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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.09.2003
Aktenzeichen: 17/10 Sa 116/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 767 Abs. 1
ZPO § 797 Abs. 4
BGB § 123
BGB § 138
BGB § 242
BGB § 781 deklaratorisches Schuldanerkenntnis
1.

Die Anfechtung einer auf die Herstellung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses gerichteten Willenserklärung wegen widerrechtlicher Drohung greift nicht durch, wenn der Anfechtende selbst Manipulationen eingeräumt hat und der Arbeitgeber unter Bezugnahme auf eine Strafanzeige auf die Herstellung eines Schuldanerkenntnisses besteht.

2.

Die nicht näher untermauerte Behauptung des Arbeitnehmers vor der Herstellung eines notariellen Schuldanerkenntnisses "unter Druck gesetzt worden zu sein" begründet keine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB oder den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, wenn der Gläubiger aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vollstrecken will.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Urteil

Aktenzeichen: 17/10 Sa 116/03

Verkündet laut Protokoll am 19. September 2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht Kammer in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2003 durch Richter am Arbeitsgericht Dr. Becker als Vorsitzender und den ehrenamtlicher Richter Schröder und den ehrenamtlicher Richter Lumm als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Darmstadt vom 4. Dezember 2002 - 5 Ca 63/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der Zwangsvollstreckungsabwehrklage die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde sowie die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung dieser Urkunde.

Der Kläger ist 20 Jahre alt und war seit dem 07. August 2000 zunächst als Aushilfe und beginnend mit dem 01. August 2001 als Auszubildender für die Beklagte in deren Filiale in R tätig. Dem Berufsausbildungsverhältnis der Parteien lag ein Berufsausbildungsvertrag zugrunde, der von der zuständigen Industrie- und Handelskammer D am 17. Juli 2001 geprüft wurde. Wegen des Inhalts dieses, Berufsausbildungsvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 6 d.A.) Bezug genommen. Danach sollte der Kläger eine Lehre als Verkäufer mit dem Schwerpunkt des Verkaufs von Lebensmitteln im Einzelhandel absolvieren. Die Parteien haben das Ausbildungsverhältnis betrieblich im Lebensmittelmarkt der Beklagten in R durchgeführt.

Am Nachmittag des 11. September 2001 wurde der Kläger in das Personalbüro der Beklagten gerufen, in dem Herr K von der Bezirksmarktleitung, Herr K, als stellvertretender Verkaufsleiter sowie die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau S, anwesend waren. In dem nachfolgenden Gespräch wurden dem Kläger Kassenmanipulationen, Leergutkassenmanipulationen, Geldmanipulationen und unberechtigte Warenentnahmen vorgeworfen. Anlass für dieses Gespräch war, dass die Marktleiterin, Frau N, zuvor an die Vorgesetztenstellen den Hinweis gegeben hatte, dass in dem Lebensmittelmarkt Unregelmäßigkeiten vorhanden seien. Sie hatte darum gebeten, dass Überprüfungen vorgenommen werden.

Zu Beginn dieses Gesprächs wurde gegenüber dem Kläger offenbart, dass man von Unregelmäßigkeiten ausgehe. Als Begründung gaben die Vertreter der Beklagten an, dass es zu nicht nachvollziehbaren Inventurdifferenzen in den letzten Monaten gekommen sei. Das hierüber geführte Gespräch, dessen konkreter Verlauf zwischen den Parteien streitig geblieben ist, fand mit einem "Schuldgeständnis" des Klägers sein Ende. In diesem Schuldgeständnis vom 11. September 2001 räumt der Kläger ein unkorrektes Verhalten gegenüber seinem Arbeitgeber ein. Des Weiteren nennt er begünstigte Personen, beziffert den Schaden auf DM 35.000,00 und teilt mit, dass er in monatlichen Raten in Höhe von DM 350,00 seine Schulden bezahlen wollte. Wegen des Inhalts dieses Schuldgeständnisses wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 13. Mai 2002 (Bl. 28 f. d.A.) Bezug genommen.

