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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 18/16 Sa 340/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Keine Unmöglichkeit der Leistungserbringung bei Vorliegen lediglich der Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei tatsächlicher Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 01. Dezember 2005 - Az.: 11/15 Ca 3717/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wesentlichen um eine ordentliche personenbedingte Kündigung sowie um Arbeitsvergütung.

Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Paketunternehmen. Sie beschäftigt in deren Niederlassung in A ca. 1000 Arbeitnehmer.

Der Kläger wurde mit dem Fahren, Schieben, Be- und Entladen von mit Paketen beladenen Wagen beschäftigt. Die dort zu bewegenden Pakete sind in vielen Fällen schwerer als 5 - 10 kg. Der Kläger legte der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung vom 03. September 2004 vor, wegen deren Inhalt auf Bl. 61 d.A. verwiesen wird.

Mit Schreiben vom 18. November 2004 (Bl. 75 d.A.) beschwerte sich der Kläger bei dem Manager B und dem Betriebsrat darüber, dass der Partime-Supervisor C ihm wiederholt gesagt habe, dass der er Pakete mit einem Gewicht von 40 kg tragen solle.

In der Zeit vom 03. bis 21. Januar 2005 war der Kläger wegen eines grippalen Infekts arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 08. bis 11. Februar 2005 war der Kläger wegen einer bei der Arbeit erfolgten Quetschung des rechten Mittelfingers arbeitsunfähig erkrankt.

Der Kläger erschien am 22. Februar 2005, 16:30 Uhr, im Betrieb der Beklagten zur Arbeit. Kurz nach seinem Erscheinen im Betrieb wurde er 20:30 Uhr von einem Mitarbeiter der Beklagten nach Hause geschickt. Ebenso erging es dem Kläger am 23. Februar 2005. Am 24./25. Februar 2005 wurde der Kläger wegen der Operation an seinem Mittelfinger krankgeschrieben. Vom 01. bis zum 04. und vom 14. bis 18. März 2005 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte lehnte die Arbeitsleistung des Klägers in der Zeit vom 07. bis 11. und vom 29. bis 31. März 2005 ab. Nach Unterrichtung des Betriebsrats gemäß Schreiben vom 23. März 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 05. April 2005 (Bl. 17 d.A.) zum 30. April 2005, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die Kündigung ging dem Kläger am 07. April 2005 zu. Hiergegen erhob der Kläger am 27.April 2005 Kündigungsschutzklage, die der Beklagten am 13. Mai 2005 zugestellt wurde.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, da hierfür kein personenbedingter Grund bestehe. Die Beklagte schulde ihm die Arbeitsvergütung für den 22. und 23. Februar 2005, restliche Vergütung für den März 2005 sowie die Vergütung für April 2005, weil sie seine Arbeitsleistung zu Unrecht abgelehnt habe. Die Beklagte habe ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, damit er sich bei anderen Arbeitgebern bewerben könne.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei aus krankheitsbedingten Gründen gerechtfertigt. Sie hat behauptet, aus den erteilten ärztlichen Bescheinigungen sei ersichtlich, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Es liege eine dauerhafte Minderung der Leistungsfähigkeit vor, da ein Ende nach ärztlicher Begutachtung nicht absehbar sei. Sie - die Beklagte - habe versucht, den Kläger auch in der Unload-Abteilung einzusetzen. Die Leistung des Klägers in der Unload-Abteilung für die Dauer von täglich 1,5 Stunden habe auf 3,5 Stunden umgerechnet 400 Pakete pro Schicht betragen. Der Durchschnitt liege bei 700 -1000 Paketen. Der Kläger habe sich während der Arbeit ständig beschwert. Er habe dort seine Tätigkeit nur schlecht erledigt und er sei häufig früher nach Hause geschickt worden. Es sei nicht möglich, den Kläger auf einen anderen leidensgerechten Arbeitsplatz umzusetzen.

