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen verpflichtet.

2. Fertigbauarbeiten iSd vorgenannten Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge liegen vor, wenn serienmäßig hergestellte vorgefertigte Einzelelemente aus Stahl (Stützen, Wand- und Deckenplatten) an der jeweiligen Baustelle durch Verschrauben und Verschweißen zu kompletten Lagerhallen zusammengefügt werden.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Urteil

Aktenzeichen: 16 Sa 1888/02

Verkündet laut Protokoll am 18. August 2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht Kammer 16 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 18. August 2003

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hattesen als Vorsitzenden den ehrenamtlichen Richter Dr. Otto und den ehrenamtlichen Richter Trumpfheller als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. Dezember 2002 - 8 Ca 97/01 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar 2000 bis Juni 2001 und August 2001 bis Mai 2002.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV/Bau); Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Die dazu erforderlichen Mittel haben die baugewerblichen Arbeitgeber durch Beiträge aufzubringen. Auf die Zahlung dieser Beiträge hat der Kläger einen unmittelbaren Anspruch.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in ... . In Deutschland unterhält sie eine unselbständige Niederlassung. In den Kalenderjahren des Klagezeitraums errichtete sie durch aus Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland entsandte und zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassene Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Werkverträgen mit deutschen Unternehmen Lagerhallen aus Stahl in unterschiedlichen Größen. Dabei wurden von anderen Unternehmen vorgefertigte Elemente, insbesondere vorgefertigte Großtafeln nebst Trägern und Stützen ohne jede Veränderung am jeweiligen Aufstellungsort durch Verschrauben und/oder Verschweißen zu einer Stahlkonstruktion zusammengefügt, anschließend wurden die Wände und das Dach mit Trapezblechen und Wandkassetten verkleidet. Gleichartige Arbeiten führt die Beklagte in ihrem Heimatland durch.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträge und sei deshalb verpflichtet, für ihre in die Bundesrepublik Deutschland entsandten Arbeitnehmer Urlaubskassenbeiträge zu zahlen. Bei den Tätigkeiten der Beklagten handele es sich um Trockenbau- und Montagebauarbeiten und nicht etwa um Fertigbauarbeiten, so dass Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) nicht zugunsten der Beklagten eingriffen. Die Höhe der Klageforderung errechne sich aus den Meldungen der Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern bzw. aus den Prüfberichten der Dienststellen der Zoll- und Arbeitsverwaltung, denen die jeweilige Entsendedauer der in die Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer zu entnehmen sei, ferner aus der tarifvertraglichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, dem tarifvertraglichen Mindestlohn sowie dem tariflichen Beitragssatz für Urlaubskassenbeiträge.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 62.066,07 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger schon deshalb keine Beitragszahlungen, weil es sich bei den von ihr sowohl in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in Ungarn durchgeführten Arbeiten um Fertigbauarbeiten handele, deren Ausführung durch Unternehmen mit Sitz im Ausland von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge ausgenommen worden sei. Im Übrigen sei auch die Berechnung der Beitragshöhe fehlerhaft. Diese könne der Kläger nicht allein anhand der Meldungen gegenüber dem Landesarbeitsamt errechnen. Zudem seien die Bautarifverträge auch deshalb nicht anzuwenden, weil ausländische Arbeitnehmer, wie ihre, während ihrer Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland den Arbeitgeber nicht wechselten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit seinem am 10.12.2002 verkündeten Urteil stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 314 - 319 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 18.08.2003 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie verfolgt ihr auf Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter und wiederholt und vertieft ihre Ansicht, wonach es sich bei den von ihr ausgeübten Tätigkeiten um Fertigbauarbeiten und nicht etwa um Trockenbau- und Montagebauarbeiten handele.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung, verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 18.08.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung von € 62.066,07 verlangen. Denn hierfür fehlt eine Rechtsgrundlage.

