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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 16 Sa 839/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 767 | |
BGB § 812 | |
BGB § 826 |
Entscheidung wurde am 06.04.2009 korrigiert: der Volltext der Entscheidung wurde wegen fehlerhafter Konvertierung nicht unterstützter Zeichen komplett ersetzt
Die Ausnutzung eines objektiv unrichtigen rechtskräftigen Vollstreckungstitels kann nicht über § 826 BGB korrigiert werden, wenn der Erlass des Titels auf nachlässiger Prozessführung beruht. Nachlässige Prozessführung kann vorliegen, wenn ein Versäumnisurteil auf Zahlung gegen die beklagte Partei ergeht, das im Zeitpunkt seines Erlasses richtig war, der Beklagte innerhalb der Einspruchsfrist, jedoch vor Kenntnis von dem ergangenen Versäumnisurteil, Zahlungen leistet und gegen das Versäumnisurteil keinen Einspruch einlegt.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Januar 2008 - 11 Ca 4440/07 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte der Klägerin wegen der von dem Erblasser betriebenen Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Teilversäumnisurteil Zahlungen schuldet.
Die Beklagte ist Alleinerbin des am 03. Juni 2007 verstorbenen Xxxx Xxxxxxx, der vom 14. März 2002 bis 30. September 2006 bei der Klägerin, die einen baugewerblichen Betrieb unterhält, als Kraftfahrer beschäftigt war.
Mit seiner der Klägerin am 01. Dezember 2006 zugestellten Klage, hinsichtlich deren genauen Inhalts auf Bl. 1 bis 9 der beigezogenen Akten 21 Ca 8426 ArbG Frankfurt am Main Bezug genommen wird, machte der Erblasser gegenüber der Klägerin u.a. Zahlung von Arbeitsvergütung für September 2006 in Höhe von € 3575,99 brutto sowie von € 115,99 netto als Telefonkostenerstattung, jeweils nebst Zinsen, geltend. Im arbeitsgerichtlichen Gütetermin vom 11. Dezember 2006 erwirkte er gegen die nicht erschienene Klägerin, die dortige Beklagte, durch seinen Prozessbevollmächtigten ein entsprechendes Teilversäumnisurteil, welches der Klägerin am 19. Dezember 2006 zugestellt wurde. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Versäumnisurteils wird auf Bl. 13/13R der vorbezeichneten Beiakten Bezug genommen. Vor dem Gütetermin hatte die Klägerin dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Erblassers per Fax vom 08. Dezember 2006 mitgeteilt, sie habe am gleichen Tag per online-banking eine Überweisung an den Erblasser für "Lohn Sept.06" in Höhe von € 2.051,19 in Auftrag gegeben. Am 11. Dezember 2006 befand sich dieser Betrag noch nicht auf dem Konto des Erblassers. Dieser Betrag wurde dem Konto des Erblassers nach dem 11. Dezember, spätestens jedoch am 14. Dezember 2006 gutgeschrieben. Die dem Erblasser bzw. dessen damaligen Prozessbevollmächtigtem zu einem nicht bekannten Datum zugeleitete Lohnabrechnung der Klägerin für September 2006 weist eine Gesamtbruttovergütung von 3.350,51, aufgeschlüsselt u.a. in Lohnartenbezeichnungen für "Arbeitstunden", "Auflösung Ausgleichskonto", "Lohnfortzahlung", Urlaubsentgelt", "zusätzliches Urlaubsgeld", sowie einen Nettobetrag von 2.051,19 aus.