Wegen des Weiteren unstreitigen Sachverhalts und der Behauptungen der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 01.12.2005 verkündeten, der Beklagten am 02. Februar 2006 zugestellten Urteil (Az.: 11/15 Ca 3717/05) der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 184 - 191 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 27. November 2006 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie vertritt weiterhin die Ansicht, das erstinstanzliche Urteil sei fehlerhaft vom Fehlen eines Kündigungsgrundes ausgegangen. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet ergänzend, dass der Kläger auch in der Smallsort-Abteilung auf Grund der dort erforderlichen wiederholten Bückbewegungen und Überkopfarbeiten (bei ca. 20 Paketen) nicht eingesetzt werden könne. Zudem seien auch dort Gewichte von über 10 kg zu bewegen. Wegen des übrigen Vorbringens der Beklagten hinsichtlich der fehlenden Einsatzmöglichkeit des Klägers in weiteren Bereichen des Betriebs wird auf deren Schriftsatz vom 02. Mai 2006 (Bl. 237 - 253 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 01. Dezember 2005 - Az.: 11/15 Ca 3717/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Auf dessen Schriftsatz vom 09. Juni 2006 (Bl. 277 - 281 d.A.) wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 Abs. 1 ZPO statthafte und nach § 64 Abs. 2 Ziffer 2 c) ArbGG im Hinblick auf die Kündigungsschutzklage ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes und im Übrigen gemäß § 64 Abs. 2 Ziffer 2 b) ArbGG zulässige Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 05. April 2005 nicht aufgelöst worden.

Die Kündigung ist rechtsunwirksam, weil sie nicht durch Gründe bedingt ist, die in der Person des Klägers liegen (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Der Kläger genießt auf Grund der Dauer seiner Zugehörigkeit zum Betrieb der Beklagten und der Zahl der bei dieser beschäftigten Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Er hat die nach diesem Gesetz vorgeschriebene Feststellungsklage nach § 4 Satz 1 KSchG form- und fristgerecht erhoben.

Die Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung ihrer Kündigung darauf, dass der Kläger auf Grund einer Krankheit auf Dauer nicht mehr in der Lage sei, seine arbeitsvertraglichen Leistungspflichten zu erfüllen; es liege eine dauerhafte Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers vor.

Aus dem Beklagtenvorbringen sind deshalb zwei Fallgruppen für eine personenbedingte Kündigung ersichtlich. Einerseits eine behauptete dauernde Leistungsunfähigkeit und andererseits eine behauptete dauerhafte Leistungsminderung.

Eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit liegt nicht vor.

Zutreffend ist, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitnehmer die geschuldete Leistung auf Dauer krankheitsbedingt nicht mehr erbringen kann (vgl. BAG Urteile vom 29.04.1999 - 2 AZR 431/98, vom 29.10.1998 - 2 AZR 666/97 und vom 29.01.1997 - 2 AZR 9/96).

Wie das Arbeitsgericht richtig festgestellt hat, muss zwar davon ausgegangen werden, dass der auf Grund mehrerer ärztlicher Befunde festgestellten Wirbelsäulenerkrankung des Klägers eine negative Prognose anhaftet.

Das ergibt sich schlüssig sowohl aus der ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Orthopädie D vom 03. September 2004 als auch aus den Feststellungen der arbeitsmedizinischen Untersuchung vom 14. März 2005. Beide Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass auf Grund der Wirbelsäulenerkrankung das Arbeiten mit Lasten bestimmter Gewichte und auch das Arbeiten unter Zwangshaltungen vermieden werden sollte. Der Arzt für Orthopädie D kommt weiterhin zu der Schlussfolgerung, dass die Einhaltung der ärztlich empfohlenen Verhaltensregeln dazu dienen soll, eine Verbesserung der Beschwerdesymptomatik zu erreichen und eine Verschlechterung des Krankheitsbildes zu vermeiden.

Da der Kläger im Betrieb der Beklagten bisher mit schwereren Paketgewichten gearbeitet und die Beklagte auch behauptet hat, dass der Kläger die Arbeiten unter Zwangshaltungen erbringen muss, kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers unter Beibehaltung der bisherigen Arbeitsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit verschlechtern wird.

Diese negative Gesundheitsprognose führt jedoch nicht zu der Annahme, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht mehr in der Lage war, auf Dauer seine arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungspflichten zu erfüllen.

