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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 03.11.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 23/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 157 | |
BGB § 133 |
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Juli 2005 - 1 Ca 311/04 - teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, in seinen Arbeitsanweisungen an den Kläger die derzeit gemäß Arbeitsvertrag bestimmte wöchentliche Unterrichtsverpflichtung (Deputat) von 18,00 Wochenarbeitsstunden für das Schuljahr 2006/2007 nicht zu überschreiten.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über eine Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung des als Lehrer beschäftigten Klägers.
Der Beklagte betreibt in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins eine Internatsschule, auf der Schüler staatlich anerkannt den Haupt- und Realschulabschluss sowie das Abitur erwerben können. Der Kläger ist dort seit 1987 als Lehrer beschäftigt.
In einem Schreiben vom 22. Juni 1987 (Bl. 6, 7 d.A.) teilte der Vorstand des Beklagten dem Kläger die vereinbarten Beschäftigungsbedingungen mit. Dort heißt es u.a.:
"Im Schuljahr 1987/88 werden Sie mit einem vollen Deputat (24 Jahreswochenstunden) vor allem in Ihren Fächern Latein, Deutsch und Sozialkunde im Unterricht eingesetzt werden. (...)
Ihre Vergütung erfolgt in Anlehnung an die Vergütungstabelle des BAT, und zwar in der dort vorgesehenen Vergütungsgruppe II a/33."
Mit dem bei ihm gebildeten Betriebsrat vereinbarte der Beklagte am 29. April 1991 eine Betriebsvereinbarung (Bl. 29 d.A.). Dort heißt es:
"Ab 01. August 1991 beträgt ein volles Unterrichtsdeputat - gleichmäßig für alle Schularten, Schulstufen und unabhängig von der Lehrbefähigung - 23 Jahreswochenstunden.
(...)
Diese Vereinbarung kann vollständig oder in Teilen mit einer Frist von 6 Monaten, jeweils zum 31.07. bzw. 31.12. eines Kalenderjahres mit dem Ziel, sie in Verhandlungen neu zu fassen, von beiden Seiten gekündigt werden."
Unter dem 06. Juli 1999 (Bl. 8 d.A.) vereinbarten die Parteien folgende Änderung ihres Arbeitsvertrages:
"1. Der Anteil der Unterrichtsverpflichtung (Deputat) wird zukünftig mit 18 Wochenstunden vereinbart.
2. Sie erhalten 18/23 der in o.g. Vertrag errechneten vollen Vergütung.
Alle anderen Regelungen der o.g. Vereinbarung bleiben bestehen."
Mit Schreiben vom 23. Januar 2004 (Bl. 30 d.A.) kündigte der Beklagte die in der Betriebsvereinbarung vom 29. April 1991 unter 1. niedergeschriebene Regelung zur Höhe des vollen Unterrichtsdeputats zum 31. Juli 2004. Mit Schreiben vom 19. Juli 2004 (Bl. 9 d.A.) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass für vollzeitbeschäftigte pädagogische Mitarbeiter es einer Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung (Deputat) von zurzeit 23 Stunden/Woche auf 24 Stunden/Woche bedarf. Entsprechend dem Umfang seiner Teilzeitbeschäftigung bat der Beklagte den Kläger zur Zustimmung zu einer Änderung seines Arbeitsvertrages im Sinne der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 18 auf 18,78 Stunden/Woche ab 01. August 2004. Hiermit erklärte sich der Kläger nicht einverstanden. Gleichwohl erhöhte der Beklagte unter Berufung auf das Direktionsrecht den Deputatsanteil des Klägers mit Wirkung zum 01. August 2004 von 18 auf 18,78 Unterrichtsstunden je Woche. Dementsprechend führte der Beklagte in den für den Kläger bezogen auf das jeweilige Schuljahr erteilten Stammdatenblättern eine Gesamtstundenzeit von 18,78 Stunden auf.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Leistung von einer durchschnittlichen Jahreswochenarbeitszeit von 18 Stunden. Diese Arbeitsverpflichtung könne der Beklagte nicht einseitig erhöhen. Es stelle eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag dar, wenn der Beklagte dem Kläger ein Datenblatt mit einer Arbeitszeit von 18,78 Gesamtstunden überlasse. Unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes, jedenfalls aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) habe der Kläger Anspruch auf Ausstellung eines korrigierten Datenblatts.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, in seinen Arbeitsanweisungen die derzeit gemäß Arbeitsvertrag bestimmte wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 18,00 Jahreswochenstunden für das Schuljahr 2004/2005 nicht zu überschreiten;
2. weiterhin den Beklagten zu verurteilen, den Datenauszug "Stammdaten und Deputat 2004/2005" mit Datum vom 16. Juli 2004 dahingehend zu korrigieren, dass in der Stammdate "Gesamtstunden:" die Gesamtstundenzahl 18,00 einzutragen ist und dem Kläger ein entsprechend korrigierter Datenauszug zuzustellen ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er sei im Rahmen des Direktionsrechts befugt, den sog. Deputatsanteil bezogen auf die Gesamtarbeitszeit des Klägers im Rahmen billigen Ermessens zu ändern. Aufgrund fehlender Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG habe die Betriebsvereinbarung hinsichtlich des Unterrichtsdeputats keine Nachwirkung entfaltet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung.
