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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: 16 Ta 94/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Wird neben dem Kündigungsschutzantrag ein Antrag auf Weiterbeschäftigung unbedingt gestellt, kommt für diesen Antrag die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit in der Regel nicht in Betracht, weil es kostengünstiger gewesen wäre, den Weiterbeschäftigungsantrag als uneigentlichen Hilfsantrag ("für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag") zu stellen.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 2007 - 9 Ca 8725/06 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:

I

Die Klägerin wendet sich mit ihrer am 02. März 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihr am 21. Februar 2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts vom 16. Februar 2007, durch den ihr für einen neben einem Kündigungsschutzantrag gestellten Antrag auf Weiterbeschäftigung Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung (PKH) versagt worden ist. Der zugrunde liegende Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich im arbeitsgerichtlichen Gütetermin. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

II

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und wurde fristgerecht eingelegt (§§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 3 ZPO).

In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Gewährung von PKH für den von der Klägerin gestellten Weiterbeschäftigungsantrag zu Recht verweigert, weil dieser im Wege einer objektiven Klagehäufung unbedingt gestellte Antrag mutwillig iSv § 114 ZPO ist.

Nach § 114 ZPO setzt die Bewilligung von PKH zum einen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung, zum anderen auch voraus, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist (vgl. BGH 10. März 2005 NJW 2005,1497; Kammerbeschluss v. 16. Februar 2005 - 16 Ta 13/05; G/M/P/M-G/Germelmann ArbGG 5. Aufl. 2004§ 11a Rz 95; Musielak/Fischer ZPO 4. Aufl. 2005 § 114 Rz 30; Zöl€ler/Philippi ZPO 26. Aufl. 2007 § 114 Rz 30). Denn die Frage der Mutwilligkeit betrifft auch und gerade die Art der verfahrensmäßige Geltend€machung des Anspruchs (vgl. BVerfG 22. Dezember 1992 FamRZ 1993,1422; G/M/P/M-G/Germelmann aaO). Eine PKH begehrende Partei darf nicht durch kostenträchtiges Prozessieren von dem abweichen, was eine bemittelte Partei in gleicher Lage tun würde. Vielmehr muss sie das Kostenrisiko vernünftig abwägen. Es ist nicht der Zweck der PKH, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Parteien Prozesse zu ermöglichen, die eine "normale "Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde.

Danach war hier die unbedingte Stellung eines Antrags auf Weiterbeschäftigung neben dem Kündigungsschutzantrag mutwillig (ebenso bereits Kammerbeschluss v. 28. August 2001 - 16 Ta 308/01; HessLAG 19. Juni 2001 - 9 Ta 159/01; LAG Berlin 29. November 2005 NZA-RR 2006,214; LAG Düsseldorf 17. Mai 1989 LAGE § 114 ZPO Nr.16).

Insoweit gilt:

Richtig ist, dass es keinem Arbeitnehmer verwehrt ist, neben dem Kündigungsschutzantrag auch die Weiterbeschäftigung klageweise zu begehren. Nach unangefochtener Rechtsprechung (vgl. BAG 08. April 1988 AP Nr. 4 zu § 611 BGB Weiterbeschäftigung) kann der Weiterbeschäftigungsantrag jedoch als sog. uneigentlicher oder unechter Hilfsantrag neben dem Kündigungsschutzantrag gestellt werden. Eine derartige Antragstellung ist gegenüber der unbedingten Stellung eines Weiterbeschäftigungsantrages kostengünstiger. Denn während der unbedingt gestellte Weiterbeschäftigungsantrag neben dem Kündigungsschutzantrag separat (mit einem Monatsverdienst) zu bewerten ist, führt der als uneigentlicher Hilfsantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag, jedenfalls in Bezug auf die Gerichtskosten, nicht zu einer Werterhöhung, sofern über ihn nicht entschieden wird (vgl. HessLAG 23. April 1999 NZA-RR 1999,434 m.w.N.; BCF/Creutzfeldt ArbGG 4. Aufl. 2006 §§ 12,12a Rz 60; G/M/P/M-G/Germelmann ArbGG 5. Aufl. 2004 § 12 Rz 110) Die Gegenansicht (vgl. LAG Hamm 16. Dezember 2004 LAGReport 2005,124; LAG Köln 31. Juli 1995 AR-Bl. ES 160.13 Nr.2000) findet im Gesetz keine Stütze.

Maßgebend ist § 45 Abs.1 S.2 GKG. Nach dieser Vorschrift wird ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch nur zusammengerechnet, wenn eine Entscheidung über ihn ergeht. Diese Bestimmung erfasst auch einen für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellten "uneigentlichen" Hilfsantrag. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist eindeutig. Betroffen ist jeder Hilfsantrag. Dem entspricht der Sinn und Zweck der Norm. Kostenrechtlich berücksichtigt werden sollen die Vorgänge, die gerichtlich Arbeit verursachen. Wird über den Hilfsantrag nicht entscheiden, löst er auch keine gerichtliche Arbeit aus.

Angesichts dessen entspricht die von der Klägerin gewählte Antragstellung nicht dem Grundsatz sparsamer Prozessführung und ist mutwillig. Kostengünstiger wäre die klageweise Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs im Wege eines Hilfsantrags gewesen. Denn eine solche Antragstellung hätte das geringste Kostenrisiko mit sich gebracht.

Ein Risiko ist rechnerisch nichts anderes als das Produkt aus Schadensgröße und Eintrittswahrscheinlichkeit. Entsprechend ist die Höhe eines Kostenrisikos dadurch zu ermitteln, dass die höchst möglichen Kosten mit der Wahrscheinlichkeit ihrer Entstehung multipliziert werden. Bei einer Rechtsverfolgung des Weiterbeschäftigungsbegehrens im Wege eines Hilfsantrags ist das Kostenrisiko stets am niedrigsten. Selbst wenn man die Wahrscheinlichkeit des Unterliegens mit der Kündigungsschutzklage als gering ansieht, führt das gleichwohl durchweg dazu, dass das Produkt aus höchstmöglichen Kosten und der Wahrscheinlichkeit ihres Entstehens, und damit das Kostenrisiko, bei hilfsweiser Verfolgung des Weiterbeschäftigungsverlangens geringer ist als dann, wenn letzteres im Wege eines weiteren unbedingten Hauptantrags klageweise geltend gemacht wird. Ob anderes zu gelten hat, wenn die Kündigungsschutzklage wegen offensichtlicher Unwirksamkeit der Kündigung zweifelsfrei Erfolg haben muss, kann dahinstehen, weil hier für eine derartige Fallkonstellation nichts spricht.

Die vorgenannten Überlegungen anzustellen, konnte von der Klägerin auch erwartet werden. Denn auch bemittelte Parteien pflegen nach den Erfahrungen der Beschwerdekammer den Weiterbeschäftigungsantrag regelmäßig nur hilfsweise zu stellen. Noch weitergehender geht das LAG Hamm (aaO.), das § 45 Abs.1 S.2 GKG nicht auf einen uneigentlichen Hilfsantrag angewendet wissen möchte, davon aus, dass die Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsverlangens im Zusammenhang mit einer Kündigungsschutzklage dann mutwillig ist, wenn der entsprechende Antrag, wie hier, bereits vor dem arbeitsgerichtlichen Gütetermin gestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO).

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S. 2 iVm § 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar (§ 78 S. 1 ArbGG iVm § 574 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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