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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 23.10.2006
Aktenzeichen: 16 Sa 527/06
Rechtsgebiete: AEntG
Vorschriften:
AEntG § 1 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 2. Februar 2006 - 9 Ca 1698/03 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihr im Zeitraum von Mai bis November 1999 nach Deutschland entsandten Mitarbeiter.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte ist eine juristische Person portugiesischen Rechts mit Sitz in Xxxxxxxxx (Portugal), deren betriebliche Tätigkeit in der Durchführung von Maurer- und Isolierarbeiten an Bauwerken besteht. In der Zeit von Mai bis November 1999 entsandte die Beklagte mehrere zu ihr in Arbeitsverhältnissen stehende portugiesische Staatsangehörige nach Deutschland, die - jedenfalls auch - auf Baustellen der Firma Xxxxxxx GmbH (künftig: Xxxxxxx), einem deutschen Unternehmen, Arbeiten durchführten.
Nachdem dem Kläger von der Beklagten mitgeteilt worden war, die nach Deutschland entsandten Personen würden nur zu Schulungszwecken eingesetzt, erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 27. Juli 1999, die Beklagte sei zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen insoweit nicht verpflichtet.
Nachdem der Kläger die Freistellung vom Urlaubskassenverfahren gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 04. November 1999 widerrufen hatte, verlangt er nunmehr von der Beklagten die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für deren in Deutschland im Klagezeitraum tätig gewesene Arbeitnehmer.
Der Kläger hat vorgetragen, entgegen den Erklärungen der Beklagten seien die in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer nicht zu Schulungszwecken, sondern zur Durchführung baugewerblicher Tätigkeiten eingesetzt worden. Diese bestätige eine Prüfung des Hauptzollamtes vom 30. September 1999. Dabei sei festgestellt worden, dass Arbeitnehmer der Beklagten auf Baustellen der Firma Xxxxxxx zu Pflasterarbeiten eingesetzt worden seien, ohne dass sich ein Ausbildungsleiter vor Ort befunden habe. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Ergebnisses dieser Prüfung wird auf das Schreiben des Hauptzollamtes Xxxx-West vom 30. September 1999 (Bl. 62/63 d.A.) Bezug genommen. Anlässlich zweier weiterer Baustellenprüfungen in Xxxx durch die Arbeitsverwaltung sei festgestellt worden, dass Arbeitnehmer der Beklagten Mauerer-, Fassadenbau- und Dämm- sowie Isolierarbeiten durchgeführt hätten. Die von Mitarbeitern der Arbeitsverwaltung befragten Arbeitnehmer hätten selbst angegeben, Arbeitnehmer zu sein, das übliche Entgelt erhalten zu haben und auf Schulungsmaßnahmen nicht hingewiesen. Zudem spreche das Alter der Arbeitnehmer, die sämtlich in den 50er Jahren geboren seien, dagegen, dass sie als Auszubildende eingesetzt worden seien. So seien die Arbeitnehmer auch im Rahmen der § 3 AEntG-Meldungen als Arbeitnehmer und nicht als Auszubildende gemeldet worden. Die von den Arbeitnehmern durchgeführten Pflasterarbeiten hätten auch mit einer Ausbildung "Fugeherstellung und -sanierung", entsprechend dem von der Beklagten mitgeteilten Ausbildungsplan (Bl. 61 d.A.) nichts gemein. Dass es an werkvertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und einem Dritten fehle, spiele keine Rolle. Dementsprechend schulde die Beklagte für die in Deutschland im Klagezeitraum eingesetzten Arbeitnehmer die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen. Deren Höhe berechne er mangels Auskunftserteilung der Beklagten über die Höhe der Beiträge nach der sich aus den § 3 AEntG-Meldungen ergebenden Zahl der Beschäftigten und er Dauer der Beschäftigung, dem tariflichen Mindestlohn bei einer wöchentlichen tariflichen Arbeitszeit sowie dem tariflichen Beitragssatz
