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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.12.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 617/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 75
BetrVG § 111
BetrVG § 112
Die Betriebspartner können zur Begrenzung des Anspruchs auf Überbrückungsleistungen aus einem Sozialplan an den Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs gesetzlicher Altersrente anknüpfen. Eine solche Regelung verstößt auch dann nicht gegen das Verbot einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Geschlechts, wenn das frühere Renteneintrittsalter für Frauen Nachteile bei der Dauer des Bezugs der Überbrückungsleistungen und bei der Höhe der gesetzlichen Altersrente auslöst.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2005 - 7 Ca 1205/04 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Dauer des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld.

Die am 18. Dezember 1946 geborene Klägerin stand seit 01. Juli 1978 in den Diensten der Rechtsvorgängerin und Muttergesellschaft der Beklagten, der A-Bank. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 01. Februar 2000 von der Beklagten, die damals die Firma B-Gesellschaft trug und zum 01. April 2001 ihre jetzige Firma erhielt, unter Anrechnung der Vorbeschäftigungszeit übernommen.

Die Unternehmen des Konzerns der A-Bank waren zum 01. Januar 1999 mit denen der C (C) zusammengeschlossen worden. Aus diesem Anlass schlossen am 15. Dezember 1998 die betroffenen Unternehmen einschließlich der A-Bank und der Beklagten mit dem Gesamtpersonalrat der C und dem "gemeinsamen Betriebsrat der A-Gruppe", also dem Konzernbetriebsrat, eine als "Befristete Betriebs-/Dienstvereinbarung" bezeichnete Vereinbarung (nachfolgend BV). Gemäß deren Ziffern 3 und 4.1 waren betriebsbedingte Kündigungen aus Anlass der Zusammenführung der Unternehmen ausgeschlossen, sofern den betroffenen Arbeitnehmern nicht der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem anderen Konzernunternehmen unter Besitzstandswahrung angeboten wurde. Gemäß Ziffer 5.6 wurde "zur Minderung eventuell entstehender sozialer Härten" in der Anlage 1 zur BV eine Vorruhestandsregelung getroffen. Nach Ziffer 8.1 wurde die Laufzeit bis 31. Dezember 2003 befristet. In der Anlage 1 sind u.a. folgende Regelungen vorgesehen:

"Die Laufzeit sowie die Kündigungsmodalitäten dieser Regelung ergeben sich aus der übergeordneten befristeten Betriebs-/Dienstvereinbarung vom 15. Dezember 1998 und sind insoweit an diese gekoppelt.

Anspruchsvoraussetzungen

1. Arbeitnehmer mit einer mindestens 15jährigen Betriebszugehörigkeit haben ab dem 58. Lebensjahr, Arbeitnehmer mit einer mindestens 25jährigen Betriebszugehörigkeit haben ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf Leistungen nach dieser Regelung, sofern zwischen der Arbeitnehmervertretung und dem Arbeitgeber Einvernehmen über die Beendigung des konkreten Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Inanspruchnahme dieser Vorruhestandsregelung erzielt wird.

...

Höhe des betrieblichen Vorruhestandsgeldes

1. Das betriebliche Vorruhestandsgeld beträgt in den ersten 3 Monaten 80%, danach 75% des letzten Bruttomonatsgehalts. Ausgenommen sind Erschwerniszulagen, Vergütungen gem. § 5 MTV, vermögenswirksame Leistungen und einmalige Sonderzahlungen.

2. Das betriebliche Vorruhestandsgeld nimmt entsprechend an linearen Tarifgehaltssteigerungen teil.

...

Sozialversicherungsbeiträge

Der Arbeitgeber trägt die Hälfte des Beitrags, der sich auf der Grundlage des betrieblichen Vorruhestandsgeldes für die Pflichtversicherung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers in der Kranken- und Rentenversicherung ergibt. Die Höhe der Arbeitgeberbeiträge richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften des Sozialgesetzbuches.

Hinsichtlich der gesetzlichen Pflegeversicherung trägt der Arbeitgeber den gesetzlichen Arbeitgeberanteil.

