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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 1014/07
Rechtsgebiete: BetrVG, AGG, Rl. 2000/78/EG


Vorschriften:

BetrVG § 75
BetrVG § 112
AGG § 1
AGG § 15
Rl. 2000/78/EG
1. Eine die Abfindungshöhe begrenzende Höchstbetragsklausel in einem Sozialplan bewirkt keine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer wegen ihres Alters.

2. Die Betriebsparteien sind nicht verpflichtet, ihre Motive für die in einem Sozialplan enthaltenen Regelungen in einer Begründung transparent zu machen.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 06. Juni 2007 - 4 Ca 37/07 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe eines Anspruchs auf Sozialplanabfindung.

Der am 13. Januar 1948 geborene und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger war von der Zeit vom 01. April 1967 bis zum 30. September 2007 für die Beklagte in deren Dekortiefdruckerei in A tätig. Er erhielt zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 5.592,87. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer aus Anlass der Schließung des Beschäftigungsbetriebes von der Beklagten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung.

Die Beklagte hatte bereits im Jahr 2002 gegenüber dem Kläger eine Kündigung ausgesprochen. Aufgrund eines seinerzeit geltenden Sozialplans hätte der Kläger damals im Fall der Wirksamkeit der Kündigung eine Abfindung von € 139.802,58 brutto erhalten. Die Parteien setzten das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fort. Grundlage der Fortsetzung war ein Schreiben der Beklagten vom 06. November 2002. Unter Ziffer 6 dieses Schreibens sicherte die Beklagte dem Kläger zu, er werde im Fall einer erneuten betriebsbedingten Kündigung innerhalb von fünf Jahren insbesondere hinsichtlich der Abfindung nicht schlechter gestellt, als er aufgrund der seinerzeitigen Kündigung gestanden hätte. Anlässlich der Betriebsstilllegung schloss die Beklagte mit dem für den Betrieb zuständigen Betriebsrat am 16. September 2006 einen Interessenausgleich. In dessen Ziffer 4 ist vorgesehen, dass den betroffenen Arbeitnehmern 35 Arbeitsplätze bei der Firma B GmbH (nachfolgend B) angeboten werden. Für die nicht wechselnden Arbeitnehmer war der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen vorgesehen. Gemäß der Anlage 1 zum Interessenausgleich waren von der Betriebsänderung insgesamt 73 Arbeitnehmer und zwei Auszubildende betroffen. Wegen des vollständigen Inhalts des Interessenausgleichs wird auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 27. März 2007 (Bl. 58 - 64 d.A.) Bezug genommen. Am 15. September 2006 hatte die Beklagte mit dem Betriebsrat bereits einen Sozialplan (im Folgenden SP) vereinbart. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:

"Präambel

Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat haben sich darauf verständigt, dass für sämtliche finanziellen Leistungen aus diesem Sozialplan ein Gesamtvolumen von € 3,55 Mio. zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus werden von der B GmbH 35 Arbeitsplätze in Aschaffenburg angeboten.

...

1. Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer, die sich am 15.09.2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin befunden haben und von den im Interessenausgleich vom heutigen Tage beschriebenen Maßnahmen betroffen sind. ...

2. Abfindungsregelungen

Arbeitnehmer nach Ziffer 1., die am 31.12.2006 das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und deren Anstellungsverhältnis durch betriebsbedingte (Änderungs-)Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung beendet wird, erhalten eine Abfindung nach den nachfolgenden Bestimmungen. ...

2.1. Abfindungen für Arbeitnehmer, die kein Arbeitsplatzangebot der B GmbH erhalten bzw. annehmen

Da zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplans noch nicht abschließend feststeht, wie viele der von der B GmbH angebotenen Arbeitsplätze mit welchen Arbeitnehmern besetzt werden, ermittelt sich der konkrete Abfindungsbetrag in den nachfolgenden Schritten:

2.1.1. Zunächst wird ein Grundbetrag ermittelt. Dieser besteht aus einem von Lebensalter, Jahren der Betriebszugehörigkeit und Einkommen abhängigen Steigerungsbetrag und Sozialzuschlägen.

2.1.2. Der Steigerungsbetrag ermittelt sich nach folgender Formel:

Bruttomonatseinkommen x Beschäftigungsdauer x Alter: 55

Zur Ermittlung des Bruttomonatseinkommens wird das Bruttojahreseinkommen des Jahres 2005 durch 13,4 dividiert. ...

