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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 01.08.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 9/05
Rechtsgebiete: TVG, VTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 1
TVG § 2
TVG § 4
VTV/Bau § 1 II
1. Tarifverträge, die auf Arbeitnehmerseite von der Christlichen Gewerkschaft Deutschlands (CGD) abgeschlossen worden waren, sind von anfang an nichtig, nachdem rechtskräftig feststeht (ArbG Gera v. 17. Oktober 2002 - 2 BV 3/00), dass die CGD keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne und damit nicht tariffähig ist.

2. Es bleibt unentschieden, ob Tarifverträge, die die CGD "in Tarifgemeinschaft" mit dem Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverband (DHV) abgeschlossen hatte, insgesamt nichtig sind oder ob diese Tarifverträge, sowit sie den DHV und seine Mitglieder betreffen, wirksam bleiben.

3. Ist ein Arbeitgeber kraft Allgemeinverbindlichkeit an die aufgrund der betrieblichen Tätigkeit einschlägigen Sozialkassemtarifvertäge des Baugewerbes und gleichzeitig an andere, aufgrund der betrieblichen Tätigkeit gleichfalls einschlägige Tarifverträge kraft Mitgliedschaft gebunden, so gelten, jedenfalls soweit die beschäftigten Arbeitnehmer nicht ebenfalls kraft Mitgliedschaft an den anderen Tarifvertrag gebunden sind,allein die Bautarifverträge. Deshalb schuldet der Arbeitgeber Zahlung von Sozialkassenbeiträgen (Bestätigung des Kammerurteils v. 14. Juli 2002 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786)


Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 7. September 2004 - 8 Ca 900/02 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar bis Dezember 2001.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Beklagte unterhält seit Dezember 2000 einen Betrieb, von dem arbeitszeitlich überwiegend Trockenbauarbeiten in der Form der Verkleidung von Wänden und Decken mit Holz-, Rigips-, Metall- und Gipskartonplatten durchgeführt werden. Seit 25. Januar 2001 ist der Beklagte Mitglied der Bundesweiten Interessengemeinschaft Trockenbau e.V. (BIG), die am 23. März 2001 mit der Christlichen Gewerkschaft Deutschlands (CGD) und dem Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverband (DHV), letztere beide in Tarifgemeinschaft handelnd, mehrere, zum 01. April 2001 in Kraft tretende Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte und Auszubildende (Manteltarifvertrag, Entgelttarifvertrag, Tarifvertrag über Auslösung und Auslösungssätze, Tarifvertrag über zusätzliche Altersversorgung, Tarifvertrag über Jahressonderzahlung für Auszubildende) abgeschlossen hatte. Hinsichtlich des Inhalts dieser Tarifverträge wird auf Hülle Bl. 189 d.A. Bezug genommen.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 17.10.2002 (2 BV 3/00) stellte das Arbeitsgericht Gera in einem von den Gewerkschaften IG Metall und IG Bau eingeleiteten Beschlussverfahrens fest, dass es sich bei der CGD nicht um eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne handelt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im gesamten Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb unterhalten. Demzufolge sei er zur Zahlung der tarifvertraglich normierten Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte im Jahre 2001 verpflichtet. Deren Höhe resultiere aus den eigenen Angaben des Beklagten bzw., für Januar 2001, aus Feststellungen des Arbeitsamtes über die Bruttolohnsumme der gewerblichen Arbeitnehmer. Daraus ergebe sich eine Beitragsforderung von insgesamt € 10.811,93.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 10.811,93 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, als Trockenbaubetrieb unterliege er nicht den Bautarifverträgen, weil derartige Betriebe auch nicht zur Zahlung der Winterbauumlage verpflichtet seien. Jedenfalls fänden auf seinen Betrieb aufgrund seiner Mitgliedschaft in der BIG die zwischen dieser und den beiden Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung, diese verdrängten, weil sie spezieller seien, die Bautarifverträge. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera ändere daran nichts, weil die Feststellung fehlender Tariffähigkeit der CGD nur für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit wirken könne.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 07. September 2004 stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 140 bis 149 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 01. August 2005 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er verfolgt sein auf Klageabweisung gerichtetes Begehren in vollem Umfang weiter und trägt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die fehlende Tariffähigkeit der CGD zur vollständigen, von Anfang an bestehenden Nichtigkeit der von der BIG abgeschlossenen Tarifverträge geführt habe. Vielmehr müssten diese Tarifverträge, die in seinem Betrieb auch auf alle Arbeitnehmer angewandt würden, jedenfalls aus Vertrauensgesichtspunkten bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera als gültig angesehen werden. Dann seien sie auch für den Klagezeitraum die gegenüber den Bautarifverträgen spezielleren Tarifverträge und verdrängten diese wegen seiner Mitgliedschaft in der BIG.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung, wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 01. August 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von € 10.811,93 verurteilt.

Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren ist bezüglich der Beitragsforderung für gewerbliche Arbeitnehmer (€ 10.438,60) § 18 Abs. 2 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20.12.1999 in der für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassung, bezüglich der Beitragsforderung für Angestellte (€ 373,33) § 19 Abs. 1 VTV. Die in diesen Tarifnormen statuierten Zahlungspflichten treffen den Beklagten für den Klagezeitraum, weil der VTV für ihn im Klagezeitraum galt.

Dass der Beklagte nicht Mitglied einer der tarifvertragschließenden Verbände des VTV war und ist, spielt keine Rolle, da dieser Tarifvertrag in sämtlichen für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen für allgemeinverbindlich erklärt war und damit auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber galt (§§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 2 TVG).

Der Beklagte unterhielt im Klagezeitraum auch einen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

Nach § 1 Abs. 2 VTV fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages diejenigen Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der Abschnitte I - IV (ständige Rechtsprechung seit BAG 18. Januar 1984, AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob hiernach bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 28. April 2004, AP Nr. 264 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen entfällt, ist nach der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen, soweit sich die Tätigkeiten des Betriebes, wie im vorliegenden Fall, über ein Kalenderjahr erstrecken (vgl. BAG 22. April 1987, 12. Dezember 1988 und 25. Juli 2001, AP Nr. 82, 106 und 240 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Ohne Belang ist, ob der Betrieb des Beklagten zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft heranzuziehen ist. Die gesetzlichen Regelungen der Winterbauförderung in Verbindung mit der Baubetriebeverordnung einerseits und die Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes andererseits legen unterschiedliche Voraussetzungen fest und verfolgen unterschiedliche Zwecke. Deshalb ist es für die Anwendbarkeit des VTV ohne Bedeutung, ob ein Betrieb auch an der Winterbauförderung teilnimmt oder teilzunehmen hat (vgl. BAG 20. März 2002 EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 114; BAG 13. Mai 2004 AP Nr. 265 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Der Betrieb des Beklagten war im gesamten Klagezeitraum ein baugewerblicher im tariflichen Sinne.

Die vom Beklagten im Jahre 2001 unstreitig durchgeführte Montage von Wand- und Deckenverkleidungen gehört zu den baulichen Leistungen im tariflichen Sinne. Bei derartige Arbeiten handelt es sich nämlich um Trockenbau- und Montagebauarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV. Das belegt eindeutig der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes derartige Tätigkeiten in dem Klammerzusatz dieser Tarifnorm ausdrücklich beispielhaft erwähnen. Im übrigen handelt es sich, entgegen der Ansicht des Beklagten, beim Trockenbaumonteur auch um einen typischen Bauberuf. Das zeigen die berufsrechtlichen Bestimmungen. Danach zählt der Beruf des Trockenbaumonteurs zu den aufbauenden Ausbildungsberufen der Bauwirtschaft (§§ 63 ff der Verordnung über die Berufsbildung im Baugewerbe vom 02. Juni 1999, BGBl I 1999 S. 1102 ff). Nichts anderes galt für die Vorgängerverordnung vom 15. Mai 1974 (§ 21 der Verordnung vom 08. Mai 1974, BGBl I 1974 S. 1073).

