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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 1546/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 166 II
1) Der Kläger hat behauptet, er sei zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Prozeßvergleichs aufgrund einer Lebensmittelintoxikation geschäftsunfähig gewesen.

2) Zum Begriff der Weisung in § 166 Abs. 2 BGB.

3) Die vorübergehende Geschäftsunfähigkeit des Vertretenen ist für die Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB ohne Bedeutung, solange sie nicht in bösgläubiger Weise zur Umgehung des Schutzes des Geschäftsgegners eingesetzt wird.

4) Zur Darlegungslast bei vorübergehender Geschäftsunfähigkeit.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 2005 - 8 Ca 656/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.

Der 45-jährige, unverheiratete, einem minderjährigen Sohn unterhaltsverpflichtete Kläger war vom 01. November 2000 bis 30. September 2003 in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei der Beklagten beschäftigt. Mit einem weiteren Vertrag vom 05. August 2003 vereinbarten die Parteien für die Zeit vom 01. Oktober bis 31. Dezember 2003 eine (weitere) befristete Beschäftigung des Klägers. Als Befristungsgrund wurde im Arbeitsvertrag angegeben, dass die Haushaltsmittel (Projektmittel) nur für die Zeit bis 31. Dezember 2003 bewilligt wurden; insoweit wird auf den Arbeitsvertrag Bl. 7, 8 d.A. Bezug genommen.

Mit seiner am 20. Januar 2004 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend und begehrte seine Weiterbeschäftigung.

Im Kammertermin am 20. Juli 2004 schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, demzufolge das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2003 endete und der Kläger eine Abfindung in Höhe von € 15.000,00 erhält; insoweit wird auf Bl. 115 d.A. verwiesen.

Dem Vergleichsschluss war eine Sitzungsunterbrechung vorausgegangen, in der der Kläger in einem Gespräch mit seinem Prozessbevollmächtigten von seiner ursprünglichen Vorstellung, das Arbeitsverhältnis nur bei einer Abfindung von € 22.000,00 bzw. € 21.000,00 beenden zu wollen, Abstand nahm und sich mit einer möglichen Vergleichssumme von € 15.000,00 einverstanden erklärte.

Nach Schluss der Verhandlung trat der Kläger mit dem Zug die Heimreise zu seinem Zweitwohnsitz in A an, die er in B unterbrach, um einen Arzt aufzusuchen. Unter dem 27. Juli 2004 erstellte der niedergelassene Arzt für Allgemeinmedizin C dem Kläger folgende ärztliche Bescheinigung aus:

"Herr D stellte sich am 20. Juli 2004 in meiner Praxis vor.

Diagnosen: hochfieberhafter Allgemeininfekt, massive Kreislaufstörung bei Hypotonie V.a. Lebensmittelintoxikation

Aufgrund obiger Diagnosen und des erhobenen Befundes ist davon auszugehen, dass Herr D bei der Gerichtsverhandlung am 20. Juli 2004 zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr geschäftsunfähig war, damit also nicht in der Lage war, die Tragweite für ihn wichtiger Entscheidungen zu überblicken."

Der Kläger hat behauptet, am 20. Juli 2004 während der Gerichtsverhandlung vor dem Arbeitsgericht geschäftsunfähig gewesen zu sein. Er hat die Auffassung vertreten, der geschlossene Prozessvergleich sei deshalb unwirksam.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 20. Juli 2004 nicht beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2003 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Referent im Angestelltenverhältnis weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 20. Juli 2004 beendet worden ist;

sowie hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger müsse sich die Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Deshalb sei der Vergleich wirksam. Unabhängig von der Frage der entsprechenden Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB lägen die Voraussetzungen des § 105 Abs. 2 BGB hier jedenfalls nicht vor. Aus dem Attest von Herrn C gehe nicht hervor, ob der attestierte hochfieberhafte Allgemeininfekt sowie die massive Kreislaufstörung und der Verdacht auf Lebensmittelintoxikation vorgelegen haben und insbesondere ob sie auch tatsächlich zu der behaupteten vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit bei dem Kläger geführt haben. Erforderlich sei insoweit das Vorliegen einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit, die zu einem völligen Ausschluss der freien Willensbestimmung geführt haben müsse. Das Vorliegen dieser schweren Bewusstseinsbeeinträchtigungen sei weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Die Beklagte hat behauptet, der Kläger sei den Verhandlungen zwischen dem Kammervorsitzenden und den Prozessbevollmächtigten mit Interesse gefolgt, habe Einwürfe gemacht und Fragen beantwortet. Nach Schluss der Verhandlung habe er mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten noch eine kurze Unterhaltung geführt, bei der diesem noch nicht einmal eine Gesundheitsstörung des Klägers aufgefallen sei.

Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Rechtsstreit zwischen den Parteien durch den Prozessvergleich vom 20. Juli 2004 beendet worden ist. Hiergegen wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht nach dessen Weisung handelte, als er dem Vergleich zustimmte. Eine Weisung des Klägers sei vielmehr darin zu sehen, dass dieser in der Verhandlungspause sich gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten zustimmend zu einer Vergleichssumme von € 15.000,00 äußerte. Der Kläger sei dabei davon ausgegangen, dass sein Prozessbevollmächtigter, dem er keine schriftliche Vollmacht erteilt habe, nicht allein einen Prozessvergleich wirksam abschließen könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 07. Juni 2005 - 8 Ca 656/04 - abzuändern und

1. festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 20. Juli 2004 nicht beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2003 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe bereits nicht schlüssig dargelegt, dass er während der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2004 geschäftsunfähig war. Aus dem ärztlichen Attest lasse sich nicht entnehmen, welche objektivierbaren Befunde Herr C erhoben hat. Als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin möge Herr C eine Lebensmittelintoxikation diagnostizieren können. Er verfüge jedoch nicht über das notwendige Fachwissen, um die Auswirkungen dieses pathologischen Zustands auf die Geschäftsfähigkeit zu bestimmen. Gerade der vom damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers geschilderte Verlauf des zwischen ihm und dem Kläger in der Verhandlungspause am 20. Juli 2004 geführten Gesprächs spreche gegen eine vorübergehende Geschäftsunfähigkeit des Klägers. Es belege vielmehr, dass der Kläger aus vernünftigen Erwägungen dem Vergleich zugestimmt habe. Dass der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten keine schriftliche Vollmacht erteilt habe, sei unbeachtlich, da die Prozessvollmacht auch formlos erteilt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 20. Juli 2004 beendet wurde.

1.

Das Arbeitsgericht hat gemeint, die Voraussetzungen des § 166 Abs. 2 BGB lägen nicht vor, weil es an einem Verhalten des Klägers fehle, das noch irgendwie als eine Art von Weisung an den Anwalt angesehen werden könne. Der Kläger habe beim Diktat des Vergleichstextes keinerlei Äußerungen getätigt. Zwar habe er bei der Unterbrechung der Sitzung sein Einverständnis dazu erklärt, der Gegenseite einen Vergleich in Höhe von € 15.000,00 vorzuschlagen. Diese Ursache habe sich jedoch nicht kontinuierlich bis zum Vergleichsschluss fortgesetzt. Vielmehr hätten noch mehrere Handlungsabschnitte dazwischen gelegen, nämlich die Erörterung mit der Gegenseite ohne das Gericht, die nochmalige Mitteilung an das Gericht sich geeinigt zu haben sowie anschließend die Protokollierung des Prozessvergleichs und die Genehmigung durch beide Parteien. Für den letzten Handlungsabschnitt habe der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten keinerlei Weisung erteilt. Diesen Ausführungen folgt die Berufungskammer nur im Ergebnis, nicht in der Begründung.

2.

Der Begriff der Weisung in § 166 Abs. 2 BGB ist weit zu verstehen. Es genügt, dass der Bevollmächtigte im Rahmen der Vollmacht zu einem bestimmten Rechtsakt schreitet, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber veranlassen wollte (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 472/96 - zu II. 2. b) d.Gr.; BGH 10. Oktober 1962 - VIII ZR 3/62 - BGHZ 38, 65, 68). Ein derartiges Verhalten des Klägers ist darin zu sehen, dass er während der Verhandlungspause gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten sein Einverständnis erklärte, der Gegenseite einen Vergleich in Höhe von € 15.000,00 vorzuschlagen. Dieses Verhalten war auch ursächlich für die von seinem Prozessbevollmächtigten erteilte Zustimmung zu dem Vergleich. Darauf, dass zwischen dem als Weisung zu verstehenden Verhalten des Klägers in der Sitzungspause und dem Zustandekommen des Vergleichs noch mehrere "Handlungsabschnitte" lagen, kommt es nicht an, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers insoweit nur die ihm in der Sitzungspause erteilten Anweisungen des Klägers umsetzte. Im Übrigen reicht es für das Vorliegen einer Weisung im Sinn von § 166 Abs. 2 BGB bereits aus, dass der Kläger bei der Protokollierung des Vergleichs zugegen war. Schließt der Prozessbevollmächtigte in Gegenwart seines Mandanten einen Vergleich ab, setzt er im Wesentlichen nur dessen Geschäftswillen in die Tat um, er handelt nach dessen Weisungen (BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - zu II. 2. a) d.Gr.).