Die Beschäftigungsdauer wird in Jahren auf den 31.12.2006 berechnet. Es wird auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet.

Das Alter wird in Jahren auf den 31.12.2006 berechnet. Es wird auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet.

Der maximale Steigerungsbetrag aufgrund der vorgenannten Formel beträgt € 120.000,00.

2.1.3. Als Sozialzuschläge werden zusätzlich gewährt:

- Pro unterhaltsberechtigtem Kind € 3.000,00;

...

2.1.4. In einem zweiten Schritt wird festgestellt, welcher Gesamtbetrag für Abfindungszahlungen gemäß Ziffer 2.2. dieses Sozialplanes zur Verfügung gestellt wird. ... Der insoweit festgestellte Gesamtbetrag für Leistungen gemäß Ziffer 2.2 sowie die Summe der gemäß Ziffer 2.1.1. bis 2.1.3. ermittelten Grundbeträge werden addiert und von dem Gesamtvolumen in Höhe von € 3,52 Mio. in Abzug gebracht. Der verbleibende Betrag wird in einen weiteren Abfindungsfond eingestellt.

2.1.5. Die Verteilung dieses Fonds auf die einzelnen Arbeitnehmer und damit die Ermittlung des Fondsbetrages erfolgt nach folgenden Grundsätzen:

- Arbeitnehmer, deren Steigerungsbetrag (2.1.2) € 120.000,00 erreicht, sind nicht anspruchsberechtigt;

...

- der sich aus Grundbetrag und Fondsbetrag ergebende Gesamtabfindungsbetrag (ohne Sozialzuschläge) darf wiederum € 120.000,00 nicht überschreiten.

2.1.6. Sofern durch die erneute Kappung von Grundbetrag und Fondsbetrag auf € 120.000,00 ein Restbetrag verbleibt, wird dieser wiederum von der Sozialplankommission festgestellt und zu gleichen Teilen an die betroffenen Arbeitnehmer, die nicht der Kappungsgrenze unterliegen, verteilt.

2.2 Abfindungen für Arbeitnehmer, die ein Arbeitsplatzangebot der B GmbH annehmen

Arbeitnehmer gemäß Ziffer 1., deren Anstellungsverhältnis durch betriebsbedingte (Änderungs-)Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung beendet wird und die im Anschluss daran ein Arbeitsverhältnis bei der B GmbH in Aschaffenburg beginnen, erhalten eine Abfindung ausschließlich gemäß den nachfolgenden Bestimmungen. Sie erhalten keine Abfindung gemäß Ziffer 2.1. dieses Sozialplans.

2.2.1. Arbeitnehmer, deren künftiges Monatsentgelt einschließlich aller regelmäßig gezahlten Zulagen in dem neuen Arbeitsverhältnis zur B GmbH niedriger ist als das bisherige Monatsentgelt, erhalten zum Ausgleich für den mit dem Verlust des Arbeitsplatzes zur Arbeitgeberin verbundenen Nachteilen eine Abfindung. Die Höhe der Abfindung beträgt 100% des Differenzbetrages zwischen bisherigem und künftigem Monatsentgelt multipliziert mit 48.

2.2.2. Arbeitnehmer, die einen Arbeitsplatz bei der B GmbH annehmen, erhalten zum Ausgleich für sonstige, mit dem Wechsel zur B GmbH verbundene berechenbare und nicht berechenbare, dauerhafte Nachteile eine weitere Einmalzahlung in Höhe von € 10.000,00.

...

2.2.4. Die bisherige Betriebszugehörigkeit wird von der B GmbH einzelvertraglich anerkannt."

Gemäß Ziffer 2.3. SP war ein Härtefonds von € 30.000 einzurichten. Nach der Anlage 1 zum SP galt dieser für 67 Arbeitnehmer. Die Differenz zu der Gesamtzahl der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer beruht auf der Nichtberücksichtigung von zwei leitenden Angestellten, drei befristet Beschäftigten und einem Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hatte. Wegen des vollständigen Inhalts des SP wird auf die Anlage B 2 zum Schriftsatz vom 27. März 2007 (Bl. 65 - 72 d.A.) und wegen der Sozialdaten der dem SP unterfallenden Arbeitnehmer auf die Anlage 1 zu diesem (Bl. 73 - 75 d.A.) Bezug genommen. Die Kappungsgrenze von € 120.000 war auf Betreiben des Betriebsrats vereinbart worden. Die zur Firma B wechselnden Arbeitnehmer waren durchschnittlich 42,4 Jahre und die übrigen Arbeitnehmer im Schnitt 48,35 Jahre alt. Die Beklagte zahlte an den Kläger unter Anrechnung auf den Sozialplanhöchstbetrag von € 120.000 gemäß der Zusage vom 06. November 2002 eine Abfindung in Höhe von € 139.802,58 brutto.