Der Betrieb des Beklagten ist auch nicht als Betrieb des Schreinerhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV vom Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgenommen. Insoweit kann es dahinstehen, ob die Verkleidung von Decken und Wänden zu den herkömmlichen Tätigkeiten des Schreinerhandwerks gehört. § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV enthält nämlich eine Rückausnahmeregelung. Danach werden von der Ausnahmebestimmung u.a. nicht erfasst: Betriebe des Schreinerhandwerks, soweit Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausgeführt werden. Das ist so zu verstehen, dass Betriebe des Schreinerhandwerks, die derartige Tätigkeiten erbringen, aufgrund der Rückausnahme wiederum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen. (vgl. BAG 27.08.1996, AP Nr. 70 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 22.09.1993, AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG 04.05.1994 - 10 AZR 353/91).

Der danach kraft Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) für den Betrieb des Beklagten geltende VTV wird auch nicht durch die zwischen der BIG einerseits und der CGD und dem DHV andererseits abgeschlossenen Tarifverträge ganz oder teilweise verdrängt.

Für Zeiträume vor dem 01. April 2001 scheidet eine Verdrängung bereits deshalb aus, weil die vorbezeichneten Tarifverträge in diesem Zeitpunkt noch gar nicht gelten sollten. Denn sie sollten erst am 01. April 2001 in Kraft treten. Damit ist die Klage hinsichtlich der Monate Januar bis März 2001 ohne weiteres begründet. Der Höhe nach schuldet der Beklagte insoweit die sich aus den eigenen Meldungen bzw. aus den Feststellungen des Arbeitsamtes (Monat Januar 2001) ergebenden Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und den tariflichen Festbetrag für Angestellte. Für gewerbliche Arbeitnehmer sind das entsprechend den unbestrittenen Ausführungen des Klägers (Schriftsatz vom 30. Oktober 2001 Bl.81 bis 83 d.A. für Januar, Schriftsatz vom 21. Juli 2004, Bl. 47/48 d.A. für Februar und März) € 2.939,11 , für Angestellte € 93,33 (Schriftsatz vom 21. Juli 2004, Bl. 47/48 d.A.), zusammen also € 3.032,44.

Für den Zeitraum April bis Dezember 2001 und damit für den restlichen Klagebetrag in Höhe von € 7.779,49 gilt im Ergebnis nichts anderes. Auch diesen Betrag schuldet der Beklagte dem Kläger.

Richtig ist, dass der Betrieb des Beklagten unter fachlichen (betrieblichen) Geltungsbereich der zwischen BIG einerseits und CGD und DHV andererseits vereinbarten tariflichen Regelungen fällt. Denn der fachliche Geltungsbereich dieser Tarifverträge erfasst alle Betriebe, die Trocken-, Montagebau- und Innenausbauarbeiten aller Art ausführen (§ 1 Ziff.3 des Manteltarifvertrages, auf den die anderen Tarifverträge verweisen). Daraus folgt jedoch nicht, dass deshalb durch den VTV keine Verpflichtungen für den Beklagten begründet werden konnten.

Ein Fall der Tarifkonkurrenz, der nach den Grundsätzen der Spezialität zugunsten der Tarifverträge für den Trockenbau zu lösen wäre, liegt von vornherein nicht vor.

