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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 530/02
Rechtsgebiete: TVG, AEntG, VTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 4 Tarifkonkurrenz
AEntG § 1
VTV/Bau § 1 Abs. 2
§ 1 Abs. 3 AEntG normiert eine gesetzliche Verpflichtung inländischer baugewerblicher Arbeitgeber, der in den für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträgen enthaltenen Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer nachzukommen. Allein die Mitgliedschaft des Arbeitgebers in einem Arbeitgeberverband, der einen spezielleren Tarifvertrag abgeschlossen hat, kann diese gesetzliche Verpflichtung nicht beseitigen. Aus diesem Grunde kann der Rspr. des BAG zur Tarifpluralität für den Bereich der gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nicht gefolgt werden. (Abweichung von der st. Rspr. des 10. Senats des BAG, zuletzt BAG 04.12.2002 AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Urteil

Aktenzeichen: 16 Sa 530/02

Verkündet laut Protokoll am 14. Juli 2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht Kammer 16 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2003

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hattesen als Vorsitzenden und die ehrenamtliche Richterin Strack und den ehrenamtlichen Richter Artzen als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden v. 06.02.2000 - 7 Ca 2642/00 - abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt,

1.1 dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular darüber Auskunft zu erteilen, wie viele Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI), über die gesetzliche Rentenversicherung eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübten (gewerbliche Arbeitnehmer) in den Monaten Mai 2000 bis Juli 2001 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme für diese Arbeitnehmer und die Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft insgesamt in den genannten Monaten angefallen sind;

1.2 dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular darüber Auskunft zu erteilen, wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI), Versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten - mit Ausnahme der geringfügig Beschäftigten i. S. v. § 8 SBG IV - in den Monaten Mai 2000 bis Juli 2001 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungskassenbeiträge in den vorgenannten Monaten jeweils angefallen sind;

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu 1.1 10.798,48 €

zu 1.2 690,24 €

Gesamtbetrag: 11.488,72 €

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Auskunftsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Mai 2000 bis Juli 2001.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Beklagte, der 1997 die Meisterprüfung zum Zimmerer bestanden hat, eröffnete zum 01.09.1998 einen, nicht zur produktiven Winterbauförderung herangezogenen Betrieb, von dem arbeitszeitlich überwiegend Holztreppen und -geländer hergestellt und montiert werden. Seit 18. April 2000 ist der Beklagte Mitglied der Schreinerinnung ..., die wiederum Mitglied des Verbandes Holz und Kunststoff Bayern ist, der am 19.01.1999 mit dem Landesverband Bayern der Christlichen Gewerkschaft Deutschlands (CGD) und dem Landesverband Bayern des Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverbandes einen Manteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten im Bayerischen Schreinerhandwerk (MTV/Schreinerhandwerk) abgeschlossen hat. Die Frage, ob es sich bei der CGD um eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne handelt, ist Gegenstand eines von den Gewerkschaften IG Metall und IG Bau eingeleiteten Beschlussverfahrens. Mit Beschluss vom 17.10.2002 (2 BV 3/00) hat das Arbeitsgericht Gera diese Frage verneint. Derzeit ist das Verfahren in der Beschwerdeinstanz beim Thüringer Landesarbeitsgericht (1 TaBV 9/03) anhängig. Keiner der beim Beklagten im Klagezeitraum beschäftigten Arbeitnehmer war Mitglied der CGD oder des Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverbandes.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im gesamten Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb unterhalten. Demzufolge sei er zur Erteilung der tarifvertraglich vorgeschriebenen Auskünfte für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte verpflichtet. Bei den durchgeführten Treppenbauarbeiten handele es sich um Zimmererarbeiten. Die tarifvertragliche Ausnahmebestimmung für Betriebe des Schreinerhandwerks könne dem Beklagten nicht zugute kommen, da er nicht zu einem wesentlichen Anteil der betrieblichen Arbeitszeit Tätigkeiten ausführe, die ausschließlich dem Schreinerhandwerk zuzuordnen seien und zudem auch keine gelernten Schreiner beschäftige. Jedenfalls seien bei ihm auch Zimmerer und Holzbauwerker tätig. Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität mit dem MTV/Schreinerhandwerk seien nicht gegeben. Im Übrigen stehe die Wirksamkeit dieses Tarifvertrages deshalb in Frage, weil die Tariffähigkeit der CGD zweifelhaft sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

2. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft zu erteilen,

2.2 wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) Versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Mai 2000 bis Juli 2001 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,

2.3 wie viel Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) Versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten - ausgenommen sind geringfügig Beschäftigte i.S.d. § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) - in den Monaten Mai 2000 bis Juli 2001 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu 1.1: € 10.798,48

zu 1.2: € 690,24

Gesamtbetrag: € 11.488,72.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, jedenfalls aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Schreinerinnung finde der MTV/Schreinerhandwerk auf seinen Betrieb Anwendung, dieser verdränge, weil er spezieller sei, die Bautarifverträge.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.02.2002 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 106 -111 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 14.10.2002 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er verfolgt sein erstinstanzliches Auskunftsbegehren in vollem Umfang weiter und trägt vor, das Arbeitsgericht sei mangels fehlender Mitgliedschaft eines der Arbeitnehmer des Beklagten in einem Arbeitnehmerverband, der den MW/ Schreinerhandwerk abgeschlossen habe, zu Unrecht von einem Vorrang dieses Tarifvertrages gegenüber den Bautarifverträgen ausgegangen. Jedenfalls seien die Bautarifverträge spezieller, weil der fachliche Geltungsbereich des MTV/Schreinerhandwerk weiter sei, weil er sogar die Herstellung von Trommeln, Segelflugzeugen sowie Gehäusen von Rundfunk- und Fernsehgeräten umfasse. Zudem sei der CGD nicht tariffähig.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung, wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, auf die Gewerkschaftsmitgliedschaften seiner Arbeitnehmer komme es schon deshalb nicht an, weil er mit den Arbeitnehmern seit seiner Verbandsmitgliedschaft Arbeitsverhältnisse geschlossen habe, in denen auf die Geltung der einschlägigen Tarifverträge des Bayerischen Schreinerhandwerks und damit auch auf den MTV/Schreinerhandwerk Bezug genommen worden sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschriften über die Berufungsverhandlung am 14.10.2002 und 14.07.2003 Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat die Akten des bezeichneten Beschlussverfahrens zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung Erfolg. Der Kläger kann von dem Beklagten die begehrten Auskünfte verlangen.

Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren ist § 21 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20.12.1999 in den für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen. Die in dieser Tarifnorm statuierte, dem Klagebegehren entsprechende Auskunftspflicht trifft den Beklagten, weil der VTV für ihn im Klagezeitraum galt. Dass der Beklagte nicht Mitglied einer der tarifvertragschließenden Verbände VTV ist, spielt keine Rolle, da dieser Tarifvertrag in sämtlichen für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen für allgemeinverbindlich erklärt war und damit auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber galt (§§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 2 TVG). Der Beklagte unterhielt im Klagezeitraum auch einen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

Nach § 1 Abs. 2 VTV fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages diejenigen Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der Abschnitte I - IV durchgeführt werden (ständige Rechtsprechung seit BAG 18.01.1984, AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob hiernach bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 14.07.2000, AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen entfällt, ist nach der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen, soweit sich die Tätigkeiten des Betriebes, wie im vorliegenden Fall, über ein Kalenderjahr erstrecken (vgl. BAG 22.04.1987 und 12.12.1988, AP Nr. 82 und 106 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Schließlich ist Bedacht darauf zu nehmen, ob der Betrieb unter die Ausnahmebestimmung des Abschnitts VII des § 1 Abs. 2 VTV fällt.