Der Kläger rügte mit Schreiben vom 22. November 2006, er werde durch die Höchstbetragsklausel in Ziffer 2.1.2. SP wegen seines Alters diskriminiert. Ohne deren Berücksichtigung stehe ihm eine Gesamtabfindung von € 237.781 brutto zu. Die Differenz von € 99.978,80 brutto machte er als Entschädigung gemäß § 15 AGG geltend. Er verfolgt diese Forderung mit der vorliegenden, am 01. Februar 2007 beim Arbeitsgericht eingereichten und am 08. Februar 2007 zugestellten Klage weiter. Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf Seite 3 der Klageschrift (Bl. 3 d.A.) und auf Seite 8 des Schriftsatzes vom 24. April 2007 (Bl. 83 d.A.) Bezug genommen. Gemäß einer Rentenauskunft vom 02. März 2007 erhielte der Kläger bei einem Rentenantrag am 02. März 2007 eine Altersrente von € 1.498,30 pro Monat. Bei einer Inanspruchnahme der Rente mit Vollendung des 65. Lebensjahres betrage seine Rente € 1.642,37 pro Monat.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er werde durch die Höchstbetragsklausel ohne legitimes Ziel wegen seines Alters benachteiligt. Die hinter dem SP stehende grundsätzliche Absicht der Betriebspartner, Ältere zu benachteiligen, ergebe sich bereits aus dem völligen Ausschluss der über sechzigjährigen Arbeitnehmer. Das Verbot der Altersdiskriminierung verbiete eine Begrenzung der altersabhängigen Dynamik der Berechnungsformel von Ziffer 2.1.2. SP. Zudem würden jüngere Arbeitnehmer dadurch ungerechtfertigt bevorzugt, dass die Höchstbetragsklausel erreichende Arbeitnehmer keine Leistungen aus dem Härtefonds erhielten. Auch die zur B wechselnden Arbeitnehmer seien ohne rechtfertigenden Grund bevorzugt worden. Zur Berufung auf Rechtfertigungsgründe hätten diese im SP offenbart werden müssen. Da er keine neue Stelle finden werde und 21 Monate ohne regelmäßige Einkünfte zu überbrücken habe, sei der Kläger nicht im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG wirtschaftlich abgesichert. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, da sie für eine gerechte Verteilung der Sozialplanmittel habe Sorge tragen müssen. Die Frist von § 15 Abs. 4 AGG sei frühestens durch den Zugang des Kündigungsschreibens und die gleichzeitige Unterrichtung über die von der Beklagten vorgesehene Abfindungshöhe am 27. September 2006 in Gang gesetzt worden.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der SP enthalte eine sehr ausgewogene, die Arbeitsmarktchancen der betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigende Regelung. Der Kläger könne mit der Abfindung die Zeit bis zum Renteneintritt überbrücken. Die Beklagte hat behauptet, die zur Firma B gewechselten Arbeitnehmer hätten eine Durchschnittsabfindung von € 26.047 brutto und die übrigen Arbeitnehmer eine Durchschnittsabfindung von € 83.644 brutto erhalten. Zehn Arbeitnehmer seien von der Höchstbetragsklausel betroffen gewesen. Alle seien älter als fünfzig Jahre alt und mehr als dreißig Jahre lang beschäftigt gewesen. Ohne Höchstbetragsklausel hätten drei dieser Arbeitnehmer - alle älter als 58 Jahre - € 761.000 und damit 27,6 % des für die nicht zur Firma B wechselnden Arbeitnehmer zur Verfügung stehenden Sozialplanvolumens erhalten. Damit werde durch die Höchstbetragsklausel eine Diskriminierung jüngerer Mitarbeiter verhindert. Von den betroffenen Arbeitnehmern seien 23 ungelernte Produktionshelfer gewesen, die schwer vermittelbar, deshalb von Dauerarbeitslosigkeit bedroht und aus diesem Grund wesentlich härter als der Kläger betroffen gewesen seien. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe die Frist von § 15 Abs. 4 AGG versäumt. Maßgeblich für den Fristbeginn sei der im Betrieb heftig diskutierte Abschluss des SP gewesen.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 98 - 101 d.A.) und auf die mit diesem in Bezug genommenen Aktenbestandteile verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung - kurz zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da die Höchstbetragsklausel wirksam sei. Diese benachteilige zwar ältere Arbeitnehmer mittelbar. Dies sei jedoch gemäß § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Sie berücksichtige gegenüber der altersabhängigen Steigerung durch die Formel von Ziffer 2.1.2. SP die Interessen jüngerer Arbeitnehmer, die sich vielfach noch im Aufbau ihrer wirtschaftlichen und familiären Existenz befänden und nicht unmittelbar mit einer Anschlussbeschäftigung rechnen konnten, während dem Rentenalter nähere Arbeitnehmer wie der Kläger besser abgesichert seien. Ältere Arbeitnehmer vor