Von Tarifkonkurrenz spricht man, wenn beide Parteien eines Arbeitsvertrages gleichzeitig an zwei verschiedene, miteinander konkurrierende Tarifverträge kraft Tarifrechts gebunden sind, weil sie entweder Mitglied der Tarifvertragsparteien beider Tarifverträge sind oder weil sie an einen Tarifvertrag kraft Mitgliedschaft bei den Tarifvertragsparteien gebunden sind und ihr Arbeitsverhältnis gleichzeitig von einem anderen, für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag erfasst wird (vgl. BAG 05.09.1990, AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, dass er - unbeschadet der Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera vom 17. Oktober 2002 - ab 01. April 2001 kraft Mitgliedschaft in der BIG an diese Tarifverträge gebunden war (§ 3 Abs. 1 TVG), bestand nämlich keine Tarifkonkurrenz. Denn der Beklagte hat selbst nicht vorgetragen, dass einer seiner Arbeitnehmer im Jahre 2001 Mitglied der CGD oder des DHV gewesen ist. Dazu war er zur erfolgreichen Berufung auf einen Vorrang der Trockenbautarifverträge nach den Grundsätzen der Lösung von Tarifkonkurrenzen gehalten. Denn die Verdrängung eines an sich Verpflichtungen begründenden Tarifvertrages durch einen anderen ist ein rechtsausschließender Einwand, dessen tatsächliche Voraussetzungen der darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, der sich darauf beruft. Auf die Notwendigkeit entsprechenden Vortrages ist der Beklagte durch Beschluss der Berufungskammer vom 04. Februar 2005 (Bl. 171 d.A.) ausdrücklich hingewiesen worden. Sachvortrag hat der Beklagte insoweit nicht gehalten.

Mangels Mitgliedschaft eines der Arbeitnehmer des Beklagten im Klagezeitraum in CGD oder DHV kommt danach eine unmittelbare und zwingende Geltung der Tarifnormen des Trockenbaus, ihre Wirksamkeit unterstellt, für die im Klagezeitraum begründeten Arbeitsverhältnisse zum Beklagten nicht in Betracht. Denn die Vorschriften dieser Tarifverträge konnten mangels AVE nur bei beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend gelten (§ 4 Abs. 1 TVG).

Eine Tarifkonkurrenz wurde auch nicht dadurch begründet, dass der Beklagte, wie er insoweit unbestritten vorgetragen hat, die Tarifverträge des Trockenbaus im Klagezeitraum im Betrieb angewendet hat. Denn durch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung eines Tarifvertrages kann keine tarifrechtliche, nämlich normative und zwingende Wirkung der Tarifnormen begründet werden (vgl. BAG 22.09.1993 und 04.12.2002, AP Nr. 21 und 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Kammerurteile vom 30.10.2000 - 16 Sa 759/00 LAGE § 4 TVG Bauindustrie Nr.4 und vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Eine tarifrechtliche Bindung der Arbeitsvertragsparteien an mehrere Tarifverträge ist jedoch Voraussetzung einer Tarifkonkurrenz.

Die Tarifverträge des Trockenbaus verdrängen den VTV auch nicht als speziellere Tarifverträge deshalb, weil ein Fall der Tarifpluralität gegeben ist und die tarifvertraglichen Regelungen des Trockenbaus vorrangig sind.

Von einer Tarifpluralität wird dann gesprochen, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich mindestens zweier miteinander kollidierender Tarifverträge erfasst wird und nur der Arbeitgeber an beide Tarifverträge gebunden ist, während für die Arbeitnehmer, je nach Tarifbindung, entweder nur einer der beiden Tarifverträge oder beide konkurrierend Anwendung finden (vgl. BAG 26.01.1994, AP Nr. 22 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).

Der Beklagte war im Zeitraum April bis Dezember nicht neben seiner Bindung an den VTV auch an tarifliche Regelungen zwischen der BIG und der CGD gebunden. Denn derartige tarifliche Regelungen wurden nicht wirksam begründet, weil die CGD nicht tariffähig war.