Am gleichen Tag wurde bei dem von der Beklagten beauftragten Notar U B in R ein notarielles Schuldanerkenntnis protokolliert. In diesem Schuldanerkenntnis wurde festgestellt, dass der Kläger der Beklagten DM 35.000,00 schuldet. Zugleich hat sich der Kläger in diesem notariellen Schuldanerkenntnis der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen. Wegen des Inhalts dieses notariellen Schuldanerkenntnisses wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 7 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 17. September 2001 hat der Kläger sämtliche Erklärungen aus den Gesprächen am 11. September 2001 aus allen rechtlichen Gesichtspunkten anfechten lassen. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage K 3 zur Klageschrift (Bl. 11 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2002 hat die Beklagte über das von ihr beauftragte Inkassounternehmen, den Kläger zur Zahlung der im Schuldanerkenntnis festgestellten Forderung aufgefordert und Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift (Bl. 14 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass seine Erklärungen am 11. September 2001 unwirksam bzw. nichtig seien.

Hierzu hat der Kläger behauptet, dass man ihn in den Gesprächen massiv unter Druck gesetzt habe.

Der Kläger hat weiter behauptet, dass man ihm gegenüber mit einer Strafanzeige und U-Haft gedroht habe.

Der Kläger hat weiter behauptet, dass man ihn ultimativ aufgefordert habe, ein Schuldanerkenntnis in Höhe von DM 35.000,00 abzugeben.

Der Kläger hat weiter behauptet, dass ihm der Text der Erklärung diktiert worden sei.

Der Kläger hat weiter behauptet, dass er zu Lasten der Beklagten keine rechtswidrigen Handlungen begangen habe. Er habe der Beklagten auch kein Schaden zugefügt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Verwertung des notariellen Schuldanerkenntnisses durch die Beklagte eine unzulässige Rechtsausübung sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars U B mit dem Amtssitz in R vom 11. September 2001, Nr. 118 der Urkundenrolle für 2001, wird für unzulässig erklärt;

2. die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung der genannten notariellen Urkunde an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass der Kläger nach den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen sofort geständig gewesen sei. Dabei habe der Kläger selbst als Schadenssumme DM 35.000,00 genannt.

Die Beklagte hat weiter behauptet, dass dem Kläger frei gestellt gewesen sei, einen Rechtsanwalt oder ein Betriebsratsmitglied beizuziehen.

Die Beklagte hat weiter behauptet, dass der Kläger nicht unter Druck gesetzt worden sei. Man sei bei der Abfassung des Schuldgeständnisses nur bei den Formulierungen behilflich gewesen. Damit sei der Kläger aber einverstanden gewesen.

Das Arbeitsgericht in Darmstadt hat mit einem am 04. Dezember 2002 verkündeten, dem Kläger am 17. Januar 2003 zugestellten Urteil - 5 Ca 63/02 - die Klage abgewiesen. Wegen des Inhalts dieses Urteils wird auf Bl. 67 - 73 d.A. Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 23. Januar 2003 Berufung eingelegt und diese am 14. März 2003 begründet.

Der Kläger behauptet, ihm sei mit einer Strafanzeige gedroht worden, nachdem man ihm unberechtigterweise Vorwürfe im Hinblick auf Geldtransporte und Warenentnehmen gemacht habe.

Der Kläger behauptet weiter, dass die notarielle Urkunde dadurch entstanden sei, dass sich der Kläger von den Mitarbeitern der Beklagten massiv bedrängt gefühlt habe. Ihm sei dabei auch nicht frei gestellt gewesen, einen Rechtsanwalt oder ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen.

Der Kläger behauptet weiter, dass ihm das Schuldanerkenntnis von dem stellvertretenden Verkaufsleiter K diktiert worden sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 04. Dezember 2002 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts in Darmstadt, Az.: 5 Ca 63/02, wie folgt zu erkennen:

a. Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde, Urkundenrolle Nr. 118/01 des Notars U B, R vom 11. September 2001 wird für unzulässig erklärt.

b. Die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilte (vollstreckbare) Ausfertigung der im Antrag zu Ziffer a. näher bezeichneten Urkunde an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenfällig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, dass der Kläger selbst die Schadenshöhe mit DM 35.000,00 angegeben habe.