Betriebliche Sonderleistungen

Während der Zahlung des betrieblichen Vorruhestandsgeldes werden folgende betriebsübliche Leistungen für Mitarbeiter auch an die Empfänger von Vorruhestandszahlungen gem. dieser Vereinbarung weiter gewährt: Angestelltenkonditionen bei der Abwicklung von Bankgeschäften im Aktiv-, Passiv- und Dienstleistungsbereich. Außerdem bleiben Leistungen von Unterstützungs- und Sterbekassen erhalten.

Erlöschen der Ansprüche

1. Die Leistungen aus dieser Regelung erlöschen mit Beginn des Monats, für den der ausgeschiedene Arbeitnehmer Altersruhegeld, Erwerbsunfähigkeitsrente, Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann.

2. Die Ansprüche erlöschen spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der ausgeschiedene Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet.

3. Die Ansprüche erlöschen ferner, wenn der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden ohne schriftliche Genehmigung des Arbeitgebers Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten gegen Entgelt ausübt. Über die Zustimmung zur Ausübung von weiteren Beschäftigungsverhältnissen wird seitens der Bank wohlwollend entschieden."

Wegen des vollständigen Inhalts der BV und deren Anlage 1 wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 05. April 2004 (Bl. 14 - 26 d. A.) Bezug genommen. Die Parteien schlossen am 10. Januar 2002 eine Vorruhestandsvereinbarung, dergemäß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2003 endete und die Klägerin ab 01. Juli 2003 Vorruhestandsbezüge gemäß dem Tarifvertrag zur Regelung des Vorruhestands für das private Bankgewerbe "unter Berücksichtigung der Betriebs-/Dienstvereinbarung der C-A-Bank vom 15. Dezember 1998" erhalten sollte. Ziffer 4 der Vereinbarung lautet:

"Der Anspruch auf Zahlungen von Vorruhestandsbezug erlischt mit Beginn des Monats, für den Frau D Altersruhegeld, Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem Frau D das 60. Lebensjahr vollendet. Der Anspruch auf Zahlung von Vorruhestandsbezug erlischt ferner, wenn Frau D nach ihrem Ausscheiden ohne Genehmigung der A-Immobilien Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten gegen Entgelt ausübt."

Wegen des vollständigen Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 15. August 2005 (Bl. 126, 127 d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin rügte im September 2002 die Höhe ihrer Altersrente. Wegen der Einzelheiten der Korrespondenz der Parteien wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 15. August 2005 (Bl. 130, 131 d.A.) Bezug genommen. In diesem Zusammenhang bot die Beklagte der Klägerin am 07. September 2002 an, die Vorruhestandsvereinbarung als gegenstandslos zu betrachten und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Klägerin ging auf dieses Angebot nicht ein und nahm den Vorruhestand vereinbarungsgemäß in Anspruch. Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin geltend, sie werde wegen ihres Geschlechts diskriminiert, da Männer in Hinblick auf das höhere Eingangsalter der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente (§ 236 SGB VI statt § 237 a SGB VI) von der Beklagten bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres Vorruhestandsleistungen erhalten, sofern sie nicht aus anderen Gründen zu einem früheren Zeitpunkt Anspruch auf gesetzliche Rentenleistungen besitzen, und weil deren gesetzliche Altersrente gem. § 77 SGB VI entsprechend weniger gekürzt wird. Dementsprechend verlangt sie von der Beklagten die Weitergewährung des Vorruhestandsgeldes über die Vollendung ihres 60. Lebensjahres hinaus bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres.

Die Klägerin hat, soweit noch von Interesse, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie Vorruhestandsgeld aus der Vereinbarung vom 10. Januar 2002 über den Dezember 2006 hinaus in Höhe von derzeit monatlich € 3.468,00 brutto, fällig jeweils am 01. des laufenden Monats bis einschließlich Dezember 2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, die Differenzierung sei durch das unterschiedliche gesetzliche Renteneingangsalter von Frauen und Männern gerechtfertigt. Zudem stehe der Forderung der Klägerin entgegen, dass diese sich freiwillig auf den Vorruhestand einließ.

