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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2005
Aktenzeichen: 4/18/5 TaBV 47/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 2
BetrVG § 23
BetrVG § 87
BetrVG § 95
BetrVG § 99
BetrVG § 100
BetrVG § 101
Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 99 BetrVG in Zusammenhang mit Einstellungen und Versetzungen begründet einen allgemeinen Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung zukünftiger gleichartiger Verletzungshandlungen, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Januar 2005 - 6 BV 2/04 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen zum Teil abgeändert:

Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne vorherige erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte Zustimmung des Betriebsrats oder ohne Durchführung des Verfahrens nach § 100 BetrVG Kassierer am Spieltisch, Saalchefs zur Aufsicht am Spieltisch und Tischchefs als Croupiers am Kessel oder am Kopf des Spieltischs einzusetzen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 ZPO angedroht.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Unterlassung personeller Maßnahmen ohne vorherige Beteiligung des antragstellenden Betriebsrats.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt eine Spielbank. Der Betriebsrat repräsentiert deren Belegschaft. Die Arbeitgeberin schloss im Jahr 2000 mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen einen zum 01. Januar 2001 in Kraft getretenen "Tronc- und Gehaltstarifvertrag" (nachfolgend: TGT), der u.a. Regelungen über das Gehalt, die Verwendung der Tronceinnahmen und die Stellenstruktur der Arbeitgeberin umfasst. § 5 TGT enthält unter der Überschrift "Stellenbeschreibung und Stellenbeschränkung" folgende Bestimmungen:

"Die nachfolgenden Tätigkeitsbeschreibungen sind nicht abschließend, sondern zeigen lediglich die Hauptaufgaben der jeweiligen Position.

Die in ( ) angegebenen Zahlen geben die maximal zu besetzenden Stellen an. Die Gesamtzahl aller Stellen wird auf maximal 110 begrenzt. Durchschnittlich 15 % der spieltechnischen Stellen können mit Aushilfen besetzt werden. Dieser Durchschnitt darf jeweils innerhalb eines Zeitraumes von 24 Monaten nicht überschritten werden. Als Stelle gelten 100 % der tarifvertraglichen Arbeitszeit eines spieltechnischen Vollzeit-Arbeitnehmers.

I. Spieltechnisches Personal

(8)

1. Technischer Leiter (1): Vertritt den Geschäftsführer.

2. Erster Saalchef (1): Leitet die Aufsicht im Spielsaal, überwacht die administrativen Tätigkeiten der Saalchefs und ist Vertreter von 1.

3. Saalchef: Übt die Aufsicht im Spielsaal aus, übernimmt administrative Aufgaben, z.B. Dienstplangestaltung, Urlaubsplanung, Aushilfenverwaltung etc.

4. Saalchef-Assistent: Übt, je nach betrieblicher Notwendigkeit, die Aufsicht am Spieltisch oder im Spielsaal aus.

5. Tischchef: Übt die Aufsicht am Spieltisch aus und kann in den Fällen, in denen kein Saalchef-Assistent verfügbar ist, ausnahmsweise zur Aufsicht im Spielsaal eingesetzt werden.

6. Souschef (Anzahl Tischchefs): Arbeitet als Croupier und ist Vertreter des Tischchefs.

7. Croupier I + II: Arbeitet am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen und kann zur Aufsicht am Spieltisch und bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden.

8. Croupier III - X: Arbeitet am Spieltisch und kann bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden.

9. Croupier-Anfänger I - III: Wird am Spieltisch eingearbeitet.

((6)(15% der Anzahl der Spieltech-niker in Positionen 4. - 9.)

II. Kassenpersonal

1. Kassenleiter (1): Leitet die Spielkassen und übt den "normalen" Schalterdienst aus.

2. Kassenleiter-Vertreter (1): Arbeitet in der Spielkasse und vertritt den Kassenleiter.

3. Kassierer I - IV: Arbeitet in der Spielkasse.

4. Kassierer-Anfänger I - III: Wird in der Kasse eingearbeitet. 4)

Wegen des vollständigen Inhalts des TGT wird auf die Anlage zur Antragsschrift (Bl. 8 - 25 d.A.) Bezug genommen. Bei Inkrafttreten des TGT galt bereits eine von den Beteiligten am 23. April 1997 geschlossene "Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG über die Dienstpläne für die Mitarbeiter der Gruppe A" (im Folgenden: BV), die ein rollierendes Dienstplansystem mit einer Einordnung der Mitarbeiter in sechs Schienen vorsah (Ziffer II) und spezielle Regelungen für die Mitglieder der Saalleitung (Ziffer III), für das Kassenpersonal (Ziffer IV) und für die Mitarbeiter am Spieltisch (Ziffer V) enthielt. Gemäß Ziffer II 1 sollen die Stammmitarbeiter gleichmäßig über die sechs Schienen verteilt werden. Unter Ziffer III sind folgende Regelungen enthalten:

"2. Abweichende Schichteinteilung bei Schichtplanerstellung

a) Stehen mehr als vier Saalleiter pro Tag zur Verfügung, werden diese nach dem Prinzip der zeitlichen Nähe und der wochenweise umschichtigen Gleichverteilung so in die Schichten verteilt, dass auch die Schichten 3a (vorrangig) und 4a besetzt sind.

b) Stehen weniger als vier (Freitag, Samstag und grauer Samstag weniger als fünf) Saalleiter pro Tag zur Verfügung, werden die vakanten Schichten nach dem Prinzip der zeitlichen Nähe aus dem Kreis der Saalleitungs-Tischchefs oder durch Arbeitsangebote von Ausgängern besetzt.

3. Schließen von Schichtplanlücken nach Sichtplanerstellung

Die nach Schichtplanerstellung entstehenden Lücken werden in gleicher Weise wie in Absatz 2 b) geschlossen."