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 11.487,90 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertrete, sie sei zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nicht verpflichtet, weil ihre Arbeitnehmer ausschließlich zu Schulungszwecken nach Deutschland entsandt worden seien. Ausgebildet worden seien die Mitarbeiter in den Bereichen Denkmalschutz, Sanierung und Fugenherstellung für künftige Tätigkeiten in Portugal. Diese Ausbildung sei staatlich, nämlich durch die Portugiesische Republik, gefördert worden. Ausbildungsstätten seien die Firmengelände von Xxxxxxx in Xxxx, Xxxxxxx, Xxxxxxxx und Xxx Xxxxxxxxf gewesen. Die Mitarbeiter von Xxxxxxx seien in die Schulung eingebunden gewesen. Die im August 1999 durchgeführten Plasterarbeiten seien Teil der Berufsausbildungsmaßnahme gewesen und auch im Schulungsplan aufgeführt, nämlich als Ein- und Ausbau verschiedener Materialien, Beseitigung von Unebenheiten etc. Den Arbeiten habe auch kein Werkvertrag mit einem Dritten zugrunde gelegen und die Arbeiten seien auch nicht für Dritte erbracht worden. In Xxxx sei der Fugenanschluss an Fahrstuhlschächten vermittelt worden.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02. Februar 2006 der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 90 bis 98 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 23. Oktober 2006 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Sie verfolgt ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren in vollem Umfang weiter und meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Verpflichtung ihrerseits zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen ausgegangen, weil es sich bei den in Deutschland tätigen Personen nicht um gewerbliche Arbeitnehmer sondern um Personen gehandelt habe , die zum Zweck der Berufsausbildung beschäftigt worden seien. Leistungen für Dritte seien von ihr durch diese Personen nicht erbracht worden. Personen, die an einer Berufsausbildungsmaßnahme teilnehmen, seien keine Arbeitnehmer im Sinne der Bautarifverträge.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 23. Oktober 2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
In der Sache hat die Berufung Erfolg. Der Kläger kann die geforderte Zahlung nicht verlangen, weil hierfür eine Rechtsgrundlage fehlt..
Als allein mögliche Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Klägers kommt § 1 Abs. 3 AEntG (in der für das Kalenderjahr 1999 gültigen Fassung v. 19. Dezember 1998, BGBL I S.3843) i.V.m. § 8 Ziffer 15 BRTV/Bau und den einschlägigen Vorschriften des VTV nicht in Betracht.
§ 1 Abs. 3 AEntG regelt nichts anderes als eine sowohl europarechtlich unbedenkliche (vgl. BAG 20. Juli 2004 AP Nr. 18 zu § 1 AEntG und EzA § 1 AEntG Nr.4) wie auch nach deutschem Recht bedenkenfreie (vgl. z.B. BAG 25. Juni 2002, AP Nr. 12 und 15 zu § 1 AEntG) Erstreckung von tariflichen Normen, die aufgrund Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) - und damit kraft Tarifrechts - für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seine im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer. Diese Erstreckung erfolgt nicht etwa durch den entsprechenden Tarifvertrag, sondern unmittelbar durch das Gesetz selbst.
Die notwendigen Voraussetzungen für eine Erstreckung der, Zahlungsverpflichtungen eines Arbeitgebers gegenüber dem Kläger begründenden, tariflichen Vorschriften des Baugewerbes auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland liegen hier jedoch nicht vor. Von der Beklagten wurden nämlich durch entsandte Arbeitnehmer im Klagezeitraum keine Bauleistungen in Deutschland erbracht.
Insoweit kann es dahinstehen, ob es eine Beitragspflicht der Beklagten deshalb ausscheidet, weil es sich bei den von der Beklagten nach Deutschland entsandten Personen deshalb nicht um gewerbliche Arbeitnehmer handelte, weil diese Personen, entsprechend dem Vortrag der Beklagten, zur Erlangung beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen eingesetzt wurden. Denn darauf kommt es streitentscheidend nicht an. Auch wenn man nämlich mit dem Kläger davon ausgeht, die Rechtsverhältnisse dieser Personen seien als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren und die Arbeitnehmer der Beklagten zur Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt worden, scheidet eine Zahlungspflicht der Beklagten aus.
Zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen an den Kläger ist nur ein solcher Arbeitgeber mit Sitz im Ausland verpflichtet, der durch die von ihm nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer in Deutschland bauliche Leistungen erbringt. Werden dagegen von einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland nur im Ausland bauliche Tätigkeiten durchgeführt, in Deutschland jedoch ausschließlich andere, nichtbauliche Arbeiten, ausgeführt, besteht keine Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer.
Im Einzelnen gilt im vorliegenden Fall:
Von der Beklagten wurden durch die von ihr nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer keine baulichen Leistungen erbracht.
Unstreitig existierten keine vertraglichen Vereinbarungen (Werkverträge) der Beklagten mit Dritten, wonach die Beklagte sich zur Erbringung baulicher Leistungen in Deutschland verpflichtet hatte. Durch die in Deutschland tätigen Personen erbrachte die Beklagte auch keine baulichen Leistungen in Deutschland. Die Beklagte bestimmte den Einsatz der von ihr nach Deutschland entsandten Personen nämlich nicht. Denn Anweisungen darüber, wo und wann was getan werden sollte, erfolgten unstreitig nicht von der Beklagten selbst oder von weisungsbefugten Arbeitnehmern der Beklagten, sondern von Arbeitnehmern der Firma Xxxxxxx. Genau das ergibt sich auch aus dem vom Kläger zum Inhalt seines Vortrages gemachten Bericht des Hauptzollamtes Xxxx-West vom 30. September 1999. Nach diesem Bericht waren die einzelnen Bauleiter der Xxxxxxx insoweit weisungsbefugt.
Bei dieser Sachlage spricht nichts dafür, dass die Beklagte mit den von ihr nach Deutschland entsandten Personen bauliche Leistungen erbrachte. Denn durch diese Personen wurde mangels eines von der Beklagten gesteuerten Arbeitseinsatzes kein abgegrenztes, dem Unternehmen der Beklagten als eigene Leistung zuzurechnendes abnahmefähiges Werk geschaffen. Vielmehr waren die entsandten Personen voll in den Betrieb der Xxxxxxx eingegliedert und wurden von dieser, unterstellt man, dass sie nicht nur "ausgebildet" wurden, nach eigenen Vorstellungen und Zielen wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt und hatten ihre Arbeiten allein nach Weisungen der Xxxxxxx ausübten. Das ist nichts anderes als eine bloße Überlassung von Arbeitnehmern der Beklagten durch die Beklagte an die Xxxxxxx.
Die Überlassung von Arbeitnehmern ist keine bauliche Leistung, auch wenn in den Baubereich verliehen wird. Ob bauliche Leistungen vorliegen, bestimmt sich nach dem Zweck der vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen (vgl. BAG 24. April 1999 AP Nr. 183 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Zwecke sind Wirkungen von Handlungen, die der Handelnde mit seinen Handlungen erstrebt (vgl. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre 1982 S. 169). Mit der Überlassung von eigenen Arbeitnehmern an Dritte soll aus der Sicht des Arbeitgebers und Verleihers lediglich erreicht werden, dass diese Arbeitnehmer dem Dritten nach dessen Bedürfnissen zur Verfügung stehen. Die Erbringung baulicher Leistungen durch die verliehenen Arbeitnehmer ist lediglich die Wirkung der Handlungen, die infolge des konkreten, vom Entleiher bestimmten Einsatzes der Arbeitnehmer eintreten sollen. Nichts anderes gilt im übrigen, wenn die Arbeitnehmer der Beklagten von dieser zu Ausbildungszwecken nach Deutschland entsandt worden sein sollten. Denn auch in diesem Fall führte die Beklagte mit diesen Arbeitnehmern keine baulichen Leistengen aus, weil die Tätigkeiten der Arbeitnehmer nach dem Willen der Beklagten nicht darauf gerichtet waren, bauliche Tätigkeiten für die Beklagte zu erbringen
Weil von der Beklagten danach im Klagezeitraum in Deutschland keine baulichen Leistungen erbracht worden sind, schuldet sie dem Kläger nicht die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihr im Klagezeitraum nach Deutschland entsandten Personen.
Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beklagte im Jahre 1999 unstreitig in Portugal bauliche Leistungen erbrachte und nichts dafür spricht, dass die im gesamten Betrieb der Beklagten im Jahre 1999 angefallene Arbeitszeit überwiegend auf die in Deutschland erbrachten Arbeiten (Verleih von Arbeitnehmern) entfallen ist.
§ 1 AEntG knüpft die Erstreckung bautariflicher Bestimmungen über das bautarifliche Urlaubskassenverfahren an die Voraussetzung, dass von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland in Deutschland bauliche Leistungen durchgeführt werden.
§ 1 Abs.3 S.2 AEntG verpflichtet einen Arbeitgeber im Sinne von Abs.1 S.1 zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen an den Kläger. Arbeitgeber iSv § 1 Abs.1 AEntG ist ein solcher mit Sitz im Ausland, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs.1 SGB III erbringt. Betrieb ist die arbeitstechnische Organisationseinheit, die der Arbeitgeber unterhält, ohne dass es darauf ankommt, ob diese im Ausland oder Inland gelegen ist. Werden daher von einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland im einheitlich strukturierten Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nichtbauliche Leistungen erbracht, so finden die bautariflichen Vorschriften keine Anwendung, es sei denn, die Merkmale einer (selbständigen) baugewerblichen Betriebsabteilung sind gegeben, weil § 211 Abs.1 SGB III auch Betriebsabteilungen als Betriebe fingiert. Unterhält demgegenüber ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland eine arbeitstechnische Organisationseinheit, von der überwiegend bauliche Leistungen im Ausland erbracht werden und werden von diesem Arbeitgeber gleichzeitig nichtbauliche Leistungen im Inland durch entsandte Arbeitnehmer durchgeführt (hier: Arbeitnehmerüberlassung), ohne dass damit die nichtbaulichen Leistungen arbeitszeitlich überwiegen, gelten die tariflichen Vorschriften des Baugewerbes nicht. Das folgt aus der gebotenen Auslegung von § 1 AEntG.
Maßgeblich für die Auslegung von § 1 AEntG ist, wie bei der Auslegung jeder gesetzlichen Vorschrift, der zum Ausdruck gekommene objekti€vierte Wille des Gesetzgeber, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesvorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den dieser gestellt ist. Am Wortlaut einer Norm brauchen die Gerichte dabei nicht zwingend halt zu machen. Denn die Bindung der Gerichte an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zu wörtlicher Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Interpretation ist Methode und Weg, auf dem der Richter den Inhalt einer Ge€setzesbestimmung unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in die gesamte Rechtsordnung erforscht, ohne durch den formalen Wortlaut des Gesetzes begrenzt zu sein (BVerfGE 8, 210 (221); 22, 28 (37)). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter der verschiedenen, insbesondere der systematischen und der teleologischen, Auslegungs€methoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Sie stehen zur grammatischen Ausle€gung im Verhältnis gegenseitiger Ergänzung. Dabei kann gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Gesetz und ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vor€schriften den Sinn und Zweck der Norm, also ihre wahre Bedeutung, freilegen (vgl. BVerfGE 35, 263, 278 f).
Eine an diesen Maßstäben orientierte Auslegung von § 1 AEntG ergibt:
Mit der Formulierung "wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen ... erbringt" will der Gesetzgeber erkennbar sicherstellen, dass die Erstreckungswirkung des Gesetzes auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, nicht anders als bei Arbeitgebern mit Sitz im Inland, davon abhängen soll, ob von der arbeitstechnischen Organisationseinheit (= Betrieb) überwiegend bauliche Tätigkeiten erbracht werden. Bedeutung hat das für sog, Mischbetriebe, also solche, von denen sowohl bauliche, von den Bautarifverträgen erfasste, wie nichtbauliche, von den Bautarifverträgen nicht erfasste, Arbeiten durchgeführt werden. Insoweit kommt es auf die auf die jeweiligen Bereiche entfallende Arbeitszeit der Arbeitnehmer pro Kalenderjahr an (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 25. Juli 2001, AP Nr. 240 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Eine weitergehende Bedeutung hat die gesetzliche Formulierung dagegen nicht. Insbesondere lässt sie sich nicht so verstehen, die bautarifvertraglichen Regelungen erstreckten sich auch auf einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seine in Deutschland beschäftigten entsandten Arbeitnehmer, wenn dieser Arbeitgeber zwar im Ausland, aber nicht, auch nicht teilweise, in Deutschland bauliche Leistungen erbringt, solange nur die baulichen Arbeiten insgesamt überwiegen. Dem widerstreitet ein am erkennbaren Zweck des AEntG ausgerichtetes Verständnis der gesetzlichen Regelungen sowie der gebotene Blick auf die Gesamtheit der Regelungen des AEntG.
