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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.03.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 1014/05
Rechtsgebiete: BGB, BAT


Vorschriften:

BGB § 626
BAT § 54
1. Eine schuldhaft herbeigeführte schwere Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses durch den Arbeitnehmer ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Dies ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer, der in dem Verdacht steht, sich vertragswidrig verhalten zu haben, seinen Arbeitskollegen bittet, ein Entlastungsvorbringen gegenüber dem Arbeitgeber zu bestätigen, obwohl der Arbeitskollege äußerte, sich hieran nicht zu erinnern.

2. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es hier nicht, weil eine Hinnahme dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen war.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2005 - 8 Ca 9474/04 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Die Beklagte ist eine hessische Großstadt. Der am 10. August 1961 geborene, ledige, mit einem GdB von 50 schwerbehinderte Kläger ist bei dieser seit 6. Juni 1989 als Angestellter im Ordnungsamt zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.715,24 EUR (in Worten: Zweitausendsiebenhundertfünfzehn und 24/100 Euro) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Zu den vom Kläger zu erledigenden Aufgaben gehörte die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen für Werkvertragsteilnehmer. Hierbei suchten Vertreter der Firmen den Kläger in seinem Büro auf und gaben Anträge der bei diesen beschäftigten Mitarbeiter sowie deren Pässe zur Bearbeitung ab. Der Kläger teilte sich ein Büro mit seinem Arbeitskollegen A.

Für einen längeren Zeitraum (etwa ein 3/4 Jahr bis 1 Jahr) behandelte der Kläger eine Firmenvertreterin, Frau B, bevorzugt, indem er die von ihr eingereichten Pässe nicht in den Geschäftsgang gab, sondern auf seinem Schreibtisch beließ und so schneller bearbeitete. Der Grund hierfür war, dass der Kläger eine private Beziehung zu Frau B aufbauen wollte. Er traf sich mit ihr privat im Restaurant und besuchte sie zu Hause.

Am 10. Mai 2002 erhielt der Kläger einen Anruf des ehemaligen Freundes von Frau B, C, der ihm für eine zügige Sachbearbeitung 50,00 Euro übergeben wollte. Dies lehnte der Kläger ab. Am gleichen Tag suchte Herr C den Kläger in seinem Büro auf und hatte zwischen zwei Pässe einen Geldschein gesteckt, den er entfernte als der Arbeitskollege des Klägers, Herr A, unerwartet das Büro betrat.

Über diesen Vorfall fertigte der Kläger folgenden Vermerk:

"Der Firmenvertreter der kroatischen Werkvertragsfirma " D "

Herr C *03.01.1976 versuchte zum wiederholten Mal mich durch materiell/finanzielle Zuwendungen zur Vorteilnahme zu bewegen. Dies wurde von mir strikt abgelehnt und Hr. C darauf hingewiesen, daß er bei wiederholtem Versuch die Konsequenzen zu tragen habe. Am Nachmittag rief mich Herr C an und sagte mir, daß er mir bei seiner heutigen Vorsprache Geld (€ 50,-) für eine zügigere Bearbeitung geben wollte. Das Geld befand sich beim Einreichen der 2 Pässe zwischen diesen beiden und wurde durch das unerwartete Eintreten meines Kollegen Herrn A schnell aus den Pässen entfernt. Hr. C reichte die Pässe ein und verließ ohne etwas zu sagen das Büro.

Die Beklagte leitete diesen Vermerk mit Schreiben vom 7. August 2002 an die Staatsanwaltschaft weiter.

Im August 2002 rief der Kläger seinen inzwischen versetzten Arbeitskollegen A an und schilderte ihm den in seinem Büro stattgefundenen Vorfall vom 10. Mai 2002. Als Herr A äußerte, dass er sich hieran nicht erinnern könne, bat der Kläger ihn, seine - des Klägers - gemachten Angaben zu bestätigen.

