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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 995/07
Rechtsgebiete: HRG


Vorschriften:

HRG § 57 b
HRG § 56
Die Befristung des Arbeitsverhältnisses einer mit dem vollen Stundendeputat beschäftigten Lektorin kann nicht auf die Privilegierung des § 57 b HRG gestützt werden, weil diese nicht als wissenschaftliche Mitarbeiterin anzusehen ist.

Die Möglichkeit zur eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung durch eine vorgesehene teilweise Freistellung in der vorlesungsfreien Zeit gibt in einem solchen Fall dem Arbeitsverhältnis nicht das Gepräge.


Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2007 - 21 Ca 8093/06 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin arbeitete seit dem 1. Oktober 2002 bei dem beklagten Land auf der Basis zahlreicher befristeter Arbeitsverträge. Sie wurde zunächst mit drei jeweils befristeten Verträgen in Teilzeit zur Vertretung der Lektorin A beschäftigt. Wegen des Inhalts der getroffenen Vereinbarungen wird auf die Verträge vom 28. Februar 2002, vom 15. September 2003 und vom 5. Februar 2004 Bezug genommen (Bl. 10-15 d. A.). Sodann schlossen die Parteien unter dem 30. September 2004 einen weiteren Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin ab 1. Oktober 2004 mit 50% der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigte Angestellte bis zum 30. September 2007 gemäß § 57 b Abs. 2 Ziff. 1 HRG beschäftigt werden sollte (Bl. 6 f. d.A.). Durch Änderungsvertrag vom 15. Februar 2005 wurde der Umfang der Beschäftigung auf eine Vollzeitstelle heraufgesetzt (Bl. 9 d.A.). Das beklagte Land erstellte für die Klägerin mehrere Funktions-/Tägigkeitsbeschreibungen, wegen deren Inhalte auf Bl. 16, 137 f. d.A. verwiesen wird.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2007 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 79-82 d. A.).

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 3. Mai 2007 der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 30. September 2004 bzw. den Änderungsvertrag vom 15. März 2005 zum 30. September 2007 aufgelöst werden wird und das beklagte Land zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Es hat angenommen, das beklagte Land könne sich nicht auf die Sonderregelung für befristete Arbeitsverhältnisse gemäß § 57 b HGR berufen. Die Klägerin werde nicht als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sinne von § 53 HGR, sondern als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Sinne von § 56 HRG beschäftigt. Lektorentätigkeiten, wie sie von der Klägerin mit vollem Lehrdeputat verrichtet würden, fielen in den Anwendungsbereich von § 56 HRG. An der rechtlichen Unwirksamkeit der Befristung ändere auch die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, nach der die Klägerin im Umfang von 1/3 ihrer Arbeitszeit zum Zwecke ihrer wissenschaftlichen Weiterqualifizierung von der Erbringung der Arbeitsleistungen frei gestellt werde, nichts. Denn auch wenn von der Zulässigkeit von Mischverträgen auszugehen sei, setze die Wirksamkeit der Befristung im Sinne von § 57 b HRG jedoch voraus, dass die Klägerin im Vergleich zu ihrer Gesamttätigkeit nicht nur in geringem Umfang wissenschaftlich tätig werde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 83-87 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 10. Oktober 2007 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Es verfolgt sein Begehren auf Klageabweisung unter Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Es behauptet, die Klägerin sei nicht nur mit Lektorentätigkeiten, sondern auch mit wissenschaftlichen Dienstleistungen betraut worden. Diese hätten innerhalb der vorlesungsfreien Zeit von - unstreitig 5 Monaten im Kalenderjahr - erbracht werden können. Aufgrund der Freistellung von 33% sei der Klägerin ein ganz erheblicher Zeitanteil verblieben, den sie u.a. auch zur selbstbestimmten wissenschaftlichen Forschung hätte nutzen können und sollen. Das beklagte Land vertritt die Ansicht, derartige Mischverträge seien auch im Bereich von § 56, 57 b HRG zulässig, wenn die Lehrkraft auch zur eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung beschäftigt werde. Auch habe es der ohne jegliche zeitliche Konkretisierung erfolgten Darlegung der Tätigkeiten der Klägerin im Arbeitsverhältnis nicht weiter entgegnen müssen als erstinstanzlich geschehen. Im Übrigen sei die Klage rechtsmissbräuchlich, weil die Klägerin die Zuweisung des vollen Lehrdeputates nie beanstandet habe.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2007 - 21 Ca 8093/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Ansicht, das beklagte Land müsse darlegen und beweisen, dass ihre Tätigkeit mit der vollen Lehrverpflichtung von 16 Wochenstunden keine Vollzeitlektorentätigkeit darstelle. Sie ist der Ansicht, aufgrund des Inhalts der ihr zugewiesenen Tätigkeit liege schon kein sogenannter Mischvertrag vor. Bereits der Vertrag zeige, dass sie alle Vor- und Nacharbeiten ein volles Lehrdeputat habe erfüllen sollen. Dem habe auch - wie sie behauptet - die tatsächliche Abwicklung des Vertragsverhältnisses entsprochen, so dass keine Zeit für ihre eigene wissenschaftliche Qualifizierung im Rahmen der Arbeitszeit verblieben sei.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 10. Oktober 2007 (Bl. 135 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 3. Mai 2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist als in einem Rechtsstreit über den Bestand eines Arbeitsverhältnis eingelegt ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes und im Übrigen nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Das beklagte Land hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem beklagte Land nicht aufgrund der Regelungen in § 1 des Arbeitsvertrags vom 30. September 2004 i.V.m. § 1 des Änderungsvertrags vom 15. März 2005 zum 30. September 2007 beendet worden ist und das beklagte Land zur Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verurteilt. Das Arbeitsgericht hat den Tatsachenvortrag der Parteien im Ergebnis richtig gewürdigt. Das Berufungsgericht kann daher zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verweisen, denen es in vollem Umfang folgt und auf die es deshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug nimmt (Bl. 82-87 d.A.). Die mit der Berufung vorgebrachten Argumente, mit denen das beklagte Land die erstinstanzliche Entscheidung angreift, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Die im Arbeitsvertrag vom 30. September 2004 i.V.m. § 1 des Änderungsvertrags vom 15. März 2005 vereinbarte Befristung hält einer Befristungskontrolle nicht stand, denn sie kann nicht auf § 57 b Abs. 1 HRG gestützt werden.