Die Beklagte behauptet weiter, der Kläger sei nicht bedrängt oder eingeschüchtert worden. Dem Kläger sei auch nichts diktiert oder in den Mund gelegt worden.

Die Beklagte behauptet weiter, bei der Herstellung des notariellen Schuldanerkenntnisses habe keine Bedrohungslage vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Darmstadt vom 04. Dezember 2002 - 5 Ca 63/02 - ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, §§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO.

II.

In der Sache kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben, weil sie unbegründet ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger nicht dargelegt habe, dass das notarielle Schuldanerkenntnis unter Täuschung oder widerrechtlicher Drohung zustande gekommen sei.

1.

Die vom Kläger erhobene Vollstreckungsgegenklage ist nach § 767 Abs. 1 ZPO statthaft, denn der Kläger erhebt Einwendungen, die den durch die notarielle Urkunde vom 11. September 2001 festgestellten Anspruch selbst betreffen. Der Kläger erhebt auch gegen den notariell festgestellten Anspruch materiellrechtliche Einwendungen, indem er nämlich darauf abstellt, dass er seine Erklärungen, die zur Herstellung des notariellen Schuldanerkenntnisses geführt haben, wirksam angefochten hätte. Die Vollstreckungsgegenklage gerichtet auf die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Schuldanerkenntnis ist auch vor dem Hintergrund des Beginns der Zwangsvollstreckung und der Rechtswegzuständigkeit vor dem Arbeitsgericht zulässig. Die Beklagte hat ein Inkassounternehmen beauftragt, das mit Schreiben vom 22. Januar 2002 angekündigt hat, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten. Damit hat die Zwangsvollstreckung begonnen, die Zwangsvollstreckungsgegenklage ist dann statthaft. Auch die Rechtswegzuständigkeit ist vom Kläger zutreffend auf das Arbeitsgericht bezogen worden.

2.

Die Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 Abs. 1 ZPO ist aber unbegründet, weil dem Kläger keine Einwendungen zustehen, die den durch das notarielle Schuldanerkenntnis festgestellten Anspruch selbst betreffen. Zwar ist der Kläger gem. § 797 Abs. 4 ZPO nicht durch die beschränkende Vorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO in der Geltendmachung seiner Einwendungen ausgeschlossen, jedoch liegen keine Einwendungen des Klägers vor, die zu einer Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vom 11. September 2001 führen.

Das notarielle Schuldanerkenntnis vom 11. September 2001 ist nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend nichtig, denn der Kläger hat dieses Schuldanerkenntnis nicht wirksam angefochten. Der in Betracht kommende Anfechtungsgrund der widerrechtlichen Drohung gem. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Ein solcher Anfechtungsgrund ergibt sich schon nicht aus dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers. Der Tatsachenvortrag des Klägers ergibt auch keine Anhaltspunkte für eine Täuschung durch die Vertreter der Beklagten bzw. für das Vorliegen eines anfechtungsrelevanten Irrtums gem. § 119 Abs. 1 BGB.

Die auf die Herstellung des notariellen Schuldanerkenntnisses gerichtete Willenserklärung des Klägers ist wirksam. Die Parteien haben einen sog. schuldbestätigenden Vertrag geschlossen (sog. deklaratorisches, oder bestätigendes Schuldanerkenntnis). Ein sog. konstitutives (abstraktes, selbständiges) Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB liegt demgegenüber nicht vor. Der Kläger wollte nämlich keinesfalls eine Schuld unabhängig von dem Schuldgrund der Kassenmanipulationen, Warenmanipulationen und Warenentnahmen als bestehend anerkennen. Vielmehr ging es den Parteien um die Bestätigung einer Schadenersatzforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger. Dafür spricht zunächst die Darstellung der tatsächlichen Grundlagen der Forderung in dem Schuldanerkenntnis. Die Parteien haben nämlich in diesem notariellen Schuldanerkenntnis Bezug genommen auf die "nicht bezahlten Entwendungen". Die Parteien haben damit den Zweck verfolgt, den Schaden festzulegen, um hierüber Klarheit zu schaffen. Das Ziel war eben, Zweifel über die Gesamtschadenshöhe auszuräumen und die Gesamtforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger insofern verbindlich festzulegen. An diesem Erklärungsinhalt konnte für den Kläger kein Zweifel bestehen. Auch die Beklagte hat das so gesehen, was sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte auf die Abgabe der Schuldanerkenntnisse sowohl in handschriftlicher als auch in notarieller Form Wert gelegt hat.