Von fehlender Tariffähigkeit der CGD ist auszugehen. Legt man die bisherige Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG 15. März 1977 AP Nr.24 zu Art.9 GG; BAG 25. November 1986 AP Nr. 36 zu § 2 TVG) zugrunde, wonach rechtskräftige Beschlüsse über die Tariffähigkeit gegenüber jedermann wirken, so steht auch für die Parteien dieses Verfahrens bindend fest, dass die CGD keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne war. Nichts anderes gilt hier, wenn man eine derartige Rechtskrafterstreckung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Gera verneint (vgl GK-ArbGG/Leinemann Oktober 2002 § 97 Rz 71). Denn der Beklagte selbst geht von der inhaltlichen Richtigkeit des vorgenannten arbeitsgerichtlichen Beschlusses aus. Damit war die CGD nicht geeignet, Partei eines Tarifvertrages zu sein. Denn Tarifvertragsparteien und damit tariffähig sind nur Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern (§ 2 Abs.1 TVG), u.U. auch Spitzenorganisationen (§ 2 Abs.3 TVG). Fehlt einer Partei des Tarifvertrages, wie hier der CGD, bei Tarifabschluss die Tariffähigkeit, so ist der Tarifvertrag unwirksam (vgl MünchArbR/Löwisch/Rieble 2. Aufl. 2000 § 255 Rz 79; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. 2004 § 2 Rz 178; .HWK/Henssler 1. Aufl. 2004 § 2 TVG Rz 3; Wiedemann/Oetker TVG 6. Aufl. 1999 § 2 Rz 15; Däubler/Peter TVG 1. Aufl. 2003 § 2 Rz 180).

Folge der fehlenden Tariffähigkeit der CGD ist, dass der Beklagte an tarifvertragliche Regelungen, die ab 01. April 2001 zwischen der BIG und der CGD gelten sollten, mangels wirksamen Tarifvertrages nicht nach § 3 Abs.1 TVG gebunden sein konnte.

Dahinstehen kann, ob ein Vertrauen des Beklagten in die Wirksamkeit dieser tariflichen Regelungen jedenfalls bis zur Rechtskraft der vorgenannten arbeitsgerichtlichen Entscheidung schützenswert ist (verneinend zB Wiedemann/Oetker aaO. § 2 Rz 15.). Selbst wenn man ein schützenswertes Vertrauen des Beklagten bejaht, kann dies lediglich dazu führen, dass im Einzelarbeitsverhältnis im Verhältnis zu Mitgliedern der CGD u.U. die tariflichen Regelungen für die Vergangenheit als gültig anzusehen sind. Derartige Arbeitnehmer gab es bei dem Beklagten nicht. In keinem Fall kann dagegen durch Vertrauensgesichtspunkte die fehlende Tarifbindung des Beklagten nach § 3 Abs.1 TVG ersetzt werden. Scheidet jedoch eine tarifrechtliche Bindung des Beklagten an die zwischen BIG und CGD geschlossenen Tarifverträge aus, fehlt es an insoweit an einer Tarifpluralität.

Unentschieden kann bleiben, ob die fehlende Tariffähigkeit der CGD, wie das Arbeitsgericht angenommen hat und der Kläger meint, dazu führt, dass die gesamten tarifvertraglichen Regelungen des Trockenbaus von Anfang an unwirksam sind oder ob der Umstand, dass auf Arbeitnehmerseite neben der CGD auch der DHV Tarifvertragspartei war, dazu führt, dass die Tarifverträge des Trockenbaus jedenfalls insoweit wirksam sind, als sie zwischen BIG und DHV abgeschlossen worden sind.

Gegen die Ansicht des Arbeitsgerichts bestehen Bedenken. Bei sogenannten mehrgliedrigen Tarifverträgen, also, wie hier, bei Tarifverträgen, die auf einer Seite von mehreren Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden sind, ist in der Regel davon auszugehen ist, dass mehrere selbständige Tarifverträge gewollt sind (vgl. Löwisch Rieble aaO § 1 Rz 473). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass keine Tarifvertragspartei sich ihrer Herrschaft über den Tarifvertrag begeben will. In einem solchen Fall führt fehlende Tariffähigkeit einer der auf einer Seite stehenden Parteien des Tarifvertrags nicht dazu, dass der Tarifvertrag auch für die tariffähige Partei unwirksam ist (vgl. Wiedemann/Oetker aaO. § 2 Rz 17; Buchner DB 2004, 1042,1043). Anderes gilt zwar beim Abschluss eines sogenannten Einheitstarifvertrages, also eines Tarifvertrages, bei dem die Wirksamkeit der mit einer Tarifvertragspartei abgeschlossenen tariflichen Regelung von der Wirksamkeit der mit der anderen auf gleicher Seite beteiligten Tarifvertragspartei abhängen soll. Eine solche Geschäftseinheit muss sich jedoch ausdrücklich aus dem Tarifvertrag ergeben (vgl. MünchArbR/Löwisch/Rieble aaO. § 256 Rz 6, 7). Dafür fehlt es an zureichenden Anhaltspunkten. Dass CGD und DHV in "Tarifgemeinschaft" aufgetreten sind, besagt nur, dass sie sich in Form einer BGB-Gesellschaft zu einer Verhandlungsgemeinschaft zusammengeschlossen hatten, belegt jedoch nicht hinreichend eine Vertragsgemeinschaft und den erkennbaren Willen, einen Einheitstarifvertrag abzuschließen . Die tarifvertraglichen Regelungen selbst sehen, was ein Indiz für einen Einheitstarifvertrag wäre (vgl. Wiedemann/Wiedemann aaO. § 1 Rz 180), nicht vor, dass die Tarifverträge auf Arbeitnehmerseite nur von CGD und DHV gemeinschaftlich gekündigt werden können.

