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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 4/9 TaBV 56/06
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 2002/14/EG, BetrVG, TV PV DLH, GG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

EG Art. 136 ff.
Richtlinie 2002/14/EG
BetrVG 117 Abs. 2
TV PV DLH
GG Art. 3 Abs. 1
ZPO § 256
ArbGG § 89
1. Die Bereichsausnahme von § 117 Abs. 2 BetrVG und die auf ihrer Grundlage geschlossenen Tarifverträge über die Repräsentation des fliegenden Personals von Luftverkehrsgesellschaften verstoßen für sich weder gegen europarechtliche Vorgaben noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 1 GG.

2. Sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligungen des fliegenden Personals in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentation gegenüber dem gesetzlichen Betriebsverfassungsrecht sind durch verfassungskonforme Auslegung der Tarifverträge gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG auszugleichen.


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2006 - 8/2 BV 776/05 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit der zu 2) und 3) beteiligten Personalvertretungen.

Die zu 4. beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein großes Luftfahrtunternehmen, in dem sie ca. 2.500 Purseretten und Purser beschäftigt. Die zu 3) beteiligte Gruppenvertretung ist die gemäß § 5 Abs. 1 f des Tarifvertrages Personalvertretung für das Bordpersonal der Arbeitgeberin vom 15. November 1972 (TV PV) gebildete Gruppenvertretung der Purseretten und Purser der Arbeitgeberin. Die zu 2). beteiligte Gesamtvertretung repräsentiert gemäß §§ 30 ff. TV PV das fliegende Personal der Arbeitgeberin. In ihr sind alle sechs Gruppenvertretungen des fliegenden Personals vertreten. Der TV PV wurde von der Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 5) mit der die Unternehmen des Konzerns der Arbeitgeberin tarifrechtlich vertretenden Beteiligten zu 6) geschlossen. Die Beteiligte zu 7) schloss mit der Beteiligten zu 6) am 05. Juli 2002 einen den TV PV übernehmenden Übernahmetarifvertrag.

Der Antragsteller ist für die Arbeitgeberin als Purser tätig. Er hat die Auffassung vertreten, der TV PV genüge den Anforderungen der auch für das fliegende Personal von Luftfahrtunternehmen geltenden Richtlinie 2002/14/EG nicht und sei deshalb jedenfalls mit dem Verstreichen von deren am 23. März 2005 abgelaufenen Umsetzungsfrist nicht mehr gültig. So fehlten Regelungen über die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretungen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, zu Beschäftigungssituation, struktur und entwicklung, ein Konsultationsverfahren und die durch Art. 8 der Richtlinie gebotenen Sanktionen. Zudem verstoße die Bereichsausnahme von § 117 Abs. 2 BetrVG aufgrund der seit deren Inkrafttreten eingetretenen tatsächlichen Änderungen im Luftverkehr und der Entwicklung der modernen Kommunikationstechnik gegen den allgemeinen Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 1 GG. Der TV PV gewähre keine dem Betriebsverfassungsgesetz entsprechende Beteiligung des fliegenden Personals, da den §§ 23 Abs. 3, 101 BetrVG entsprechende Abwehransprüche, eine § 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG entsprechende Beteiligung bei der Lohngestaltung, § 38 BetrVG entsprechende Regelungen über Freistellungen und den §§ 106 ff. BetrVG entsprechende Regelungen über einen Wirtschaftsausschuss fehlten. Weiter widerspreche die der Kopfzahl der jeweils vertretenen Arbeitnehmer nicht entsprechende, Kapitäne deutlich überrepräsentierende Beteiligung der Gruppenvertretungen in der Gesamtvertretung demokratischen Prinzipien. Die Sitzverteilung sei eher an der Zahl der goldenen Streifen orientiert.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der vom Arbeitsgericht festgestellten Tatsachen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 168, 169 d.A.) samt der mit diesem in Bezug genommenen Schriftsätze verwiesen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge als unzulässig zurückgewiesen und angenommen, es fehle sowohl ein Interesse an alsbaldiger Feststellung als auch ein zur Entscheidung gestelltes Rechtsverhältnis. Die Anträge dienten nur der Klärung abstrakter Rechtsfragen im Sinne eines Rechtsgutachtens. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses (Bl. 169 - 171 d.A.) Bezug genommen.