Gegen das Teilversäumnisurteil vom 11. Dezember 2006 legte die Klägerin keinen Einspruch ein. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Erblassers die Klägerin mit Schreiben vom 15. Januar 2007 (Bl. 7/8 d.A.) zur Zahlung des mit Teilversäumnisurteil titulierten Betrages unter Fristsetzung aufgefordert und die Klägerin auf die geleisteten Zahlungen für September 2006 verwiesen hatte, leitete der Prozessbevollmächtigte es Erblassers gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus diesem Versäumnisurteil ein. Im Wege der Zwangsvollstreckung trieb der Prozessbevollmächtigte sechs Zahlungen über insgesamt 2.828,51, darunter Zwangsvollstreckungskosten von € 104,96, bei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Ansicht vertreten, der Erblasser habe zu Unrecht einen Betrag in Höhe von € 2.051,19 erhalten, weil insoweit der Nettolohn doppelt gezahlt worden sei. Diesen Betrag habe ihr die Beklagte als Erbin zu erstatten, weil die Zwangsvollstreckung aus dem Teilversäumnisurteil in unbilliger und sittenwidriger Weise betrieben worden sei.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.051,19 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen eines Titelmissbrauchs lägen nicht vor. Die Beklagte hätte ohne weiteres gegen das Teilversäumnisurteil Einspruch einlegen können, zudem seien mit der erfolgten Zahlung von € 2.051,19 nicht alle titulierten Forderungen ausgeglichen worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10. Januar 2008 stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 60 bis 70 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 11. August 2008 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Sie verfolgt ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter, wiederholt und vertieft ihre Ansicht, wonach die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Titelausnutzung nicht vorlägen und tragt vor, die Klägerin habe im übrigen auch nicht dargetan, dass sie aus dem titulierten Bruttobetrag Steuer- und Sozialversicherung gezahlt habe.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, sämtliche Ansprüche aus dem Versäumnisurteil, sei es brutto oder netto, seien beglichen worden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 11. August 2008 Bezug genommen. Die Akten des zwischen dem Erblasser und der Klägerin geführten Rechtsstreits 21 Ca 8426 ArbG Frankfurt a.M. waren beigezogen und Gegenstand der Berufungsverhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
In der Sache hat die Berufung Erfolg. Die Klägerin kann den begehrten Betrag nicht verlangen, weil hierfür eine Rechtsgrundlage fehlt. Es besteht keine Schuld des Erblassers in der angegebenen Höhe für die die Beklagte als Nachlassverbindlichkeit haften muss (§ 1967 BGB).
Ein Anspruch der Klägerin wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) ist nicht gegeben.
Die zwischen dem 12. und 14. Dezember 2006 geleisteter Zahlung eines Betrages von € 2.051,19 netto an den Erblasser erfolgte nicht ohne rechtlichen Grund. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin hatte der Erblasser aus dem Arbeitsverhältnis zu Beklagten einen Anspruch auf Zahlung dieses Betrages.
Auch ein Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung nach § 812 Abs.1 S.2 2. Alt. BGB besteht nicht. Insoweit kann es dahinstehen, ob die Klägerin mit der nach Zustellung der Klage des Erblassers auf die Septembervergütung erfolgten Zahlung der € 2.051,17 auch, für den Erblasser erkennbar, den Zweck verfolgte, die Erwirkung eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels durch den Erblasser auszuschließen (vgl. OLG Frankfurt a.M. 03. Februar 1961 NJW 1961,1479,15480; J. Braun NJW 1979, 2380), Ein Anspruch der Klägerin scheitert jedenfalls daran, dass ein solcher Anspruch der Klägerin wegen Versäumung tariflicher Ausschlussfristen verfallen ist.
Weil die Beklagte unstreitig einen baugewerblichen Betrieb unterhält, fand auf das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Erblasser, gleichgültig ob die Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden waren oder nicht, der BRTV/Bau Anwendung, weil dieser für allgemeinverbindlich erklärt war und ist (§ 5 Abs.4 TVG). Nach § 15 Abs.1 BRTV/Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Partei erhoben werden.
