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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: 16 Ta 90/08
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG


Vorschriften:

GVG § 17a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b
Ein die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründender "sic-non-Fall" kann auch dann gegeben sein, wenn eine Zahlungsklage nur dann Erfolg haben kann, wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Das ist dann der Fall, wenn Annahmeverzugsansprüch nur in Betracht kommen, wenn eine ausgesprochene mündliche Kündigung des Vertragsverhältnisses wegen Verstosses gegen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB unwirksam ist.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 09. Januar 2008 - 3 Ca 221/07 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beklagte wendet sich im Wege sofortiger Beschwerde gegen einen die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bejahenden Beschluss des Arbeitsgerichts.

Der Kläger, der zum 01. September 2002 bei der Stadt Xxx Xxxxxxx eine Gewerbe mit der Tätigkeitsbeschreibung "Marketingberatung für Events, Schwerpunkt Golfveranstaltungen und Vermittlung von Dienstleitungen im Bereich Event-Marketing" angemeldet hatte, war bei der Beklagten, die eine Golfanlage betreibt, seit dem 11. Oktober 2002 in der Funktion eines Clubmanagers beschäftigt. Schriftliche Vereinbarungen über das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien existieren nicht Zum Aufgabengebiet des Klägers gehörte es, den Ablauf auf der Golfanlage zu organisieren. In diesem Zusammenhang hatte er u.a. die Aufgabe, im sog. Tagesgeschäft die Gelder von Golfplatznutzern zu vereinnahem und darüber abzurechnen, zu kontrollieren, dass nur spielberechtigte Personen den Golfplatz nutzen und für einen geordneten Spielbetrieb Sorge zu tragen. Für seine Tätigkeit stellte der Kläger der Beklagten monatliche Rechnungen incl. MWSt, zuletzt über monatlich insgesamt € 4.760,00. Im Laufe des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien übernahm der Kläger in der Zeit bis Dezember 2006 zusätzlich Tätigkeiten für die frühere Clubmanagerin der Beklagten, die auf dem Golfgelände unter der Bezeichnung "XX Xxxx Xxxxxxx Xxxxx" einen Golf-Shop betrieb und stellte dieser entsprechende Rechnungen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass auf den Betrieb der Beklagten mangels einer ausreichenden Zahl beschäftigter Arbeitnehmer das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet.

Im Februar 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mündlich mit, dass sie das Vertragsverhältnis nicht über das Ende des Monats Februar 2007 hinaus fortsetzen wolle. Nachdem der Kläger für den Monat März 2007 keine Vergütung erhalten, durch seinen Prozessbevollmächtigten Kontakt mit der Beklagten aufgenommen und diese mitgeteilt hatte, dass der Kläger kein Arbeitnehmer gewesen und daher das Vertragsverhältnis beendet worden sei, leitete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Klägervertreter unter dem 15. August 2007 per Fax ein Schreiben zu, mit dem dieser Namens und in Vollmacht der Beklagten die Vertragsbeziehungen zum Kläger zum nächstmöglichen Termin kündigte. Ein Kündigungsschreiben im Original ging weder dem Kläger noch dessen Prozessbevollmächtigtem zunächst zu.

Mit seiner am 23. August 2007 beim Arbeitsgericht Gießen eingegangenen Klage vertritt der Kläger die Ansicht, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, das mangels schriftlicher Kündigung nicht beendet worden sei, so dass er Vergütungszahlungen für die Zeit von März bis September 2007 verlangen könne. Insoweit hat er zunächst die aus dem angefochtenen Beschluss (dort Bl. 151 d.A.) ersichtlichen Anträge angekündigt.

Die Beklagte rügt die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen mit der Begründung, zwischen den Parteien habe nie ein Arbeitsverhältnis bestanden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09. Januar 2008, hinsichtlich dessen genauen Inhalts auf Bl. 149 bis 154 d.A. Bezug genommen wird, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt.

Gegen diesen, ihr am 29. Januar 2008 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 06. Februar 2008 per Fax beim Arbeitsgericht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der sie ihre Ansicht vertieft, die Gerichte für Arbeitssachen seien nicht zuständig.

Der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigtem am 21. Dezember 2007 das Kündigungsschreiben vom 15. August 2007 im Original nebst beglaubigter Vollmacht zugegangen ist und der seine Klage mittlerweile mit Schriftsatz vom 11. Januar 2008 um die dort ersichtlichen Anträge (Bl. 141 bis 143 d.A.) erweitert hat, verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft (§ 48 Abs. 1 ArbGG iVm § 17a Abs. 4 S. 2 GVG) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 78 S. 1 ArbGG iVm §§ 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 ZPO)

In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für die im Zeitpunkt der Beschlussfassung angekündigten Anträge zu Recht bejaht.

Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen resultiert bezüglich der angekündigten Anträge zu 5) und 6) aus § 2 Abs.1 Nr.3b ArbGG. Danach sind diese zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Um eine solche Rechtsstreitigkeit handelt es sich hier.