Bei seiner Vernehmung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sagte Herr C aus, er habe dem Kläger im Jahre 2001 in zwei Fällen jeweils 50,00 DM (in Worten: Fünfzig und 00/100 Deutsche Mark) gegeben. In einem Fall sei dies erfolgt, weil der Kläger einen von Herrn C verspätet vorgelegten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung genehmigt habe. Im anderen Fall, weil der Kläger für einen Vertrag die Verlängerung bewilligt habe, obwohl er unzuständig gewesen sei.

Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft lagen der Beklagten am 10. September 2004 vor. Am 13. September 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an; insoweit wird auf das Protokoll Bl. 55, 56 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 16. September 2004 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers an, siehe Bl. 78 - 81 d. A. . Mit Schreiben vom selben Tag bat sie das Integrationsamt um die Erteilung seiner Zustimmung zu dieser Maßnahme (Bl. 86 - 89 d. A.). Mit Schreiben vom 22. September 2004 (Bl. 85 d. A.) erhob der Personalrat Bedenken gegen eine fristlose Kündigung. Nach telefonischer Mitteilung der Zustimmung des Integrationsamtes am 1. Oktober 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers am selben Tag fristlos; insoweit wird auf das Schreiben Bl. 76, 77 d. A. Bezug genommen. Der schriftliche Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes ging am 4. Oktober 2004 bei der Beklagten ein (s. Bl. 91 - 100 d. A.).

Mit einem am 19. Oktober 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Frist des § 626 II BGB nicht eingehalten, weil sie bereits am 28. April 2004 Kenntnis davon gehabt habe, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger anhängig sei. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 I BGB liege nicht vor. Die unstreitigen Vorwürfe rechtfertigten keine Kündigung. Der Kläger hat bestritten, finanzielle Zuwendungen von Herrn C erhalten zu haben.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 1. Oktober 2004 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bereits die unstreitigen Vorfälle (Bevorzugung von Frau B, zumindest teilweise falsche Sachdarstellung in dem Vermerk vom 10. Mai 2002, versuchte Veranlassung des Arbeitskollegen A zu einer Falschaussage) seien geeignet die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das gleiche gelte für den dringenden Verdacht, im Jahr 2001 zweimal für die Erteilung von Aufenthaltsverlängerungen von Herrn C 50,00 DM (in Worten: Fünfzig und 00/100 Deutsche Mark) angenommen zu haben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Ein starker Verdacht, der geeignet wäre eine fristlose Kündigung zu begründen lasse sich aus der Aussage des Herrn C im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren nicht herleiten, da dessen Glaubwürdigkeit beeinträchtigt sei. Auch die bevorzugte Behandlung von Frau B stelle keinen wichtigen Grund dar. Die Beklagte hätte zuvor eine einschlägige Abmahnung aussprechen müssen. Das gleiche gelte, soweit der Kläger in seinem Vermerk vom 10. Mai 2002 wahrheitswidrig angegeben habe, der Vorfall sei von seinem Kollegen, Herrn A, beobachtet worden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung. Hinsichtlich der unstreitig erfolgten Bevorzugungen der Frau B vertritt die Beklagte die Auffassung, dass zwar das schnelle Bearbeiten eines Vorgangs nicht rechtswidrig sei, der Kläger aber sein Ermessen hinsichtlich der Frage missbraucht habe, welche Vorgänge er schnell und welche er langsam bearbeite. Deshalb habe es einer vorhergehenden Abmahnung nicht bedurft. Im Übrigen habe der Arbeitskollege des Klägers, Herr A, im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren ausgesagt, dass er den Kläger auf seine unzulässige Bevorzugung verschiedener antragstellender Damen ausdrücklich angesprochen und ihm erklärt habe, dass diese Sache irgendwann nach hinten losgehen werde. Dies habe den Kläger nicht dazu veranlasst, sein Verhalten zu ändern. Nach entsprechender Anhörung des Personalrats (Bl. 161 - 163 d. A.) stützt die Beklagte die Kündigung auch darauf, dass der Kläger am 10. und 11. Januar 2001 auf Antrag der von Frau B vertretenen Firma E Anträge genehmigte, obwohl eine Genehmigung mangels Zuständigkeit nicht hätte erteilt werden dürfen.