Bei einem etwaigen Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs.1 S.2 2. Alt. handelt es sich um einen Anspruch "in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis". Dazu gehören alle Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen, auch wenn nur ein entfernter Zusammenhang besteht. Genügend ist es, wenn die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die tatsächliche Grundlage des Anspruchs bildet (vgl. BAG 23. Februar 1999 AP Nr. 4 zu § 611 BGB Arbeitnehmerdarlehen). Tatsächliche Grundlage für einen etwaigen Bereicherungsanspruch der Klägerin wegen Zweckverfehlung war das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, weil insoweit Ansprüche des Erblassers aus dem Arbeitsverhältnis für September 2006 und deren Durchsetzung in Rede stehen. Fällig wäre ein Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Zweckverfehlung mit Erlass des Teilversäumnisurteils, spätestens mit dessen Rechtskraft, weil damit der erstrebte Zweck, nämlich die Vermeidung eines vollstreckbaren Titels nicht mehr eintreten konnte. Rechtskräftig war das Teilversäumnisurteil nach Ablauf von einer Woche nach dessen Zustellung an die Beklagte, mithin mit Ablauf des 27. Dezember 2006 (Mittwoch nach 2. Weihnachtsfeiertag). Dass eine Geltendmachung vor Klageerhebung erfolgte, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen, die am 08. Juni 2007 zugestellte Klage konnte die Zweimonatsfrist des § 15 BRTV/Bau nicht wahren.
Die Klägerin kann den geforderten Betrag auch nicht deshalb nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen, weil der Erblasser zu Unrecht in dieser Höhe die Zwangsvollstreckung betrieben hat.
Der Erfolg eines nach Beendigung der Zwangsvollstreckung geltend gemachten Bereicherungsanspruchs wegen angeblich zu Unrecht vollstreckter Beträge hängt davon ab, ob vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) begründet gewesen wäre. Denn andernfalls wäre die Leistung des Schuldners an den Gläubiger mit Rechtsgrund erfolgt (vgl. BGH 06. März 1987 BGHZ 100, 211 f.). Damit kommt es darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine von der Klägerin erhobene Vollstreckungsgegenklage begründet gewesen wäre oder nicht.
Eine Vollstreckungsgegenklage der Klägerin wäre erfolglos gewesen. Denn nach § 767 Abs.2 ZPO sind Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften der ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Einwendung, dass der durch das Teilversäumnisurteil titulierte Betrag, jedenfalls teilweise, durch Zahlung der Klägerin erfüllt worden sei, ist nach Urteilserlass, aber vor Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil entstanden. Denn die Zahlung von € 2.051,19 erfolgte unstreitig nach dem 11. Dezember, aber nicht später als am 14. Dezember, die Einspruchfrist gegen das Teilversäumnisurteil lief am 27. Dezember 24.00 Uhr ab. Damit stand der Klägerin keine nach § 767 Abs.2 ZPO zulässige Einwendung zur Seite.
Bereits aus dem Wortlaut von § 767 Abs.2 ZPO folgt, dass bei einer Vollstreckungsgegenklage gegen ein Versäumnisurteil nur Einwendungen zulässig sind, die nach Ablauf der Einspruchfrist entstanden sind. Der Zweck der Norm bestätigt diese Sicht, weil die Präklusionswirkung des § 767 Abs.2 ZPO sonst bei Versäumnisurteilen praktische leerliefe (vgl. BGH 21. April 1982 NJW 1982,1812; Musielak/Lackmann ZPO 5. Aufl. 2007 § 767 Rz 38 m.w.N.).
Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn eine titulierte Forderung in Kenntnis der Titulierung vor Ablauf der Einspruchsfrist erfüllt wird (vgl. OLG Hamm 18. Mai 1999 NJW-RR 2000, 659) kann dahinstehen. Hier war der Klägerin bei Zahlung des Betrages von € 2.051,19 das ergangene Teilversäumnisurteil gar nicht bekannt. Dieses wurde der Klägerin erst am 19. Dezember 2006 zugestellt, eine vorherige Kenntnisnahme von dessen Verkündung hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
Die Klägerin kann die begehrte Zahlung auch nicht als Schadensersatz nach § 826 BGB verlangen.