Nach dieser Vorschrift i.V.m. § 57 a HRG ist die Befristung von Arbeitsverträgen von nicht promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Wissenschaftliches Personal sind gemäß § 53 HGR die Beamte oder Angestellte, denen wissenschaftliche Dienstleistungen obliegen, wozu neben wissenschaftlichen Forschungsaufgaben auf die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fähigkeiten an Studenten gehören können (vgl. KR-Lipke., 8. Aufl., § 57 a HRG Rn 32).

Abzugrenzen vom erfassten Personenkreis dieser Vorschrift sind die dem sonstigen Hochschulpersonal zuzurechnenden Beschäftigten, insbesondere die Lehrkräfte für besondere Aufgaben im Sinne des § 56 HRG. Hierbei handelt es sich um Mitarbeiter, die hauptberuflich den Studenten überwiegend praktische Fertigkeiten und Kenntnisse sprachlicher, technischer oder künstlerischer Art vermitteln.

Die Klägerin war nach den arbeitsvertraglichen Absprachen vom 30. September 2004 und 15. März 2005 entsprechend dem zeitlichen Umfang ihrer jeweils vereinbarten Arbeitszeit als Lehrkraft mit besonderen Aufgaben an der X Universität tätig. Lektorentätigkeiten unterfallen nach allgemeiner Ansicht, die auch von den Parteien geteilt wird, in den Regelungsbereich des § 56 HRG (vgl. KR-Lipke, 8. Aufl., § 57 a HRG Rn 43). Für die Arbeitsverhältnisse von Lehrkräften für besondere Aufgaben enthält das HRG keine eigenen Befristungsregelungen, so dass ausschließlich die allgemeinen Vorschriften des TzBfG zur Begründung der Befristung eines solchen Arbeitsverhältnisses herangezogen werden können.