Ziffer IV 2, 3 lautet:

"2. Abweichende Schichteinteilung bei Schichtplanerstellung

Stehen weniger als vier Kassierer pro Tag zur Verfügung, werden die vakanten Schichten nach dem Prinzip der zeitlichen Nähe aus dem Kreis der kassenfähigen Spieltechniker oder durch Arbeitsangebote von Ausgängern besetzt.

3. Schließen von Sichtplanlücken nach Schichtplanerstellung

Die nach Schichtplanerstellung entstehenden Lücken werden in gleicher Weise wie in Absatz 2 geschlossen."

Ziffer V umfasst u.a. folgende Bestimmungen:

"2. Abweichende Schichteinteilung bei Schichtplan-Erstellung

a) Stehen bei der Einteilung gemäß 1. b) in den Schichten 1 bis 5 mehr Mitarbeiter zur Verfügung als benötigt, werden die Überhänge - beginnend bei Schicht 1 - in die jeweilige Nachbarschicht verschoben.

b) Stehen in den Schichten 1 bis 5 weniger Mitarbeiter zur Verfügung als benötigt, werden die Vakanzen - beginnend bei Schicht 1 - durch Mitarbeiter der jeweils nachfolgenden Schichten aufgefüllt.

c) Sind in Schichten mit Spezialistenbedarf (z.B. Poker, AmRoul) nicht genügend Spezialisten verfügbar, werden diese nach dem Prinzip der zeitlichen Nähe aus anderen Schichten eingetauscht.

3. Schließen von Schichtplanlücken nach Schichtplanerstellung

Sinkt die Anzahl der Schichtmitglieder nach der Schichtplanerstellung aufgrund eines bei Schichtplanerstellung unvorhersehbaren Ereignisses (z.B. Krankheit) unter die benötigte Anzahl, so werden die Lücken durch Verschieben von Mitarbeitern aus nachfolgenden Schichten wie folgt aufgefüllt:

a) Lücken in S1 bis S3:

Aus S4 bis S6 sollen nach Möglichkeit zuerst die Aushilfen, dann die D3-Mitarbeiter und zuletzt die D4-Mitarbeiter verschoben werden.

b) Lücken in S4:

Aus S5 und S6 sollen nach Möglichkeit zuerst die Aushilfen, dann die D4-Mitarbeiter, dann die D5-Mitarbeiter und zuletzt die D6-Mitarbeiter verschoben werden.

c) Lücken in S5:

Aus S6 und S7 (aus beiden Schichten jedoch nicht die Poker-Spezialisten) werden zuerst die D5-Mitarbeiter, dann die D6-Mitarbeiter und zuletzt die D7-Mitarbeiter verschoben.

Innerhalb der jeweiligen Schicht wird der zu verschiebende Mitarbeiter regelmäßig absteigend nach Hierarchiestufe entnommen. Der jeweilige Mitarbeiter wird nur dann nicht verschoben, wenn er in dem Zielteam nicht eingesetzt werden kann wegen zu hoher Position (zwei Tischchefs) oder wegen mangelnder Qualifikation."

Wegen des vollständigen Inhalts der BV wird auf die Anlage zur Antragsschrift (Bl. 26 - 34 d.A.) Bezug genommen.

Im vorliegenden Verfahren nimmt der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf Unterlassung verschiedener von der Arbeitgeberin praktizierter Formen des Einsatzes von Mitarbeitern in Anspruch, die nach Auffassung des Betriebsrats gegen Bestimmungen von § 5 TGT und der BV verstoßen. So setzt die Arbeitgeberin täglich wechselnd neben den regulären vier Saalchefs pro Schicht jeweils einen weiteren Saalchef als sog. Videosaalchef ein. Dessen Aufgabe ist es, Streitigkeiten zwischen Gästen oder zwischen Gästen und spieltechnischem Personal durch Auswertung der Videoaufzeichnungen über das Spielgeschehen zu schlichten. Weiter beschäftigt die Arbeitgeberin an Freitagen und Samstagen jeweils einen weiteren Saalchef pro Schicht als sog. Begrüßer. Da an diesen Tagen die Anzahl von neuen, mit dem Spielgeschehen nicht vertrauten Gästen besonders hoch ist, spricht der Begrüßer unerfahren wirkende Gäste an und bietet diesen Erklärungen zu den Spielen an. Der Betriebsrat nimmt weiter daran Anstoß, dass die Arbeitgeberin in Vertretungsfällen zur Ausübung von Saalcheftätigkeiten Souschefs, Kassierer am Spieltisch, Saalchefs zur Aufsicht am Spieltisch sowie Tischchefs als Croupier am Kessel oder am Kopf des Spieltischs einsetzt und Mitarbeiter der Gruppe Croupier II Mitarbeitern der Gruppe Croupier I bei der Tischchefvertretung vorzieht.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, alle diese Maßnahmen seien gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. § 5 TGT verwehre der Arbeitgeberin die mit der Einführung der Aufgaben des Videosaalchefs und des Begrüßers verbundene Erweiterung der Zahl der mit Saalchefaufgaben beschäftigten Arbeitnehmer und deren Abdeckung durch die Heranziehung von Vertretungen aus der Gruppe der Souschefs. Dadurch schaffe die Arbeitgeberin im TGT nicht vorgesehenen Vertretungsbedarf. Die Vertretungsaufgaben der Souschefs sei durch § 5 I 6 TGT auf die Vertretung der Tischchefs bei deren originären Aufgaben beschränkt und umfasse nicht zusätzlich deren Vertretungsfunktion bei der Aufsicht im Spielsaal. Über die im TGT positiv geregelten Vertretungsaufgaben seien die verschiedenen Mitarbeitergruppen übergreifende Vertretungen nicht zulässig. Dies gelte für den Einsatz von Kassierern und Saalchefs am Spieltisch und für den von Tischchefs am Kessel und am Kopf des Spieltischs. Schließlich sei die Arbeitgeberin nicht befugt, bei der Heranziehung von Croupiers I und II zur Vertretung von Tischchefs den höheren Dienstrang der Croupiers I durch Heranziehung von Croupiers II zu übergehen, wenn Croupiers I zur Verfügung stehen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Beteiligten zu 2) aufzugeben, es bei Meidung eines der Höhe nach vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, entgegen § 5 des Tronc- und Gehaltstarifvertrages für Arbeitnehmer der Gruppe A und/oder der Betriebsvereinbarung über die Dienstpläne für die Mitarbeiter der Gruppe A vom 23.04.1997 (BV-DP-Gr A III.)