Richtig ist, dass die Ausnutzung eines inhaltlich unrichtigen Vollstreckungstitels unter bestimmten Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch begründen kann und zwar auf Unterlassung der Vollstreckung oder - nach Durchführung der Vollstreckung - auf Ersatz der durch die Vollstreckung entstandenen Vermögenseinbuße. Insoweit reicht die objektive Unrichtigkeit des Titels und die Kenntnis davon allerdings grundsätzlich nicht für sich allein aus, um die Vollstreckung als gegen die guten Sitten iSv § 826 BGB verstoßend erscheinen zu lassen. Die Durchbrechung der Rechtskraft eines Vollstreckungstitels auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB darf vielmehr nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen gewährt werden, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt und die Rechtssicherheit beeinträchtigt würde. Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und ist ein Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips: Was durch eine gerichtliche Entscheidung klargestellt worden ist, soll nicht immer wieder zum Gegenstand neuen Streites gemacht werden (vgl BAG 26. August 1993 AP Nr 113 zu § 626 BGB). Die Rechtskraft muss nur dann zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt (st. Rspr., vgl.: BGH, 9. Februar, NJW 1999, 1257; BGH 30. Juni 1998 NJW 1998, 2818, BGH 29. Juni 2005 NJW 2005,2991; ). Es bedarf mithin besonderer Umstände, aufgrund derer dem Gläubiger zugemutet werden muss, die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufzugeben.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Der Erblasser hat den Titel nicht in unlauterer Weise erschlichen. Auch die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass Ansprüche des Erblassers gegen die Klägerin für September 2006 mindestens in Höhe des eingeklagten Bruttobetrages bestanden haben. Das zeigt die dem Erblasser zugeleitete Lohnabrechnung für September 2006. Ebenso steht nicht im Streit, dass Ansprüche des Erblassers gegen die Klägerin weder im Zeitpunkt der Klageerhebung noch im Zeitpunkt des Erlasses des Versäumnisurteils bereits durch Erfüllung erloschen waren. Allein durch die vor Erlass des Teilversäumnisurteils veranlasste Anweisung der Klägerin an ihre Bank, einen bestimmten Betrag auf das Konto des Erblassers zu überweisen, wurde die entsprechende Leistung noch nicht an den Erblasser bewirkt.
Die Ausnutzung des vom Erblasser erwirkten Titels ist nicht sittenwidrig.
Es ist bereits nicht zweifelsfrei, ob und inwieweit das Teilversäumnisurteil vom 11. Dezember 2006 unrichtig ist und damit dem Erblasser zuviel an Arbeitsvergütung für September 2006 zugeflossen ist..
Durch das Versäumnisurteil ist, wie sich aus der insoweit zur Bestimmung des Streitgegenstandes heranzuziehenden Klageschrift entnehmen lässt, über einen Anspruch des Klägers auf Arbeitsvergütung für September 2006 und Telefonerstattung entschieden worden. Als Arbeitsvergütung wird herkömmlicherweise die Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung bezeichnet (vgl Schaub/Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 12. Aufl. 2007 § 60 Rz 4). Gezahlt wurde von der Beklagten ausweislich ihrer Lohnabrechnung für September 2006 u.a. jedoch auch Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld sowie ein Betrag für die Auflösung des Ausgleichskontos. Bei diesen Beträgen handelt es sich nicht um eine Gegenleistung für die im September 2006 erbrachten Arbeitsleistungen. Das spricht dafür, dass die auf diese Positionen entfallenen Beträge unmittelbar nichts mit der titulierten Forderung zu tun haben.
Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dem Erblasser habe in der Tat nur der Betrag als "Arbeitsvergütung" für September 2006 zugestanden, den die Klägerin in ihrer Lohnabrechnung für diesen Monat genannt hat, nämlich ein Bruttobetrag von € 3.350,51, der einem Nettobetrag von € 2.051,19 entspricht, bleibt fraglich, in welcher Höhe der Erblasser zu viel erhalten hat.