3.

Der Kläger hat diesen schuldbestätigenden Vertrag, insbesondere seine auf die Herstellung des notariellen Schuldanerkenntnisses vom 11. September 2001 gerichtete Willenserklärung nicht wirksam angefochten.

Dem Kläger steht der Anfechtungsgrund gem. § 123 Abs. 1 BGB schon auf der Grundlage seines eigenen tatsächlichen Vorbringens nicht zur Seite.

Wer zur Abgabe einer Willenserklärung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten, § 123 Abs. 1 BGB. Drohung ist die vom Gegner ernst genommene Ankündigung eines künftigen Übels, das nach Bekundung des Drohenden und der Ansicht des Gegners vom Drohenden herbeigeführt werden kann und soll, wenn der Bedrohte die angesonnene Willenserklärung nicht abgibt (BGH, Urteil vom 22. November 1995 - XII ZR 227/94 -NJW-RR 1996, S. 1281 ff., zu 2. d.Gr., m.w.N.; BAG, Urteil vom 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - EzA § 781 BGB Nr. 5, unter I. 4. d) aa) d.Gr.). Auch wenn man nun zugunsten des Klägers auf der Grundlage seines tatsächlichen Vorbringens unterstellt, ihm sei vor der Herstellung des handschriftlichen Schuldgeständnisses mit einer Strafanzeige oder U-Haft seitens der Beklagten gedroht worden, so begründet dies keinen Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB, der auch noch auf die Abgabe der Willenserklärung zum notariellen Schuldanerkenntnis bezogen werden müsste.

Im Streitfall war die angedrohte Hinzuziehung der Polizei zur Aufklärung ebenso wie die angedrohte Erstattung einer Strafanzeige erlaubt, also nicht rechtswidrig. Die Beklagte hatte nach dem vom Kläger unwidersprochen gebliebenen Tatsachenvortrag genügend Anhaltspunkte, um den Kläger wegen des Verdachts längerfristiger Manipulationen anzeigen zu dürfen. Die Beklagte selbst hatte Inventuren durchgeführt, die zu einem negativen bzw. auf Manipulationen schließen lassendes Ergebnis geführt hatten. Vor diesem Hintergrund ist mit dem Kläger das Personalgespräch am 11. September 2001 geführt worden. Wenn nun aber der Kläger in diesem Gespräch Einlassungen dahingehend abgibt, dass er Manipulationen zumindest zugunsten seines Bruders bzw. eines bekannten Gastwirts durchgeführt haben könnte, so ist zum Zwecke der Aufklärung dieses Sachverhalts die Hinzuziehung der Polizei oder die Erstattung einer Strafanzeige ein adäquates Mittel. Die Beklagte hat dann dem Kläger in dem Gespräch am 11. September 2001 keineswegs grundlos gedroht. Diesen durch den Kläger hergestellten Sachverhalt hat dieser auch bis in die Berufungsverhandlung hinein nicht in Abrede gestellt. Noch in der Berufungsverhandlung hat nämlich der Kläger eingeräumt, dass er das Schuldgeständnis unter Bezugnahme seiner beiden Bekannten so hergestellt habe, wobei der Kläger allerdings diesen Sachverhalt als unwahr bewertet hat. Ganz gleich, ob der Sachverhalt durch den Kläger wahr oder unwahr geschildert worden sein könnte, am 11. September 2001 bekam die Beklagte seitens des Klägers die Information, dass er selbst über einen längeren Zeitraum Manipulationen durchgeführt habe.

Der angestrebte Zweck, nämlich die Abgabe des Schuldanerkenntnisses durch den Kläger, war ebenfalls rechtmäßig. Ein Schuldanerkenntnis ist jedenfalls dann nicht verboten oder sittenwidrig, wenn der Erklärungsempfänger, hier die Beklagte, von dem Bestehen der Schuld ausgehen darf. Die Beklagte durfte nach den Gesamtumständen annehmen, der Kläger sei an Kassenmanipulationen, Warenentnahmen und Warenmanipulationen beteiligt. Die Beklagte selbst hat den Kläger in dem Personalgespräch am 11. September 2001 mit diesen Vorwürfen konfrontiert, dabei Bezug genommen auf ein Personalgespräch mit einem Mitarbeiter des Klägers. Wenn dann aber der Kläger in diesem Personalgespräch einräumt bzw. angibt, er habe über einen längeren Zeitraum zumindest zugunsten von zwei weiteren Personen Warenmanipulationen, Kassenmanipulationen und Warenentnahmen vorgenommen, dabei einen Schaden in Höhe von DM 35.000,00 verursacht, so ist die Drohung mit einer Strafanzeige bzw. der Hinzuziehung der Polizei zum Zweck des Erreichens eines Schuldanerkenntnisses nicht rechtswidrig. Der Kläger hätte zu einem abweichenden Gesprächsverlauf im Einzelnen Stellung nehmen müssen. Insbesondere ist es der Kammer vor dem Hintergrund des Anfechtungsgrundes des § 123 Abs. 1 BGB in Form der widerrechtlichen Drohung zu ungenau, ohne Angaben von Personen, Daten und Äußerungen von "massivem Druck" zu sprechen. Gleichfalls ist vor diesem Hintergrund auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger sowohl in dem Schuldgeständnis bei der Beklagten als auch im notariellen Anerkenntnis die Schadenshöhe willkürlich festgesetzt haben könnte.

Auch soweit die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang fordert, dass sichergestellt sein muss, dass die Hochrechnung bzw. die Schätzung des Schadens auf hinreichend abgesicherter Grundlage beruht (LAG Hamm, Urteil vom 15. August 2001 - 18 Sa 694/01), so genügt das notarielle Schuldanerkenntnis des Klägers vom 11. September 2001 auch diesen Anforderungen. Der Kläger hat nämlich in seinem handschriftlichen Schuldgeständnis selbst von DM 35.000,00 als möglichen Schaden zu Lasten der Beklagten gesprochen.

Wenn nun diese Schadenssumme auch im notariellen Schuldanerkenntnis vom 11. September 2001 zur Grundlage der Verpflichtung des Klägers gemacht worden ist, so ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte Schadenspositionen mit eingestellt haben könnte, die nicht durch das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten verursacht sein könnten. Die Beklagte hat sich in diesem Punkt, jedenfalls auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens des Klägers, eher defensiv verhalten, nämlich die Angaben des Klägers übernommen. Dieser Sachverhalt wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger behauptet hat, man habe ihm den Inhalt diktiert. Der Kläger hat nämlich in der Berufungsverhandlung auf Nachfragen des Gerichts selbst dargelegt, er habe mit dem handschriftlichen Schuldgeständnis eigentlich die Unwahrheit gesagt. Von einem Diktieren, von einem Belasten des Bruders des Klägers bzw. eines bekannten Gastwirts durch die Beklagte war in der Berufungsverhandlung nicht mehr die Rede. Wenn aber der Kläger nun darlegt, bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben, so kann jedenfalls von einem Diktat seitens der Beklagten nicht mehr ausgegangen werden. Auf der anderen Seite waren dies die Informationen, die die Beklagte seitens des Klägers am 11. September 2001 erhalten hatte. Dies kann dann aber nicht zu einer Unrechtmäßigkeit des angestrebten Zwecks, nämlich das Erreichen des Schuldanerkenntnisses führen.

Schließlich war die Verknüpfung von Mittel und Zweck (sog. Zweck-Mittel-Relation) nicht unangemessen, das Verhalten der Beklagten auch insoweit nicht widerrechtlich. Die Drohung mit einer Strafanzeige diente nämlich dazu, den Kläger zur Wiedergutmachung des Schadens der Beklagten zu veranlassen. Die Beklagte nutzte nicht etwa eine zufällig bekannt gewordene Straftat des Klägers aus, um anderweitige zivilrechtliche Ansprüche gegen ihn durchzusetzen. Vielmehr bestand zwischen den anzuzeigenden Straftaten und dem wieder gut zu machenden Schaden ein innerer Zusammenhang, weil sich der Schaden gerade aus der Straftat ergeben konnte. Wie oben dargestellt, konnte die Beklagte den eingeräumten Schadenersatzbetrag auch für zutreffend halten. In diesen Fällen wird der Einsatz des Drohmittels einer Strafanzeige zum Zwecke des zivilrechtlichen Schadensausgleichs nahezu einhellig für angemessen erachtet (BAG, Urteil vom 03. Mai 1963 - 1 AZR 136/62 - AP Nr. 1 zu § 781 BGB, zu 3. b) d.Gr.; BGH, Urteil vom 23. September 1957 - VII ZR 403/56- BGHZ 25, S. 217 (220 f.); BAG, Urteil vom 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - EzA § 781 BGB Nr. 5, unter I. 4. d) ee) d.Gr.). Dem mit einer Strafanzeige oder der Hinzuziehung der Polizei Drohenden kann das berechtigte Interesse am Schadensausgleich nicht abgesprochen werden. Geht es nur um den Schadensausgleich aus der Straftat, dann wird der Kläger nicht übervorteilt, die Drohung mit der Strafanzeige begründet keine Widerrechtlichkeit im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB.

4.

Das notarielle Schuldanerkenntnis ist auch nicht deswegen nichtig, weil die Beklagte gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB verstoßen haben könnte.

Ein Schuldanerkenntnis, ganz gleich ob es handschriftlich oder notariell aufgenommen wurde, kann nach den Gesamtumständen bei Vertragsschluss, insbesondere nach Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts, sittenwidrig sein, § 138 Abs. 1 BGB. Teilweise wird angenommen, die Drohung mit einer Strafanzeige dürfe den Schadensverursacher nicht zu einer überstürzten Entscheidung zwingen. Es dürfe ihm vor allem dann nicht jede Überlegungsfrist genommen werden, wenn die Höhe des wieder gut zu machenden Schadens erst durch einen Vergleich fixiert werden soll (Münchener Kommentar - BGB - Kramer, 3. Aufl., § 123 RdZiff. 36; Flume, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 2. Band, 4. Aufl., § 28 Nr. 2 c; dem gegenüber B AG, Urteil vom 30. September 1993 - 2 AZR 268/93 - AP Nr. 37 zu § 123 BGB, zu II. 4. - 6. d.Gr.). Bei einer Verpflichtung, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit übersteigt, kommt die Annahme einer Sittenwidrigkeit dann in Betracht, wenn zusätzliche, dem Gläubiger zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Schuldners ausnutzt oder ihn auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95 - NJW 1997, S. 1980 ff., zu II. 3. d.Gr., m. w. N.).

Der Kläger hat zwar behauptet, "unter Druck gesetzt worden" zu sein. Der Tatsachenvortrag des Klägers rechtfertigt aber nicht die Annahme, es habe keine Überlegungsfrist oder sonstige Druckhandlungen seitens der Beklagten oder des Notars unmittelbar vor Abschluss des notariellen Schuldanerkenntnisses gegeben. Da der Kläger aber die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung mit seiner Klage begehrt, kommt es auf die konkreten Umstände vor Abschluss des notariellen Schuldanerkenntnisses an. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellen würde, seine Geschäftsunerfahrenheit im Jahre 2001 und die deutlichen Vorwürfe seitens der Beklagten hätten für ihn zu einer Drucksituation geführt, so wäre das Fortwirken dieser Drucksituation unmittelbar vor Abschluss des notariellen Schuldanerkenntnisses darzulegen gewesen. Insbesondere hat der Kläger keinerlei Angaben dazu gemacht, wer ihn auf welche Weise zu welchem Zeitpunkt mit welchen Auswirkungen bezogen auf das notarielle Schuldanerkenntnis unter Druck gesetzt haben könnte. Würdigt man das tatsächliche Vorbringen des Klägers insoweit, so kann von einem unerträglichen Ungleichgewicht der Parteien bei der Protokollierung des notariellen Schuldanerkenntnisses nicht ausgegangen werden. Außerdem hat der Kläger keine Angaben dazu gemacht, warum seine Entscheidungsfreiheit im Hinblick auf die Protokollierung des notariellen Schuldanerkenntnisses konkret am 11. September 2001 unzulässig beeinträchtigt worden sein könnte. In diesem Zusammenhang lässt das tatsächliche Vorbringen jegliche Bezugnahme auf die Protokollierungssituation bei dem Notar in R vermissen. Inwieweit etwaige Drohungshandlungen bzw. Druckausübungen seitens der Beklagten in der Weise fortgewirkt haben könnten, dass die Entscheidungsfreiheit des Klägers unzulässig beeinträchtigt gewesen sein könnte, lässt sich aus dem Tatsachenvortrag des Klägers nicht entnehmen. Vor diesem Hintergrund ist es dann aber nicht entscheidungsrelevant, ob dem Kläger die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds oder eines Rechtsanwalts ermöglicht worden ist oder nicht.

5.

Schließlich greift auch der Einwand des Klägers, das Verhalten der Beklagten sei eine unzulässige Rechtsausübung, indem die Beklagte aus einem vollstreckbaren Schuldtitel gegen den Kläger vorgehe, nicht durch.

Dem Gläubiger kann es versagt sein, ein an sich bestehendes Recht geltend zu machen, wenn dies gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, verstößt. Ob eine Verwirkung vorliegt, ob eine unzulässige Rechtsausübung anzunehmen ist, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden. Die Kammer verneint bezogen auf das Vorgehen der Beklagten im Streitfall eine unzulässige Rechtsausübung. Wie vorstehend begründet, haben sich sämtliche arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Gestaltungsmittel, die die Willensfreiheit und Gestaltungsfreiheit des Klägers schützen sollen, als nicht einschlägig erwiesen. Die Beklagte hat damit den vollstreckbaren Schuldtitel in Ausformung einer notariellen Urkunde zu Recht, jedenfalls unter Einsatz rechtlich nicht zu missbilligenden Vorgehensweisen erhalten. Wenn nun aber die Beklagte aus diesem rechtmäßig erlangten Titel Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger einleitet, so begründet dies nicht den Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung. Insbesondere hat die Kammer nach Verneinen der Anwendbarkeit des § 123 Abs. 1 BGB und des § 138 Abs. 1 BGB keine Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten zur Erreichung des Titels. Kann dies aber für den Streitfall nicht angenommen werden, scheidet auch eine richterliche Korrektur der Vollstreckbarkeit der notariellen Urkunde vom 11. September 2001 oder eine vollstreckungsbeschränkende Wirkung gem. § 242 BGB aus.

6.

Die Berufung des Klägers ist auch insoweit unbegründet, soweit der Kläger die Herausgabe des notariellen Schuldanerkenntnisses in Form der vollstreckbaren Ausfertigung begehrt.

Die Beklagte hat die Urkunde zu Recht erhalten, sie ist wirksam zustande gekommen und in ihrer Wirkung nicht beschränkt.

Herausgabeansprüche aus § 985 Abs. 1 BGB oder § 812 Abs. 1 BGB sind dann nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, weil die Berufung des Klägers erfolglos bleibt.

Für die Zulassung der Revision ist kein gesetzlicher Grund ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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