Vollendung des 60. Lebensjahres würden allenfalls gleich behandelt wie ebenfalls schutzwürdige jüngere Arbeitnehmer. Eine Niederlegung des Differenzierungsziels im SP sei nicht erforderlich gewesen. Die zur Firma B gewechselten Arbeitnehmer seien mit dem Kläger nicht vergleichbar. Wegen der vollständigen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 101 - 107 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das am 25. Juni 2007 zugestellte Urteil am 06. Juli 2007 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis 27. September 2007 am 27. September 2007 begründet. Er hält an seiner erstinstanzlichen Argumentation fest und ist der Ansicht, die Höchstbetragsklausel diskriminiere ihn sowohl mittelbar als auch verdeckt wegen seines Alters. Das Gesamtkonzept des SP benachteilige ältere Arbeitnehmer. Diese seien von sämtlichen Kürzungsregelungen im SP betroffen. Die Höchstbetragsklausel verkehre die Formel von Ziffer 2.1.2. SP in ihr Gegenteil um. Nach dem Inkrafttreten des AGG rechtfertige der Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit die Benachteiligung älterer Arbeitnehmer nicht mehr. Deshalb könne an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht festgehalten und den Betriebspartnern insoweit kein Ermessen eingeräumt werden. Zudem seien die von der Höchstbetragsklausel betroffenen älteren Arbeitnehmer wegen ihrer fehlenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich schutzbedürftiger gewesen als jüngere. Die Betriebspartner hätten die Regelung pflichtwidrig nicht durch statistische Arbeitsmarktdaten verifiziert. § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verlange eine schriftliche Niederlegung der in Anspruch genommenen Rechtfertigungsgründe. Die Diskriminierung sei von der Beklagten zumindest bedingt vorsätzlich begangen worden.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 26. September und 19. November 2007 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 06. Juni 2007 - 4 Ca 37/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 97.978,80 sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2007 zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Würdigung des Arbeitsgerichts wie im Schriftsatz vom 02. November 2007 ersichtlich.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Betriebspartner sind bei der Vereinbarung eines Sozialplans grundsätzlich frei zu entscheiden, welche wirtschaftlichen Nachteile der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer durch welche Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben sie allerdings nach § 75 Abs. 1 BetrVG die betroffenen Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln. Zu diesen zählen insbesondere der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und besondere Diskriminierungsverbote (vgl. etwa BAG 19. Juli 1995 - 10 AZR 885/94 - BAGE 80/286, zu III 1; 05. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141, zu II 2 c). Auszurichten haben die Betriebspartner die Regelungen eines Sozialplans an dem in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG festgelegten Zweck der Sozialplanleistungen, der darin besteht, mit einem begrenzten Volumen möglichst allen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes oder bis zu einer sonstigen wirtschaftlichen Absicherung zu ermöglichen. Mangels Vorhersehbarkeit der später tatsächlich eintretenden Nachteile ist dabei eine Pauschalisierung zulässig (BAG 23. August 1988 - 1 AZR 284/87 - BAGE 59/255, zu III 3 a; 24. November 1993 - 10 AZR 311/93 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 72, zu II 2 b; 19. Oktober 1999 - 1 AZR 838/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135, zu I 1; 05. Oktober 2000 a. a. O., zu II 2 c). Ein Sozialplan hat danach Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion hinsichtlich der zukünftigen Nachteile, die durch die Betriebsänderung eintreten können. Er dient nicht der Honorierung der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit und der von ihm gezeigten Betriebstreue. Auch die Beschäftigungsdauer ist als Bemessungsfaktor nur insoweit geeignet, wie sie in Zusammenhang mit geringeren Chancen länger beschäftigter Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt steht (BAG 14. August 2001 - 1 AZR 760/00 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 142, zu III 1 a; 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 159, zu III 2 a). Die Höchstbetragsklausel von Ziffer 2.1.2. Abs. 4 SP ist nach diesem Maßstab nicht zu beanstanden.