Als allein mögliche Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Klägers kommt § 1 Abs. 3 AEntG i.V.m. § 8 Ziffer 15 BRTV/Bau und § 18 VTV nicht in Betracht.

Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG ist zwar ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland verpflichtet, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes wie dem Kläger, dem nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen die Einziehung von Urlaubskassenbeiträgen übertragen ist, diese Beiträge zu leisten. Diese gesetzliche Erstreckung von tarifvertraglichen Normen, die aufgrund AVE für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer erfasst freilich nur solche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, deren Betrieb ihrerseits von einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag des Baugewerbes erfasst wird. Das ist hier nicht der Fall. Die betriebliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt nämlich nicht dem für allgemeinverbindlich erklärten Geltungsbereich von BRTV/Bau und VTV, weil es sich bei den von ihr in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Tätigkeiten um Fertigbauarbeiten handelt. Allein auf diese Tätigkeiten kommt es wegen § 1 Abs. 4 AEntG an. Im übrigen sind die betrieblichen Tätigkeiten der Beklagten in ihrem Heimatland von ihrer Art her identisch mit denen in Deutschland.

Seit der Bekanntmachung vom 17. Januar 2000 (BAnz. Nr. 20 vom 29.01.2000, zuletzt BAnz. Nr. 218 vom 22.11.2002) enthält die AVE des VTV unter IV folgende Einschränkungen:

Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, wenn sie überwiegend in Abschnitt II oder III aufgeführte Tätigkeiten ausüben.

Abschnitt II der AVE-Einschränkung lautet:

Für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland, die bereits seit einem Jahr Fertigbauarbeiten ausführen, gilt die Ausnahme gemäß Abschnitt I Abs. 1, wenn sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied eines der in Abschnitt I Abs. 2 Buchstabe a genannten Verbände geworden sind.

Diese Einschränkungen lassen sich nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut nur so verstehen, dass Arbeitgeber mit Sitz im Ausland dann nicht von der AVE erfasst werden, wenn sie die in Abschnitt II genannten Fertigbauarbeiten durchführen. Darauf, ob diese Betriebe, wie Abschnitt II zusätzlich fordert, Verbandsmitglied geworden sind, kommt es nicht an, weil Abschnitt IV der Einschränkung der AVE nur auf die in Abschnitt II genannten Tätigkeiten, und damit auf Fertigbauarbeiten, abstellt.

Die vom Betrieb der Beklagten sowohl in Deutschland wie auch in Ungarn praktisch ausschließlich durchgeführte Errichtung von Stahlhallen durch Zusammenfügen von Trägerstützen und Dach- und Wandverkleidungen gehört zu den in Abschnitt II genannten Fertigbauarbeiten.

Der in der Einschränkungsklausel der AVE zu II verwendete Begriff "Fertigbauarbeiten" verweist auf den von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV verwendeten Begriff und legt dessen Merkmale zugrunde (vgl. BAG 24.01.1990, AP Nr. 125 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Zweck der Einschränkungsklausel ist es nämlich, Tarifkonkurrenzen zu den in I 2 a der Einschränkungsklausel genannten Tarifverträgen zu vermeiden, derartige Tarifkonkurrenzen können nur auftreten, wenn Fertigbauarbeiten durchführende Betriebe überhaupt vom VTV erfasst werden. Das werden sie nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV gegeben sind.

Den Begriffsinhalt des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV übernimmt die Einschränkung der AVE zu IV. Mit ihr wird der Zweck verfolgt, eine mögliche Ungleichbehandlung ausländischer und inländischer Arbeitnehmer zu vermeiden. Diese könnte ohne die Einschränkung der AVE eintreten, weil ausländische Arbeitgeber, die Fertigbauarbeiten durchführen, in der Regel weder unmittelbar oder mittelbar Mitglied einer der in I 2 a genannten Verbände werden können und daher, wenn es die Ausnahmeregelung zu IV nicht gäbe, gegenüber inländischen Arbeitgebern unzulässig diskriminiert würden.