Der Kläger ist der Ansicht, im Gegensatz zu dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Januar 1988 - 5 AZR 293/86 - zugrunde liegenden Sachverhalt sei hier das Deputat von 18 Wochenstunden ohne weiteren Spielraum für den Beklagten vertraglich fest vereinbart worden. Die Entscheidung des BAG sei auf den vorliegenden Sachverhalt deshalb nicht übertragbar. Auch der Beklagte sei davon ausgegangen, dass der Umfang der Unterrichtsverpflichtung nicht dem Direktionsrecht unterliege, denn er habe den Kläger insoweit um eine Änderung des Arbeitsvertrages gebeten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. Juli 2005 - 1 Ca 311/04 - abzuändern und
1. den Beklagten zu verurteilen, in seinen Arbeitsanweisungen an den Kläger die derzeit gemäß Arbeitsvertrag bestimmte wöchentliche Unterrichtsverpflichtung (Deputat) von 18,00 Jahreswochenstunden für das Schuljahr 2004/2005 nicht zu überschreiten;
2. den Beklagten zu verurteilen, in seinen Arbeitsanweisungen an den Kläger die derzeit gemäß Arbeitsvertrag bestimmte wöchentliche Unterrichtsverpflichtung (Deputat) von 18,00 Wochenarbeitsstunden für das Schuljahr 2005/2006 und 2006/2007 nicht zu überschreiten;
3. den Beklagten zu verurteilen, die Datenauszüge "Stammdaten und Deputat" für das Schuljahr 2004/2005 (vom 16. Juli 2004), 2005/2006 (vom 30. Juni 2005) und 2006/2007 (vom 06. Januar 2006) dahingehend zu korrigieren, dass in der Stammdate "Gesamtstunden" die Stundenzahl 18,00 einzutragen ist und dem Kläger entsprechend korrigierte Datenauszüge zuzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis als zutreffend. Der Beklagte ist der Ansicht, er habe durch die Ausübung des Direktionsrechts nicht die Arbeitszeit des Klägers insgesamt, sondern nur die von ihm im Rahmen der Gesamtarbeitszeit zu leistende Unterrichtsverpflichtung erhöht. Dass er den Kläger zu dieser Maßnahme um Zustimmung gebeten habe, entspräche seinem konsensualen Führungsstil gegenüber den Lehrkräften. Hieraus könne nicht geschlossen werden, der Beklagte habe den Abschluss einer Änderungsvereinbarung für erforderlich gehalten. Wie sich aus Nr. 2 der Vereinbarung vom 06. Juli 1999 ergebe, stelle der Arbeitsvertrag des Klägers auf das jeweils für Vollzeitlehrkräfte geltende Deputat ab. Deshalb wirke sich eine Erhöhung des Deputats für Vollzeitlehrkräfte auch auf die Unterrichtsverpflichtung des Teilzeit beschäftigten Klägers aus. Eine Erhöhung des Deputats um eine Unterrichtsstunden je Woche für Vollzeitlehrkräfte bzw. um 0,78 Unterrichtsstunden für den Kläger, stelle für die Lehrkräfte keine unbillige Belastung dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe keine feste Relation zwischen dem Unterrichtsdeputat und der übrigen Arbeitszeit. Aus einer Erhöhung des Unterrichtsdeputats könne daher nicht automatisch auf eine Erhöhung der außerhalb der Unterrichtserteilung aufgewandten Arbeitszeit geschlossen werden. Jedenfalls habe der Kläger der ihm obliegenden Darlegungslast nicht genügt, dass durch die Erhöhung des Deputatsumfangs für ihn eine anderweitig nicht ausgleichbare Mehrbelastung entstanden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist teilweise begründet.