Aus der ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Orthopädie D vom 03. September 2004 folgt nicht, dass der Kläger die bisherigen Arbeiten mit schwereren Gewichten und unter Zwangshaltungen nicht mehr ausführen kann. Der Arzt bescheinigt dem Kläger lediglich, dass diese Arbeiten zeitlich begrenzt vermieden werden sollten, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu vermeiden. Die arbeitsmedizinische Untersuchung vom 14. März 2005 kommt ebenfalls nur zu dem Ergebnis, dass keine gesundheitlichen Bedenken für den Fall bestehen, dass das Heben, Tragen und Absetzen von Lasten "von häufiger 5-10kg/selten bis 15 kg" nicht überschritten werden sollte und keine andauernden Arbeiten in Zwangshaltung vorliegen.

Die Wortwahl der ärztlichen Bescheinigung sowie der arbeitsmedizinischen Stellungnahme ergibt, dass der Kläger den darin enthaltenen ärztlichen Rat zwar befolgen sollte, er jedoch unverändert weiter arbeiten kann. Aus der ärztlichen Empfehlung, die Arbeitsbedingungen zu ändern, kann weder auf eine Unmöglichkeit der Weiterarbeit zu den bisherigen Bedingungen noch darauf geschlossen werden, dass sich der Gesundheitszustand in absehbarer Zeit ganz erheblich oder wesentlich verschlechtern wird.

Es liegt auf Grund des nur empfehlenden Charakters der ärztlichen Bescheinigungen und Stellungnahmen im Verantwortungsbereich des Klägers, für die Erhaltung seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit Vorsorge zu treffen oder eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in Kauf zu nehmen (vgl. grundsätzlich zum Verantwortungsbereich: BAG Urteil vom 17.02.1998 - 9 AZR 130/97).

Eine entsprechende ärztliche Empfehlung kann zwar den Arbeitgeber verpflichten, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zu prüfen und ihn auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umzusetzen oder zu versetzen (vgl. BAG Urteil vom 29. 01. 1997 - a.a.O.). Ist ihm das aber nicht möglich, hat es damit sein Bewenden, wenn sich der Arbeitnehmer für die Arbeit auf dem belasteten Arbeitsplatz entscheidet (vgl. BAG Urteil vom 17.02.1998 - a.a.O.).

Es kann für den Kündigungsrechtsstreit dahinstehen, ob die Beklagte im Rahmen der in ihrem Betrieb bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten verpflichtet ist, dem Kläger andere, leidensgerechte Arbeiten zuzuweisen oder ob - wie die Beklagte behauptet - solche Möglichkeiten nicht bestehen; denn der Kläger hat die Leistung der ihm bisher zugewiesenen Arbeiten nicht verweigert.

Er hat sich mit seinem Schreiben vom 18. November 2004 (Bl. 75 d.A.) lediglich bei dem B-Manager und dem Betriebsrat darüber beschwert, dass der Partime-Supervisor ihm wiederholt gesagt habe, der Kläger müsse Pakete mit einem Gewicht von 36 kg alleine tragen. Auch hat der Kläger in seinem Schreiben vom 13. März 2005 (Bl. 18 d.A.) den B-Manager lediglich gebeten, ihm wegen der gesundheitlichen Probleme körperlich leichtere Tätigkeiten zuzuweisen und seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass es im gegenseitigen Einvernehmen zu einer guten Lösung kommen werde. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe sich im Übrigen auch während der Arbeitszeit in der Unload-Abteilung über zu schwere Pakete beschwert, ist auch hierin keine Verweigerung der Arbeit zu sehen.

Eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten im Zusammenhang mit dem vorübergehenden Einsatz des Klägers in der Unload-Abteilung. Die Beklagte behauptet, während der in dieser Zeit auszuübenden Tätigkeit des Klägers von 1,5 Stunden am Tag habe dieser häufig früher nach Hause geschickt werden müssen, so dass sich sein Einsatz in der Midnight-Schicht als nahezu unmöglich herausgestellt habe. Zwar stellt die Beklagte dies in ihrem Schriftsatz vom 31.Oktober 2005 im Zusammenhang mit einem ständigen Beschweren durch den Kläger und einer schlechten Aufgabenerledigung dar.