Entscheidungserheblich kommt es hierauf jedoch nicht an. Geht man von einem Einheitstarifvertrag aus, führt die fehlende Tariffähigkeit der CGD zur Nichtigkeit des gesamten Tarifwerks, das zwischen BIG einer- und CGD und DHV andererseits vereinbart worden ist. Unterstellt man, dass die fehlende Tariffähigkeit der CGD nicht zur Nichtigkeit der von der BIG mit dem DHV geschlossenen Tarifverträge führte, ändert das nichts. Denn auch in diesem Fall müssen die tarifvertraglichen Regelungen des VTV nicht zurücktreten.

Richtig ist, dass Fälle der Tarifpluralität, ebenso wie solche der Tarifkonkurrenz, nach der früheren Rechtsprechung des BAG nach dem Prinzip der Tarifeinheit im Regelfall dahingehend aufgelöst werden sollten, dass nur der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. BAG 24.01.1990 u. 25.07.2001, AP Nr. 126 u. 242 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 26.01.1994 u. 04.12.2002, AP Nr. 22 u. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Für den Bereich der Sozialkassentarifverträge hat das BAG dies insbesondere mit sonst entstehenden praktischen Schwierigkeiten begründet. Dem hat die Literatur fast einhellig widersprochen (vgl. Wiedemann/Wank, aaO § 4 Rz. 277 ff. m.w.N.).

Diese Rechtsprechung kann, wie auch der 10. Senat des BAG mittlerweile erkannt hat (vgl. BAG 13. Mai 2004 - 10 AS 6/04) für den Bereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes nicht aufrechterhalten werden.

Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG ist ein Arbeitgeber im Sinne des Abs. 1 Satz 1 (Arbeitgeber mit Sitz im Ausland) verpflichtet, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien die ihr nach § 1 Abs.3 Satz 1 AEntG zustehenden Beiträge (Urlaubskassenbeiträge nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen des Baugewerbes) zu leisten. Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 AEntG gilt dies auch für einen unter den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages fallenden Arbeitgeber mit Sitz im Inland unabhängig davon, ob der Tarifvertrag kraft Tarifbindung nach § 3 TVG oder aufgrund AVE Anwendung findet. Das lässt sich nur so verstehen, dass es sich bei der Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen des Baugewerbes um auf Gesetz und nicht auf Tarifrecht beruhende Leistungspflichten handelt. Entsprechend ist es Arbeitgebern auch nicht möglich, speziellere Firmentarifverträge abzuschließen, durch die die Geltung dieser Tarifverträge ausgeschlossen wird (vgl. BAG 25.06.2002, AP Nr. 12 zu § 1 AEntG). Nichts anderes kann bei Mitgliedschaft des baugewerblichen Arbeitgebers in einem Verband gelten, der einen spezielleren Tarifvertrag als den VTV abgeschlossen hat. Auch in diesem Fall muss es bei der Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den einschlägigen bautarifvertraglichen Regelungen verbleiben, jedenfalls soweit die Arbeitnehmer nicht ebenfalls kongruent tarifgebunden sind (vgl. BAG 20. Juli 2004 AP Nr. 18 zu § 1 AEntG; Kammerurteil v. 14. Juli 2003 aaO).