Der Antragsteller hat gegen den am 23. Mai 2006 zugestellten Beschluss am 27. März 2006 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er macht geltend, es gehe ihm ausschließlich um eigene Rechte, nämlich um die Geltung des TV PV für sein Arbeitsverhältnis. Daher sei er antragsbefugt. Da die Beteiligten zu 2) bis 4) sich ihm gegenüber auf Rechte aus dem TV PV beriefen, sei ihm das Abwarten eines konkreten Streitfalles nicht zuzumuten. Der Antragsteller ist der Ansicht, die in Art. 136 ff. EG-Vertrag geforderten und in Art. 26 ff. der Grundrechtscharta der EU angesprochenen Beteiligungsregelungen hätten bei Zugrundelegung der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2005 (C-144/04 - Helm ./. Mangold EzA § 14 TzBfG Nr. 21) das Gewicht von Gemeinschaftsgrundrechten. Sie stünden einer Anwendung von § 117 Abs. 2 BetrVG entgegen. Weiter benachteilige die Überrepräsentation der Piloten und Flugingenieure in der Gesamtvertretung Frauen, da deren Geschlecht in den nicht angemessen repräsentierten Gruppen der Purseretten und Purser und der Stewardessen und Stewards einen höheren Anteil habe.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Antragstellers wird auf die Schriftsätze vom 24. März und 26. Mai 2006 Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2006 - 8/2 BV 776/05 - zum Teil abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beteiligten zu 2) und 3) keine Zuständigkeit in betriebsverfassungsrechtlichen und personalvertretungsrechtlichen Fragen für den Antragsteller haben,

2. die Beteiligte zu 4) zu verpflichten, es zu unterlassen, bezüglich des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers die Beteiligten zu 2) und 3) personalvertretungsrechtlich nach Maßgabe des TV PV zu beteiligten und die Beteiligte zu 4) zu verpflichten, es zu unterlassen, den Beteiligten zu 2) und 3) die persönlichen Daten des Antragstellers zu übermitteln,

hilfsweise die Beteiligte zu 4) zu verpflichten, in Bezug auf das Arbeitsverhältnis des Antragstellers die Beteiligten zu 2) und 3) gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/14/EG zu unterrichten und anzuhören.

Die Beteiligten zu 2), 3), 4), 6) und 7) beantragen,

die Anträge zurückzuweisen.

Wegen des zweitinstanzlichen Vortrags der weiteren Beteiligten wird auf die Schriftsätze vom 22. Mai, 24. Mai und 06. Juni 2006 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde insbesondere im Sinn von § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG hinreichend begründet.

Nach dieser Bestimmung muss in der Beschwerdebegründung angegeben werden, auf welche im Einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe und auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Die Anforderungen an die Beschwerdebegründung entsprechen im Wesentlichen denen einer Berufungsbegründung im Urteilsverfahren. Die Beschwerdebegründung muss sich mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses im Einzelnen auseinandersetzen und deutlich ausführen, was gegen den Beschluss einzuwenden ist. Allgemeine Redewendungen genügen nicht (BAG 27. November 1973 - 1 ABR 5/73 - AP ArbGG 1953 § 89 Nr. 9, zu II 1; Hess. LAG 23. Februar 1988 - 5 TaBV 18/87 - LAGE ArbGG 1979 § 89 Nr. 1; Schwab/Weth-Busemann ArbGG § 89 Rn 15; GK-ArbGG-Dörner Stand September 2006 § 89 Rn 36; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 89 Rn 30).

Der Zweck des Begründungszwangs für ein Rechtsmittel ist auch im Beschlussverfahren, eine ausreichende Vorbereitung des Rechtsmittelverfahrens und eine Konzentration des Streitstoffs zu erreichen. Der Beschwerdeführer muss im Einzelnen klar und konkret angeben, wie er durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert ist und welche Tatsachenfeststellungen und/oder welche die Entscheidung tragenden Rechtsansichten der ersten Instanz aus seiner Sicht unzutreffend sind (Hess. LAG 23. Februar 1988 a.a.O.; für das Berufungsverfahren etwa BAG 26. April 2000 - 4 AZR 170/99 - AP TVG § 1 Kündigung Nr. 4, zu I 2; 06. März 2003 - 2 AZR 596/02 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 32, zu II 1 a; BGH 06. Mai 1999 - III ZR 265/98 - LM ZPO § 519 Nr. 142, zu II 1). Dazu genügt eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens nicht (BAG 10. Februar 2005 - 6 AZR 183/04 - EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40, zu 2 a). Der Rechtsmittelführer kann allerdings an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten, sofern er Gründe nennt, warum diese im Gegensatz zu der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden richtig sein soll (BAG 24. Januar 2001 - 5 AZR 132/00 - n.v., zu II 2 b). Auch bedarf die Rechtsmittelbegründung weder eines bestimmten Mindestumfangs, noch muss sie schlüssig oder rechtlich haltbar sein (BAG 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - AP BMT-G II § 54 Nr. 5, zu B I 2; BGH 06. Mai 1999 a.a.O., zu II 1).