a) die in den genannten Vorschriften nicht erwähnte Position Videosaalchef zusätzlich zu den gemäß BV-DP-Gr A III. einzuteilenden Saalchefs zu besetzen,

b) die in den genannten Vorschriften nicht vorgesehene Position eines Begrüßers durch einen Mitarbeiter der Gruppe A zu besetzen,

c) zur Ausübung von Saalcheftätigkeiten Souschefs einzusetzen,

d) Kassierer am Spieltisch einzusetzen,

e) Saalchefs zur Aufsicht am Spieltisch einzusetzen,

f) Tischchefs als Croupiers am Kessel oder am Kopf des Spieltischs einzusetzen und

g) Mitarbeiter der Gruppe Croupier II den Mitarbeitern der Gruppe Croupier I bei der Tischchefvertretung vorzuziehen.

Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Auffassung vertreten, es lägen keine mitbestimmungspflichtigen Versetzungen oder Umgruppierungen vor. § 5 TGT gestatte die praktizierten Vertretungen, insbesondere auch die Heranziehung von Souschefs zur Vertretung von Saalchefs und damit die Vertretervertretung. Dies werde durch den ausdrücklich nicht abschließenden Charakter der Tätigkeitsbeschreibungen belegt.

Wegen der Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts und des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 132 - 135 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen und angenommen, es handele sich um zu weit gefasste Globalanträge, da Eil- und Notfälle nicht berücksichtigt seien. Ein Anspruch auf Unterlassung der Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 99 ff. BetrVG könne in der Regel nicht als allgemeiner Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden, da der Arbeitgeberin andernfalls die Rechtsschutzmöglichkeiten nach §§ 100, 101 BetrVG abgeschnitten würden. Zudem seien die fraglichen Maßnahmen keine Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG. Sie verletzten wegen der nicht abschließenden Tätigkeitsbeschreibungen auch nicht § 5 TGT.

Gegen den am 11. Februar 2005 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 09. März 2005 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 31. Mai 2005 am 31. Mai 2005 begründet. Der Betriebsrat rügt das Unterbleiben eines Hinweises auf die zu weite Fassung der Anträge. Er ist der Ansicht, die Maßnahmen verstießen gegen die BV und verletzten das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG. Die BV regele eindeutig und abschließend, wer was zu tun habe und wer wo eingesetzt werden könne. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss die Unzulässigkeit der verfahrensgegenständlichen Maßnahmen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf die Schriftsätze vom 31. Mai und 31. Oktober 2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 01. November 2005 Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Januar 2005 - 6 BV 2/04 - abzuändern und der Beteiligten zu 2) aufzugeben, es bei Meidung eines der Höhe nach vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, ohne vorherige - erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte - Zustimmung des Betriebsrats, falls nicht die Beteiligte zu 2) die für die Durchführung einer solchen Versetzung als vorläufige personelle Maßnahme gemäß § 100 BetrVG nach § 100 Abs. 2 BetrVG bestimmten Schritte vorgenommen hat,

a) die Position Videosaalchef zusätzlich zu den gemäß BV-DP-Gr A III einzuteilenden Saalchefs zu besetzen,

b) die in den genannten Vorschriften nicht vorgesehene Position eines Begrüßers durch einen Mitarbeiter der Gruppe A zu besetzen,

c) zur Ausübung von Saalcheftätigkeiten Souschefs einzusetzen,

d) Kassierer am Spieltisch einzusetzen,

e) Saalchefs zur Aufsicht am Spieltisch einzusetzen,

f) Tischchefs als Croupiers am Kessel oder am Kopf des Spieltischs einzusetzen und

g) Mitarbeiter der Gruppe Croupier II den Mitarbeitern der Gruppe Croupier I bei der Tischchefvertretung vorzuziehen.

Die Arbeitgeberin hält zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags an ihrer Auffassung fest, dass die fraglichen Maßnahmen weder gegen § 5 TGT noch gegen die BV verstießen. Diese enthalte gerade kein abschließendes System.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf den Schriftsatz vom 07. September 2005 Bezug genommen.

B.

I.

Der Antrag ist zulässig. Durch die Präzisierung in der Beschwerdeinstanz ist er insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

II.

Der Antrag ist zum Teil begründet. Dem Betriebsrat steht hinsichtlich des Einsatzes von Kassierern am Spieltisch, hinsichtlich des Einsatzes von Saalchefs zur Aufsicht am Spieltisch und hinsichtlich des Einsatzes von Tischchefs als Croupiers ein Unterlassungsanspruch zu, nicht aber hinsichtlich der übrigen verfahrensgegenständlichen Maßnahmen.

1. Der Betriebsrat kann seine Unterlassungsansprüche nicht auf § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG stützen. Dies würde grobe Verstöße der Arbeitgeberin gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen voraussetzen. Dazu müssten objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzungen vorliegen, ohne dass es allerdings auf ein Verschulden der Arbeitgeberin ankäme (vgl. etwa BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 39, zu B I 4 b; 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3, zu B IV 2 b bb). Ein grober Verstoß des Arbeitgebers liegt nicht vor, wenn dieser in einer schwierigen ungeklärten Rechtsfrage eine vertretbare Rechtsauffassung verteidigt (vgl. BAG 16. Juli 1991 - 1 ABR 69/90 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44, zu B II 2 a; 29. April 2004 a.a.O., zu B IV 2 b bb). Einfache, auf beiderseits nachvollziehbaren Standpunkten beruhende Streitigkeiten der Betriebspartner über betriebsverfassungsrechtliche Pflichten rechtfertigen weder gegenüber der Betriebsrats- noch gegenüber der Arbeitgeberseite den Vorwurf grober Pflichtverletzungen im Sinne von § 23 Abs. 1, Abs. 3 BetrVG (Hess. LAG 30. August 2005 - 4/18 TaBV 67/05 - z.V.v., zu II 2 b).