Da in Höhe von € 3.335,75 ein Bruttobetrag tituliert worden ist und Zahlungen der Klägerin über den Gerichtsvollzieher erfolgten, ist mangels gegenteiligen Vortrages die Annahme gerechtfertigt, dass - neben dem titulierten Nettobetrag - auch der Bruttobetrag vollstreckt wurde. In einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer selbst die Sozialabgaben an den Träger der Sozialversicherung und die Steuern an das Finanzamt abführen (vgl. Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch aaO. §71 Rz 5). Mithin kann lediglich davon ausgegangen werden, dass der Erblasser aus dem Vollstreckungstitel (bislang) einen Betrag erlangt hat, der maximal, einem Bruttobetrag von € 2.712,52 und einem Nettobetrag von € 115,99 entspricht. Da die Klägerin € 2.051,19 netto an den Erblasser zahlte und die titulierte Telefonerstattung feiwillig nie gezahlt wurde, lässt sich danach eine Überzahlung von lediglich € 1.387,96 feststellen (€ 3335,75 + € 115,99 = € 3.491,74 abzüglich € 2.051,10 + € 2.828,51).
Soweit die Klägerin vorgebracht hat, sie habe für September 2006 den vollen Bruttobetrag gezahlt, ist sie darlegungsfällig geblieben. Jedenfalls nachdem die Beklagte bestritten hatte, dass über den Betrag von € 2.051,19 hinaus Zahlungen für den Erblasser von Seiten der Klägerin geleistet worden seien, wäre es Sache der Klägerin gewesen, ihren Vortrag, es sei der gesamte Bruttobetrag gezahlt, also die angefallen Steuer an das Finanzamt, die angefallenen Sozialversicherungsbeträge an die Einzugsstelle abgeführt worden, zu präzisieren. Dies umso mehr, als die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 08. August 2008 lediglich von der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und zudem von einem in der Lohnabrechnung September 2006 ausgewiesenen Bruttobetrag von € 3.333,75 spricht. Die Lohnabrechnung enthält jedoch einen Bruttobetrag von € 3.350,51. Zudem ist der Vortrag der Klägerin, die Sozialversicherungsbeiträge seien mit der Abgabe der Meldung der Sozialversicherung im Oktober 2006 gezahlt worden, unstimmig. Im Oktober 2006 lag ausweislich des insoweit von Klägerseite nie bestrittenen Vortrages in der Anlage zur Klageschrift im Verfahren 21 Ca 8426/06 noch keine Lohnabrechnung für den Erblasser für September 2006 vor. Dann hätte es einer Erklärung der Klägerin bedurft, wieso gleichwohl Steuer- und Sozialversicherungsbeträge errechnet und abgeführt worden waren.
Letztendlich kommt es herauf jedoch nicht an. Selbst wenn man davon ausgeht, das Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 11. Dezember 2006 sei jedenfalls teilweise unrichtig, muss nämlich berücksichtigt werden, dass ein objektiv unrichtiges Urteil nicht über § 826 BGB korrigiert werden kann, wenn es auf nachlässiger Prozessführung des Betroffenen beruht (vgl. BGH 23. Januar 1974 NJW 1974,557; BGH 23. Januar NJW 1979,1046; BGH 25. Februar 1988 NJW-RR 1988,957;).
So ist es hier.
Die Klägerin ist im Verhandlungstermin vor dem Arbeitsgericht am 11. Dezember 2006 nicht erschienen und hat es versäumt, das Versäumnisurteil durch ein zulässiges Rechtsmittel, nämlich einen fristgerechten Einspruch, außer Kraft zu setzen. Dieses prozessuale Versäumnis schließt es grundsätzlich aus, die Rechtskraft über § 826 BGB zu durchbrechen (vgl. Kammerurteil v. 24. November 1997 - 16 Sa 1427/97). Die Durchbrechung der Rechtskraft nach § 826 BGB verfolgt nämlich nicht den Zweck, prozessuale Versäumnisse nachträglich auszugleichen.