Wegen der Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts und des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 53 - 55 d.A.) und auf die mit diesen in Bezug genommenen Schriftsätze verwiesen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen angenommen, dass der erstinstanzliche Hauptantrag der Klägerin zwar zulässig, aber nicht begründet sei. Die Vorruhestandsbezüge seien Entgelt im Sinne von Art. 141 EGV. Die Anknüpfung an den frühestmöglichen Beginn der gesetzlichen Altersrente sei durch den Überbrückungszweck des Vorruhestands gerechtfertigt. Wegen der weiteren Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 55 - 59 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das am 14. März 2005 zugestellte Urteil am 04. April 2005 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis 14. Juni 2005 am 14. Juni 2005 begründet. Sie rügt weiterhin, dass sie gegenüber gleichaltrigen Männern allein wegen ihres Geschlechts diskriminiert werde. Das Vorruhestandsgeld habe nicht Überbrückungsfunktion, sondern diene in seiner Funktion als Gehaltsersatz als Anreiz für den der Beklagten anderweitig kaum möglichen Abbau tarifvertraglich unkündbarer älterer Arbeitnehmer.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 14. Juni 2005 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2005 - 7 Ca 1205/04 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Vorruhestandsgeld gemäß der Vereinbarung vom 10. Januar 2002 für die Zeit vom 01. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2009 zu zahlen.

Die Beklagte rügt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags, die Klage sei mangels aktuell bestehenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Sie ist der Ansicht, da die BV in Verbindung mit ihrer Anlage 1 auch Arbeitnehmerinnen gegenüber der tarifvertraglichen Rechtslage besserstelle, liege für Frauen keine Benachteiligung vor. Zudem könne die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenrecht angesichts der Überbrückungsfunktion des Vorruhestandsgeldes kein Diskriminierungstatbestand sein. Wegen der freien Entscheidung der Klägerin, das Vorruhestandsgeld in Anspruch zu nehmen, sei ihre Klage rechtsmissbräuchlich.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 15. August, 28. November und 05. Dezember 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Klage ist in der Form des im Berufungstermin gestellten Antrags zulässig.

a) Die Klägerin hat ein Interesse an alsbaldiger Feststellung des von ihr zur Entscheidung gestellten Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Ein Interesse an der Feststellung eines Rechtsverhältnisses besteht auch dann, wenn sich aus ihm erst in Zukunft Rechtsfolgen ergeben, der Kläger aber Klarheit über dessen Bestehen benötigt, um zur Gewährleistung seiner wirtschaftlichen Absicherung Dispositionen treffen zu können. Dies ist im Recht der betrieblichen Altersversorgung anerkannt (vgl. etwa BAG 07. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79/236, zu A III 2; 12. März 1996 - 3 AZR 993/94 - AP TV Arbeiter Bundespost § 24 Nr. 1, zu B II 2; 27. Januar 1998 - 3 AZR 415/96 - AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskasse Nr. 45, zu A III 2) und kann für die vorliegend streitigen Vorruhestandsleistungen nicht anders beurteilt werden. Diese haben ähnlich wie Leistungen der betrieblichen Altersversorgung Versorgungsfunktion. Der Arbeitnehmer muss daher rechtliche Unklarheiten vor dem Leistungsbeginn klären können, um über seine wirtschaftliche Absicherung Klarheit zu besitzen und auf dieser Grundlage weitere finanzielle Dispositionen treffen zu können.

Daran ändert der Umstand nichts, dass wie bei zukünftigen Betriebsrentenansprüchen zum Entscheidungszeitpunkt nicht feststeht, ob der Kläger zum Fälligkeitszeitpunkt überhaupt noch leben wird, um die Leistungen in Anspruch nehmen zu können, oder ob der Anspruch auf diese wegen eines zwischenzeitlich entstandenen Anspruchs auf vorgezogene gesetzliche Altersrente etwa wegen Schwerbehinderung, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (§ 236 a SGB VI) entfällt. Derartige Unwägbarkeiten ändern am aktuellen Bestehen des Feststellungsinteresses nichts. Treten sie nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen ein, werden sie von der Rechtskraft des Sachurteils (§ 322 Abs. 1 ZPO) nicht erfasst. Sie können dann ggf. von der verurteilten Beklagten mit ihrem Eintritt als Einwand gegenüber einer auf den Feststellungstitel gestützten Leistungsklage gebraucht oder zum Gegenstand einer negativen Feststellungsklage gemacht werden.