Diesem Maßstab genügt die Beschwerdebegründung noch. Zwar setzt sich die Begründung nicht ausdrücklich mit den beiden tragenden Erwägungen des Arbeitsgerichts auseinander, es fehlten die beiden gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der erstinstanzlichen Feststellungsanträge, nämlich die Entscheidung über ein Rechtsverhältnis und ein Interesse des Antragsstellers an alsbaldiger Feststellung. Stattdessen setzte sich der Antragsteller in der Beschwerdebegründung mit dem Vorliegen einer Antragsbefugnis auseinander, auf die das Arbeitsgericht nicht abgestellt hat. Die Begründung genügt gleichwohl noch den gesetzlichen Anforderungen, da die Begründung des Antragstellers für die nach seiner Ansicht bestehende Antragsbefugnis den Kern der Argumentation trifft, mit der das Arbeitsgericht das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses und eines Interesses an alsbaldiger Feststellung verneint hat. Der Antragsteller legte nämlich dar, aus welchen Gründen er aus seiner Sicht kein abstraktes Rechtsgutachten anstrebt, sondern die Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens eines ihn aktuell in seiner Rechtsposition berührenden Rechtsverhältnisses. Darin liegt die erforderliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses, auch wenn dies von einem anderen rechtlichen Ausgangspunkt ausging.

III.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die zweitinstanzlichen Hauptanträge sind zulässig, nicht aber der Hilfsantrag.

a) Mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag zu 1) stellt der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung. Er hat auch ein Interesse an dessen alsbaldiger Feststellung im Sinne dieser Norm. Es ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Geltung eines Tarifvertrages für ein Arbeitsverhältnis unabhängig vom Vorliegen bestehender konkreter Streitfragen generell zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden kann (etwa BAG 29. August 2001 - 4 AZR 332/00 - AP BGB § 613 a Nr. 229, zu I 1; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 26, zu I; 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5, zu A; 15. März 2006 - 4 AZR 75/05 - EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 3, zu I 1). Ebenso geklärt ist, dass die Betriebspartner Bestand, Inhalt oder Umfang von Beteiligungsrechten mit einem allgemeinen Feststellungsantrag klären lassen können, sofern es sich nicht um einen abgeschlossenen Vorgang handelt (etwa BAG 18. April 2000 - 1 ABR 22/99 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 33, zu B I 1; 19. Juni 2001 - 1 ABR 25/00 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 35, zu B II 1 a; 27. Januar 2004 - 1 ABR 5/03 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 56, zu B I; 25. Januar 2005 - 1 ABR 59/03 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 114, zu B I 2). Nichts anderes gilt für die Frage, ob ein bestimmter Arbeitnehmer den Beteiligungsrechten eines bestimmten betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums unterliegt. Diese Frage betrifft den Arbeitnehmer unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung, da ständig ihn betreffende Beteiligungsrechte entstehen können. Er kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, bestimmte Beteiligungsfragen anlassbezogen zu klären. Dadurch würde - ähnlich wie bei der Frage der Geltung eines Tarifvertrages für ein bestimmtes Arbeitsverhältnis - gerade nicht die betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit oder Unzuständigkeit des Gremiums als solche mit Rechtskraftwirkung für die Zukunft geklärt, sondern nur über einzelne Ansprüche entschieden.

b) Die mit dem Hauptantrag zu 2) verbundene Antragsänderung ist sachdienlich im Sinne von § 263 ZPO, da der mit diesem Antrag geltend gemachte Anspruch unmittelbar auf dem bisherigen Prozessstoff beruht und mit dem Gegenstand des Antrags zu 1) in rechtlichem und tatsächlichem Zusammenhang steht. Sie ist damit zulässig (vgl. BAG 06. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 - AP ZPO § 263 Nr. 3, zu B I 2).