I.
Der Klageantrag zu 2. ist teilweise begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, in seinen Arbeitsanweisungen an den Kläger die derzeit gemäß Arbeitsvertrag bestimmte wöchentliche Unterrichtsverpflichtung (Deputat) von 18 Wochenarbeitsstunden für das Schuljahr 2006/2007 nicht zu überschreiten. Eine Auslegung der vertraglichen Vereinbarung vom 06. Juli 1999 ergibt, dass die Parteien eine feste Zahl von Unterrichtsstunden vereinbart haben.
a) Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 14. Oktober 2004 - 6 AZR 472703 - zu 1. b) d.Gr.; 03. April 2003 - 6 AZR 163/02 - zu II. 2. d.Gr.; 26. September 2002 - 6 AZR 434/00 - AP BBiG § 10 Nr. 10, zu I. 3. d.Gr.).
b) In Nr. 1 der Vereinbarung vom 06. Juli 1999 haben die Parteien eine Unterrichtsverpflichtung (Deputat) von zukünftig 18 Wochenstunden vereinbart. Damit haben sie eine feste Zahl von Unterrichtsstunden verbindlich festgelegt und nicht nur eine relative Größe bezogen auf die Unterrichtsverpflichtung von Vollzeitkräften vereinbart. Letzteres wäre der Fall gewesen, wenn die Regelung dahingehend lauten würde, dass die Unterrichtsverpflichtung des Klägers z.B. 3/4 derjenigen einer Vollzeitkraft beträgt. Durch eine derartige Regelung wäre deutlich geworden, dass eine Anpassung an die jeweilige Pflichtstundenzahl für Vollzeitkräfte möglich sein soll. Demgegenüber haben die Parteien in Nr. 1 der Vereinbarung vom 06. Juli 1999 eine feste Zahl von Unterrichtsstunden unabhängig von der aktuellen oder jeweiligen Unterrichtsverpflichtung der Vollzeitkräfte bestimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Nr. 2 der Vereinbarung vom 06. Juli 1999 hinsichtlich der Vergütung den Berechnungsfaktor von 18/23 nennt. Hierbei handelte es sich um die bloße Mitteilung darüber, wie die Berechnung der Vergütung des Klägers erfolgen wird, nämlich bezogen auf den Anteil der bei Vertragsschluss geltenden Unterrichtsstunden einer Vollzeitlehrkraft. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung enthält Nr. 2 der Vereinbarung vom 06. Juli 1999 nicht. Haben die Parteien damit nicht nur eine relative Größe sondern eine feste Zahl von Unterrichtsstunden vereinbart, führt eine Erhöhung der Pflichtstundenzahl für Vollzeitkräfte nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Unterrichtsverpflichtung für den Teilzeit beschäftigten Kläger, sondern zu einer entsprechenden Minderung seines Gehaltsanspruchs (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - zu B. I. 1. b) d.Gr.; 22. August 2001 - 5 AZR 548/99; 17. Mai 2000 - 5 AZR 783/98 - zu I. 2. a) d.Gr.). Eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung des Klägers bedurfte daher einer gesonderten Vereinbarung und war dem Beklagten nicht kraft Direktionsrecht (§ 106 GewO) möglich.
II.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1.
Bezogen auf die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (03. November 2006) bereits abgelaufenen Schuljahre 2004/2005 und 2005/2006 kann der Kläger wegen des erfolgten Zeitablaufs nicht die Erteilung bestimmter Arbeitsanweisungen verlangen. Insoweit sind seine Anträge durch Zeitablauf erledigt. Soweit sich hieraus andere rechtliche Auswirkungen ergeben können (z.B. ein in Zukunft zu berücksichtigendes Arbeitszeitguthaben), werden diese von den Klageanträgen nicht erfasst.
2.
Der Kläger hat weder einen vertraglichen noch sekundär-vertraglichen Anspruch auf Korrektur der erteilten Datenauszüge. Hierbei handelt es sich um interne Unterlagen des Beklagten, die bloße Berechnungsfaktoren für das Arbeitsverhältnis der Parteien enthalten. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmt sich nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und ist von den Angaben des Beklagten auf dem Datenblatt unabhängig. Der Kläger benötigt korrigierte Datenauszüge auch nicht zur Geltendmachung einer Gutschrift der von ihm geleisteten Mehrstunden.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Revision wurde nicht zugelassen, da dem Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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