b) Der auf die Leistung von "Vorruhestandsgeld gemäß der Vereinbarung vom 10. Januar 2002" gerichtete Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Eine derartige Bezugnahme im Antrag auf eine bestimmte Versorgungsregelung ist zulässig, da er nicht vermeidbar unklar ist, wenn über die Anwendbarkeit, nicht aber über die Auslegung der Versorgungsregelung Streit besteht (vgl. zur betrieblichen Altersversorgung etwa BAG 22. November 1994 - 3 AZR 349/94 - BAGE 78/288, zu A; 17. Oktober 2000 - 3 AZR 69/99 - AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskasse Nr. 56, zu A II). Steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch der Klägerin fest, wird dessen Berechnung gemäß der Bestimmungen von Ziffer 2 der Vorruhestandsvereinbarung vom 10. Januar 2002 voraussichtlich unproblematisch möglich sein.

c) Die grundsätzliche Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber Leistungsklagen ändert ebenfalls nichts an der Zulässigkeit des Antrags. Dieser Grundsatz gilt nicht gegenüber einer hier allein in Betracht kommenden Klage auf zukünftige Leistung (BAG 07. November 1995 - 3 AZR 952/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bühnen Nr. 1, zu A 2 a; 19. Juni 2001 - 1 AZR 463/00 - BAGE 98/76, zu I 2 a). Zudem rügt die Beklagte zu Recht, dass ein Leistungsantrag derzeit nicht konkret beziffert werden könnte, da die Anspruchshöhe von nicht vorhersehbaren zukünftigen Entwicklungen abhängt, etwa gemäß Ziffer 2.3 der Vorruhestandsvereinbarung von der allgemeinen Tarifentwicklung im privaten Bankgewerbe. Eine den Anforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechende vollstreckbare Leistungsklage kann daher derzeit noch nicht erhoben werden.

d) Der von der Kammer angeregte Antragswechsel aus dem Berufungstermin veranlasst keine Prüfung der Voraussetzungen von § 263 ZPO, da gemäß § 264 Nr. 2 ZPO der Übergang von einer Leistungs- auf eine Feststellungsklage ohne Änderung des Klagegrundes keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern eine von den Voraussetzungen von § 263 ZPO unabhängige Klageeinschränkung ist (BAG 05. November 1965 - 3 AZR 116/65 - BAGE 17/331, zu I 1; 21. März 1996 - 2 AZR 543/95 - AP BGB § 123 Nr. 42, zu A). Zudem wäre der Antragswechsel gemäß der vorstehenden Ausführungen aber auch sachdienlich im Sinne von § 263 ZPO, da nur der Feststellungsantrag eine Sachentscheidung zulässt.

2. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Leistung von Vorruhestandsgeld durch die Beklagte über den Zeitpunkt hinaus, zudem sie gemäß § 237 a SGB VI Anspruch auf vorgezogene Altersrente hat, d.h. über die Vollendung ihres 60. Lebensjahres hinaus. Ihr Anspruch auf derartige Leistungen endet vielmehr mit dem 31. Dezember 2006.

Als Anspruchsgrundlage kommt weder die Anlage 1 zur BV in Betracht noch die Vorruhestandsvereinbarung vom 10. Januar 2002. Diese Regelungen schließen mit ihrer Begrenzung der Bezugsberechtigung auf den Zeitpunkt der frühestmöglichen gesetzlichen Rentenleistungen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus. Dieser könnte der Klägerin nur unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten zustehen, wenn sie wegen ihres Geschlechts diskriminiert oder aus sonstigen Gründen unsachlich benachteiligt würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.

a) Prüfungsgegenstand ist nicht isoliert die Vertragsklausel von Ziffer 4 der Vorruhestandsvereinbarung der Parteien, sondern die Anspruchsbegrenzung in der Anlage 1 zur BV. Letztere wird durch Ziffer 4 der Vorruhestandsvereinbarung nur individualrechtlich umgesetzt. Folgt der Arbeitgeber individualrechtlich dem Regelungskonzept einer Norm, etwa einer Betriebsvereinbarung, kann dies für sich keinen Anspruch auf Gleichbehandlung von der Norm nicht erfasster Arbeitnehmer begründen, da der Arbeitgeber in diesem Fall selbst keine Regelungsmacht ausübt und nicht für Gleichbehandlung sorgen kann. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung zugunsten von der Norm nicht begünstigter Arbeitnehmer kann in diesem Fall nur bestehen, wenn die Norm ihrerseits gleichheitswidrig ist (ständige Rechtsprechung, etwa BAG 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 25, zu III; 26. April 2005 - 1 AZR 76/04 - EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 6, zu II 1).

b) § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verbietet den Betriebsparteien u.a. die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern wegen ihres Geschlechts. Da damit bereits ein einfach gesetzliches Diskriminierungsverbot gilt, kommt es auf die von den Parteien erörterte Frage nicht an, ob das Vorruhestandsgeld Entgelt im Sinne von Art. 141 EGV ist. § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bleibt in seinem Regelungsgehalt nicht hinter Art. 141 EGV zurück. Diese Norm überführt vielmehr im deutschen Verfassungsrecht, im EU-Recht und im internationalen Arbeitsrecht vorgesehene Verbote der Diskriminierung wegen des Geschlechts in das einfachgesetzliche Betriebsverfassungsrecht (vgl. nur GK-BetrVG-Kreutz 8. Aufl. § 75 Rz 60).

Die Anspruchsbegrenzung differenziert durch ihre Anknüpfung an den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Bezug der gesetzlichen Rente nicht unmittelbar nach dem Geschlecht. Im Einzelfall kann der Anspruch auf Vorruhestandsgeld bei Männern deutlich früher enden als bei Frauen, insbesondere wenn Männer vor dem allgemeinen oder dem vorgezogenen Bezugsalter für Altersrente Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente erhalten können. § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG untersagt jedoch auch die mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts. Eine solche liegt vor, wenn eine Regelung an formal geschlechtsneutrale Merkmale anknüpft, die zwar bei beiden Geschlechtern vorliegen können, tatsächlich jedoch überwiegend von Angehörigen eines Geschlechts verwirklicht werden, ohne dass die Verwendung des Kriteriums durch Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung wegen des Geschlechts zu tun haben (vgl. Art. 2 der Beweislastrichtlinie 97/80/EG; EuGH 14. Dezember 1995 - C-317/93 - EuGHE I-1995/4625 Tz. 28; BVerfG 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - BVerfGE 97/35, zu B II 1).

Die Klägerin macht zutreffend geltend, dass sie durch das der Anlage 1 zur BV zugrundegelegte Differenzierungskriterium "frühestmögliche Rentenberechtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung" gegenüber gleichaltrigen Arbeitnehmern benachteiligt wird, sofern sie nicht vor dem 60. Lebensjahr aus anderen Gründen, etwa wegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, einen gesetzlichen Rentenanspruch erwirbt, wofür bisher kein Anhaltspunkt besteht. Vor dem 01. Januar 1952 geborene Frauen haben unter den Voraussetzungen von § 237 a SGB VI Anspruch auf Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres, wie die Klägerin vor dem 01. November 1949 geborene Männer jedoch unter den Voraussetzungen von § 236 SGB VI erst ab dem 63. Lebensjahr. Dies bewirkt, dass gleichaltrige Männer, wenn sie nicht aus anderen Gründen gesetzliche Rente beanspruchen können, von der Beklagten drei Jahre länger Vorruhestandsgeld erhalten als die Klägerin. Zudem erleidet die Klägerin insoweit gegenüber gleichaltrigen Männern ohne vorgezogene Rentenberechtigung aus besonderen Gründen einen erheblichen Nachteil, als ihre gesetzliche Altersrente dadurch, dass sie zu deren Inanspruchnahme ab Vollendung des 60. Lebensjahres gezwungen ist, gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI um 18% gekürzt wird, während bei gleichaltrigen Männern infolge der auf die Vollendung des 63. Lebensjahres aufgeschobenen vorzeitigen Inanspruchnahme nur ein Abschlag von 7,2% anfällt. Dies kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Klägerin durch die Regelung von Anlage 1 der BV gegenüber der allgemeinen tariflichen Rechtslage im privaten Bankgewerbe bessergestellt wird. Allein die Tatsache, dass Vergünstigungen gewährt werden, rechtfertigt nicht Diskriminierungen zwischen den Begünstigten. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Klägerin zur Inanspruchnahme des Vorruhestandes nicht verpflichtet war.