a) Die Klausel bewirkt entgegen der Ansicht des Klägers weder eine Benachteiligung noch eine anderweitige benachteiligende Ungleichbehandlung wegen des aufsteigenden Alters. Es kommt daher weder der von den Parteien erörterte Entschädigungs- bzw. Schadensersatzanspruch nach § 15 AGG noch ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht.

Eine Höchstbetragsklausel wie die von Ziffer 2.1.2. Abs. 4 SP bewirkt keine unmittelbare oder mittelbare Differenzierung in der Leistungshöhe, sondern im Gegenteil eine Gleichbehandlung der Arbeitnehmer ab dem Erreichen des Höchstbetrages. Sie begrenzt damit die durch das Kriterium "Alter" unmittelbar und die Kriterien "Beschäftigungsdauer" und "Bruttomonatseinkommen" unter Umständen mittelbar herbeigeführte Besserstellung älterer Arbeitnehmer gegenüber jüngeren. Damit führt sie nicht zur Ungleichbehandlung, sondern zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmern im Rahmen ihres Geltungsbereichs. Sie verstößt daher offensichtlich nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gemäß Art. 1, 2 Abs. 1, Abs. 2, 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZN 1043/06 - n.v., zu 1 c bb; 02. Oktober 2007 - 1 AZN 793/07 - Juris, zu I 2 c; Hess. LAG 18. Juli 2006 - 4 Sa 442/06 - n.v.; MüKo-BGB-Thüsing 5. Aufl. § 10 AGG Rn 38; im Ergebnis ebenso Schweibert FS ARGE ArbR S. 1001, 1011 f.; a.A. Leuchten NZA 2002/1254, 1260). Dies gilt in gleicher Weise für den Ausschluss der den Höchstbetrag bereits erhaltenden Arbeitnehmer von den Leistungen aus dem Härtefonds gemäß Ziffer 2.1.5. SP. Auch diese Klausel bewirkt eine partielle Gleichbehandlung an sich geringere Leistungen erhaltender jüngerer Arbeitnehmer mit den ohnehin einen Anspruch auf den Höchstbetrag besitzenden und damit begünstigten älteren Arbeitnehmern.

b) Der Kläger wirft den Betriebspartnern auch zu Unrecht einen Ermessensfehlgebrauch vor. Wie dargelegt, besitzen diese bei der Festlegung der mit Sozialplanleistungen zu kompensierenden wirtschaftlichen Nachteile ein weites Ermessen. Den Zweck von § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG haben die Betriebsparteien mit den Regelungen des SP nicht verkannt. Alle Leistungen gemäß des SP dienen der Milderung wirtschaftlicher Nachteile durch die Betriebsänderung. Dies gilt auch für die Leistungen zugunsten der zur Firma B wechselnden Arbeitnehmer. Auch diese erleiden angesichts des Wechsels ihres Arbeitsorts über eine nicht unbeträchtliche Entfernung wirtschaftliche Nachteile durch die Betriebsänderung, da sie nach deren Durchführung entweder zum Pendeln oder zur Verlegung ihres Wohnsitzes gezwungen sind. Hinzu kommt, dass der Wechsel des Arbeitsortes und des Arbeitgebers aufgrund möglicher Anpassungsschwierigkeiten an die neue Arbeitsumgebung und den neuen Arbeitsinhalt regelmäßig ein Risiko für das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses begründet.

