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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.03.2006
Aktenzeichen: 16 Sa 723/05
Rechtsgebiete: AEntG


Vorschriften:

AEntG § 1
Zur Frage, ob die Verbindlichkeiten eines polnischen Unternehmens zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach polnischem Recht auf ein anderes polnisches Unternehmen übergegangen sind.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 14. Dezember 2004 - 2 Ca 1505/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte, eine juristische Person polnischen Rechts, verpflichtet ist, an den Kläger für die von Herrn Xxx Xxxxxx, der mit Sitz in Xxxxxx (Polen) ein baugewerbliches Unternehmen unterhielt, in den Jahren 1999 und 2000 in Deutschland eingesetzten und mit Trockenbauarbeiten beschäftigten, aus Polen nach Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmer Beiträge nach dem baugewerblichen Urlaubskassenverfahren zu zahlen.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung für gewerbliche Arbeitnehmer zu sichern. Zu diesem Zweck haben die dem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitgeber Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes zu zahlen.

Die Beklagte, die ihren Sitz in Xxxxxx (Polen) hat, wurde am 27. Januar 2003 beim Amtsgericht Xxxxxxx-Xxxxx als Gesellschaft mit beschränkter Haftung polnischen Rechts (sp.z.o.o.) ins Unternehmensregister eingetragen. Einer ihrer Gesellschafter ist Xxx Xxxxxxx. In Neuss unterhält die Beklagte eine Niederlassung. Mit Schreiben vom 25. April 2004 (Bl. 39 d.A.) teilte die Beklagte dem Landesarbeitsamt Nordrhein Westfalen unter Beifügung einer Bescheinigung des polnischen Ministeriums für Wirtschaft, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 9 d.A. Bezug genommen wird, mit, die Einzelpersonenfirma Xxx Xxxxxxx werde mit Wirkung vom 01. Mai 2003 in ihrer Firma aufgehen und als Nachfolgerin sämtliche Bauvorhaben weiterführen, das Einverständnis des Auftraggebers der Firma Xxxxx liege vor.

Mit seiner Klage vertritt der Kläger die Ansicht, die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin der Einzelfirma Xxx Xxxxxxx. Das ergebe sich sowohl aus dem Schreiben der Beklagten vom 25. April 2004 an das Xxxxxxx wie auch aus der Bescheinigung des Polnischen Wirtschaftsministeriums. Demzufolge sei die Beklagte zur Zahlung der Urlaubskassenbeiträge verpflichtet, die Xxx Xxxxxxx aufgrund seiner Tätigkeit in Deutschland im Zeitraum von Januar 1999 bis Dezember 2000 schulde. Mangels Abgabe von Meldungen durch Xxx Xxxxxxx über deren Höhe errechne er diese aus den sich aus den § 3-Meldungen ergebenden Beschäftigungszeiten der gewerblichen Arbeitnehmer, der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Baugewerbe, dem tariflichen Mindestlohn und dem Urlaubskassenbeitragssatz. Insoweit ergäben sich insgesamt € 36.733,66. Hinsichtlich der klägerischen Berechnung wird die Klageschrift (Bl. 5/6 d. A.) und die dieser beigefügte Anlage K 4 (Bl 15 bis 18 d.A.) Bezug genommen..

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 36.733,66 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie hat gemeint, eine Zahlungsverpflichtung bestehe nicht. Sie sei nicht Rechtsnachfolgerin von Xxx Xxxxxxx. Vielmehr habe sie lediglich zwei noch nicht vollständig ausgeführte Werkverträge von dessen Unternehmen übernommen und auch in eigenem Namen weitere Werkverträge geschlossen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Dezember 2004 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 73 bis 79 d.A) Bezug genommen

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 27. März 2006 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er verfolgt sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter und trägt vor, entgegen dem Arbeitsgericht habe die Beklagte das einzelkaufmännische Unternehmen von Xxx Xxxxxxx übernommen und hafte deshalb für die von jenem geschuldeten Urlaubskassenbeiträge. Nach polnischem Recht hafte der Erwerber eines Unternehmens mit dem Veräußerer gesamtschuldnerisch für dessen mit der Führung des Unternehmens zusammenhängende Verpflichtungen. Die Rechtsnachfolge ergebe sich zwingend aus der Bescheinigung des polnischen Wirtschaftsministeriums und zudem aus dem Schreiben der Beklagten an das Xxx.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteil die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 36.733,66 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihre Ansicht, dass sie nicht kraft Rechtsnachfolge für Verpflichtungen von Xxx Xxxxxxx ais dessen Tätigkeit in Deutschland hafte.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 27. März 3006 Bezug genommen..