Allerdings wird allgemein anerkannt, dass auch Lehrkräfte für besondere Aufgaben im Sinne von § 56 HGR zu ihrer eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung und zur Erneuerung der wissenschaftlichen Lehre als wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befristet beschäftigt werden können (vgl. KR-Lipke a.a.O. Rn 44; Annuß/Thüsing, TzBfG, 2. Aufl., § 23 Rn 93; APS-Schmidt, 2 Aufl., § 57 a HRG Rn 10; Gräfl/Arnold-Rambach, TzBfG, Befristungen nach dem HRG Rn 15; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn 649). Voraussetzung dafür, dass solche Lehrkräfte, die Studenten überwiegend praktische Fertigkeiten und Kenntnisse vermitteln, in den Geltungsbereich der § 57a ff. HGR fallen und ihr Arbeitsverhältnis deshalb gemäß § 57 b HGR ohne weiteren sachlichen Grund befristet werden kann, ist jedoch, dass die Erbringung wissenschaftlicher Dienstleistung und nicht die anderweitig geschuldeten Tätigkeiten (hier die die Sprachvermittlung) dem Arbeitsverhältnis das Gepräge geben (vgl. BAG vom 28. Januar 1998 - 7 AZR 677/96, AP Nr. 3 zu § 57 a HGR; APS-Schmidt a.a.O.).

Eine dem Mitarbeiter übertragene Aufgabe gibt - bei unterschiedlicher Aufgabenzuweisung - seiner Tätigkeit das Gepräge, wenn sie für die Tätigkeit maßgebend ist und die mit ihr zusammenhängenden Aufgaben mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit einnehmen (vgl. BAG vom 27. Januar 1999 - 4 AZR 532/97, veröffentlicht in Juris; BAG vom 18. Mai 1983 - 4 AZR 539/80, AP Nr. 74 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

In Ansehung dieser Grundsätze kann - auch wenn das Berufungsgericht zu Gunsten des beklagten Landes davon ausgeht, dass der Klägerin wie im Arbeitsvertrag vom 30. September 2004 vereinbart, außerhalb der Vorlesungszeit eine Freistellung von den ihr übertragenen Lektorenaufgaben für ihre eigene wissenschaftliche Qualifizierung von insgesamt 33 % ihrer Jahresgesamtarbeitszeit eingeräumt worden ist - nicht davon ausgegangen werden, dass diese wissenschaftliche Tätigkeit dem Arbeitsverhältnis der Klägerin zu dem beklagten Land das Gepräge gegeben hat. Der Klägerin wurden zunächst ausweislich der Stellenbeschreibung aus dem Februar 2005 (Bl. 138 d.A.) zu 60% ihrer Arbeitzeit besondere Aufgaben im Sinne von § 56 HRG übertragen in Gestalt der von ihr durchzuführenden Lehrveranstaltungen als Lektorin. Die ihr zugewiesene Zahl der Unterrichtsstunden entsprach nach der maßgeblichen Lehrverpflichtungsverordnung vom 21. Dezember 1999 (GVBl. 2000 S. 36) der maximal möglichen Unterrichtsstundenzuweisung von 16 Lehrveranstaltungsstunden in der Woche, die einer Lehrkraft für besondere Aufgaben bei fast ausschließlicher Lehrtätigkeit übertragen werden kann. Diese Aufgaben wurden von ihr auch zu 100% erfüllt, denn die im Arbeitsvertrag vorgesehene Freistellung von 1/3 sollte ausschließlich in der vorlesungsfreien Zeit erfolgen. Damit kann - selbst wenn ohne nähere Darstellung des beklagten Landes, von welchen Tätigkeiten einer Lektorin in der vorlesungsfreien Zeit die Klägerin im Gegensatz zu einer ausschließlich als Lektorin tätigen Angestellten freigestellt worden ist - weder davon ausgegangen werden, dass die von ihr in der vorlesungsfreien Zeit erbrachten wissenschaftlichen Dienstleistung überwiegen noch ihrer Tätigkeit das Gepräge geben. Rein mathematisch gesehen erbringt die Klägerin als Lektorin zu 60% ihrer Arbeitszeit besondere Aufgaben im Sinne von § 56 HRG. Ihr Lektorenarbeitsverhältnis unterscheidet sich daher nicht wesentlich von dem einer anderen, nicht auch zu ihrer eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung beschäftigten Lektorin. Die Lektorentätigkeit bestimmt daher sowohl ihrem Gewicht als auch ihrem Zeitanteil nach das Arbeitsverhältnis, denn ihre ordnungsgemäße Erfüllung steht im Vordergrund des Beschäftigungsverhältnisses. Die Zeit für eigene wissenschaftliche Qualifizierung ist ausdrücklich in die vorlesungsfreien Zeiten gelegt worden. Sie tritt daher auch ihrer Bedeutung nach hinter die "Haupttätigkeit" der Lektorin zurück und prägt in keiner Weise das Arbeitsverhältnis der Parteien.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hat.

Für die Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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