c) Der Hilfsantrag ist nicht zulässig. Für diesen Antrag fehlt die auch im Beschlussverfahren erforderliche Antragsbefugnis des Antragstellers. Antragsbefugt ist im Beschlussverfahren jede natürliche oder juristische Person oder jede nach § 10 ArbGG beteiligtenfähige Stelle, die eigene materielle betriebsverfassungsrechtliche Rechte geltend macht (BAG 15. August 2001 - 7 ABR 2/99 - AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 10, zu B I 2 d; 21. Juli 2004 - 7 ABR 58/03 - AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 13, zu B I 2). Auch im Beschlussverfahren sind Popularklagen nicht zulässig (Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge a.a.O. § 81 Rn 56; GK-ArbGG-Dörner a.a.O. § 81 Rn 61). Bei dem Hilfsantrag des Antragstellers handelt es sich um eine derartige Popularklage. Mit ihm macht der Antragsteller nicht eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte geltend, sondern Beteiligungsrechte der Beteiligten zu 2) und 3). Zu deren gerichtlicher Geltendmachung sind allein die Beteiligten zu 2) und 3) befugt.

2. Soweit die Anträge zulässig sind, sind sie nicht begründet. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind aufgrund der wirksamen Regelungen des TV PV für das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zuständig und haben den Antragsteller betreffende Beteiligungs- und Informationsansprüche. Die Arbeitgeberin ist zu deren Erfüllung verpflichtet.

Dass der Antragsteller als Purser gemäß §§ 2, 5 Abs. 1 f, 30 TV PV an sich dem Zuständigkeitsbereich der Beteiligten zu 2) und 3) unterfällt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Die Bereichsausnahme von § 117 Abs. 2 BetrVG für das fliegende Personal von Luftfahrtgesellschaften und der auf seiner Grundlage abgeschlossene TV PV sind auch nicht wegen Verstößen gegen europäisches Recht oder nationales Verfassungsrecht unwirksam.

a) § 117 Abs. 2 BetrVG und der TV PV sind entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht wegen eventueller Defizite gegenüber europarechtlichen Vorgaben unwirksam. Zutreffend ist allerdings, dass mangels einer § 117 Abs. 2 BetrVG entsprechenden Ausnahmebestimmung die Mitwirkungsrichtlinie 2002/14/EG auch für das fliegende Personal von Luftverkehrsgesellschaften umzusetzen ist, die gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie in Unternehmen mit mindestens fünfzig Arbeitnehmern in einem Mitgliedsstaat der EU oder in Betrieben mit mindestens zwanzig Arbeitnehmern in einem Mitgliedsstaat der EU beschäftigt werden (Hess. LAG 04. Juli 2006 - 4 TaBV 46/05 - n.rkr., zu B I; Bonin AuR 2004/321, 322). Zugunsten des Antragstellers kann auch unterstellt werden, dass die von ihm angeführten Umsetzungsdefizite im Bereich des TV PV tatsächlich bestehen, dass der Richtlinie entgegen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH unmittelbare Drittwirkung auch im Rechtsverhältnis zwischen Privaten beizumessen ist und dass das vom Antragsteller postulierte, die nationalen Gerichte bindende Gemeinschaftsgrundrecht auf Unterrichtung von Arbeitnehmervertretungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten tatsächlich besteht, auch wenn insbesondere letztere These mehr als kühn erscheint. Alle diese Annahmen tragen jedenfalls nicht die vom Antragsteller geltend gemachten Rechtsfolgen.

Weder die Regelungen des EG-Vertrages noch die der Richtlinie 2002/14/EG enthalten Vorgaben an die Mitgliedsstaaten, wie die kollektive Vertretung der Arbeitnehmer zu organisieren ist. Sie knüpfen vielmehr an die bestehenden nationalen Vertretungsstrukturen an. Dies klingt bereits in Ziffer 23 und 24 der Begründungserwägungen zu der Richtlinie an, wo von einer Anpassung der einzelstaatlichen Gegebenheiten unter Wahrung gewisser nationaler Besonderheiten die Rede ist. Ziel der Richtlinie ist danach eine begrenzte Erweiterung und EU-weite Angleichung der Anhörungs- und Unterrichtungsrechte der bestehenden Arbeitnehmervertretungen, nicht aber eine Änderung der Vertretungsstruktur. Unzweifelhaft wird dies durch die Begriffsbestimmung von Art. 2 e der Richtlinie, dergemäß Arbeitnehmervertreter "die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten vorgesehenen Vertreter der Arbeitnehmer" sind - diese sollen mit bestimmten Mindestrechten ausgestattet und nicht abgeschafft werden. Zudem lässt Art. 5 der Richtlinie den nationalen Sozialpartnern und damit auch den Tarifvertragsparteien des TV PV einen weiten Spielraum zu von der Richtlinie abweichenden Regelungen. Daher würden die vom Antragsteller angeführten Umsetzungsdefizite allenfalls Anpassungsbedarf im nationalen Recht auslösen. Im Fall einer unmittelbaren Drittwirkung der Richtlinie könnten sich die bestehenden Arbeitnehmervertretungen einschließlich der Beteiligten zu 2) und 3) sogar unmittelbar auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen. Damit werden ihre rechtliche Existenz und ihre sich aus dem TV PV ergebenden Zuständigkeiten durch EU-Recht in keiner Weise beeinträchtigt.