Die fristlose Kündigung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger versucht habe, in seinem Aktenvermerk vom 10. Mai 2002 einen inkorrekten Sachverhalt zu schildern, indem er von einem "wiederholten" Bestechungsversuch des Herrn C sprach. Kündigungsrelevant sei auch, dass der Kläger versucht habe, seinen Arbeitkollegen A zu einer unwahren Aussage zu veranlassen. Die Beklagte könne sich deshalb bei künftigen Vorfällen nicht mehr auf die Angaben des Klägers, selbst wenn sie von anderen Mitarbeitern bestätigt werden sollten, verlassen. Der Versuch, andere Mitarbeiter zu einer unrichtigen Aussage zu gewinnen, sei für jeden Arbeitnehmer erkennbar rechtswidrig, weshalb es insoweit eine Abmahnung nicht bedürfe.

Hinsichtlich der Entgegennahme von Geld seitens Herrn C hätte das Arbeitsgericht diesen nicht als unglaubwürdig ansehen dürfen, ohne ihn zu vernehmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2005 - 8 Ca 9474/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die nachgeschobenen Kündigungsgründe rechtfertigten die fristlose Kündigung nicht. Die örtliche Unzuständigkeit des Klägers habe sich lediglich aus einer dienstinternen Anweisung und nicht nach den gesetzlichen Vorschriften des Ausländerrechts ergeben. Die Bearbeitung derartiger Fälle sei bei der Beklagten geübte Praxis gewesen und zwar in den Fällen, in denen eine Rücksprache mit dem Vorgesetzten bzw. dem zuständigen Sachbearbeiter erfolgt sei. Dies sei hier der Fall gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A

Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§ 564 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B

Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass der Kläger seinen Arbeitskollegen A im August 2002 gebeten hat, den in seinem Büro am 10. Mai 2002 stattgefundenen Vorfall zu bestätigen, obwohl dieser äußerte sich an ein derartiges Ereignis nicht erinnern zu können. Dies rechtfertigt die fristlose Kündigung. Die Kündigung erfolgte auch innerhalb der 2-Wochen-Frist der §§ 54 Abs. 2 BAT, 626 Abs. 2 BGB.

1. Nach §§ 54 Abs. 1 BAT, 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

2. Eine schuldhaft herbeigeführte schwere Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses durch den Arbeitnehmer ist an sich geeignet einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen. Obwohl Herr A gegenüber dem Kläger in dem Telefonat äußerte, sich an den Vorfall vom 10. Mai 2002 nicht zu erinnern, bat der Kläger ihn, seine - des Klägers - gemachten Angaben gegenüber der Beklagten zu bestätigen. Hierbei hätte es sich um eine schwere Pflichtverletzung des Herrn A gegenüber der Beklagten gehandelt, weil dieser nicht aus eigenem Wissen bestätigen konnte, ob der vom Kläger geschilderte Vorfall vom 10. Mai 2002 tatsächlich so stattgefunden hat. Das vorsätzliche Verhalten des Klägers stellt eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses dar. Die Beklagte muss auf Grund dieses Vorfalls befürchten, dass der Kläger bei erneutem Verdacht vertragswidrigen Verhaltens zu seinen Gunsten Beweismittel "schafft", um sich zu entlasten. Hierdurch wird das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers nachhaltig gestört.