Die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen der Auslegung der BV und von § 5 TGT sind bisher gerichtlich nicht geklärt. Wie die folgenden Ausführungen zeigen, handelt es sich zudem um nicht einfach zu beantwortender Rechtsfragen. Auch soweit die Arbeitgeberin in drei der zur Entscheidung gestellten Konstellationen die Auslegung von §§ 99 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 3 BetrVG in Verbindung mit § 5 TGT verkannt hat, handelte sie aufgrund eines vertretbaren Rechtsstandpunkts. Daher kann von einer groben Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten nicht die Rede sein.

2. Die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen verstoßen weder gegen die Bestimmungen der BV noch gegen § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG. Auf diese Normen können die Unterlassungsansprüche daher ebenfalls nicht gestützt werden.

a) Die BV enthält keine wirksamen Beschränkungen der Vertretungsaufgaben der Arbeitnehmer und damit des Direktionsrechts der Arbeitgeberin. Selbst wenn dies einzelnen Bestimmungen, etwa III 2 b BV, zu entnehmen sein sollte, wären derartige Beschränkungen gemäß § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG unwirksam. § 5 TGT regelt die Vertretungsbefugnisse der von ihm erfassten Arbeitnehmer untereinander abschließend, ohne dass eine Öffnungsklausel für betriebsverfassungsrechtliche Sonderregelungen vorgesehen ist. Es handelt sich um ein aufeinander abgestimmtes Vertretungssystem, das keinen Raum für weitergehende Vertretungsregelungen oder -ausschlüsse im Rahmen einer Betriebsvereinbarung lässt (s.u. B II 3 b).

Weiter ist der BV keine Begrenzung der Höchstzahl der pro Schicht einzusetzenden Saalchefs oder anderer Mitarbeiter zu entnehmen. Mit den Regelungen unter III 2, 3, IV 2, 3, V 2, 3 enthält sie nur Vorgaben über die Verteilung der jeweils zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer der einzelnen Beschäftigtengruppen auf die verschiedenen Schichten, ohne dass eine Begrenzung von deren Anzahl vorgesehen ist. Soweit die BV Regelungen für den Fall trifft, dass mehr Arbeitnehmer einer Gruppe als benötigt zur Verfügung stehen, trifft sie keine eigenen Vorgaben über die Zahl der benötigten Beschäftigten. Sie setzt vielmehr insoweit einschlägige anderweitige Regelungen voraus. Schließlich ergibt sich aus den Bestimmungen der BV keine Beschränkung des Einsatzes von Arbeitnehmern mit tarifvertraglich nicht ausdrücklich vorgesehenen Arbeitsaufgaben. Teilt die Arbeitgeberin solche Aufgaben zu, stehen die Arbeitnehmer nicht im Sinne der BV zur Verfügung.

Begrenzungen hinsichtlich der Zahl der einzusetzenden Arbeitnehmer und der Zuweisung bestimmter Tätigkeiten an diese könnten sich allenfalls aus § 5 TGT ergeben. Verstöße gegen in diesem enthaltene Vorgaben begründen zugunsten des Betriebsrats jedoch keinen Unterlassungsanspruch. Die sich aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergebende Aufgabe des Betriebsrats, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge im Betrieb durchgeführt werden, legitimiert den Betriebsrat nicht, tarifvertragliche Ansprüche zugunsten der Arbeitnehmer geltend zu machen oder den tarifvertraglichen Durchführungsanspruch anstelle der Tarifvertragsparteien durchzusetzen. Auf diese Norm kann ein Unterlassungsanspruch nicht gestützt werden. Die Überwachungsaufgabe ist darauf beschränkt, eine Missachtung oder eine fehlerhafte Durchführung eines Tarifvertrages beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen (vgl. BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - a.a.O., zu B I 6; 28. Mai 2002 - 1 ABR 40/01 - BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 46, zu B III).

b) Die vom Betriebsrat zur Entscheidung gestellten Maßnahmen begründen keine Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG. Auch in der Erörterung in dem Beschwerdetermin vermochte der Betriebsrat nicht greifbar aufzuzeigen, welche mitbestimmungspflichtigen Konsequenzen die Maßnahmen für die Arbeitszeit der betroffenen Arbeitnehmer haben sollen. Die betroffenen Arbeitnehmer leisten ihre Dienste innerhalb der in der BV vorgesehenen Schichten. An deren Festlegung war der Betriebsrat beteiligt. Weitergehende Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG bestehen insoweit nicht.

3. Der Einsatz von Kassierern am Spieltisch, der Einsatz von Saalchefs zur Aufsicht am Spieltisch und der Einsatz von Tischchefs als Croupiers ist als Versetzung mitbestimmungspflichtig. Die Nichtbeteiligung des Betriebsrats an diesen Maßnahmen in der Vergangenheit begründet einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Im Übrigen lösen die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen keine Beteiligungsrechte nach § 99 BetrVG aus.

a) Entgegen der erstinstanzlich vom Betriebsrat geäußerten Auffassung handelt es sich bei diesen Maßnahmen nicht um Umgruppierungen. Umgruppierung ist die Feststellung, dass die Tätigkeit eines Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr die Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung erfüllt, nach denen sie bisher beurteilt worden ist (BAG 11. November 1997 - 1 ABR 29/97 - EzA BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 1, zu B I 1; 12. August 1997 - 1 ABR 13/97 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14, zu II 2 a). Davon kann bei den verfahrensgegenständlichen Maßnahmen nicht die Rede sein. Es handelt sich jeweils nur um kurzfristige Maßnahmen, die die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer im Übrigen unberührt lassen und sie daher nicht prägen. Der für die Eingruppierung maßgebliche, weit überwiegende Teil der Tätigkeiten bleibt unberührt.

b) Bei den einleitend genannten, nicht aber bei den übrigen zur Entscheidung gestellten Maßnahmen handelt es sich um Versetzungen im Sinne der §§ 95 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Als Versetzung ist gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs zu verstehen, wenn diese entweder voraussichtlich einen Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Erstere Alternative ist bei allen Maßnahmen nicht erfüllt, da es sich generell um kurzfristige, weit weniger als einen Monat umfassende Tätigkeitsänderungen handelt. Zum Teil ist mit den Maßnahmen jedoch eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände verbunden.