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Für das Klagebegehren gibt es keine Rechtsgrundlage.

Die Beklagte schuldet dem Kläger nicht nach § 1 Abs.3 AEntG iVm § 8.15 BRTV/Bau und den in den Jahren 1999 und 2000 gültigen Bestimmungen des VTV Urlaubskassenbeiträge. Denn unstreitig beschäftigte die Beklagte im Klagezeitraum keine gewerblichen Arbeitnehmer in Deutschland.

Die Beklagte schuldet dem Kläger auch nicht deshalb die Zahlung des geforderten Betrages, weil sie für Verbindlichkeiten des von Xxx Xxxxxxx als Einzelperson betriebenen Unternehmens zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für den Klagezeitraum einzustehen hat.

Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens Xxx Xxxxxxx zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen sind nicht kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen.

Maßgeblich ist insoweit polnisches Recht. Nach Art.33 Abs.3 EGBGB beurteilt sich nämlich der Eintritt eines gesetzlichen Forderungsübergangs bei Verpflichtungen eines Dritten zur Befriedigung des Gläubigers nach dem Recht, auf dem die Verpflichtung des Dritten beruht Damit muss auch dieses Recht bestimmen, ob die Voraussetzungen eines gesetzlichen Forderungsübergangs (überhaupt) erfüllt sind (vgl. Erman/Hohloch BGB 11. Aufl. 2004 Art. 33 EGBGB Rz 10; Staudinger/Haussmann BGB 13. Bearb. 2002 Art. 33 EGBGB Rz 84). Das danach maßgebliche Recht ist hier das der Republik Polen. Denn nichts spricht dafür, dass rechtliche Beziehungen zwischen der Beklagten und Xxx Xxxxxxx sich nach einer anderen Rechtsordnung richten könnten. Das sehen auch die Parteien nicht anders.

Eine Haftung der Beklagten für Verbindlichkeiten von Xxx Xxxxxxx zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen an den Kläger folgt nicht aus Art.554 des polnischen Zivilgesetzbuches (ZGB) in der durch Gesetz vom 14. Februar 2003 geänderten Fassung (Dz.U.Nr.49, Pos.408).

Nach dieser Bestimmung haftet zwar der Erwerber eines Unternehmens mit dem Veräußerer gesamtschuldnerisch für dessen mit der Führung des Unternehmens verbundenen Schulden, es sei denn, dass er im Zeitpunkt des Erwerbs trotz Beachtung der erforderlichen Sorgfalt die Schulden nicht kannte. Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach Art.554 ZGB liegen jedoch nicht vor. Denn der Kläger hat keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich herleiten ließe, dass die Beklagte das Unternehmen von Xxx Xxxxxxx, also die organisierte Gesamtheit von immateriellen und materiellen Bestandteilen, die zur Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit erforderlich sind (Art.551 ZGB), erworben hat.

Das zum Unternehmenskauf erforderliche Rechtsgeschäft bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariell beglaubigten Unterschriften der Parteien (Art. 751 § 1 ZGB.) Ist der Veräußerer eine in ein Register eingetragene Person, so ist außerdem die Eintragung der Veräußerung in dieses Register erforderlich (Art.751 § 2 ZGB). Keine dieser Voraussetzungen hat der Kläger hier vorgetragen. Weder hat er vorgebracht, dass ein entsprechender, formgerechter Vertrag zwischen Xxx Xxxxxxx und der Beklagten geschlossen worden ist, noch hat er vorgetragen, dass die Veräußerung des Unternehmens in dem Register, in das Xxx Xxxxxxx mit seiner Firma nach der vom Kläger vorgelegten Auskunft einer Wirtschaftsauskunftei (Bl. 10 d.A.) eingetragen war, vermerkt worden ist.