3.

Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers abgeschlossene Prozessvergleich ist wirksam.

a) Als Vertreter im Sinne von § 164 BGB gibt der Prozessbevollmächtigte mit seiner Zustimmung zu einem Vergleich eine eigene Willenserklärung ab. Hinsichtlich der Anwendung des § 105 BGB ist daher auf die Person, die die Willenserklärung abgegeben hat, d.h. den Vertreter, abzustellen. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass sein Prozessbevollmächtigter die Zustimmung zu dem Vergleich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) abgegeben hat.

b) Ebenso wenig macht der Kläger geltend, dass die von ihm seinem Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht gem. § 105 Abs. 2 BGB nichtig ist. Auch ist die Vollmachterteilung nicht deshalb (form-)unwirksam, weil sie nicht schriftlich erfolgte. Wie sich aus § 89 Abs. 2 ZPO ergibt, kann eine Prozessvollmacht auch mündlich erteilt werden. Dass der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers als vollmachtloser Vertreter gehandelt habe, behauptet der Kläger selbst nicht.

c) Vielmehr macht der Kläger geltend, am 20. Juli 2004 zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr geschäftsunfähig und damit nicht in der Lage gewesen zu sein, die Tragweite für ihn wichtiger Entscheidungen zu überblicken. Hieraus folgt jedoch nicht die Unwirksamkeit der von seinem Vertreter abgegebenen Willenserklärung.

aa) § 166 Abs. 1 BGB regelt die Zurechnung von Willensmängeln, d.h. der in §§ 116 - 123 BGB geregelten Tatbestände (Soergel-Leptien, BGB, 13. Aufl., § 166 Rn 18; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 166 Rn 3). Dagegen handelt es sich bei der Geschäftsunfähigkeit nicht um einen Willensmangel, sondern um einen Zustand, in dem eine wirksame Willenserklärung überhaupt nicht abgegeben werden kann. Auch für eine entsprechende Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB auf Erklärungen im Namen Geschäftsunfähiger besteht kein Raum, da die Norm ohnehin auf die Person des Vertreters abstellt.

bb) Weder aus einer unmittelbaren noch aus einer entsprechenden Anwendung von § 166 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass allein eine Geschäftsunfähigkeit des Vertretenen ohne Hinzutreten weiterer Umstände (Bösgläubigkeit, arglistige Täuschung) zur Nichtigkeit der vom Vertreter abgegebenen Willenserklärung führt. Sinn des § 166 Abs. 2 BGB ist es zu verhindern, dass durch die Bevollmächtigung eines arglosen Dritten die gesetzliche Folge der Mangelhaftigkeit eines Rechtsaktes umgangen wird (BGH 10. Oktober 1962 - VIII ZR 3/62 - BGHZ 38, 65, 67). Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Geschäftsgegners (BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - BGHZ 51, 141, 146), nicht den des Vertretenen. Dies verkennt das OLG Braunschweig in seinem Urteil vom 04. April 1975 (2 U 119/72). Im Rahmen dieser Ratio ist eine analoge Anwendung von § 166 Abs. 2 BGB möglich. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Vertreter selbst bösgläubig ist und seinen gutgläubigen (auch: gesetzlichen) Vertreter zu einem bestimmten Geschäft veranlasst (Soergel-Leptien, BGB, § 166 Rn 32). Ferner kommt eine analoge Anwendung von § 166 Abs. 2 BGB in Betracht, wenn der Geschäftsgegner nicht schutzbedürftig ist, weil er den Vertretenen arglistig getäuscht hat (Soergel-Leptien, BGB, § 166 Rn 33). Dagegen ist die Geschäftsunfähigkeit des Vertretenen als solche für die Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB ohne Bedeutung, solange sie nicht in bösgläubiger Weise zur Umgehung des Schutzes des Geschäftsgegners eingesetzt wird.