Der Arbeitsbereich wird u.a. durch seinen räumlichen Bezug und seine technischen Aufgaben geprägt. Hinzukommen können weitere Elemente, die die Arbeitsaufgabe inhaltlich-funktionell bestimmen, etwa die mit der Aufgabe verbundene Verantwortung, besondere Belastungsfaktoren und die Einbindung in eine bestimmte betriebliche Einheit oder Gruppe. Maßgeblich ist, ob sich das Gesamtbild der Tätigkeit erheblich ändert (BAG 23. November 1993 - 1 ABR 38/93 - BAGE 75/97, zu B 3 b; 22. April 1997 - 1 ABR 84/96 - AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 14, zu B I 3 a). Auf die individualrechtliche Zulässigkeit des Wechsels der Tätigkeit kommt es nicht an, sondern darauf, ob sich die Tätigkeiten vor und nach der Durchführung der personellen Maßnahme so unterscheiden, dass die neue Tätigkeit als eine andere betrachtet werden kann. Bagatellfälle und Änderungen der Betriebsorganisation innerhalb der üblichen Schwankungsbreite genügen nicht. Die Veränderung muss so erheblich sein, dass sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändert. Dazu kann die Übertragung oder der Entzug erheblicher Teilfunktionen ausreichen, wenn diese der Gesamttätigkeit ein solches Gepräge geben, dass nach ihrem Hinzutreten bzw. ihrem Wegfall insgesamt von einer anderen Tätigkeit ausgegangen werden kann. Eine Änderung in der Art der Beschäftigung ist keine mitbestimmungspflichtige Versetzung, wenn der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts einem Arbeitnehmer bei im Übrigen gleich bleibender Tätigkeit einen Teil seiner Aufgaben entzieht, ohne dass dadurch ein neuer Arbeitsbereich entsteht (BAG 02. April 1996 - 1 AZR 743/95 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 34, zu I 1; 28. März 2000 - 1 ABR 17/99 - BAGE 94/163, zu B II 1). Daraus ergibt sich für die einzelnen verfahrensgegenständlichen Maßnahmen folgende Beurteilung:

aa) Die Beschäftigung von Saalchefs als Videosaalchef und Begrüßer ist keine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich nicht um andere Arbeitsbereiche, sondern um einen Teilbereich der Saalchefs ohnehin gemäß der Tätigkeitsmerkmale von § 5 I 3 TGT obliegenden Aufgaben. Zur Ausübung der Aufsicht im Spielsaal gehört auch die Schlichtung von Konflikten zwischen Gästen oder zwischen Gästen und Mitgliedern des spielenden Personals sowie die Betreuung ratsuchender oder hilfebedürftiger Gäste. Die Übertragung dieser Tätigkeiten ist daher lediglich eine jeweils auf eine einzelne Schicht bezogene Konkretisierung der zu erfüllenden Aufgaben, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht ändert.

bb) Nicht anderes gilt für den Einsatz zu Souschefs zur Ausübung von Saalcheftätigkeiten. Souschefs vertreten gemäß § 5 I 6 der Tätigkeitsmerkmale des TGT die Tischchefs. Diese wiederum können nach § 5 I 5 der Tätigkeitsmerkmale zur Aufsicht im Spielsaal, also als Vertreter der Saalchefs, beschäftigt werden, wenn kein Saalchefassistent verfügbar ist. Die Vertretung der Tischchefs gehört zur eigentlichen Arbeitsaufgabe der Souschefs. Diese Vertretung umfasst gemäß § 5 TGT entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch die Vertretungsaufgaben der Tischchefs. Dafür spricht bereits deutlich der Wortlaut von § 5 I 6 TGT, da dieser hinsichtlich der Vertretungsregelung personenbezogen ist, was auf eine Vertretung in allen Aufgaben der Tischchefs hindeutet. Andere Vertretungsregelungen, nämlich die von § 5 I Nr. 5 und Nr. 7 der Tätigkeitsmerkmale des TGT, sind dagegen auf bestimmte Aufgaben bezogen. Hätte die Vertretungsaufgabe der Souschefs nur auf eine einzelne Funktion der Tischchefs beschränkt werden sollen, hätte nichts näher gelegen, als diese Funktion wie in § 5 I Nr. 5 und Nr. 7 der Tätigkeitsmerkmale zu benennen. Auch der Zweck der Tarifregelung steht dieser Auslegung nicht entgegen. Angesichts der Beschränkung der Anzahl der Saalchefassistenten und der Tischchefs auf 15% der Mitarbeiter der Positionen 4 bis 9 sind in besonderen Fällen Situationen denkbar, in denen eine Vertretung durch Arbeitnehmer unterhalb der Position Nr. 5. erforderlich sein kann.

cc) Dagegen handelt es sich beim Einsatz von Kassierern am Spieltisch um Versetzungen im Sinne der §§ 95 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Einsätze im Spielsaal gehören gemäß § 5 II 3 der Tätigkeitsmerkmale des TGT nicht zu den Aufgaben der Kassierer. Eine Vertretung ist im Gegensatz zum umgekehrten Fall von § 5 I 7, 8 TGT nicht vorgesehen, was angesichts der wesentlich geringeren Zahl der Kassierer in der Sache auch nachvollziehbar ist. Vertretungsbedarf wird regelmäßig nur für, nicht aber durch Kassierer bestehen. Werden Kassierer gleichwohl am Spieltisch beschäftigt, handelt es sich daher um die Zuweisung einer völlig anderen Arbeitsaufgabe an einem anderen Ort in einem anderen Organisationsbereich des Betriebs mit anderen Kollegen und Vorgesetzten und damit um eine grundlegende Änderung des Gesamtbildes der Arbeitsaufgabe.