Der Kläger hat auch keine (Hilfs-)Tatsachen vorgebracht, aus denen in hinreichender Weise darauf geschlossen werden kann, dass das Unternehmen von Xxx Xxxxxxx an die Beklagte veräußert worden ist. Soweit der Kläger auf die Bescheinigung des polnischen Wirtschaftsministeriums und auf das Schreiben der Beklagten an das Xxxxxx verweist, hat das Arbeitsgericht bereits das erforderliche gesagt: Keines dieser Schriftstücke lässt sich als Erklärung (des Wirtschaftsnministeriums bzw. der Beklagten) an den oder die Adressaten deuten, dass es zu einer Unternehmensveräußerung gekommen sei. Dazu sind die verwendeten Begriffe "Nachfolgerin" bzw. "Nachfolgeunternehmen" zu vage und unbestimmt. Denn sie können ohne weiters auch so verstanden werden, dass damit nicht mehr ausgedrückt werden sollte als der Eintritt der Beklagten in die damals noch bestehenden werkvertraglichen Verpflichtungen von Xxx Xxxxxxx zu seinen Auftraggebern. So hat denn auch die Beklagte in ihrem Schreiben vom 25. April 2004 ausdrücklich auf das Einverständnis der Auftraggeber hingewiesen. Eines solchen Einverständnisses hätte es bei gesetzlicher Rechtsnachfolge nicht bedurft.

Eine Haftung der Beklagten für Verpflichtungen von Xxx Xxxxxxx zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen an den Kläger ergibt sich auch nicht, wenn man davon ausgehen wollte, es lägen jedenfalls die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach polnischem und/oder deutschen Recht vor. Danach haftete die Beklagte zwar für die Verbindlichkeiten von Xxx Xxxxxxx aus den im Zeitpunkt des Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnissen ( Art. 23 § 2 Polnischen Arbeitsgesetzbuch [ArbGB], § 613a Abs.1 BGB). Bei den Verpflichtungen von Xxx Xxxxxxx zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen handelt es sich jedoch nicht um Verpflichtungen aus den zu ihm begründeten und u.U. auf die Beklagte übergegangenen Arbeitsverhältnissen, sondern um durch § 1 Abs.3 AEntG begründete gesetzliche Verpflichtungen gegenüber dem Kläger. Im übrigen ergibt sich aus dem Sachvortrag des Klägers ohnehin nicht, dass die im Klagezeitraum bei Xxx Xxxxxxx beschäftigten Arbeitnehmer für diesen im Jahre 2003 noch tätig waren.

Die Beklagte hat Verbindlichkeiten von Xxx Xxxxxxx gegenüber dem Kläger auch nicht rechtsgeschäftlich übernommen. Denn der Kläger hat weder behauptet, dass zwischen der Beklagten und Xxx Xxxxxxx eine Vereinbarung über einen Schuldbeitritt der Beklagten zustande gekommen ist, noch vorgetragen, dass die Beklagte sich dem Kläger gegenüber rechtsgeschäftlich entsprechend verpflichtet hätte. Aus dem Schreiben der Beklagten an das Xxxxxx kann der Kläger schon deshalb nichts herleiten, weil er gar nicht Adressat dieses Schreibens war. Damit fehlt es an Erklärungen der Beklagten gegenüber dem Kläger.

Aufgrund ihres Schreibens an das Xxxxxx und der Bescheinigung des polnischen Wirtschaftsministeriums haftet die Beklagte dem Kläger auch nicht nach Rechtsscheinsgesichtspunkten für Verpflichtungen des Xxx Xxxxxxx zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen. Eine Rechtsscheinhaftung scheidet nämlich schon deshalb aus, weil durch § 1 Abs.3 AEntG ein gesetzliches Rechtsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und dem Kläger begründet wird, soweit die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Bestimmung und die der erstreckten tarifvertraglichen Regelungen gegeben sind. Es gibt keine Möglichkeit für den Kläger - oder den betroffenen Arbeitgeber -, die Durchführung dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses von zusätzlichen Voraussetzungen, wie etwa der Haftung eines Dritten, abhängig zu machen. Dann ist der Kläger auch nicht allein deshalb, weil er auf Grund äußerer Umstände, hier zudem im Nachhinein, darauf vertraut haben mag, schutzbedürftig und schutzwürdig.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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