Die Anknüpfung an das frühestmögliche Rentenalter in der gesetzlichen Rentenversicherung ist angesichts des Leistungszwecks des Vorruhestandsgeldes jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Arbeitsrechtliche Regelungen, die an das gesetzliche Rentenrecht und das dort bestimmte unterschiedliche Rentenbezugsalter anknüpfen, können nach deutschem Recht gerechtfertigt sein. Dies gilt insbesondere für die Begrenzung von Sozialplanleistungen (BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 103, zu II 2 b, c; 03. August 1999 - 1 AZR 677/98 - n.v., zu II 2 a cc; 14. Dezember 1999 - 1 AZR 267/99 - n.v., zu II 1 b) und für Regelungen, die an das an sich zugunsten von Frauen zum Ausgleich von deren typischer Doppelbelastung wirkende unterschiedliche Zugangsalter für Frauen und Männer zur gesetzlichen Rentenversicherung anknüpfen (BAG 18. März 1997 - 3 AZR 759/95 - BAGE 85/284, zu III.; 03. Juni 1997 - 3 AZR 910/95 - BAGE 86/79, zu 3 b aa). Zulässig sind Regelungen, die zu arbeitsrechtlichen Nachteilen von Frauen wegen des früheren Zeitpunkts der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente führen, allerdings nur, wenn ein Zusammenhang zwischen der vom Arbeitgeber gewährten Leistung und der Möglichkeit des Rentenbezugs besteht. Maßgeblich dafür ist der Zweck der Leistung (BAG 20. August 2002 - 9 AZR 750/00 - BAGE 102/260, zu I 4 c aa; namentlich für Vorruhestandsleistungen generell gegen die Zulässigkeit der Anknüpfung an unterschiedliche Rentenaltersgrenzen dagegen Hess. LAG 22. Januar 2002 - 15 Sa 1786/01 - n.v.).

Bei dem aufgrund der Anlage 1 zur BV gewährten Vorruhestandsgeld handelt es sich um eine Sozialplanleistung. Die BV selbst hat den Charakter eines Interessenausgleichs, da sie die Folgen des Zusammenschlusses der einzelnen Betriebe der Unternehmen der DESPA- und C-Konzerne im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 3 erste Alternative in Verbindung mit § 112 BetrVG regelt. Die Anlage 1 sieht im Sinne eines Interessenausgleichs gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Kompensationsregelungen für Arbeitnehmer vor, die zu einem freiwilligen Ausscheiden bereit waren. Der von der Klägerin in der Erörterung im Berufungstermin betonte Umstand, dass seinerzeit kein allgemeiner Personalabbau angestrebt war, ändert an der sich aus Ziffer 5.7 BV in Verbindung mit der Anlage 1 ergebenden Absicht der Betriebsparteien nichts, in Zusammenhang mit dem Zusammenschluss der Konzerne und deren Betriebe jedenfalls den Arbeitnehmern der älteren Jahrgänge einen Anreiz zum vorzeitigen Ausscheiden zu geben und dadurch einen Personalabbau zu erzielen, dessen Folgen durch die Vorruhestandsregelung gemildert werden sollten.