dd) Entsprechendes gilt für die Beschäftigung von Souschefs zur Aufsicht am Spieltisch und der von Tischchefs als Croupiers am Kessel oder am Kopf des Spieltischs. Dabei handelt es sich jeweils um die Übertragung anderer, im Sinne der Tätigkeitsmerkmale von § 5 TGT gegenüber der eigentlichen Funktion der Arbeitnehmer geringerwertigerer Aufgaben. Insoweit ist in den Tätigkeitsmerkmalen auch keine Vertretung nach unten vorgesehen. Daher umfasst der Arbeitsbereich der Saal- und Tischchefs eine derartige Vertretung nicht. Auch insoweit sind die Vertretungsregelungen in den Tätigkeitsmerkmalen abschließend. Angesichts der tariflichen Begrenzung der Zahl der Saal- und Tischchefs sind die Tarifvertragsparteien ersichtlich davon ausgegangen, dass eine solche Vertretung nach unten nicht erforderlich sei. Ordnet die Arbeitgeberin eine solche dennoch an, weist sie dem betroffenen Arbeitnehmer einen grundlegend anderen Arbeitsbereich mit anderen Arbeitsaufgaben von geringerer Wertigkeit zu. Aus diesem Grund handelt es sich ebenfalls um Versetzungen.

ee) Die Frage, ob bei der Vertretung von Tischchefs Croupiers II Croupiers I vorgezogen werden dürfen, ist keine Frage der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten im Sinne von § 99 BetrVG. Auch hier versucht der Betriebsrat auf untaugliche Weise, die Arbeitgeberin zur Befolgung seiner Auslegung von § 5 I 9 der Tätigkeitsmerkmale des TGT zu zwingen. Dazu fehlt ihm das Mandat. Insoweit gelten die Ausführungen unter B II 2 a entsprechend.

c) Soweit Versetzungen vorliegen, macht der Betriebsrat zu Recht einen Unterlassungsanspruch geltend. Bei der Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG billigt das Bundesarbeitsgericht seit der grundlegenden Entscheidung vom 03. Mai 1994 (- 1 ABR 24/93 - BAGE 76/364, zu II B II) dem Betriebsrat in inzwischen ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BAG 23. Juli 1996 - 1 ABR 13/96 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68, zu B III 1; 25. Februar 1997 - 1 ABR 69/96 - BAGE 85/185, zu B II 4; 29. Februar 2000 - 1 ABR 4/99 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105, zu B II 2 a) einen allgemeinen Unterlassungsanspruch zu. Es hat den Anspruch als einen sich aus den Mitwirkungstatbeständen des § 87 in Verbindung mit dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ergebenden Nebenleistungsanspruch aufgefasst, wie er typischerweise aus der Gewährung eines Rechts zugunsten des Rechtsträgers abgeleitet wird. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG enthalte keine abschließende Regelung mit Sperrwirkung. Im Falle mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers könne der Betriebsrat nicht auf das Einigungsstellenverfahren verwiesen werden, weil dies die gesetzlich vorgesehenen Rollen umkehre. Ohne die Zubilligung des Unterlassungsanspruchs sei eine hinreichende Sicherung der Mitbestimmungsrechte nicht gewährleistet.

Nicht entschieden hat das Bundesarbeitsgericht bisher die Frage, ob auch eine Verletzung der Mitbestimmungsrechte in personellen Angelegenheiten gemäß § 99 BetrVG einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats begründen kann. Dies wurde im Beschluss vom 06. Dezember 1994 (a.a.O., zu II B II) ausdrücklich offen gelassen. In der Literatur und in der Instanzrechtsprechung ist diese Frage umstritten. Neben einer einen allgemeinen Unterlassungsanspruch grundsätzlich ablehnenden Ansicht (etwa Heinze Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68; Bengelsdorf SAE 1996/139; Schlochauer in Hess/ Schlochauer/Worzalla/Glock BetrVG 6. Aufl. § 23 Rz 80, 81, 81 a) wird für die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG ein solcher Anspruch zum Teil im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass dort die spezielle Sanktionsregelung von § 101 BetrVG keinen Raum für weitergehende Ansprüche lasse. Verbleibende Schutzlücken seien angesichts der gegenüber § 87 BetrVG schwächeren Beteiligungsrechte des Betriebsrats als von der gesetzgeberischen Konzeption in Kauf genommen hinzunehmen, zumal bei groben Verstößen ein Unterlassungsanspruch auf § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gestützt werden kann (so etwa GK-BetrVG-Oetker 8. Aufl. § 23 Rz 149, 150; ErfK-Kania 5. Aufl. Einl. vor § 74 BetrVG Rz 32, § 101 BetrVG Rz 9; Richardi-Thüsing BetrVG 9. Aufl. § 23 Rz 84; MünchArbR-Matthes 2. Aufl. § 329 Rz 35, § 354 Rz 25; Raab ZfA 1997/183).