Bei Anwendung dieser Grundsätze scheidet hier sowohl eine unmittelbare als auch eine analoge Anwendung von § 166 Abs. 2 BGB aus. Es geht hier nicht darum, dass der Kläger in bösgläubiger Weise die Unkenntnis seines arglosen Vertreters ausgenutzt hätte. Ebenso wenig fehlt es an einer Schutzbedürftigkeit der Beklagten, weil diese bösgläubig gewesen wäre. Ist damit sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite ein arglistiges Ausnutzen der Gutgläubigkeit des Vertreters nicht gegeben, führt allein eine mögliche Geschäftsunfähigkeit des Vertretenen nicht zu einer Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB.

4.

Ungeachtet dessen hat der Kläger keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich entnehmen lassen könnte, er sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessvergleichs vorübergehend geschäftsunfähig im Sinn von § 105 Abs. 2 BGB gewesen. Insoweit liegt die Darlegungslast beim Kläger. § 105 Abs. 2 BGB setzt einen Zustand voraus, in dem die freie Willensbildung nicht nur geschwächt und gemindert, sondern völlig ausgeschlossen ist. Bloße Willensschwäche und leichte Beeinflussbarkeit durch andere schließen die Möglichkeit freier Willensbildung nicht aus. Bestimmte krankhafte Vorstellungen und Empfindungen des Erklärenden oder Einflüsse Dritter müssen derart übermäßig geworden sein, dass eine Bestimmung des Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen war (BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 234/95 - NJW 1996, 2593, zu II. 3. d.Gr.). Soweit Erkrankungen behauptet werden, ist darzulegen, inwieweit diese, entgegen der Regel, die freie Willensbestimmung des Klägers ausgeschlossen haben sollen. Ohne die Schilderung solcher Umstände führt auch ein Beweisangebot nicht weiter, da dieses zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis führen würde (LAG Rheinland-Pfalz 14.01.2004 - 9 Sa 1020/03 - MDR 2004, 580).

Danach hat der Kläger zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 2 BGB nicht ausreichend vorgetragen. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich unter Vorlage des ärztlichen Attests auf die Mitteilung der von dem Arzt gestellten Diagnosen sowie die Schlussfolgerung, es sei davon auszugehen, dass der Kläger bei der Gerichtsverhandlung am 20. Juli 2004 zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr geschäftsunfähig war. Der Kläger hat jedoch nicht im Einzelnen vorgetragen, aufgrund welcher konkreter Umstände die diagnostizierten Krankheiten zu einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit bei ihm führten. Dies wäre aber deshalb erforderlich gewesen, weil die genannten Krankheiten nicht zwangsläufig Auswirkungen auf die freie Willensbestimmung in dem für § 105 Abs. 2 BGB erforderlichen Ausmaß haben. Zwar mag es in Einzelfällen vorkommen, dass ein hochfieberhafter Allgemeininfekt und eine massive Kreislaufstörung bei Hypotonie den Ausschluss der freien Willensbestimmung bei dem Patienten vorübergehend zur Folge haben kann. Ob dies hier der Fall war, ist jedoch nicht dargelegt. Der Kläger trägt nicht vor welche konkreten Beeinträchtigungen bei ihm aufgetreten sind. Er gibt auch nicht an, welche Körpertemperatur bei ihm um welche Uhrzeit am 20. Juli 2004 gemessen wurde und wie die Höhe seines Blutdrucks war. Allenfalls bei Mitteilungen dieser Werte in Verbindung mit der konkreten Schilderung der körperlichen Auswirkungen könnte ein Sachverständiger nachvollziehen, ob zu dem genannten Zeitpunkt eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit vorlag. Nichts anderes gilt in Bezug auf die von dem Arzt beim Kläger vermutete (V.a.) Lebensmittelintoxikation. Auch diese führt allenfalls in besonders schweren Einzelfällen zu einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit. Warum dies hier der Fall gewesen sein soll, lässt sich dem Tatsachenvortrag des Klägers nicht entnehmen.

Das Gericht ist auch nicht an die Feststellung des Arztes, es sei davon auszugehen, dass der Kläger am 20. Juli 2004 zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr geschäftsunfähig war, gebunden. Die ärztliche Bescheinigung stellt lediglich einen urkundlich belegten Parteivortrag dar, dem sich die streitentscheidenden Umstände, warum die diagnostizierten Krankheiten hier zu einer Geschäftsunfähigkeit geführt haben sollen, gerade nicht entnehmen lassen.

C.

Der Kläger hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG. Die Divergenz zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 04. April 1975 (2 U 119/72) verlangt keine Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG, weil die dortige Aufzählung der Gerichte abschließend ist, sodass eine Abweichung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte keine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz begründet (Germelmann, ArbGG, 5. Aufl., § 72 Rn 22). Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt.

Ende der Entscheidung

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