Nach diesen Maßstäben war der Betrieb des Beklagten im gesamten Klagezeitraum ein baugewerblicher im tariflichen Sinne.

Treppenbauarbeiten, nämlich die Herstellung und anschließende Montage von Holztreppen, sind Zimmererarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 42 VTV, weil die Tarifvertragsparteien mangels eigener Begriffsbestimmung den im Arbeits- und Wirtschaftsleben üblichen Begriffsinhalt zugrunde legen und Tätigkeiten des Treppenbaus nach Berufsrecht und Berufskunde und damit nach der Üblichkeit im Arbeits- und Wirtschaftsleben den Tätigkeiten des Zimmerergewerbes zugerechnet werden (vgl. BAG 25.07.2001, AP Nr. 240 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.). Die zum 01. August 1999 in Kraft getretene geänderte Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 02. Juni 1999 (BGBl. I 1999, S. 1102 ff.) hat daran nichts geändert. Denn zum Ausbildungsberufsbild des Zimmerers gehört nach § 38 Nr. 10 der VO das Herstellen, Einbauen und Befestigen von Bauteilen, unter Bauteilen versteht der Verordnungsgeber, wie der Ausbildungsrahmenplan über die Berufsausbildung zum Zimmerer/ zur Zimmerin belegt (Anlage 7 zu § 39 Nr. 10 c) auch Treppen (vgl. Kammerurteil vom 22.04.2002 - 16 Sa 1816/01).

Ob es sich bei den hergestellten Treppen um Fertigbauteile handelt, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn man davon ausgeht, ist nämlich § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV einschlägig, weil die selbst hergestellten Treppen ausschließlich vom Betrieb des Beklagten selbst eingebaut werden. Auch die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) für Fertigbauarbeiten zu II. der Bekanntmachung über die AVE für das Baugewerbe vom 17.01.2000 (BAnz. Nr. 20 vom 24.01.2000) ist insoweit bedeutungslos. Denn danach werden von der AVE-Einschränkung nur solche Fertigbauarbeiten ausführenden Betriebe nicht erfasst, die seit einem Jahr Fertigbauarbeiten ausführen. Die AVE-Einschränkung ist am 01.04.1999 in Kraft getreten (vgl. BAG 25.07.2001, AP Nr. 242 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), der Beklagte hat seine Tätigkeit im September 1998 und damit nicht (erst) ein Jahr vor Inkrafttreten der Einschränkungsklausel aufgenommen. Im Übrigen ist der Beklagte auch weder unmittelbar noch mittelbar Mitglied eines der in der AVE-Einschränkung zu 1. 1. genannten Industrieverbände.

Der Betrieb des Beklagten ist auch nicht als Betrieb des Schreinerhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV vom Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgenommen. Zwar zählt der Holztreppenbau auch zum Schreinerhandwerk (vgl. BAG 25.07.2001, a.a.O., m.w.N.). § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV enthält jedoch eine Rückausnahmeregelung. Danach werden von der Ausnahmebestimmung in der ab 01.01.1996 gültigen Fassung (Änderungstarifvertrag vom 30.11.1995) u.a. nicht erfasst: Betriebe des Schreinerhandwerks, soweit Fertigbau- oder Zimmererarbeiten ausgeführt werden. Das kann nur so verstanden werden, dass Betriebe des Schreinerhandwerks, die Tätigkeiten erbringen, die nach Herkommen und Üblichkeit - wie Treppenbauarbeiten - (auch) von Zimmerern durchgeführt werden, aufgrund der Rückausnahme wiederum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich den Begriff "Zimmererarbeiten", wie der Eingangssatz des § 1 Abs. 2 Abschnitt V (diejenigen Betrieben, "in denen Arbeiten der nachstehenden Art durchgeführt werden") als generalisierende Tätigkeitsbeschreibung und damit als Kennzeichnung einer Menge von Einzeltätigkeiten, nämlich solcher, die herkömmlicherweise von Zimmerern ausgeführt werden, charakterisiert (vgl. Kammerurteil vom 03.07.1995 - 16 Sa 1779/94). Zu derartigen Tätigkeiten gehört auch das Herstellen und Einbauen von Holztreppen. Solche Tätigkeiten sollen, wie die Rückausnahmebestimmung des Abschnitts VII Nr. 11 zeigt, unbeschadet des Umstandes, dass sie (auch) dem Schreinerhandwerk zuzurechnen sind, nach der Rückausnahme wiederum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen (vgl. BAG 27.08.1996, AP Nr. 70 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 22.09.1993, AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG 04.05.1994 - 10 AZR 353/91, jeweils zu Trocken- und Montagebauarbeiten). Nichts anderes gilt, wenn man die Treppenbauarbeiten des Beklagten als Fertigbauarbeiten einordnet.