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, in der Rechtsprechung sei bei objektiv unrichtigen Vollstreckungsbescheiden auf die Versäumung des Einspruchs nicht abgehoben worden. "Besondere Umstände" sind bei zugrundeliegenden sittenwidrigen Konsumentenkrediten nämlich nur bejaht worden, wenn der Gläubiger erkennen konnte, dass eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung wegen Sittenwidrigkeit des Kreditgeschäfts zu einer Ablehnung des Klagebegehrens führen würde, der Gläubiger sich des Mahnverfahrens bedient und er einen Vollstreckungsbescheid erwirkt hatte, nachdem der Schuldner aufgrund seiner Unerfahrenheit schon wegen des Mahnbescheides keinen Widerspruch eingelegt hatte (vgl BGH Z 101,380,385ff). Mit dieser Fallkonstellation ist die vorliegende nicht vergleichbar. Hier wurde die von dem Erblasser begehrte Forderung im Wege der Klage geltend gemacht, eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung fand, wie der Erlass des Teilversäumnisurteils zeigt, statt. Zudem handelte es sich um eine Forderung, die nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit dem Erblasser zustand und im Zeitpunkt des Erlasses des Teilversäumnisurteils noch bestand.
Soweit das Arbeitsgericht davon ausgegangen ist, der Klägerin könne deswegen keine nachlässige Prozessführung vorgeworfen werden, weil sie davon ausgehen konnte, dass der Erblasser sich redlich verhalten und die Zahlung akzeptieren werde und deshalb nicht von ihr habe erwartet werden können, Einspruch gegen ein zu Recht ergangenes Versäumnisurteil einzulegen, vermag die Berufungskammer dem nicht zu folgen.
Dagegen, dass die Klägerin sich dem Teilversäumnisurteil beugen, dieses also befolgen wollte, spricht bereits, wie ausgeführt, der Umstand, dass die Zahlung der € 2.051,19. von der Klägerin vor Zustellung des Versäumnisurteils an sie in Auftrag gegeben und auch ausgeführt worden ist. Damit fehlt es an jeglicher tatsächlichen Basis für die Annahme, die Klägerin habe die titulierte Verpflichtung erfüllen wollen. Naheliegend mag allein sein, wie oben angedeutet, dass die Klägerin den Erlass eines Versäumnisurteils gegen sie und damit das Entstehen eines vollstreckbaren Titels verhindern wollte. Dass ihr dies nicht gelungen war, musste die Klägerin jedoch nach Zustellung des Versäumnisurteils an sie unzweideutig erkennen. Wenn sie dann nicht tätig wurde, lässt sich das mit irgendeinem berechtigten Vertrauen auf irgendetwas nicht mehr hinreichend erklären. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass die Klägerin sich um die ganze Angelegenheit nicht mehr kümmerte. Das ist schlichte prozessuale Nachlässigkeit.
Unterstellt werden kann zugunsten der Klägerin, dass es Extremfälle geben mag, in denen prozessuale Nachlässigkeit einer Partei die Anwendung des § 826 BGB deshalb nicht ausschließen kann, weil die materiellrechtliche Unrichtigkeit des Titels bereits so eindeutig und schwerwiegend ist, dass jede Vollstreckung allein schon deswegen das Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletzen würde. Denn von einem derartigen Extremfall kann hier auch in Anbetracht der Höhe der titulierten Forderung nicht die Rede sein. Das gilt im übrigen umso mehr, als die Klägerin einen nicht fern liegende Ansprüche nach § 812 BGB auf Rückzahlung der geleisteten € 2.051,19 durch Versäumung der einschlägigen Ausschlussfristen selbst zunichte gemacht hat. Hält man sich dies zusätzlich vor Augen, spricht sogar einiges dafür, dass nicht die Ausnutzung eines objektiv unrichtigen Titels durch den Erblasser, sondern vielmehr das Erlöschen einer Forderung der Klägerin gegen den Erblasser wegen Versäumung von tariflichen Ausschlussfristen letztlich dafür ursächlich ist, dass der Erblasser von der Klägerin für September 2006 "überbezahlt" wurde.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Soweit sie unterlegen ist, ergibt sich das aus § 91 ZPO, hinsichtlich der erstinstanzlich erfolgten Teilklagerücknahme aus § 269 Abs.3 ZPO.
Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtliche.
Ende der Entscheidung
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