Jedes andere Verständnis von § 1 Abs. 3 Satz 3 AEntG würde zudem europarechtliche Probleme aufwerfen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (24.01.2002, NZA 2002, 207 Portugaia Construzoes) handelt es sich um eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, wenn ein inländischer Arbeitgeber den in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag festgesetzten Mindestlohn durch den Abschluss eines Firmentarifvertrages unterschreiten kann, während dies einem Arbeitgeber, der in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist, nicht möglich ist. Nichts anderes kann gelten, wenn es einem inländischen Arbeitgeber, dessen Betrieb unter den Geltungsbereich der Bautarifverträge fällt, möglich wäre, durch bloße Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband, der einen Tarifvertrag mit einem spezielleren Geltungsbereich abgeschlossen hat, Verpflichtungen zur Abführung von Sozialkassenbeiträgen zu entgehen. Denn derartiges ist einem ausländischen Arbeitgeber regelmäßig mangels Mitgliedschaft in einem deutschen Arbeitgeberverband nicht möglich.

Aus alledem folgt, dass ein kraft AVE oder kraft Mitgliedschaft an den VTV gebundene Arbeitgeber im Inland unbeschadet gleichzeitiger Mitgliedschaft in einem konkurrierenden Arbeitgeberverband und Bindung an dessen spezielleren Tarifvertrag verpflichtet ist, jedenfalls für die nicht vom entsprechenden spezielleren Tarifvertrag kraft Tarifbindung erfassten Arbeitnehmer Urlaubskassenbeiträge an den Kläger zu zahlen. Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass die vom BAG bislang favorisierten Funktionalitätsüberlegungen die Auflösung einer Tarifpluralität durch Vorrang des spezielleren Tarifvertrages nicht zu tragen vermögen. Denn die vom BAG angeführten praktischen Schwierigkeiten - so sie denn überhaupt bestehen sollten - nimmt der Gesetzgeber, soweit es sich um Urlaubskassenbeiträge handelt, bewusst in Kauf. Dann steht nichts entgegen, die ohnehin dem Gesetz fremde Rechtsprechung des BAG zur Tarifpluralität vollständig zu verabschieden und es bei der gesetzlichen Rechtslage zu belassen: Diese ist eindeutig: Allein die Bindung des Arbeitgebers an einen spezielleren Tarifvertrag kann ihn von Verpflichtungen aus dem für allgemeinverbindlich erklärten VTV nicht befreien.

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die im Rahmen der AVE des VTV vorgenommenen Einschränkungen der AVE. Diese verfolgen gerade den Zweck, Tarifkonkurrenzen und Tarifpluralitäten zu vermeiden. Liegen die Voraussetzungen einer Einschränkung der AVE, wie im vorliegenden Fall, nicht vor, so muss es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtslage bleiben. Tarifkonkurrenzen, also das Zusammentreffen verschiedener Tarifverträge im Einzelarbeitsverhältnis, müssen, weil die Geltung unterschiedlicher tariflicher Regelungen im Einzelarbeitsverhältnis nicht möglich ist, aufgelöst werden. Tarifpluralitäten, also die Bindung des Arbeitgebers an mehr als einen Tarifvertrag bleiben, soweit nicht gleichzeitig eine Tarifkonkurrenzsituation vorliegt, bestehen. In diesem Fall gilt der Tarifvertrag, der für das einzelne Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Das ist, bei fehlender Tarifbindung des Arbeitnehmers, der für allgemeinverbindlich erklärte.

Weil es im Klagezeitraum keine an die Tarifverträge zwischen BIG und DHV gebundene Arbeitnehmer beim Beklagten gab, galt der VTV danach für den gesamten Betrieb des Beklagten im Klagezeitraum. Damit schuldet der Beklagte auch die der Höhe nach unstreitigen Sozialkassenbeiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für den Zeitraum April bis Dezember 2004.

Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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