Auf die Frage, ob und in welchem Umfang vom Betrieb gelernte Schreiner beschäftigt werden, kommt es, soweit die Rückausnahme eingreift, nicht an (vgl. Kammerurteile vom 30.10.2000 - 16 Sa 759/00 - LAGE § 4 TVG Bauindustrie Nr. 4 und vom 15.10.2001 - 16 Sa 748/01). Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben nämlich eben auch solche Betriebe des Schreinerhandwerks, die arbeitszeitlich überwiegend Zimmererarbeiten ausführen, tarifrechtlich dem Baugewerbe zugeordnet. Damit ist die von der Rechtsprechung des BAG vor Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages vom 30.11.1995 zu Treppenbauarbeiten vertretene differenzierende Auffassung (vgl. BAG 25.07.2001, a.a.O.; BAG 22.11.1995 - 10 AZR 981/94) überholt.

Der danach kraft AVE für den Betrieb des Beklagten geltende VTV wird auch nicht durch den MTV/Schreinerhandwerk verdrängt. Auf die Frage, ob es sich bei dem CGD um eine Gewerkschaft handelt und damit der MTV/Schreinerhandwerk von tariffähigen Parteien abgeschlossen worden ist, kommt es nicht an. Denn diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, so dass eine Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG nicht in Betracht kommt.. Es kann vielmehr unterstellt werden, dass der CGD eine Gewerkschaft im Sinne des TVG ist. Denn auch dann gelten die Bestimmungen des VTV im Klagezeitraum für den Betrieb des Beklagten.

Richtig ist freilich, dass der Betrieb des Beklagten unter fachlichen (betrieblichen) Geltungsbereich des MTV/Schreinerhandwerk fällt, weil dieser die Herstellung und Reparatur u.a. von Treppen und Treppengeländern umfasst (Ziffer 1 b MTV/Schreinerhandwerk). Daraus folgt jedoch nicht, dass dieser Tarifvertrag dem VTV vorgeht.

Ein Fall der Tarifkonkurrenz, der nach den Grundsätzen der Spezialität zugunsten des MTV/Schreinerhandwerk aufzulösen wäre, liegt nicht vor.

Eine Tarifkonkurrenz ist dann gegeben, wenn beide Parteien eines Arbeitsvertrages gleichzeitig an zwei verschiedene, miteinander konkurrierende Tarifverträge kraft Tarifrechts gebunden sind, weil sie entweder Mitglied der Tarifvertragsparteien beider Tarifverträge sind oder weil sie an einen Tarifvertrag kraft Mitgliedschaft bei den Tarifvertragsparteien gebunden sind und ihr Arbeitsverhältnis gleichzeitig von einem anderen, für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag erfasst wird (vgl. BAG 05.09.1990, AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Zwar ist der Beklagte an den MW/Schreinerhandwerk kraft Mitgliedschaft gebunden (§ 3 Abs. 1 TVG). Unstreitig war jedoch während des Klagezeitraums kein Arbeitnehmer des Beklagten Mitglied einer der Verbände, die auf Arbeitnehmerseite diesen Tarifvertrag abgeschlossen haben. Damit kommt eine unmittelbare und zwingende Geltung der Tarifnorm des MTV/Schreinerhandwerk für die im Klagezeitraum begründeten Arbeitsverhältnisse zum Beklagten nicht in Betracht, da die Vorschriften dieses Tarifvertrages mangels AVE nur bei beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend gelten können (§ 4 Abs. 1 TVG).