Die Merkmale des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV erfüllt die betriebliche Tätigkeit der Beklagten. Es handelt sich dabei um Fertigbauarbeiten.

Unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV fallen Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken, ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechtsform - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden.

Die betriebliche Tätigkeit der Beklagten im Klagezeitraum fällt unter die erste Alternative dieser Bestimmung. Bei den von der Beklagten montierten Bauteilen handelt es sich um Fertigbauteile. Hierunter verstehen die Tarifvertragsparteien solche Bauteile, die nicht am Verwendungsort, der Baustelle hergestellt, sondern fabrikmäßig vorgefertigt sind und auf dem Bauplatz nur zusammengefügt werden, soweit durch den Einbau dieser Bauteile die herkömmliche Arbeitsweise am Bau ersetzt wird. Das ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist danach zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihm beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit diese Gesichtspunkte in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel soll nach der Rechtsprechung die Tarifauslegung zu wählen sein, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 19.03.2003 - 10 AZR 175/02).

Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben den Begriff des "Fertigbauteils" nicht eigenständig definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man hierunter Bauteile, die in der Fabrik hergestellt und auf dem Bauplatz zusammengefügt werden (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 2 1981, S. 719, Stichwort "Fertigbauweise"). Dem entspricht weitgehend die Fachsprache des Bauwesens. Danach sind Fertigbauteile serienmäßig hergestellte, typisierte Bauteile. Ihre werksmäßige Fertigung umfasst eine Reihe von Leistungen, die sonst am Bau durch verschiedene Handwerker nacheinander ausgeführt werden, jedes Fertigbauteil muss am Bau als Einheit einsetzbar sein und ggf. Vorrichtungen aufweisen, die den Anschluss oder die Montage anderer, ergänzender Bauteile ermöglichen (vgl. Meiers Lexikon der Technik und exakten Naturwissenschaften, 1970, Band 2, S. 943). Typische Fertigbauteile sind geschosshohe oder raumbreite Bauteile aus Beton, Holz u. a., die auf der Baustelle kraftschlüssig zusammengesetzt werden (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., Band 7, S. 227, "Fertigbauweise, Fertigbauteil"; Meiers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., Band 8, S. 702, "Fertigbauteil"; Knaurs Lexikon der Technik, 1986, Band 1, S. 328 "Fertigbauweise").

Darüber hinaus ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes als Merkmal des "Fertigbauteils" auch fordern, dass durch seinen Einbau herkömmliche Bauweise durch Verwendung von Fertigteilen ersetzt wird. Das zeigen die Geltungsbereichsbestimmungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V und die Ausnahmeregelung des Abschnitts VII des § 1 Abs. 2 VTV.

Würde man den Einbau sämtlicher, nicht vor Ort, nämlich an der Baustelle, sondern vorgefertigt hergestellter, als "Fertigteile" zu bezeichnender Bauteile als Einbau von "Fertigbauteilen" qualifizieren, wäre ein Großteil der Tätigkeitsbeschreibungen des Abschnitts V überflüssig und sinnleer. Vorgefertigte Bauteile werden nämlich u.a. sowohl bei Dämm-(Isolier-)arbeiten der Nr. 9, Fassadenbauarbeiten der Nr. 12, Feuerungs- und Ofenbauarbeiten der Nr. 14, Rohrleitungsbauarbeiten der Nr. 25, Schachtbau- und Tunnelbauarbeiten der Nr. 26, Schornsteinbauarbeiten der Nr. 28, Trocken- und Montagebauarbeiten der Nr. 37, sowie Zimmererarbeiten und Holzbauarbeiten der Nr. 42 seit jeher verwendet. Auch Teile der Ausnahmebestimmung des Abschnitts VII des § 1 Abs. 2 VTV wären perplex. Denn z.B. die Ausnahmeregelung für das Herd- und Ofenbauhandwerk (Abschnitt VII Nr. 5) und das Klempnerhandwerk, das Gas- und Wasserinstallationsgewerbe, das Elektroinstallationsgewerbe, das Zentralheizungsbau- und Lüftungsbauergewerbe sowie für den Klimaanlagebau (Abschnitt VII Nr. 12) würden in der Regel niemals eingreifen. Denn in diesen Gewerbezweigen wird schon immer regelmäßig mit Fertigteilen gearbeitet. In der Regel würden daher Arbeiten im Sinne des Abschnitts V stets durchgeführt. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes derartige, letztlich unsinnige Vorschriften schaffen wollten, spricht nichts.