Sozialplanregelungen haben regelmäßig keine über das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters hinausgehende Funktion. Daher besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen Überbrückungsleistungen aus einem Sozialplan und der Möglichkeit des Bezugs gesetzlicher Altersrente. Die Betriebspartner haben die Regelungen eines Sozialplans am Zweck der Sozialplanleistungen auszurichten, der darin besteht, mit einem begrenzten Volumen möglichst allen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes oder bis zum Bezug von Altersrente zu ermöglichen. Mangels Vorhersehbarkeit der später tatsächlich eintretenden Nachteile ist dabei eine Pauschalierung zulässig (BAG 23. August 1988 - 1 AZR 284/87 - BAGE 59/255, zu III 3 a; 24. November 1993 - 10 AZR 311/93 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 72, zu II 2 b; 19. Oktober 1999 - 1 AZR 838/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135, zu I 1; 05. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141, zu II 2 c). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erstreckt sich der Überbrückungszweck längstens bis zum Bezug von Altersrente (BAG 19. Oktober 1999 a.a.O., zu I 1; 30. Oktober 2001 - 1 AZR 65/01 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 145, zu I 2 b). Dementsprechend kann - wie dargelegt - in Sozialplänen das Recht zum vorgezogenen Bezug der gesetzlichen Altersrente als Anspruchsbegrenzung herangezogen werden. In der derartig beschränkten Reichweite des Zwecks von Sozialplanleistungen liegt ein innerer Zusammenhang zu dem Beginn der gesetzlichen Rente, der ein Anknüpfen an den jeweiligen individuellen Rentenbeginn legitimiert. Sollen demgegenüber mit Sozialplanleistungen auch Nachteile nach dem Erreichen des Rentenalters gemildert werden, muss dies im Sozialplan deutlich zum Ausdruck gebracht werden (Hess. LAG 01. November 2005 - 4 Sa 848/05 - n.v.). Gesetzlich geboten ist eine Kompensation von Nachteilen über das gesetzliche Rentenalter hinaus nicht.

Dies gilt auch dann, wenn das gesetzliche Rentenbezugsrecht an Kriterien anknüpft, die Gegenstand von Diskriminierungsverboten sind, sofern die rentenrechtliche Regelung ihrerseits zulässig ist (in Betracht kommt neben dem Geschlecht insbesondere das Kriterium der Schwerbehinderung nach § 37 Satz 2 SGB VI). Die Betriebspartner können regelmäßig davon ausgehen, dass von einer Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer mit dem Zeitpunkt der Erlangung eines gesetzlichen Rentenanspruchs hinreichend abgesichert sind und ein zwingendes Bedürfnis für weitere Kompensationsregelungen aufgrund eines Sozialplans nicht besteht. Mit der Prüfung und Bewertung eventueller Rentennachteile der betroffenen Arbeitnehmer wären sie regelmäßig überfordert. Von ihnen kann auch nicht verlangt werden, als nicht diskriminierend anerkannte Differenzierungen des staatlichen Rentenrechts mit regelmäßig knappen Sozialplanmitteln zu korrigieren. Die Möglichkeit, gesetzliche Altersrente beziehen zu können, begrenzt regelmäßig ihre Regelungsaufgabe. Auf die Höhe dieser Rente kommt es dagegen nicht an.

Auch europarechtliche Grundsätze gebieten keine andere Würdigung. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 20. März 2003 (C-187/00 EuGHE I-2003/2741 Tz. 43 - 63) angenommen, die für Männer und Frauen der hier interessierenden Jahrgänge unterschiedlichen Eingangsalter der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigten eine unterschiedliche Dauer einer tarifvertraglichen Altersteilzeit nicht, sofern nicht objektive Faktoren vorliegen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Auch wenn die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs auf Vorruhestandsleistungen übertragbar sein sollten, sind Differenzierungen bei diesen Leistungen nach dem jeweiligen Renteneintrittsalter jedenfalls dann durch objektive, nicht mit dem Geschlecht in Zusammenhang stehende Faktoren gerechtfertigt, wenn die Leistungen aufgrund eines Sozialplans gewährt werden. Dessen Funktion ist, wie dargelegt, auf den Beginn des gesetzlichen Rentenalters beschränkt. Die Beschränkungen der Überbrückungsfunktion des Sozialplans haben nichts mit dem Geschlecht zu tun. Sie beruhen vielmehr auf der Notwendigkeit, in Zusammenhang mit einer Betriebsänderung beschränkte Mittel möglichst bedarfsgerecht unter den betroffenen Arbeitnehmern zu verteilen. Zur Vermeidung einer Überforderung der Betriebspartner und einer zweckwidrigen Verteilung von Sozialplanmitteln an anderweitig versorgte Arbeitnehmer rechtfertigt dies eine pauschale Anknüpfung an den Beginn der gesetzlichen Altersrente. Andernfalls müssten die Betriebspartner für eine ggf. große Zahl von Arbeitnehmern einzelfallbezogen Versorgungsnachteile kalkulieren. Dies würde häufig ohnehin schwierige Sozialplanverhandlungen unangemessen erschweren.

3. Aus denselben Erwägungen kommt ein Anspruch aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in Betracht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zugelassen.

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