Das folgt bereits aus den vom Kläger verfolgten Klageanträgen, nämlich der begehrten Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden ist (Antrag zu 5) und fortbesteht (Antrag zu 6). Nach der Rechtsprechung des BAG, der die Beschwerdekammer folgt (vgl .z.B. Kammerbeschluss vom 28. Dezember 2004 - 16 Ta 589/04), ist mit diesem Antragsinhalt Streitgegenstand nicht nur die Frage ist, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagten erklärte Kündigung beendet worden ist. Streitgegenstand ist vielmehr auch, ob dieses Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis gewesen ist (vgl. BAG 19. Dezember 2000 EzA ArbGG 1979 § 2 Nr.52; BAG 17. Januar 2001 EzA ArbGG 1979 § 2 Nr.53). Denn die beantragte Feststellung setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich bestanden hat. Andernfalls ist der Antrag schon deshalb unbegründet (vgl BAG 27. September 2001 AP Nr.41 zu § 9 KSchG 1969; BAG 20. September 2000, AP Nr. 8 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung). Der Klageerfolg hängt bei dieser Antragstellung folglich auch von Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtsweges entscheidend sind (sic-non-Fall). Wegen dieser Doppelrelevanz sind die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich zur Entscheidung über einen Antrag, der auf die Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, zuständig (vgl. BAG 19. Dezember 2000 und 17. Januar 2001 jeweils aaO.).

Für die übrigen Klageanträge gilt im Ergebnis nichts anderes. Für diese sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs.1 Nr.3a ArbGG zuständig, weil es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis handelt.

Richtig ist, dass für die angekündigten Anträge zu 1) bis 4) und 7) bis 9) besteht keine Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Abs.3 ArbGG besteht. Denn ein sic-non-Antrag kann für Zusammenhangsklagen nicht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründen (vgl. BAG 11. Juni 2006 AP Nr.85 zu § 2 ArbGG). Eines solchen Rückgriffs auf § 2 Abs.3 ArbGG bedarf es jedoch nicht. Denn die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitsachen folgt auch für diese Anträge unmittelbar aus § 2 Abs.1 Nr. 3a ArbGG, weil die Klage nur dann begründet sein kann, wenn die Arbeitsgerichte auch die zuständigen Gerichte zur materiellen Entscheidung sind.

Auch Zahlungsklagen können in diesem Sinne sic-non-Fälle sein. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn der geltend gemachte Anspruch sich nur aus einem als Arbeitsverhältnis zu qualifizierenden Rechtsverhältnis ergeben kann (vgl. Kammerbeschluss v. 20. Dezember 2002 - 16 Ta 331/02; LAG Köln 03. April 2001 NRA-RR 2001, 547,548; LAG Köln 24. September 2003 ARST 2004,165).

So ist es, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, hier.

Zahlungsansprüche des Klägers für die Zeit von März bis September 2007 (Klageanträge zu 1) bis 4) und 7) bis 9)) aus dem insoweit allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB) können nur entstanden sein, wenn die mündliche Kündigung des Vertragsverhältnisses sowie die Kündigung per Fax unwirksam waren. Mangels vertraglicher Vereinbarung eines Schriftformerfordernisses für eine Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien kann das nur der Fall sein, wenn das gesetzliche Schriftformerfordernis des § 623 BGB gilt. Das ist nur der Fall, wenn das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis ist, weil § 623 BGB nur auf Arbeitsverhältnisse, nicht aber auf (freie) Dienstverhältnisse Anwendung findet. Das Schriftformerfordernis wurde durch die mündliche Kündigung nicht gewahrt, auch die Kündigung per Fax genügt nicht dem gesetzlichen Schriftformerfordernis (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 21. Januar 2004 LAG-Report 2005,43; ArbG Hannover 17. Januar 2002 NRA-RR 2002,245; KR/Spilger 8. Aufl. 2007 § 623 BGB Rz 121). War dagegen der Kläger nicht Arbeitnehmer, sondern als selbständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig, hätte bereits die die mündliche Kündigung der Beklagten das Vertragsverhältnis wegen der vereinbarten monatlichen Vergütung zum 28. Februar 2007 beendet (§ 621Nr.3 BGB) Annahmeverzugsansprüche schieden aus.

Annahmeverzugsansprüche des Klägers sind danach grundsätzlich nur möglich, wenn das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Darauf, ob Annahmeverzugsansprüche dem Kläger auch dann zustehen, wenn dieser Arbeitnehmer wäre, kommt es nicht an. Für einen sic-non-Fall ist nicht maßgebend, ob die Klage letztlich begründet ist. Allein entscheidend ist, dass überhaupt nur eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Aus diesem Grunde ist es für die Frage der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auch unerheblich, ob dem Kläger u.U. die Berufung auf ein Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt ist. Denn dieser Einwand kann überhaupt nur dann zum Tragen kommen, wenn es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat.

Ob die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auch für die nach Erlass des angefochtenen arbeitsgerichtlichen Beschlusses erfolgte Klageerweiterung gegeben ist, bedarf keiner Entscheidung. Über diese Frage wird zunächst das Arbeitsgericht zu befinden haben, weil die Zuständigkeit für jeden Klageanspruch gesondert zu überprüfen ist und hinsichtlich der klageerweiternd geltend gemachten Ansprüche bislang eine erstinstanzliche Entscheidung fehlt.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO).

Eine Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht war nicht ersichtlich. Dementsprechend ist diese Entscheidung unanfechtbar (§§ 78 Abs. 2 ArbGG, 17a Abs. 4 GVG).

Ende der Entscheidung

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