Demgegenüber fügt sich § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV dann sachgerecht in den Gesamtzusammenhang der Geltungsbereichsbestimmungen des Abschnitts V und der Ausnahmebestimmungen des Abschnitts VII ein, wenn man mit dem in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 genannten "Einbau und Zusammenfügen von Fertigbauteilen" nur Tätigkeiten als erfasst ansieht, bei denen die herkömmliche Arbeitsweise am Bau durch das Einbauen und Zusammenfügen vorgefertigter Bauteile ersetzt wird (ebenso: BAG 17.03.1976, AP Nr. 28 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Kammerurteil vom 18.03.1991 - 16 Sa 1481/90). Bei einem solchen Begriffsverständnis fallen nämlich solche Tätigkeiten aus den Fertigbauarbeiten heraus, bei denen schon immer nach Herkommen und Üblichkeit in der Baubranche u.a. von Dritten vorgefertigte Bauteile wie z.B. Fenster, Türen, Tore, Heizungsanlagen etc. "fertig" eingebaut werden. Ob derartige Tätigkeiten dann baulich sind, bestimmt sich nach den übrigen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 VTV, nicht aber nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV.

Die von der Beklagten durchgeführten Arbeiten erfüllen die vorstehend beschriebenen, von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes zugrunde gelegten Merkmale des Einbaus von Fertigbauteilen. Bei den von der Beklagten verschraubten und verschweißten Einzelelementen handelt es sich nämlich um vom Hersteller serienmäßig vorgefertigte typisierte, nämlich für Lagerhallen bestimmter Größe hergestellte, Bauteile in der Form von Stützen, Wand- und Deckenplatten. Diese werden von den Arbeitnehmern der Beklagten am jeweiligen Aufstellungsort ohne Veränderung der Einzelteile zu einem Bauwerk, nämlich der Lagerhalle aus Stahl, zusammengefügt. Dass die einzelnen Bauteile aus Stahl bestehen, steht ihrer Qualifizierung als Fertigbauteile nicht entgegen. Seit jeher gehört Stahl zu den Werkstoffen, die im Fertigbau verwendet werden (vgl. Knaurs Lexikon der Technik, a.a.O.).

Durch diese Arbeitsweise wird auch die konventionelle Bauweise bei der Erstellung eines Bauwerks, wie einer Lagerhalle, ersetzt. Denn die einzelnen, tragenden oder nicht tragenden Bauwerksteile (Decken, Wände) entstehen nicht erst an der Baustelle durch schrittweises Be- und Verarbeitung von Baustoffen. Vielmehr werden die einzelnen Bauteile bereits "fertig", wenn auch in Teilen, angeliefert und nur noch an den dafür vorgesehenen Stellen miteinander verbunden und zusammengefügt.