Das Beklagtenvorbringen enthält jedoch einerseits keine Aussagen darüber, wie oft und wie lange der Kläger vor dem Arbeitsende "nach Hause geschickt" wurde, so dass die Berufungskammer keine Beurteilung des Grades der Auswirkungen auf den Betriebsablauf treffen kann; andererseits stellt der beschriebene vorübergehende Einsatz in der Unload-Abteilung nur einen geringen Teil der Arbeitszeit des Klägers dar, der bei der vertraglich vereinbarten 38-Stunden-Woche als Vollzeitmitarbeiter seine Arbeitsleistungen zu erbringen hat.

Die von der Beklagten behaupteten Auswirkungen der Erkrankung des Klägers betreffen nicht die arbeitsvertraglichen Leistungspflichten im Ganzen oder im Wesentlichen, so dass eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung hiermit nicht begründet werden kann.

Zwar beruft sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung auch auf eine krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Auch kann die krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG abgeben, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt (BAG Urteil vom 26.09.1991 - 2 AZR 132/91). Bei der krankheitsbedingten Minderleistung liegt die Leistungsstörung bereits darin, dass der Arbeitnehmer keine dem Vertragsinhalt qualitativ und quantitativ entsprechende Arbeitsleistung erbringt.

Danach ist zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands erforderlich. Weiterhin müssen die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen.

Die ärztlich festgestellte Wirbelsäulenerkrankung hat zwar dazu geführt, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist, wenn der Kläger im Rahmen seiner üblichen Arbeitsleitung häufig schwerere Gewichte über 5 bis 10 kg, selten über 15 kg bewegt und unter Zwangshaltungen Tätigkeiten erledigen muss. Auf Grund der bisherigen Tätigkeit des Klägers ist auch zukünftig zu erwarten, dass er entsprechende Tätigkeiten ausüben muss. Es fehlt jedoch bereits an erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen.

Da sich der Kläger bisher nicht geweigert hat, diese Tätigkeiten auszuführen, ist es alleine auf Grund der ärztlichen Empfehlungen zu keinen betrieblichen Beeinträchtigungen gekommen.

Dem steht das Beklagtenvorbringen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers in der Unload-Abteilung nicht entgegen.

Da die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen erheblich sein muss, genügt hierfür nicht jede geringfügige Minderleistung (BAG Urteil vom 26.09.1991, a.a.O.).

Um feststellen zu können, ob die von einem Arbeitnehmer erbrachte Durchschnittsleistung eine nicht mehr nur geringfügige Minderleistung darstellt, muss die arbeitsvertraglich geschuldete Normalleistung bemessen werden. Das BAG hat in dem bereits aufgeführten Urteil vom 26.09.1991 die Bewertung einer Minderleistung von einem Drittel als eine erhebliche Beeinträchtigung des Leistungsgleichgewichts nicht beanstandet.

Hinsichtlich des vorübergehenden Einsatzes in der Unload-Abteilung behauptet die Beklagte, die Leistung des Klägers habe hier auf 3,5 Stunden umgerechnet lediglich 400 Pakete betragen, während der Durchschnitt bei 700 bis 1000 Paketen liege.

Die aufgeführte Darstellung des Leistungsvermögens reicht zur Feststellung eines Leistungsungleichgewichts nicht aus.

Die Bemessung des Leistungsungleichgewichts muss sich auf die gesamte Tätigkeit des Klägers beziehen, weil die geschuldete Normalleistung ebenfalls auf die insgesamt geschuldete Arbeitsleitung bezogen ist. Bezogen auf die Gesamtarbeitsleistung von 38 Stunden in der Woche beträgt die von der Beklagten behauptete Minderleistung in der Unload-Abteilung bei einem Einsatz von 1,5 Stunden täglich ca. 11,4 % der Gesamtleistung (bei einem angenommenen unteren Durchschnitt von 700 Paketen). Diese Minderleistung stellt bereits keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen der Beklagten dar.

Wie die Beklagte vorträgt, wurde der Kläger nur versuchsweise in der Unload-Abteilung eingesetzt. Er war ansonsten in anderen Bereichen eingesetzt und dort mit dem Fahren, Schieben, Be- und Entladen von mit Paketen beladenen Wagen beschäftigt. Über das Leistungsvermögen des Klägers in diesen Bereichen, die sein bisheriges arbeitsvertragliches Leistungsverhalten mit 6 Stunden Arbeitszeit täglich überwiegend betroffen haben, hat die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, die Feststellungen über ein erhebliches Leistungsungleichgewicht ermöglichen könnten.

