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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 17.03.2003
Aktenzeichen: 16 Ta 82/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 888
ZPO § 794
ZPO § 704
Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich ist auch, dass sich die zu vollstreckende Handlung allein aus dem protokollierten Inhalt des Vergleichs ergibt. Aus diesem Grunde kann aus einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich ein Arbeitgeber zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses »auf der Basis« eines Zwischenzeugnisses verpflichtet hat, die Zwangsvollstreckung bezüglich eines bestimmten Zeugnisinhalts schon dann nicht betrieben werden, wenn der Inhalt des Zwischenzeugnisses weder im Vergleichstext wiedergegeben noch der Text des Zwischenzeugnisses nach § 160 Abs. 5 ZPO dem Protokoll beigefügt ist.
Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss

Aktenzeichen: 16 Ta 82/03

In dem Beschwerdeverfahren

hat die Kammer 16 des Hessischen Landesarbeitsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am LAG Hattesen als Vorsitzenden

am 17. März 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Februar 2003 - 6 Ca 8076/02 - aufgehoben.

Der Zwangsmittelantrag der Gläubigerin vom 8. Januar 2003 wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf € 3.167,00 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin wendet sich mit ihrer am 20. Februar 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihr am 10. Februar 2003 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts, durch den sie zu der in einem gerichtlichen Vergleich vom 11. November 2002 übernommenen Verpflichtung zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses durch Zwangsmittel angehalten worden ist.

In dem gerichtlichen Vergleich vom 11. November 2002 heißt es, soweit hier von Interesse:

4. Die Beklagte wird der Klägerin unter dem Ausstellungs- und Beendigungsdatum 30.09.2002 auf Basis des der Klägerin von der Beklagten erteilten Zwischenzeugnisses vom 25.06.2001 ein Arbeitszeugnis erteilen.

Nachdem die Schuldnerin der Gläubigerin ein Zeugnis mit dem aus Bl. 84 d. A. ersichtliche Inhalt erteilt hatte, stellte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 8. Januar 2003, dem eine Kopie des Zwischenzeugnisses vom 25. Juni 2001 beigefügt war, den Antrag, die Schuldnerin durch Zwangsmittel anzuhalten ihr ein Zeugnis mit dem aus der Antragschrift (Bl.79/80 d.A.) ersichtlichen Inhalt zu erteilen, weil die im Zwischenzeugnis enthaltene Passage »Sie war ehrlich, pünktlich und ordentlich« in dem erteilten Zeugnis fehle. Mit dem angefochtenen Beschluss setzte sodann das Arbeitsgericht zur Erzwingung der Verpflichtung aus Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs Zwangsmittel gegen die Schuldnerin fest.

Die Schuldnerin vertritt mit ihrer sofortigen Beschwerde die Ansicht, der gestellte Zwangsmittelantrag sei unzulässig, weil im Vollstreckungsverfahren nur überprüft werden könne, ob sie nach Form und Inhalt ein Zeugnis erteilt habe. Das sei geschehen, einen bestimmten Inhalt könne die Gläubigerin im Vollstreckungsverfahren nicht durchsetzen.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

Die Gläubigerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft und wurde innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO normierten 2-Wochen-Frist eingelegt.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Die Schuldnerin ist der titulierten Verpflichtung zur Zeugniserteilung nachgekommen. Damit scheidet eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO aus.

Im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens nach § 888 ZPO ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich der Schuldner auf die Erfüllung der titulierten Verpflichtung beruft. Erfolgreich kann der Erfüllungseinwand jedoch im Verfahren nach § 888 ZPO nur geltend gemacht werden, wenn die entsprechenden Tatsachen unstreitig sind. Das entspricht st. Rspr. der Beschwerdekammer (vgl. zuletzt Kammerbeschluss v. 31.10.2002 - 16 Ta 489/02; ebenso z.B. LAG Köln 19.04.1996 LAGE § 888 ZPO Nr. 38; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl. 2002 § 888 ZPO Rz20; Musielak/Lackmann ZPO 3. Aufl.2002 § 888 Rz8 für den Zeugnisstreit: ErfK/Müller-Glöge 2. Aufl. § 630 BGB Rz 142). Denn nur in einem derartigen Fall ist die Gefahr einer Verzögerung der Zwangsvollstreckung wegen einer Feststellung streitiger Tatsachen im Vollstreckungsverfahren nicht gegeben; nur in einem derartigen Fall entspricht der Verweis des Schuldners auf die Vollstreckungsgegenklage (mit der Möglichkeit eines Einstellungsantrags nach § 769 ZPO) weder der Prozesswirtschaftlichkeit noch dem wohlverstandenen Interesse der Parteien.