Soweit die Bundesanstalt für Arbeit im Hinblick auf Entscheidungen nach § 4 Abs. 3 Anwerbestoppausnahmeverordnung besondere Voraussetzungen dafür fordert, wann von der Aufstellung von Fertighäusern und Fertighallen auszugehen ist (Bl. 186 d.A.) spielt das - entgegen der Ansicht des Klägers - keine Rolle. Tarifvertragliche Regelungen sind nach den insoweit geltenden arbeitsrechtlichen Grundsätzen auszulegen. Merkblätter der Bundesanstalt für Arbeit, die zudem zur Auslegung anderer Vorschriften herausgegeben werden, sind grundsätzlich für die Auslegung unbeachtlich. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die von der Bundesanstalt für Arbeit in dem genannten Merkblatt zugrunde gelegten Merkmale nicht auf eine entsprechende Üblichkeit im Arbeits- und Wirtschaftsleben zurückgeführt werden können.

Es handelt sich auch bei sämtlichen von den Arbeitnehmern der Beklagten zur Erstellung der Stahlhallen durchgeführten Arbeiten um Fertigbauarbeiten. Denn alle von den Arbeitnehmern der Beklagten verrichteten Arbeiten sind darauf ausgerichtet, eine aus Fertigbauteilen zusammengesetzte Halle zu erstellen. Das gebietet es, sämtliche Einzeltätigkeiten tarifrechtlich einheitlich zu werten. Jede andere Betrachtung würde zu einer künstlichen und sachwidrigen Aufspaltung der durch einen einheitlichen Zweck, nämlich die Erstellung einer Fertigbauhalle, gekennzeichneten Tätigkeit führen Ganz in diesem Sinne ist dann auch das BAG in seiner Entscheidung vom 04.05.1994 (10 AZR 153/89) davon ausgegangen, dass sämtliche bei der Errichtung eines Holzfertighauses durch ein Unternehmen anfallenden Tätigkeiten, auch solche der Montage von Wand- und Dachkonstruktionen, zu den Fertigbauarbeiten zählen. Nichts anderes kann gelten, wenn es sich nicht um ein Holzfertighaus, sondern um eine Fertighalle aus Stahl handelt.

Der Qualifizierung der vom Betrieb der Beklagten durchgeführten Arbeiten als "Fertigbauarbeiten" steht auch nicht der Umstand entgegen, dass ihre Tätigkeiten begrifflich auch unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV, nämlich die dort genannten Montagebauarbeiten, die neben den ebenfalls aufgeführten Trockenbauarbeiten nicht kumulativ vorliegen müssen (vgl. BAG 26.04.1989, AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), subsumiert werden könnten. Denn bezüglich solcher Montagebauarbeiten, die auch Fertigbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV sind, ist die letztgenannte Bestimmung die speziellere und damit allein maßgebliche.

Richtig ist, dass die Tätigkeiten der Beklagten nach allgemeinem Sprachgebrauch als Montagebauarbeiten anzusehen sind. Montage bedeutet im technischen Bereich "Aufbau, Zusammenbau" (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 4 1982, S. 723). Nichts anderes führt die Beklagte aus, wenn sie zur Erstellung der Hallen vorgefertigte Teile zusammensetzt. Es handelt sich dabei auch nicht nur um Montagearbeiten, sondern um Montagebauarbeiten, weil die Montagetätigkeiten der Beklagten der Errichtung eines Bauwerks, nämlich einer Lagerhalle, dienen (vgl. BAG 26.04.1989, a.a.O.).

Aus diesem Befund lässt sich freilich nicht schließen, dass § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV für die Tätigkeit der Beklagten nicht einschlägig sein kann. Ein solches Verständnis wäre widersinnig. Begrifflich sind alle Arbeiten im Sinne der ersten Alternative des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV stets Montagebauarbeiten, weil Fertigbauteile zur Erstellung etc. des Bauwerks zusammengefügt, also montiert werden. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit der ersten Alternative des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV eine letztlich inhaltsleere, weil überflüssige Bestimmung schaffen wollten, spricht nichts. Vielmehr zwingt die Existenz der tariflichen Vorschrift des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV zu dem Schluss, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes das Phänomen der Fertigbauweise abschließend und speziell in dieser Ziffer des Beispielkatalogs geregelt haben. Das bedeutet nichts anderes, als dass immer dann, wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmungen gegeben sind, ein Rückgriff auf andere Vorschriften des Beispielkatalogs oder die allgemeinen Bestimmungen der Abschnitte I-III ausgeschlossen ist (vgl. Kammerurteil vom 30.08.1999 - 16 Sa 2977/98 - NZA-RR 2000, 597). Für Montagebauarbeiten bleibt ein Anwendungsbereich, nämlich dann, wenn eben nicht Fertigbauteile, sondern sonstige Bauteile, die schon immer "fertig" eingebaut worden sind, montiert werden.