Eine Tarifkonkurrenz wurde auch nicht dadurch begründet, dass der Beklagte, wie er insoweit unbestritten vorgetragen hat, den MTV/Schreinerhandwerk im Betrieb anwendet. Denn durch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung eines Tarifvertrages kann keine normative und zwingende Wirkung der Tarifnormen begründet werden (vgl. BAG 22.09.1993 und 04.12.2002, AP Nr. 21 und 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Kammerurteil vom 30.10.2000, a.a.O.).

Der MTV/Schreinerhandwerk verdrängt den VTV auch nicht als speziellerer Tarifvertrag deshalb, weil ein Fall der Tarifpluralität gegeben und der MTV/ Schreinerhandwerk vorrangig ist. Entgegen der Rechtsprechung des BAG muss in Fällen der Tarifpluralität nicht ein Tarifvertrag zurücktreten.

Richtig ist, dass im Betrieb des Beklagten im Klagezeitraum Tarifpluralität herrschte. Von einer solchen wird nämlich gesprochen, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich mindestens zweier miteinander kollidierender Tarifverträge erfasst wird und nur der Arbeitgeber an beide Tarifverträge gebunden ist, während für die Arbeitnehmer, je nach Tarifbindung, entweder nur einer der beiden Tarifverträge oder beide konkurrierend Anwendung finden (vgl. BAG 26.01.1994, AP Nr. 22 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). So ist es hier. Denn der VTV findet kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung, der MTV/Schreinerhandwerk kraft Mitgliedschaft des Beklagten in einem tarifvertragschließenden Verband (§ 3 Abs. 1 TVG) im Betrieb Anwendung.

Fälle der Tarifpluralität werden, ebenso wie solche der Tarifkonkurrenz nach der Rechtsprechung des BAG nach dem Prinzip der Tarifeinheit im Regelfall dahingehend aufgelöst, dass nur der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. BAG 24.01.1990 u. 25.07.2001, AP Nr. 126 u. 242 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 26.01.1994 u. 04.12.2002, AP Nr. 22 u. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). An dieser Rechtsprechung hat der 10. Senat trotz der fast einhellig ablehnenden Ansicht in der Literatur (vgl. Wiedemann/Wank, TVG, 6. Aufl. 1999, § 4 RdZiff. 277 ff. m.w.N.) und der diese Bedenken aufnehmenden Rechtsprechung der Berufungskammer im Hinblick auf die Funktionalität gemeinsamer Einrichtungen festgehalten (vgl. BAG 04.12.2002, a.a.O.).

Dieser Rechtsprechung vermag die Berufungskammer auch nach erneuter Prüfung nicht zu folgen.

Dem 10. Senat des BAG, der selbst konstatiert, dass eine "rein dogmatische" Beantwortung der Frage, ob im Falle der Tarifpluralität ein Tarifvertrag zurücktreten muss, zu ihrer Verneinung führen muss (vgl. BAG 26.01.1994 aaO.), ist es bislang nicht gelungen, eine, der geltenden Rechtslage entsprechende Begründung für seine Ansicht zu finden und insbesondere einen Verstoß der Rechtsprechung gegen § 5 Abs. 4 TVG zu widerlegen. Die vom BAG beschworenen "Gründe der Praktikabilität" sind nichts anderes als rechtspolitische Termini, die den Weg zu beliebigen Ergebnissen offen lassen (vgl. Kraft, AuR 1994, 392). Nichts anderes gilt für den Gesichtspunkt der "Funktionalität" gemeiner Einrichtungen. Wieso eine gemeinsame Einrichtung, wie der Kläger, seine Aufgaben nur durchführen können soll, wenn die einschlägigen tarifvertraglichen Vorschriften, hier der VTV, im Betrieb entweder in Gänze gelten oder nicht gelten, erschließt sich nicht.