Sonstige Umstände, die ein erhebliches Leistungsungleichgewicht begründen könnten, liegen nicht vor. Krankheitsbedingte Fehlzeiten des Klägers lassen sich auf die Wirbelsäulenerkrankung mit 10 Arbeitstagen im Oktober und November 2004 und mit 9 Arbeitstagen im März 2005 beziehen und sind nicht bedeutsam. Die weiteren Fehlzeiten beruhen auf einem grippalen Infekt und einer Quetschung des rechten Mittelfingers.

Wegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Weiterbeschäftigungsantrag und die Erteilung des Zwischenzeugnisses wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil verwiesen.

Wegen des Vergütungsanspruchs für den 22. Februar 2005 hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren keine erhebliche Begründung für eine Erfüllung des Zahlungsanspruchs dargelegt. Alleine aus der Eintragung einer "1" in das Zeitkonto ergibt sich zwar die Feststellung, dass der Kläger an dem Tag gearbeitet hat, jedoch nicht die Erfüllung des Anspruchs durch Auszahlung eines Geldbetrages.

Wegen der vom Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüche für den 23. Februar, für 11 Arbeitstage im März 2005 sowie für den gesamten April 2005 steht dem Kläger der geltend gemachte - zwischen den Parteien der Höhe nach unstreitige - Vergütungsanspruch auf Grund Annahmeverzugs der Beklagten zu (§ 615 Satz 1 BGB).

Die Beklagte hat für die angegebenen Zeiträume die Arbeitsleistung des Klägers abgelehnt. Sie ist damit in Annahmeverzug geraten, ohne dass noch ein wörtliches Angebot des Klägers erforderlich war, da es Sache des Arbeitgebers ist, durch Zuweisung von Arbeit die Wiederaufnahme der geschuldeten Arbeitsleistung zu ermöglichen (vgl. BAG Urteil vom 24.11.1994 - 2 AZR 179/94).

Zwar kommt nach § 297 BGB der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer als Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 BGB zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Unmöglichkeit der Leistung durch den Arbeitnehmer und Annahmeverzug schließen sich gegenseitig aus (vgl. BAG Urteil vom 11.03.1999 - 2 AZR 538/98).

Der Kläger war jedoch objektiv nicht außerstande die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er war auch leistungswillig ohne Änderung der Einsatzbedingungen zu arbeiten. Insoweit wird auf die oben aufgeführten Feststellungen in den Entscheidungsgründen verwiesen.

Die Beklagte war nicht berechtigt, die Arbeitsleistung des arbeitswilligen und arbeitsfähigen Klägers abzulehnen und die Zahlung des Arbeitsentgelts einzustellen, nur weil dieser eine ärztliche Empfehlung für einen schonenderen Arbeitseinsatz vorgelegt hat.

Nach der in § 618 Abs. 1 BGB konkretisierten Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber zwar die vorzunehmenden Dienstleistungen so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen arbeitsbedingte Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als es die Dienstleistungen gestatten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass er unter Arbeitsbedingungen beschäftigt wird, die ihn gesundheitlich nicht gefährden. Unterlässt der Arbeitgeber gebotene Schutzmaßnahmen, ergibt sich hieraus ggf. ein Recht des Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung nach § 273 BGB zurückzuhalten (vgl. BAG Urteil vom 8. Mai 1996 - 5 AZR 315/95). Dieses Recht wahrzunehmen, ist dem Arbeitnehmer, nicht aber dem Arbeitgeber, überlassen. Jedenfalls berechtigt die ihm obliegende Fürsorgepflicht den Arbeitgeber nicht, entgegen dem erklärten Willen des Arbeitnehmers dessen Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz zu verweigern, wenn der Arbeitgeber dies als für den Arbeitnehmer gesundheitlich gefährdend ansieht (BAG Urteil vom 17.02.1998 - 9 AZR 130/97).

Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Arbeitgeber erkennen muss, dass der Arbeitnehmer mit der Beschäftigung geradezu eine erhebliche Gefährdung seines körperlichen Zustandes herbeiführt. Ein solcher Sachverhalt liegt aber nicht vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Der Zinsanspruch ist in dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend zuerkannt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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