Diesem Ergebnis widerstreitet auch nicht die vom Arbeitsgericht und vom Kläger herangezogene Rechtsprechung.

In sämtlichen vom Kläger herangezogenen Entscheidungen kam es nicht darauf an, ob es sich bei den von der jeweiligen Beklagtenseite ausgeführten Arbeiten um Fertigbauarbeiten handelte. In der Entscheidung des BAG vom 29.04.1989 (a.a.O.) wurden vom dortigen Beklagten Außenwände von Industriehallen montiert. Die Außenwände bestanden zu Beginn der Arbeiten lediglich aus Stahlstützen, zwischen denen sich Leerräume befanden. In die Leerräume wurden von den Arbeitnehmern des Beklagten Kassetten montiert, in die Kassetten wurden Mineralfaser-Dämmplatten eingedrückt und danach eine Außenschale aus Blech oder Aluminium angebracht. Dass diese Arbeiten als Fertigbauarbeiten zu qualifizieren sind, ist bereits nicht ersichtlich, weil von einer Substitution herkömmlicher Bauweise durch Fertigbauweise keine Rede sein kann. Gleiches gilt für die Entscheidung des Hess. LAG vom 09.07.2001 (10 Sa 1483/00). Auch in jener Entscheidung ist von Fertigteilen, nicht aber von Fertigbauteilen die Rede. Die Entscheidungen der 14. Kammer des LAG vom 03.12.1990 und 02.12.1993 (14 Sa 471/89 und 14 Sa 321/92) befassen sich zwar mit der Erstellung von Industriehallen aus Stahl, nicht aber mit Fragen der Abgrenzung der Begriffe Montagebauarbeiten und Fertigbauarbeiten. Gleiches gilt für die Entscheidung der erkennenden Berufungskammer vom 20.01.1992 (16 Sa 1009/91), in der die Frage, ob es sich um Fertigbauarbeiten handelte, ohnedies ohne Bedeutung war, weil im Rahmen der erfolgten Verurteilung die damalige Einschränkung der AVE für Fertigbauarbeiten ohnehin nicht eingreifen konnte.

Weil es sich danach bei den von der Beklagten durchgeführten Arbeiten um Fertigbauarbeiten im Sinne von II der Einschränkung der AVE handelt, wird ihre Tätigkeit nach IV der Einschränkung der AVE nicht von dem für allgemeinverbindlich erklärten betrieblichen Geltungsbereich von BRTV/Bau und VTV erfasst. Soweit das Arbeitsgericht gemeint hat, II der AVE-Einschränkung sei so auszulegen, dass nur die Fertigbauarbeiten, die nicht zugleich Tätigkeiten des Abschnitts V von § 1 Abs. 2 VTV sind, der AVE nicht unterfallen, findet diese Auffassung in der AVE-Einschränkung keinerlei Stütze. Diese stellt allein auf Fertigbauarbeiten ab und enthält keinerlei Rückausnahme. Eine solche Rückausnahme in die AVE-Einschränkung hineinzulesen, ist auch nicht zur Vermeidung widersinniger Ergebnisse geboten. Der Begriff der Fertigbauarbeiten in II der AVE-Einschränkung verweist, wie ausgeführt, auf § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV. Diese Bestimmung kann, wie ebenfalls ausgeführt, von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV unproblematisch abgegrenzt werden.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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