§ 1 AEntG regelt nicht die Rechtsverhältnisse von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland und ihre im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer. und kann dies auch nicht. Das AEntG verfolgt vielmehr das Ziel, bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen lohnbedingte Wettbewerbsvorteile ausländischer Konkurrenten in den lohnintensiven Bereichen von Bau- und Montageleistungen durch eine Angleichung wesentlicher materieller Arbeitsbedingungen zu beseitigen. Dieser Regelungsgrund des Gesetzes darf nicht unberücksichtigt bleiben, weil sonst der notwendige Sachzusammenhang zwischen Tatbestand und Rechtsfolge der gesetzlichen Bestimmung zerrissen würde. Genau das wäre der Fall, wenn man die erstreckten tariflichen Regelungen auch auf solche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland anwenden würde, die nur im Ausland, nicht aber in Deutschland, baugewerbliche Leistungen erbringen. Solche Arbeitgeber stehen mit ihren in Deutschland erbrachten Leistungen in keinerlei Wettbewerb zu inländischen baugewerblichen Unternehmen. Eine Angleichungsnotwendigkeit der Arbeitsbedingungen dieser Arbeitnehmer an die des Baugewerbes besteht auch im Hinblick auf den Schutz dieser Arbeitnehmer nicht, weil baugewerbliche Arbeiten von Arbeitnehmern in Deutschland gar nicht, auch nicht zum Teil, durchgeführt werden. Ganz in diesem Sinne geht denn auch das BAG (20. Juli 2004 aaO) ganz selbstverständlich davon aus, dass durch § 1 AEntG die bautariflichen Vorschriften über die im Gesetz genannten Arbeitsbedingungen auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland erstreckt werden, die Bauleistungen in Deutschland durchführen.
§ 1a AEntG bestätigt diese Sicht. Der Gesetzgeber sah sich veranlasst, zum 01. Januar 1999 mit § 1a AEntG zusätzlich eine verschuldensunabhängige Haftung, u.a. auch für Sozialkassen€beiträge, desjenigen einzuführen, der einen Unternehmer "mit der Erbringung von Bauleis€tungen" beauftragt. Das zeigt, dass der Gesetzgeber nur solche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland den tariflichen Bestimmungen des Baugewerbes unterwerfen will, die Bauleistungen (auch) in Deutschland erbringen. Denn nur in einem solchen Fall kann die Haftungsregelung des § 1a AEntG für einen Auftraggeber von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland zum Zuge kommen. Ganz in diesem Sinne verpflichtet auch § 3 Abs.1 AEntG einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, der einen Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt, "vor Beginn jeder Bauleistung" eine näher beschriebene Anmeldung vorzunehmen. Eine solche Verpflichtung trifft einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, der in Deutschland gar keine Bauleistungen erbringt, nicht.
Letztlich kommt hinzu:
Durch das AEntG wird die Entsenderichtlinie der EG v. 16. Dezember 1996 (RL 96/71/EG, ABl. EG Nr.L 18/1) umgesetzt. Die Richtlinie betrifft die länderübergreifende Erbringung von Bauleistungen. Nach Art. 3 Abs.1 dieser Richtlinie sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass, unabhängig von dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht, die Unternehmen, die im Rahmen einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates entsenden, den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich bestimmter Arbeitsbedingungen die Bedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, durch für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge festgelegt sind, soweit die im Anhang genannten Tätigkeiten betroffen sind. Die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen Bauleistungen. Werden andere als Bauleistungen länderübergreifend erbracht, ist die Richtlinie grundsätzlich nicht einschlägig. Weil durch das AEntG die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden soll, bekräftigt dies den Befund, dass Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die durch entsandte Arbeitnehmer in Deutschland keine baulichen Leistungen erbringen, von § 1 AEntG nicht erfasst werden.
