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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 20/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 380
ZPO § 381
Maßstab für die Verhängung und Bemessung eines gegen eine die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens missachtende Partei festgesetzten Ordnungsgeldes ist das Verschulden der Partei in Zusammenhang mit ihrem Nichterscheinen. Stimmt sie später einem Vergleich zu, rechtfertigt dies weder die Aufhebung noch die Herabsetzung des Ordnungsgeldes.
Tenor:

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 27. Dezember 2005 - 6 Ca 493/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer war für die Beklagte als Bauleiter tätig. Er machte im Ausgangsverfahren die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Beklagte sowie Vergütungs- und Herausgabeansprüche geltend. Die Parteien stritten unter anderem darüber, wann die Beklagte dem Beschwerdeführer einen Dienstwagen entzogen hat und welche privaten Gegenstände des Klägers sich zu diesem Zeitpunkt in dem Fahrzeug befunden haben. Das Arbeitsgericht ordnete das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers zum Gütetermin vom 08. Dezember 2005 an. Er Kläger notierte sich seiner Darstellung nach irrtümlich den 12. Dezember 2005 als Termin und erschien am 08. Dezember 2005 nicht. Auf einen Anruf seines Prozessbevollmächtigten stellte er fest, dass er an diesem Tag das Arbeitsgericht nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte. In dem Termin schlossen die Parteien einen beiderseits widerruflichen Vergleich, den der Beschwerdeführer später widerrufen ließ. Wegen des Ausbleibens im Gütetermin verhängte das Arbeitsgericht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 €. Gegen den am 06. Januar 2006 zugestellten Ordnungsgeldbeschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit der vorliegenden, am 09. Januar 2006 eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Zwischenzeitlich schlossen die Parteien einen Vergleich, der im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO tituliert wird.

Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes lägen nicht vor, da im Gütetermin auch ohne den Beschwerdeführer die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert werden konnte. Im Termin hätte er auch persönlich keine weitergehenden Angaben zur Sache machen können. Da die Beklagte den Vergleich ebenfalls nicht unwiderruflich schloss, sei keine Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten. Zudem sei der spätere Vergleichsschluss und der Umstand zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer derzeit über keine Einkünfte verfüge. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers im Gütetermin nicht umfassend informiert gewesen sei, insbesondere den Zeitpunkt der Abholung des Fahrzeug betreffend.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat das Ordnungsgeld rechtsfehlerfrei festgesetzt.

1. Der Beschwerdeführer hat die Anordnung seines persönlichen Erscheinens gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht erfüllt. Dies rechtfertigt nach §§ 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG, 141 Abs. 3 S. 1, 380 Abs. 1 S. 2 ZPO die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Der Beschwerdeführer hat seine Säumnis auch nicht im Sinne von § 381 ZPO entschuldigt. Er hat vielmehr eingeräumt, aufgrund einer falschen Notiz nicht erschienen zu sein. Er handelte damit fahrlässig.

Der Festsetzung des Ordnungsgeldes steht § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kommt ein Ordnungsgeld nicht in Betracht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsschluss, ermächtigt ist. Diese Voraussetzungen erfüllte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers jedenfalls nicht vollständig. Es kann dahinstehen, ob er im Sinne dieser Norm über den Sachverhalt hinreichend unterrichtet war. Jedenfalls fehlte eine ausreichende Vollmacht zum Vergleichsschluss. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer und der herrschenden Meinung erfordert eine Vertretung im Sinne von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO die Bevollmächtigung zum unwiderruflichen Vergleichsschluss (vgl. nur Hess. LAG 01. November 2005 - 4 Ta 475/05 - z.V.v., zu II 4 b, mit näherer Begründung und zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Erteilung einer solchen Vollmacht vor dem Gütetermin hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Gegen das Vorlegen einer solchen spricht der Widerrufsvorbehalt in dem später vereinbarten widerruflichen Vergleich und der Umstand, dass der Beschwerdeführer an sich selbst im Termin erscheinen wollte und daher überhaupt keine Veranlassung zu einer derartigen Bevollmächtigung seines Prozessbevollmächtigten bestand.

2. