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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 29.08.2003
Aktenzeichen: 17/10 Sa 665/03
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 102 Abs. 1
1.

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens zweifelsfrei über die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers zu informieren. Dazu gehören: das Alter, der Familienstand, die Kinderzahl, Unterhaltspflichten, die Beschäftigungsdauer sowie Umstände, die geeignet sind, einen besonderen Kündigungsschutz zu begründen.

2.

Hat der Arbeitgeber Kenntnis von diesen Sozialdaten, ist er verpflichtet, diese dem Betriebsrat mitzuteilen, auch wenn der Arbeitnehmer diesbezüglich einer arbeitsvertraglichen Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist.

3.

Der Arbeitgeber kann bei einer beabsichtigten personenbedingten Kündigung die Mitteilung der Sozialdaten nicht Kraft seiner subjektiven Determination, auf alle Fälle kündigen zu wollen, für entbehrlich erklären.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Urteil

Aktenzeichen: 17/10 Sa 665/03

Verkündet laut Protokoll am 29. August 2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgerichht Kammer in Frankfurt am Mai auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2003 durch Richter am Arbeitsgericht Dr. Becker als Vorsitzender und den ehrenamtlichen Richter Kürpick und die ehrenamtliche Richterin Schwinn als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 24. März 2003 - 15 Ca 8302/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wehrt sich mit seiner am 28. August 2002 bei Gericht eingegangenen Klage gegen die Kündigung der Beklagten vom 31. Juli 2002.

Der Kläger ist 36 Jahre alt, verheiratet und trat mit Wirkung vom 16. November 1992 zunächst als vorübergehende Aushilfe in den Bereich Logistik (Lager) bei der Beklagten ein. Seit dem 19. Dezember 1992 ist er auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 08. Januar 1991 als Lager- und Versandhelfer im Bereich Logistik, Abteilung Lager, unbefristet bei der Beklagten, die ein Versandhandelunternehmen betreibt, beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag der Parteien ist unter Ziffer 8. Folgendes geregelt:

"Jede Veränderung der persönlichen Verhältnisse (Familienstand, Adresse etc.) ist unverzüglich schriftlich dem zuständigen Personalbüro mitzuteilen; etwaige Nachteile infolge Nichtbeachtung gehen zu Lasten des Arbeitnehmers."

Der Kläger hatte zu Beginn des Arbeitsverhältnisses im Personalfragebogen keine Unterhaltspflichten angegeben, was zum damaligen Zeitpunkt zutreffend war. Auch in der Personalakte des Klägers sind keine Unterhaltsverpflichtungen förmlich aufgenommen oder sonst wie kenntlich gemacht. In den von der Beklagten für die Monate August 2001 und November 2001 erstellten Verdienstabrechnungen ist jeweils unter der Rubrik Kinderfreibeträge die Zahl 2,0 aufgenommen. Wegen des Inhalts dieser Verdienstabrechnungen wird auf die Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 14. Februar 2003 (Bl. 74 f. d.A.) Bezug genommen. Auch die Verdienstabrechnungen für die Monate Oktober und November 2002 enthalten unter der Rubrik Kinderfreibeträge jeweils die Zahl 2,0. Wegen des Inhalts dieser Verdienstabrechnungen wird auf die Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 14. Februar 2003 (Bl. 75 f. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger war seit dem 30. April 2001 bis zum Kündigungszeitpunkt, dem 31. Juli 2002, durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Dieser Arbeitsunfähigkeit lag eine psychische Erkrankung zugrunde. Mit Schreiben vom 15. November 2001, vom 10. Januar 2002 und vom 18. Juli 2002 wurde der Kläger jeweils um Mitteilung gebeten, ob mit einer Wiederaufnahme der Arbeit zu rechnen sei. Wegen des Inhalts dieser Schreiben wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04. Oktober 2002 (Bl. 43, 44 und 27 d.A.) Bezug genommen. Auf diese Schreiben, dies ist zwischen den Parteien im Ausgangspunkt unstreitig, hat die Ehefrau des Klägers telefonisch reagiert, wobei allerdings die konkreten zeitlichen Abläufe von den Parteien nicht mehr genannt werden konnten. Im Mai 2002 sollte der Kläger im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme bei der Beklagten einen Arbeitsversuch unternehmen, wobei die Parteien auch in diesem Zusammenhang die konkreten Daten nicht aufgeklärt haben. Mit Schreiben vom 18. Juli 2002 hat die Beklagte das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren eingeleitet. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 04. Oktober 2002 (Bl. 41 f. d.A.) Bezug genommen. Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat hat auf diese Anhörung nicht reagiert. Mit Schreiben vom 31. Juli 2002 hat die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. November 2002 gekündigt, wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass das Kündigungsschreiben dem Kläger am 31. Juli 2002 zugegangen ist.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2002 hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main -15 Ca 8302/02 - den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist rechtskräftig. Wegen des Inhalts dieses Beschlusses wird auf Bl. 50 ff. d.A. Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Betriebsratsanhörung fehlerhaft durchgeführt worden sei. Hierzu behauptet der Kläger, dass er zum Kündigungszeitpunkt zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei. Der Kläger folgert aus der Tatsache, dass die Beklagte im betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren diese Unterhaltspflichten dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat, die Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung und damit Unwirksamkeit der Kündigung. Der Kläger ist des Weiteren der Auffassung, dass die Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung sich auch daraus ergebe, dass die konkrete Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden seien. Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, dass die betrieblichen Auswirkungen seines Fehlens dem Betriebsrat nicht konkret genug mitgeteilt worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31.07.2002 - zugegangen am 31.07.2002 - nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Beklagte hat hierzu behauptet, ihr sei zum Zeitpunkt der Betriebsratsanhörung nicht bekannt gewesen, dass der Kläger zwei unterhaltsberechtigte Kinder habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger auf der Grundlage des Arbeitsvertrages verpflichtet gewesen wäre, die Geburt seiner Kinder ihr mitzuteilen. Die Beklagte hat hierzu behauptet, dass sie auf die Richtigkeit der Angaben des Klägers vertraut habe. Die Beklagte hat weiter behauptet, dass sich auch keine Unterhaltspflichten des Klägers aus ihrem DV-gestütztem Personalinformationssystem PAISY ergeben hätten. Die Beklagte hat weiter behauptet, dass dies vor allem daran gelegen habe, dass der Kläger seine Lohnsteuerkarte für das Jahr 2002 erst im September eingereicht habe. Die Beklagte hat weiter behauptet, dass sie das Arbeitsverhältnis habe kündigen wollen, ohne auf die Unterhaltspflichten des Klägers Rücksicht zu nehmen.

Das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main hat mit einem am 24. März 2003 verkündeten, der Beklagten am 03. April 2003 zugestellten, Urteil - 15 Ca 8302/02 - der Klage stattgegeben. Wegen des Inhalts dieses Urteils wird auf Bl. 91 - 97 d.A. Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 29. April 2003 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 18. Juni 2003 begründet.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie gegenüber dem Betriebsrat nur verpflichtet sei, die Sozialdaten anzugeben, die ihr bekannt seien. Hierzu behauptet die Beklagte, dass die dem Betriebsrat gegenüber mitgeteilten Daten dem Personalinformationssystem PAISY entsprochen hätten. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass die Sozialdaten nicht mitgeteilt werden müssten, wenn sie für den Kündigungsentschluss unmaßgeblich gewesen seien. Hierzu behauptet die Beklagte, sie habe das Arbeitsverhältnis auf alle Fälle lösen wollen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 24.03.2003, Az.: 15 Ca 8302/02, zugestellt am 02. April 2003, aufzuheben und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, er habe in der Personalabteilung jeweils die Geburtsurkunden anlässlich der Geburt seiner Kinder vorgelegt. Der Kläger behauptet weiter, dass die Abrechnung für September 2002 auch auf die Unterhaltspflichten im Hinblick auf seine 2 Kinder korrigiert worden sei, nachdem er die Lohnsteuerkarte vorgelegt habe. Der Kläger behauptet weiter, dass seine Ehefrau die Personalabteilung der Beklagten über den Gesundheitszustand und die Unterhaltspflichten des Klägers informiert habe. Sie habe dem Personalleiter der Beklagten am 18. Juni 2002 mitgeteilt, dass sie aus Marokko zu ihren Kindern zurückgekehrt sei. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Unterhaltspflichten für die Interessenabwägung auch bei einer personenbedingten Kündigung zu berücksichtigen und damit dem Betriebsrat mitzuteilen seien.

Der Kläger behauptet weiter, er sei von seiner psychischen Erkrankung geheilt. Daraus folgert der Kläger auch einen Wiedereinstellungsanspruch gegenüber der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil es Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. März 2003 - 15 Ca 8302/02 - ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, §§ 64 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

II.

In der Sache kann die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben, weil sie unbegründet ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31. Juli 2002, dem Kläger an demselben Tag zugegangen, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.

1.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Kündigung erweist sich nämlich deshalb als unwirksam, weil die Beklagte gegen ihre Unterrichtungspflichten im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens verstoßen hat, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Dabei ist im Ausgangspunkt anerkannt, dass nicht nur die unterbliebene, sondern auch die fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG führt (BAG, Urteil vom 16. September 1993, 2 AZR 267/93, NZA 1994, S. 311 m.w.N.).

Das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor jeder Kündigung durchzuführen. Dies bedeutet mehr als bloße Unterrichtung. Die Anhörung hat nämlich den Sinn, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, eigene Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers anzustellen und diesem mitzuteilen. Insbesondere muss dem Betriebsrat die Gelegenheit gegeben werden, über etwaige Widerspruchsgründe zu beschließen. Deshalb muss der Arbeitgeber den Betriebsrat im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens zweifelsfrei über die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers informieren (Übersicht bei Oppertshäuser, NZA 1997, S. 920). Zur Bezeichnung der Person des Arbeitnehmers gehören die grundlegenden sozialen Daten: das Alter, der Familienstand, die Kinderzahl, sonstige Unterhaltspflichten, die Beschäftigungsdauer sowie Umstände, die geeignet sind einen besonderen Kündigungsschutz zu begründen (KR-Etzel, § 102 BetrVG RdNr. 58; LAG Nürnberg vom 15. März 1994, LAGE § 102 BetrVG Nr. 40). Diese Informationen sind in jedem Kündigungsfall zur Interessenabwägung bzw. Rechtsmäßigkeitskontrolle erheblich. Über diese grundlegenden Informationen hinaus sind weitere persönliche Daten dann mitzuteilen, sofern sie je nach Art und Begründung der beabsichtigten Kündigung für diese erheblich sind. Eine unzureichende Information über die Person des Arbeitnehmers macht die Kündigung aus zwei Gründen unwirksam: zum einen weil über den konkreten Arbeitnehmer nicht informiert wurde und zum anderen, weil der Arbeitgeber mit der Kündigung über ihm typischerweise bekannte Umstände nicht informiert.

Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 31. Juli 2002 gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Die Beklagte hat nämlich dem Betriebsrat auf dem Anhörungsbogen mitgeteilt, weitere Informationen an den Betriebrat hat die Beklagte nicht behauptet, der Kläger habe laut Steuerkarte keine unterhaltspflichtigen Kinder. Diese Angabe war zum damaligen Zeitpunkt unrichtig. Ausweislich der Eintragungen in der Lohnsteuerkarte 2002 sind 2,0 Kinderfreibeträge eingetragen. Zum Kündigungszeitpunkt hatte der Kläger auch 2 Kinder, nämlich seinen Sohn N, geb. am 09. Februar 1994, und seine Tochter K, geb. am 02. Dezember 1999. Die Beklagte hat zwar erstinstanzlich die Existenz der unterhaltsberechtigten Kinder des Klägers bestritten, dieses Bestreiten nach Vorlage der Verdienstabrechnungen für das Jahr 2001 und 2002 und nach Bezugnahme auf die Lohnsteuerkarte 2002 zumindest konkludent fallengelassen. Gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 138 Abs. 3 ZPO ist sodann vom Vorliegen der Zugestanden-Fiktion auszugehen. Jedenfalls ist die Kammer auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens der Parteien und deren prozessualen Verhalten insbesondere auch in der Berufungsinstanz von der Existenz zweier unterhaltsberechtigter Kinder ausgegangen. Diese Unterhaltspflichten als Sozialdaten des Klägers wären aber dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens mitzuteilen gewesen. In diesem Zusammenhang kann die Beklagte nicht damit gehört werden, sie habe ihren Kündigungsentschluss gefasst, ohne auf die Unterhaltspflichten des Klägers Bezug zu nehmen. Aus dem Anhörungsbogen vom 18. Juli 2002 insbesondere auf S. 2 geht hervor, dass die Beklagte eine Interessenabwägung im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers im Verhältnis zu ihrem Lösungsinteresse angestellt hat. Dabei hat die Beklagte, wie bei jeder personenbedingten Kündigung gefordert, ihren Mitteilungspflichten im Hinblick auf eine anzustellende Interessenabwägung genügt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung wäre es aber für den Betriebsrat nicht nur wissenswert, sondern von erheblicher Wichtigkeit gewesen, die Sozialdaten und damit die Unterhaltspflichten des Klägers zu kennen. Das Sozialdatum Unterhaltspflichten ist zur Meinungsbildung eines Betriebsratsgremiums deshalb wichtig, weil auf diese Weise die ins Auge gefasste betriebsverfassungsrechtliche Reaktion seitens des Betriebsrats besser begründet werden kann. Nimmt man dagegen den Anhörungsbogen der Beklagten, so geht aus diesem nur hervor, dass der Kläger ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat, das Arbeitsverhältnis gestört sei und deswegen die Lösungsinteressen überwiegen würden. Dass der Kläger unter Umständen als Alleinverdiener auf seinen Arbeitsplatz in seiner ursprünglichen oder auch geänderten Form angewiesen sein könnte, geht aus dem Anhörungsbogen nicht hervor. Damit genügt die durchgeführte Anhörung des Betriebsrats im Hinblick auf die Person des Klägers und den mitzuteilenden Sozialdaten nicht den Anforderungen des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

2.

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger die Meldeverpflichtung gem. Ziffer 8. des zwischen den Parteien gültigen Arbeitsvertrags verletzt hat. Danach ist der Kläger verpflichtet, jede Veränderung der persönlichen Verhältnisse unverzüglich dem zuständigen Personalbüro mitzuteilen. Auch aus der Tatsache, dass der Kläger im Personalfragebogen keine Kinder aufgeführt hat, ist nicht auf die ordnungsgemäße Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens zu schließen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte nämlich der Kläger noch keine unterhaltsberechtigten Kinder. Aber auch soweit das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 29. Januar 1997 -2 AZR 292/96, EzA § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 27 unter II. 1. b)) fordert, dass der Arbeitnehmer seine Unterhaltspflichten gegenüber dem Arbeitgeber mitzuteilen habe, so gilt im vorliegenden Fall doch Folgendes:

Der Kläger hat zwar nicht konkret unter Bezugnahme auf schriftliche Mitteilungen dargelegt, ob und wann er der Beklagten die Geburten seiner zum Kündigungszeitpunkt bereits geborenen Kinder angezeigt hat. Der Kläger legt im Berufungsrechtszug nur dar, dass er der Personalabteilung die Geburtsurkunden seiner beiden Kinder N und K vorgelegt habe. Der Kläger hat hierzu ergänzend in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass dies zeitnah nach der Geburt des jeweiligen Kindes gewesen sein müsse. Weiterhin hat der Kläger, ohne dass dem die Beklagte ausdrücklich widersprochen hätte, in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass er kurz nach der Geburt des jeweiligen Kindes bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten Sonderurlaub beantragt und gewährt bekommen habe. Die Beklagte selbst hat in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren eingeräumt, dass ihr zumindest das Vorhandensein eines Kindes mit einer Schwerbehinderung bekannt gewesen ist. Auch wenn dieses tatsächliche Vorbringen nicht in allen Einzelheiten konkret auf bestimmte Vorgänge hin ausgerichtet und abgeleistet worden ist, so kann die Kammer doch den tatsächlichen Vollzug dieses Arbeitsverhältnisses nachvollziehen, damit aber auch von einer Kenntnis der Beklagten im Hinblick auf die Unterhaltspflichten des Klägers ausgehen. Der Kläger schildert nämlich nachvollziehbar bezogen auf den Ablauf des Arbeitsverhältnisses bestimmte Vorgänge, die unmittelbar mit der Geburt seiner Kinder zusammen hängen. Die Beklagte bestreitet dieses tatsächliche Vorbringen nicht ausdrücklich und nimmt sogar Bezug auf die Kenntnis von einem schwerbehinderten Kind. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund ist es aber nicht veranlasst, die normative Verpflichtung gem. Ziffer 8. des Arbeitsvertrages derart in den Vordergrund zu rücken und eine ausdrückliche schriftliche Meldung der Geburtsvorgänge bei der Personalabteilung zu fordern. Die Beklagte selbst ist es nämlich, die zumindest von der Existenz eines Kindes weiß, dieses aber nicht dem Betriebsrat mitgeteilt hat.

3.

Dieses Ergebnis wird bestätigt und vertieft, wenn man sich verdeutlicht, dass die Beklagte nach Vorlage der entsprechenden Lohnsteuerkarten das Arbeitsverhältnis mit dem Merkmal 2,0 Kinderfreibeträge ordnungsgemäß abgerechnet hat. Es gab zwischen den Parteien auch in diesem Zusammenhang, nämlich der Entgeltzahlungspflicht, keinerlei Unstimmigkeiten oder gar Auseinandersetzungen. Auch deswegen ist davon auszugehen, dass der Kläger zumindest seit dem Jahr 1999 unter Berücksichtigung seiner tatsächlich bestehenden Unterhaltspflichten korrekte Verdienstabrechnungen und Lohnauszahlungen erhalten hat. Ob dem Arbeitnehmer der Beklagten, der das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren schriftlich vorbereitet hat, die Anzahl der Kinder des Klägers bekannt war, ist unerheblich. Abzustellen ist nämlich auf den Kenntnisstand der Arbeitgeberin insgesamt. Diese hat dafür Sorge zu tragen, dass die aktuellen Sozialdaten dem Betriebsrat im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens vollständig und ordnungsgemäß mitgeteilt werden. Nachdem sich das Arbeitsverhältnis vor der Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch und gerade unter Berücksichtigung der Unhaltspflichten zufrieden stellend entwickelt und ordnungsgemäß abgerechnet wurde, kann der vertraglichen Verpflichtung aus Ziffer 8. des Arbeitsvertrages nicht mehr der entscheidende Stellenwert beigemessen werden.

4.

Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit der Behauptung durchdringen, sie habe sich ohne Berücksichtigung der Sozialdaten des Klägers von diesem auf alle Fälle trennen wollen. Zum einen entspricht dieses tatsächliche Vorbringen nicht dem Vorgehen gegenüber dem Betriebsrat, wie sich aus Bl. 2 des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsbogens vom 18. Juli 2002 entnehmen lässt. Die Beklagte nimmt nämlich in diesem Anhörungsbogen unter Ziffer 3. ausdrücklich Bezug auf eine Interessenabwägung und stellt dabei nur auf das Lebensalter des Klägers ab, stellt dieses dem ungestörten Bestand des Arbeitsverhältnisses und dessen Dauer gegenüber, sonstige soziale Schutzbedürftigkeiten werden von der Beklagten hier nicht genannt. Wie oben bereits festgestellt, ist es aber gerade bei einer personenbedingten Kündigung im Rahmen der geforderten Interessenabwägung erforderlich, den Betriebsrat zweifelsfrei über die Person und deren Sozialdaten zu informieren, um die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte zu benennen. Deshalb kann der Arbeitgeber, hier die Beklagte, die Mitteilung der sozialen Daten nicht kraft subjektiver Determination für entbehrlich erklären. Dem Betriebsrat darf auf diese Weise nicht die Grundlage einer eigenständigen Beurteilung, etwa hinsichtlich der Interessenabwägung, entzogen werden. Die Mitteilung der Sozialdaten ist nur dann entbehrlich, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat zugleich mitteilt, er habe sich entschlossen, überhaupt keine Interessenabwägung durchzuführen. Wie sich aber eindeutig aus dem Anhörungsbogen vom 18. Juli 2002 ergibt, hat die Beklagte unter Ziffer 3. eine Interessenabwägung gegenüber dem Betriebsrat nicht nur dargelegt, sondern auch ihre Gründe hierfür genannt. Dann sind aber die Sozialdaten des Klägers, die zweifelsfreie Mitteilung der persönlichen Umstände im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens gem. § 102 Abs. 1 BetrVG erforderlich.

5.

Da sich die Kündigung gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als unwirksam erweist, kommt es auf die Frage eines etwaigen Wiedereinstellungsanspruchs des Klägers und der hierzu erforderlichen Darlegungen nicht mehr an.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, weil die Berufung der Beklagten erfolglos bleibt.

Für die Zulassung der Revision ist kein gesetzlicher Grund ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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