3. Eine vorhergehende Abmahnung war nicht erforderlich. Zwar ist nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht das Abmahnungserfordernis bei jeder Kündigung zu prüfen, die wegen eines steuerbaren Verhaltens des Arbeitnehmers ausgesprochen wurde, das der Arbeitnehmer zukünftig beseitigen kann. Erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt der Kündigung eine Wiederherstellung der Vertragstreue und des Vertrauens erwartet werden kann (BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 226/96 - BAGE 86, 95; 11. März 1999 - 2 AZR 507/98 - AP BGB § 626 Nr. 149 zu II 1 b aa der Gründe; 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98 - BAGE 91,30 zu B II 5 der Gründe; 8. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - BAGE 95,78 zu B I 2 b der Gründe). Entbehrlich ist eine Abmahnung jedenfalls, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Dagegen bedarf es einer Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein Erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189; 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - AP BGB § 626 Nr. 192 zu III 2 der Gründe). Der Versuch des Klägers, seinen Arbeitskollegen dazu zu veranlassen, die Angaben des Klägers gegenüber der Beklagten zu bestätigen, obwohl dieser sie nicht wahrgenommen hatte oder sich hieran nicht mehr erinnern konnte, stellt eine schwere Pflichtverletzung dar. Der Kläger hat versucht, die Beweislage zu seinen Gunsten zu manipulieren. Auf Grund dieses Verhaltens ist das Vertrauensverhältnis zur Beklagten nachhaltig gestört. Die Rechtswidrigkeit seines Tuns war dem Kläger ohne weiteres erkennbar. Dass man einer Beweisnot nicht auf der vom Kläger gewählten Weise begegnen darf, ist auch einem juristischen Laien klar. Insoweit ist für die Berufungskammer nicht entscheidend, ob sich der Vorfall vom 10. Mai 2002 tatsächlich so wie vom Kläger behauptet zugetragen hat, sondern dass ihm in dem Telefonat von Herrn A mitgeteilt wurde, dass er sich hieran nicht erinnern kann. Damit war auch dem Kläger klar, dass Herr A dessen Angaben nicht bestätigen darf. Das Verhalten des Klägers berührt die Grundlage der zur Beklagten bestehenden Vertrauensbeziehung. Aus diesem Grund war eine Hinnahme seines Verhalten durch diese offensichtlich ausgeschlossen.

4. Die Beklagte hat die Frist der §§ 54 Abs. 2 BAT, 626 Abs. 2 BGB beachtet. Diese beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 2 der Gründe mit weiteren Nachweisen). Dieser kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Die zeitliche Begrenzung der §§ 54 Abs. 2 BAT, 626 Abs. 2 BGB soll den Arbeitgeber nicht zur hektischen Eile bei der Kündigung antreiben oder ihn veranlassen, ohne genügende Vorprüfung des Sachverhalts oder hinreichend vorhandene Beweismittel voreilig zu kündigen. Solange der Kündigungsberechtigte zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinende Maßnahmen durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht anlaufen. Sind die Ermittlungen jedoch abgeschlossen und hat der Kündigungsberechtigte eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt und von den erforderlichen Beweismitteln, so beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Ein Kündigungsberechtigter darf regelmäßig den Aus- bzw. Fortgang eines Strafermittlungs- bzw. eines Strafverfahrens abwarten. Entschließt sich der Kündigungsberechtigte hierzu, so kann er dann jedoch nicht zu einem beliebigen willkürlich gewählten Zeitpunkt außerordentlich kündigen. Voraussetzung für eine doch vorgezogene Kündigung ist vielmehr, dass er hierfür einen sachlichen Grund hat. Ein solcher kann auch in einer so genannten staatsanwaltlichen Freigabeerklärung liegen (BAG 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 zu B II der Gründe).

Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft lagen der Beklagten am 10. September 2004 vor. Erst ab diesem Zeitpunkt stand ihr das notwendige Tatsachenmaterial für die bereits am 13. September 2004 vorgenommene Anhörung des Klägers vor. Am 16. September 2004 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Klägers, über deren Erteilung sie telefonisch am 1. Oktober 2004 informiert wurde. Hinsichtlich der am selben Tag erklärten fristlosen Kündigung ist damit die 2-Wochen-Frist beachtet.

5. Auch die stets vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Zugunsten des Klägers ist sein Lebensalter, die beträchtliche Dauer seiner Betriebszugehörigkeit sowie seine Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Gleichwohl ist der Beklagten ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen der nachhaltigen Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses nicht zuzumuten.

C

Als unterlegene Partei hat Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe für Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere liegt dem Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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