Die Gegenansicht hält hingegen § 101 BetrVG ebenso wenig wie § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG für eine abschließende Spezialregelung und einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gleichermaßen wie zur Absicherung der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten für geboten (so etwa Trittin in Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 9. Aufl. § 23 Rz 131; Kittner in Däubler/Kittner/Klebe a.a.O. § 101 Rz 23; ErfK-Eisemann a.a.O. § 23 Rz 34; Derleder AuR 1995/13, 16; Bauer/Diller ZIP 1995/95, 98; vgl. auch LAG Köln, 13. August 2002 - 12 TaBV 244/02 - NZA-RR 2003/249). Dieser Ansicht folgt die Kammer.

aa) Dass § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG keine einer solchen Auslegung entgegenstehende abschließende Regelung ist, hat das Bundesarbeitsgericht in den Beschlüssen vom 03. Mai 1994 (a.a.O., zu II B II) und 23. Juli 1996 (a.a.O., zu B III 1) hinsichtlich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ausführlich begründet. Weder Wortlaut noch Systematik oder Zweck dieser Norm sprechen für eine bewusste Beschränkung des Sanktionssystems für die Verletzung von Mitbestimmungsrechten. In der Literatur wird überdies zutreffend darauf hingewiesen, dass die Entstehungsgeschichte dafür spricht, dass es Zweck der Neuregelung von § 23 Abs. 3 BetrVG im Jahr 1972 war, dem bereits im Betriebsverfassungsgesetz 1952 geregelten Sanktionsmechanismus zugunsten des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG für den Fall betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers gleichwertige Sanktionen gegenüberzustellen (GK-BetrVG-Oetker a.a.O. § 23 Rz 121; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 23 Rz 105; Trittin a.a.O. § 23 Rz 130; Dütz Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber S. 33 - 35; Raab Negatorischer Rechtsschutz des Betriebsrats gegen mitbestimmungswidrige Maßnahmen des Arbeitgebers S. 87, 88).

Dies wird durch die systematische Stellung der Norm im zweiten Abschnitt des zweiten Teils des Betriebsverfassungsgesetzes, der die Überschrift "Amtszeit des Betriebsrats" trägt, unterstrichen. Wenn es tatsächlich um die abschließende Regelung der Folgen der Verletzung von Rechten des Betriebsrats gegangen wäre, hätte es wesentlich näher gelegen, diese Bestimmung in den 1. Teil ("Allgemeine Vorschriften") oder in den 4. Teil ("Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer") des Betriebsverfassungsgesetzes aufzunehmen. Die eigentliche Bedeutung von § 23 Abs. 3 BetrVG liegt tatsächlich nicht darin, Betriebsrat und im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Ansprüche für den Fall der Verletzung eigener Rechtspositionen zu gewähren, sondern für den Fall der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte Dritter durch den Arbeitgeber (vgl. Richardi-Thüsing a.a.O. § 23 Rz 75; Dütz a.a.O. S. 35).

bb) Auch der in § 101 BetrVG geregelte Anspruch des Betriebsrats auf Aufhebung einer entgegen der §§ 99, 100 BetrVG durchgeführten oder aufrechterhaltenen personellen Maßnahme schließt einen daneben bestehenden allgemeinen Unterlassungsanspruch nicht aus. Die Begründung des Regierungsentwurfs bietet keinen Anhaltspunkt für eine solche Annahme (BR-Dr. 715/70 S. 52). Sie lautet:

"In Anlehnung an § 64 des geltenden Rechts sichert diese Bestimmung die Einhaltung des personellen Mitbestimmungsrechts durch die Möglichkeit der Verhängung von Geldstrafen gegen den Arbeitgeber durch das Arbeitsgericht in den Fällen, in denen der Arbeitgeber entgegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung eine personelle Maßnahme aufrechterhält."

Danach sollte zur Sicherung der Mitbestimmungsrechte bei personellen Maßnahmen eine Sanktion für einen bestimmten Verletzungstatbestand, nämlich die Aufrechterhaltung der Maßnahme trotz einer entgegenstehenden rechtskräftigen Entscheidung, geschaffen werden. Es sollte dem Betriebsrat ein - zusätzliches - Mittel zur Durchsetzung seiner Rechte gewährt werden. Dafür, dass dies allein über § 101 BetrVG möglich sein und die Regelung abschließenden Charakter haben sollte, besteht kein Anhaltspunkt. Dementsprechend vertritt das Bundesarbeitsgericht die Ansicht, dass § 101 BetrVG einem Anspruch des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG auf künftige Unterlassung der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte nicht entgegensteht. § 101 BetrVG diene allein der Beseitigung eines bereits eingetretenen betriebsverfassungswidrigen Zustands (BAG 17. März 1987 - 1 ABR 65/85 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 7, zu B II 2; 01. August 1989 - 1 ABR 54/88 - BAGE 62/271, zu B I 2; 07. August 1990 - 1 ABR 68/89 - BAGE 65/329, zu B I 2). Auf die Unterlassung zukünftiger Verletzungen des Mitbestimmungsrechts gerichtete Ansprüche schließt § 101 BetrVG demnach unabhängig davon, ob sie sich aus § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG oder aus anderen Rechtsgrundlagen ergeben, nicht aus.

Entgegen der Auffassung der Gegenansicht (etwa Richardi-Thüsing a.a.O. § 23 Rz 84; Bengelsdorf SAE 1996/139, 153, 155) lässt sich auch aus der unter den Voraussetzungen des § 100 BetrVG bestehenden Befugnis des Arbeitgebers zur vorläufigen Durchführung einer personellen Maßnahme kein gegen die Möglichkeit eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs sprechendes Argument ableiten. § 100 BetrVG ist geeignet, den Anwendungsbereich von Unterlassungsansprüchen zu beschränken. Soweit eine Maßnahme durch § 100 BetrVG legitimiert ist, kann der Betriebsrat nicht deren Unterlassung fordern. Es fehlt dann an einer rechtswidrigen Handlung des Arbeitgebers. Dies schließt indessen nicht aus, dass der Betriebsrat die Unterlassung rechtswidriger personeller Einzelmaßnahmen verlangen kann. Dementsprechend hat der Betriebsrat hier den Unterlassungsanspruch ausschließlich für die Versetzung von Arbeitnehmern ohne Durchführung des Verfahrens nach § 100 BetrVG geltend gemacht.