b) Auch der allgemeine Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 1 GG führt zu keinem anderen Ergebnis. Die erkennende Kammer geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der ganz herrschenden Meinung in langjähriger Rechtsprechung von der Wirksamkeit und von der Verfassungskonformität von auf der Grundlage eines Tarifvertrages gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG gebildeten Personalvertretungen des fliegenden Personals sowie des TV PV aus. Daran ist festzuhalten, obwohl in der Tat einiges dafür spricht, dass die sachliche Rechtfertigung der Bereichsausnahme für das fliegende Personal gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG inzwischen zweifelhaft geworden ist. Auch hier wäre die Rechtsfolge einer Benachteiligung des fliegenden Personals gegenüber anderen, dem Betriebsverfassungsgesetz unterfallenden Arbeitnehmergruppen jedoch nicht die Nichtigkeit der die Personalvertretung vorsehenden Tarifverträge und der auf deren Grundlage gebildeten Personalvertretungen. Vielmehr ist zur Vermeidung einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG der TV PV verfassungskonform erweiternd auszulegen, soweit er zu Benachteiligungen der Mitglieder des fliegenden Personals führt, die nicht durch Besonderheiten des Luftverkehrs sachlich gerechtfertigt sind. Die Kammer hat dies mit Beschluss vom 04. Juli 2006 (a.a.O., zu B I) folgendermaßen begründet:

"Zwar geht das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung von der Vereinbarkeit der Bereichsausnahme für das fliegende Personal von Luftverkehrsgesellschaften nach § 117 Abs. 2 BetrVG mit dem Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 1 GG aus (BAG 05. November 1985 - 1 ABR 28/83 - AP BetrVG 1972 § 117 Nr. 3, zu B II 2; 20. Januar 2001 - 1 ABR 27/00 - BAGE 97/52, zu B II 1). Die Überzeugungskraft dieser Auffassung wird indessen zunehmend geringer. Der Gesetzgeber wollte mit der Ausnahmeregelung der besonderen, nicht ortsgebundenen Tätigkeit des fliegenden Personals Rechnung tragen (BT-Dr. VI/1786 S. 58). Dies mag Differenzierungen gegenüber der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Bodenpersonals rechtfertigen. Wenig nachvollziehbar ist hingegen, aus welchen Gründen eine völlige Herausnahme des fliegenden Personals aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes gerechtfertigt sein soll, während andere, ebenfalls betriebsextern eingesetzte Arbeitnehmergruppen wie Fernfahrer oder Außendienstmitarbeiter dem Betriebsverfassungsgesetz ohne Einschränkung unterliegen. Dass angesichts der häufigen Dauer der Umläufe und der modernen Kommunikationsmittel eine Einbindung des fliegenden Personals in ein der gesetzlichen Betriebsverfassung entsprechendes Arbeitnehmervertretungssystem unproblematisch möglich ist, belegt die tägliche Praxis der Anwendung der dem Betriebsverfassungsgesetz in hohem Maß nachgebildeten und dessen Auslegungsregeln unterliegenden Tarifverträge für das fliegende Personal, insbesondere auch des TV PV. Es spricht daher viel dafür, dass der vollständige Ausschluss des fliegenden Personals gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG nicht mehr hinreichend gerechtfertigt ist (vgl. Däubler in Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 10. Aufl. § 117 Rn 5; Grabherr NZA 1988/532; Schmid/Sarbinowski NZA-RR 2003/113, 121; Fischer TranspR 2005/103, 105 f.).

Auch wenn danach die Ausnahme von § 117 Abs. 2 BetrVG nicht mehr gerechtfertigt sein sollte, berührt dies die Zulässigkeit tarifvertraglicher Regelungen zur Bildung gesonderter Vertretungen der Mitglieder des fliegenden Personals nicht. § 3 BetrVG lässt die Bildung von Spartenvertretungen der Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche und sonstiger von den Organisationsnormen des Betriebsverfassungsgesetzes abweichender Vertretungsorgane u.a. durch Tarifvertrag ausdrücklich zu. Problematisch ist die Rechtslage nur, soweit die Tarifvertragsparteien die Beteiligungsrechte der Vertretungen des fliegenden Personals gegenüber denen der gesetzlichen Betriebsräte ungünstiger gestaltet haben. Zur Vermeidung einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung des fliegenden Personals ist jedenfalls das geltende staatliche Recht dann so auszulegen, dass die Rechtsstellung der Vertretungen des fliegenden Personals der der gesetzlichen Betriebsräte soweit angenähert wird, wie nicht sachliche Gründe Differenzierungen rechtfertigen und es das geltende Recht zulässt. Die Beteiligtenfähigkeit der Personalvertretungen wäre vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 GG und ggf. dem Ablauf einer vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist ohnehin nicht beeinträchtigt (vgl. Däubler a.a.O. § 117 Rn 6)."

Entsprechend geht die erkennende Kammer in langjähriger Rechtsprechung trotz des Fehlens einer derartigen Norm im TV PV davon aus, dass bei Verletzungen des Mitbestimmungsrechts in personellen Angelegenheiten nach § 88 TV PV der Rechtsgedanke von § 101 BetrVG entsprechend anwendbar ist (Hess. LAG 27. Juli 1993 - 4 TaBV 173/92 - n.v.; 06. Februar 2001 - 4 TaBV 27/00 - n.v., zu II B 1; 02. November 2004 - 4 TaBV 16/04 - n.v., zu II 1 a). Mit Beschluss vom 04. Juli 2006 (a.a.O., zu B III 3 a) hat die erkennende Kammer angenommen, dass den Gruppenvertretungen im Fall der Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts auch zukunftsgerichtete Unterlassungsansprüche in demselben Umfang zustehen wie gesetzlichen Betriebsräten, d.h. zumindest in groben Fällen im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG. Auch bei anderen sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellungen der Personalvertretungen gegenüber gesetzlichen Betriebsräten ist eine verfassungskonforme Auslegung nicht ausgeschlossen und ggf. zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse geboten. Zudem ist keineswegs jede im TV PV enthaltene Differenzierung gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz verfassungswidrig. So spricht etwa viel dafür, dass die abweichende Regelung über Freistellungen schlicht den luftverkehrsrechtlichen Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der Berechtigung der Mitglieder der Personalvertretungen zum Einsatz im Luftverkehr Rechnung trägt und damit gerechtfertigt ist.

Schließlich stellen auch die das Wahlrecht und insbesondere die Bildung der Gesamtvertretung betreffenden Rügen des Antragstellers den Bestand und die Zuständigkeit der Beteiligten zu 2) und 3) nicht in Frage. Treffen diese Rügen zu, sind sie allenfalls geeignet, Ansprüche auf Beseitigung der ihnen zugrunde liegenden Missstände auszulösen, etwa die Anfechtung der Wahl einer Gruppenvertretung oder einen Anspruch auf stärkere Repräsentierung bestimmter Gruppenvertretungen in der Gesamtvertretung. Nichtig kann die Wahl einer Arbeitnehmervertretung nur sein, wenn nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gewahrt wird (vgl. zum staatlichen Betriebsverfassungsrecht etwa BAG 29. April 1998 - 7 ABR 42/97 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 58, zu B II 2; 19. Januar 1999 - 1 AZR 342/98 - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 37, zu III 1; 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - AP AÜG § 14 Nr. 8, zu B I 2 b). Davon kann bei einer den Bestimmungen des TV PV entsprechenden Bildung der Personalvertretungen nicht die Rede sein.

3. Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 72 Abs. 2, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG besteht angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 117 Abs. 2 BetrVG nicht.

Die Kammer ist auch nicht durch Art. 234 EG-Vertrag gehalten, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Auch letztinstanzliche Gerichte sind zu einem derartigen Vorgehen nicht gezwungen, wenn die von ihnen vorgenommene Auslegung von Gemeinschaftsrecht derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum besteht (EuGH 06. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - Slg. 1982/3415, 3430 ff.; BAG 02. April 1996 - 1 ABR 47/95 - BAGE 82/349, zu B II 2 b bb (5); 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 39, zu II 2 c). Dies trifft auf die Auslegung zu, dass das vom Antragsteller angeführte europäische Recht nicht zur Nichtigkeit der Personalvertretungen des fliegenden Personals und zur Unzuständigkeit der Beteiligten zu 2) und 3) für das Arbeitsverhältnis des Antragstellers führt.

Ende der Entscheidung

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