Es ist weiter kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass die Betriebspartner zugunsten nicht übernommener Arbeitnehmer wie den Kläger weiter hätten differenzieren müssen. Zwar umfasst der das Ermessen der Betriebsparteien begrenzende Gleichbehandlungsgrundsatz auch das Gebot, unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln (BAG 15. November 1995 - 4 AZR 489/94 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 44, zu II 3 d). Die Betriebsparteien haben mit den Regelungen von Ziffer 2.1., 2.2. SP jedoch bereits zwischen den übernommenen und den nicht übernommenen Arbeitnehmern in erheblichem Umfang zugunsten Letzterer differenziert und dabei die bei typisierender Betrachtung der beiden Arbeitnehmergruppen drohenden wirtschaftlichen Nachteile angemessen berücksichtigt. Die zur Firma B gewechselten Arbeitnehmer erhalten lediglich eine Einmalzahlung von € 10.000 und im Übrigen einen Ausgleich eventueller Gehaltsdifferenzen für vier Jahre. Der Kläger erhält mit der gezahlten Abfindung von knapp € 140.000 einen Betrag, der insbesondere bei einer steuerlichen Veranlagung gemäß § 34 EStG und unter Anrechnung der dem Kläger zur Überbrückung zustehenden Sozialleistungen die wirtschaftlichen Nachteile des Klägers für einen Zeitraum abdeckt, der vier Jahre zumindest nicht unterschreitet. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass den zur Firma B gewechselten Arbeitnehmern im Fall der Beendigung ihres neuen Arbeitsverhältnisses vor dem Ablauf der Frist von vier Jahren noch wesentlich größere wirtschaftliche Nachteile drohen. Schließlich trifft es nicht zu, dass die den Arbeitnehmern drohenden Nachteile mit zunehmendem Alter unbegrenzt ansteigen. Im Gegenteil können diese sich deutlich reduzieren, je näher das Alter der betroffenen Arbeitnehmer am gesetzlichen Rentenalter und damit am Beginn der durch den Rentenanspruch bewirkten wirtschaftlichen Absicherung liegt. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, diesem Umstand mit einer Höchstbetragsklausel Rechnung zu tragen, jedenfalls wenn der Höchstbetrag eine Höhe wie den von Ziffer 2.1.5. Abs. 4 SP erreicht.

Weiter waren die Betriebsparteien nicht gehalten, die ihrer Regelung zugrunde liegenden Erwägungen in einer Begründung zum SP transparent zu machen. Die §§ 112, 75 BetrVG enthalten keine Grundlage für die Annahme einer derartigen Rechtspflicht. Der Europäische Gerichtshof hat selbst für den Fall von Differenzierungen wegen des Alters durch den staatlichen Gesetzgeber eine Begründungspflicht verneint und es ausreichen lassen, dass sich die Motivation der Differenzierung aus dem Kontext der Norm ableiten lässt (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 3 - Palacios, Tz. 56, 57). Umso weniger kann eine derartige Begründung von den Betriebsparteien in Zusammenhang mit der Regelung eines Sozialplans gefordert werden. Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans sind wegen häufig erheblicher Interessengegensätze und nicht selten beträchtlicher Eilbedürftigkeit der Regelung oft ohnehin kompliziert. Die Annahme einer Verpflichtung zur Offenlegung der - möglicherweise ohnehin divergierenden - Erwägungen der beiden Betriebsparteien würde den Abschluss von Sozialplänen unzumutbar erschweren.

Die vom Kläger im Schriftsatz vom 19. November 2007 angesprochene Nichtberücksichtigung eines Kinderzuschlags gemäß Ziffer 2.1.3. SP ist schließlich für die vorliegende Entscheidung nicht relevant, da der Kläger diesen Betrag bei der Berechnung seiner Klageforderung nicht berücksichtigt hat. Dieser ist demzufolge nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat in den Beschlüssen vom 19. Juni und 02. Oktober 2007 (a. a. O.) eindeutig ausgeführt, dass die vom Kläger im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Rechtsfrage der Zulässigkeit von Höchstbetragsklauseln in Sozialplänen unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Altersdiskriminierung durch die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geklärt ist, da derartige Klauseln offensichtlich mit dem Altersdiskriminierungsverbot der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar seien und dazu keine Bestätigung durch das Revisionsgericht erforderlich sei (BAG 19. Juni 2007 a. a. O., zu 1 c bb; 02. Oktober 2007 a. a. O., zu I 2). Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Inkrafttreten des AGG an dieser Situation nichts geändert. Das AGG dient lediglich der Umsetzung u.a. der Richtlinie 2000/78/EG und stellt wie diese mit § 1 AGG auf das Vorliegen einer Benachteiligung wegen des Alters ab. Eine solche wird durch Höchstbetragsklauseln gemäß der vorstehenden Ausführungen nicht ausgelöst.

Ende der Entscheidung

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