cc) Aus § 99 BetrVG ist ebenso wie aus den Mitbestimmungstatbeständen des § 87 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats abzuleiten. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Beschluss vom 03. Mai 1994 (a.a.O., zu II B II) angenommen, es müsse für jeden Mitbestimmungstatbestand gesondert geprüft werden, ob dieser dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch gewährt oder nicht. Im Beschluss vom 06. Dezember 1994 (- 1 ABR 30/94 - BAGE 78/379, zu B II 1) hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass bei der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen mit den §§ 100, 101 BetrVG bestimmte Regelungen für den Konfliktfall bestehen, deren Reichweite aber begrenzt sei. Ein allgemeiner Unterlassungsanspruch könne dem Betriebsrat die weitergehende Möglichkeit zur Verhinderung mitbestimmungswidriger Personalmaßnahmen bieten, während der Aufhebungsanspruch nach § 101 BetrVG nur im Nachhinein wirken könne und bei vorübergehenden, sich vor dem Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung erledigenden Maßnahmen ins Leere gehe. Dies gelte insbesondere bei wiederholten kurzzeitigen Versetzungen. Das Bundesarbeitsgericht ließ es indessen offen, ob diese Schutzlücke so groß ist, dass sie ergänzend einen allgemeinen Unterlassungsanspruch rechtfertigen könne.

Für einen allgemeinen Unterlassungsanspruch besteht jedenfalls kein Bedarf, soweit es um Ein- und Umgruppierungen geht (so zutreffend Raab ZfA 1997/183, 239). Ein Anspruch auf die Unterlassung derartiger Akte der Rechtsanwendung wäre nicht geeignet, die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte des Betriebsrats und die Individualinteressen der betroffenen Arbeitnehmer zu schützen. Dies kann nur mittels des sich gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (etwa 23. März 1983 - 1 ABR 49/81 - BAGE 42/121, zu II 1, 3; 12. August 1997 - 1 ABR 13/97 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14, zu B I) aus § 101 BetrVG abzuleitenden Anspruchs des Betriebsrats auf nachträgliche Einholung seiner Zustimmung bzw. auf Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens erreicht werden.

Eine empfindliche Schutzlücke besteht hingegen, soweit es wie vorliegend um die kurzfristige Durchführung von Versetzungen oder um die vorübergehende Einstellung etwa von Aushilfen geht. In diesen Fällen gewährleistet der Aufhebungsanspruch des § 101 BetrVG wegen seiner relativ langsamen Funktionsweise keinen effektiven Rechtsschutz. Bei Nichtbestehen eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs bleibt dem Betriebsrat unterhalb der - hoch liegenden - Schwelle von § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nur die Möglichkeit, die Feststellung der Mitbestimmungswidrigkeit des Verhaltens des Arbeitgebers zu beantragen. Dies gewährleistet entgegen der Ansicht von Bengelsdorf (SAE 1996/139, 156) ebensowenig wie bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten eine hinreichende Sicherung des Mitbestimmungsrechts, da der Betriebsrat dann nur über den Umweg des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einen vollstreckungsfähigen Titel erlangen könnte. Diese auch von der Gegenansicht konzedierte Schutzlücke (vgl. GK-BetrVG-Oetker a.a.O. § 23 Rz 149; ErfK-Kania a.a.O. Einl. vor § 74 BetrVG Rz 32; Bengelsdorf SAE 1996/139, 154, 155; MünchArbR-Matthes a.a.O. § 329 Rz 35) kann nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass es sich bei § 99 BetrVG um ein gegenüber § 87 BetrVG schwächeres Mitbestimmungsrecht handelt (so aber GK-BetrVG-Oetker a.a.O. § 23 Rz 149; ErfK-Kania a.a.O. Einl. vor § 74 BetrVG Rz 32). Die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen unterscheidet sich von der in sozialen Angelegenheiten dadurch, dass für den Betriebsrat gegen die Durchführung der vom Arbeitgeber geplanten Maßnahme lediglich bestimmte Widerspruchsgründe vorgesehen sind. Der Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats und die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Zustimmung des Betriebsrats vor Durchführung der Maßnahme einzuholen, entspricht jedoch der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG. Auch hier liegt der gesetzlichen Regelung nach die Initiativlast beim Arbeitgeber. Daran ändert das Verfahren nach § 100 BetrVG nichts (so aber Bengelsdorf SAE 1996/136, 155, 156); auch dieses Verfahren muss der Arbeitgeber entsprechend den gesetzlichen Vorgaben einleiten. Im Fall der mitbestimmungswidrigen Durchführung personeller Maßnahmen vertauscht der Arbeitgeber daher die Rolle der Betriebspartner ebenso wie bei eigenmächtigem Handeln in sozialen Angelegenheiten gesetzeswidrig. Dies macht gleichermaßen eine effektive Reaktionsmöglichkeit des Betriebsrats erforderlich. Es ist auch nicht zutreffend, dass der Unterlassungsanspruch notwendig in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durchgesetzt werden müsste (so aber Bengelsdorf SAE 1996/139, 155; zur Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung vgl. LAG Köln 27. Mai 2002 a.a.O.). Ebenso wie bei der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG kann der Betriebsrat vielmehr eine in der Vergangenheit liegende Verletzung seines Mitbestimmungsrechts zum Anlass nehmen, vorbeugend einen Unterlassungsanspruch in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen, soweit die Verletzung eine Wiederholungsgefahr begründet.

dd) Die vom Sachverhalt her unstreitigen Verletzungen des Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG durch die Arbeitgeberin rechtfertigen die Annahme einer Wiederholungsgefahr. Die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte in der Vergangenheit indiziert die Wiederholungsgefahr, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Wiederholung unwahrscheinlich erscheinen lassen. Dies kann etwa bei einem Ausnahmefall mit singulärem Charakter anzunehmen sein (BAG 29. Februar 2000 a.a.O., zu B II 2 a). Besondere Umstände in diesem Sinn sind nicht ersichtlich. Es handelt sich insbesondere nicht um singuläre Fälle, sondern um Maßnahmen, die wenn auch nicht häufig, so doch wiederholt durchgeführt werden. Dies begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr.

d) Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 91 Abs. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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