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass für Arbeitnehmer von Arbeitgebern mit Sitz im Inland, die keine baulichen Tätigkeiten ausführen, jedoch in einem Betrieb beschäftigt sind, von dem arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten ausgeführt werden, die bautariflichen Vorschriften gelten. Denn dies ist Folge des von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in § 1 Abs.2 Abschn VI VTV normierten Prinzips, dass es für die Geltung der Bautarifverträge nur auf die arbeitszeitlich überwiegende Erbringung von baulichen Arbeitsleistungen ankommt, nicht aber darauf, ob der einzelne Arbeitnehmer seinerseits bauliche Tätigkeiten durchführt bzw. vertraglich durchzuführen hat. Hier geht es dagegen um die Frage, ob § 1 AEntG dieses tarifliche Regelungsmodell auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer übernommen hat. Diese Frage beantwortet sich nach dem Inhalt der gesetzlichen Bestimmung des § 1 AEntG, weil allein § 1 AEntG festlegt, wer Adressat der gesetzlichen Regelung ist. Das ist aber nach dem Vorgesagten nicht ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, der in Deutschland keinerlei baulichen Leistungen erbringt.
Einem etwaigen Gebot gleichartiger Behandlung von In- und Ausländern ist im übrigen dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, der in Deutschland neben baulichen Tätigkeiten auch nichtbauliche Tätigkeiten durchführt, dann von der Erstreckungswirkung des § 1 AEntG erfasst wird, wenn im einheitlich strukturierten Betrieb bauliche Leistungen (auch unter Anrechnung der Tätigkeiten im Ausland) überwiegen oder eine die Tätigkeiten in Deutschland erfassende Betriebsabteilung existiert, von der bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden. In einem solchen Fall ist ein Konkurrenzverhältnis zu vergleichbaren deutschen Unternehmen gegeben. Darüber hinaus besteht auch ein Bedürfnis für die Angleichung der Arbeitsbedingungen der entsandten Arbeitnehmer an die in Deutschland für Inländer geltenden, weil eben auch bauliche Tätigkeiten in Deutschland durchgeführt werden und deren Durchführung dann zu einer Geltung der bautarifvertraglichen Regelungen führt, wenn diese Tätigkeiten unter den vorgenannten Voraussetzungen vom Betrieb oder der baulichen Betriebsabteilung überwiegend durchgeführt werden.
Weil von der Beklagten im Klagezeitraum überhaupt keine baulichen Leistungen in Deutschland erbracht worden sind, schuldet sie für die nach Deutschland entsandten Personen auch nicht die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen an den Kläger.
Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man, wie vorstehend ausgeführt, davon ausgeht, dass die Beklagte der Firma Xxxxxxx Arbeitnehmer leihweise zur Verfügung gestellt hatte. Zwar bestimmt § 1 Abs.2a AEntG mittlerweile, dass dann, wenn ein Leiharbeitnehmer von einem Entleiher mit Tätigkeiten beschäftigt wird, die in den Geltungsbereich der Bautarifverträge fallen, der Verleiher die dem Kläger nach den Bautarifverträgen zustehenden Beiträge zu leisten hat. Diese Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen bestand jedoch 1999 noch nicht. Eine solche Verpflichtung des Verleihers ist erst durch Art.6a Ziff. 1 des ersten Gesetzes über moderne Dienstleistungen v. 23. Dezember 2002 (BGBl I S.4607 ff) in das AEntG eingefügt worden. Geltung hat § 1 Abs.2a AEntG in dieser Fassung erst ab 01. April 2003 (Art. 12 Abs.1a). Das schließt es aus, diese Norm auch auf Sachverhalte des Jahres 1999 anzuwenden.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 91 ZPO)
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs.2 Nr. 1 ArbGG
Ende der Entscheidung
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