Hier hat die Schuldnerin unstreitig ein Schriftstück mit dem aus der Anlage zur Beschwerdeschrift (Bl. 84 d. A.) ersichtlichen Inhalt und der daraus auch, ersichtlichen Form erhalten. Damit hat die Schuldnerin ihre im Vergleich titulierte Verpflichtung erfüllt, weil das Schriftstück, wie zwischen den Parteien auch nicht im Streit steht, sowohl nach Form wie nach Inhalt die Merkmale eines Zeugnisses erfüllt.

Soweit die Gläubigerin meint, die Schuldnerin schulde ihr aufgrund des gerichtlichen Vergleichs ein Zeugnis bestimmten Inhalts, mag das sein. Wegen inhaltlicher Unbestimmtheit ist Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs jedoch keine geeignete Grundlage für eine auf die Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit bestimmtem Inhalt gerichtete Zwangsvollstreckung.

Ein gerichtlicher Vergleich muss, soll er zur Zwangsvollstreckung geeignet sein, wie jeder Vollstreckungstitel inhaltlich bestimmt sein. Diese Voraussetzung ist nur dann gegeben, wenn der Vergleich aus sich heraus verständlich ist und auch für jeden Dritten erkennen lässt, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann.

Der vollstreckungsrechtliche Grundsatz der Bestimmtheit des Vollstreckungstitels beruht auf dem Gebot der Gesetz- und Rechtmäßigkeit aller staatlichen Zwangsmaßnahmen. Er dient nämlich nicht in erster Linie Parteiinteressen, sondern resultiert aus dem öffentlichen Interesse an eindeutig bestimmten Grundlagen der Zwangsvollstreckung. Denn durch die Zwangsvollstreckung wird der Schuldner mit Hilfe staatlicher Machtmittel zu bestimmten Handlungen gezwungen. Grundlage solcher staatlicher Zwangsmittel kann nur ein eindeutiger, unmissverständlicher Titel sein.

Für die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich bedeutet dies, dass sich die zu vollstreckende Handlung allein aus dem protokollierten Inhalt des Vergleichs entnehmen lassen muss und ein Rückgriff auf den Inhalt der Prozessakten, etwa gestellte Anträge und insoweit gegebenen Begründungen nicht in Betracht kommen kann (vgl. OLG Frankfurt/M. 22.09.1994, VersR 1995, W61; OLG Hamm 30.08.1973 NJW 1974, 652; Zöller/Stöber, ZPO 23. Aufl. 2002 § 794 Rz14a; Musielak/Lackmann, aaO. § 704 Rz6; Schuschke/Walker, aaO. § 794 Rz19). Denn alle diese Umstände lassen keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, was die Parteien in welcher Weise einvernehmlich erledigen wollten. Vielmehr sind nicht aus dem Titel selbst zu klärende Unbestimmtheiten im Erkenntnis- und nicht im Vollstreckungsverfahren aufzuklären.

Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs ist nicht bestimmt genug, um hieraus die Zwangsvollstreckung hinsichtlich eines konkreten Zeugnisinhalts zu ermöglichen. Das mit den Worten »auf Basis« in Bezug genommene Zwischenzeugnis ist nämlich weder im Vergleichstext wiedergegeben, noch nach § 160 Abs. 5 ZPO dem Protokoll beigefügt worden. Damit ist schon deshalb aus dem Vergleichstext ein bestimmter Zeugnisinhalt, zu dessen Erteilung die Schuldnerin durch Zwangsmittel angehalten werden könnte, nicht zu entnehmen. Damit erübrigen sich im vorliegenden Verfahren auch Erwägungen darüber, wie die von den Parteien gewählte Formulierung »auf Basis des Zwischenzeugnisses« gedeutet werden muss.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens nach § 91 ZPO zu tragen, weil auch im Verfahren nach § 888 ZPO die Kostenentscheidung nach den Bestimmungen der §§ 91 ff ZPO zu erfolgen hat (vgl. Kammerbeschluss v. 15.06.1993 - 16 Ta 146/93).

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO. Sie orientiert sich am Wert der Hauptsache, so dass eine Festsetzung in Höhe von einem Monatsentgelt geboten ist.

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S. 2 iVm § 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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