Freilich übersieht die Berufungskammer nicht, dass die Rechtsprechung des BAG, jedenfalls soweit es um den Bereich der für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträge geht, zur Frage der Tarifpluralität in gefestigten Bahnen zu sein scheint und angesichts der letzten Entscheidung vom 04.12.2002 (a.a.O.) alles dafür spricht, dass bereits vorgebrachte Argumente, auch wenn sie als stichhaltiger als die vom BAG geltend gemachten angesehen werden, nur schwerlich geeignet sind, ein Umdenken herbeizuführen. Gleichwohl verbietet sich im vorliegenden Fall eine resignatives "Roma locuta, causa finita". Denn jedenfalls seit der Änderung des AEntG mit Wirkung zum 01.01.1999 können die bisherigen Argumentationsstrukturen des BAG nicht mehr überzeugen.

Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG ist ein Arbeitgeber im Sinne des Abs. 1 Satz 1 (Arbeitgeber mit Sitz im Ausland) verpflichtet, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien die ihr nach Satz 1 zustehenden Beiträge (Urlaubskassenbeiträge nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen des Baugewerbes) zu leisten. Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 AEntG gilt dies auch für ein unter den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages fallenden Arbeitgeber mit Sitz im Inland unabhängig davon, ob der Tarifvertrag kraft Tarifbindung nach § 3 TVG oder aufgrund AVE Anwendung findet. Das lässt sich nur so verstehen, dass es sich bei der Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen des Baugewerbes um auf Gesetz und nicht auf Tarifrecht beruhende Leistungspflichten handelt. Entsprechend ist es Arbeitgebern auch nicht möglich, speziellere Firmentarifverträge abzuschließen, durch die die Geltung dieser Tarifverträge ausgeschlossen wird (vgl. BAG 25.06.2002, AP Nr. 12 zu § 1 AEntG). Nichts anderes kann bei Mitgliedschaft des baugewerblichen Arbeitgebers in einem Verband gelten, der einen spezielleren Tarifvertrag als den VTV abgeschlossen hat. Auch in diesem Fall muss es bei der Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den einschlägigen bautarifvertraglichen Regelungen verbleiben, soweit die Arbeitnehmer nicht ebenfalls kongruent tarifgebunden sind.

Entgegen dem 10. Senat des BAG (04.12.2002, a.a.O.) handelt es sich bei § 1 Abs. 3 Satz 3 AEntG auch nicht lediglich um eine klarstellende Bestimmung zu § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG, deren Zweck sich darin erschöpft, dass sie als Gebotsnorm den rechtstechnisch erforderlichen Anknüpfungspunkt für die in § 5 AEntG enthaltene Bußgeldbewehrung bildet. § 1 Abs. 3 Satz 3 AEntG dient nach dem Willen des historischen Gesetzgebers der wirksamen Durchführung des Gesetzes (vgl. BT/Drucks. 14/45, S. 17). Damit wäre es nicht vereinbar, wenn durch tarifliche Regelungen anderer Koalitionen das Urlaubskassenverfahren ausgehebelt werden könnte. Mit dieser gesetzlichen Zweckrichtung, die im Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 3 AEntG ausreichenden Ausdruck gefunden hat, lässt sich die Rechtsprechung des BAG zur Tarifpluralität bei gemeinsamen Einrichtungen von Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nicht vereinbaren.

Ein anderes Verständnis von § 1 Abs. 3 Satz 3 AEntG würde zudem europarechtliche Probleme aufwerfen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (24.01.2002, NZA 2002, 207 Portugaia Construzoes) handelt es sich um eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, wenn ein inländischer Arbeitgeber für den in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag festgesetzten Mindestlohn durch den Abschluss eines Firmentarifvertrages unterschreiten kann, während dies einem Arbeitgeber, der in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist, nicht möglich ist. Nichts anderes kann gelten, wenn es einem inländischen Arbeitgeber, dessen Betrieb unter den Geltungsbereich der Bautarifverträge fällt, möglich wäre, durch bloße Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband, der einen Tarifvertrag mit einem spezielleren Geltungsbereich abgeschlossen hat, Verpflichtungen zur Abführung von Sozialkassenbeiträgen "zu entgehen". Denn derartiges ist einem ausländischen Arbeitgeber regelmäßig mangels Mitgliedschaft in einem deutschen Arbeitgeberverband nicht möglich.

Aus alledem folgt, dass ein kraft AVE oder kraft Mitgliedschaft an den VTV gebundene Arbeitgeber im Inland unbeschadet gleichzeitiger Mitgliedschaft in einem konkurrierenden Arbeitgeberverband und Bindung an dessen spezielleren Tarifvertrag verpflichtet ist, jedenfalls für die nicht vom entsprechenden spezielleren Tarifvertrag kraft Tarifbindung erfassten Arbeitnehmer Urlaubskassenbeiträge an den Kläger zu zahlen. Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass Funktionalitätsüberlegungen die Auflösung einer Tarifpluralität durch Vorrang des spezielleren Tarifvertrages nicht zu tragen vermögen. Denn die vom BAG angeführten praktischen Schwierigkeiten - so sie denn überhaupt bestehen sollten - nimmt der Gesetzgeber, soweit es sich um Urlaubskassenbeiträge handelt, bewusst in Kauf. Dann steht nichts entgegen, die ohnehin dem Gesetz fremde Rechtsprechung des BAG zur Tarifpluralität vollständig zu verabschieden und es bei der gesetzlichen Rechtslage zu belassen: Diese ist eindeutig: allein die Bindung des Arbeitgebers an einen spezielleren Tarifvertrag kann ihn von Verpflichtungen aus dem für allgemeinverbindlich erklärten VTV nicht befreien.

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die im Rahmen der AVE des VTV vorgenommenen Einschränkungen der AVE. Diese verfolgen gerade den Zweck, Tarifkonkurrenzen und Tarifpluralitäten zu vermeiden. Liegen die Voraussetzungen einer Einschränkung der AVE, wie im vorliegenden Fall, nicht vor, so muss es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtslage bleiben. Tarifkonkurrenzen, also das Zusammentreffen verschiedener Tarifverträge im Einzelarbeitsverhältnis, müssen, weil die Geltung unterschiedlicher tariflicher Regelungen im Einzelarbeitsverhältnis nicht möglich ist, aufgelöst werden. Tarifpluralitäten, also die Bindung des Arbeitgebers an mehr als einen Tarifvertrag bleiben, soweit nicht gleichzeitig eine Tarifkonkurrenzsituation vorliegt, bestehen. In diesem Fall gilt der Tarifvertrag, der für das einzelne Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, das ist, bei fehlender Tarifbindung des Arbeitnehmers, der für allgemeinverbindlich erklärte.

Weil der VTV danach für den Betrieb des Beklagten im Klagezeitraum galt, schuldet dieser die tarifvertraglich normierten Auskünfte. Der Ausspruch über die Entschädigungssumme beruht auf § 61 Abs. 2 ArbGG. Der Höhe nach entspricht die geforderte Entschädigungssumme nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers 80% der mutmaßlichen Beiträge. Das ist angemessen und ausreichend (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 14.07.2000, a.a.O.).

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er unterlegen ist (§ 91 ZPO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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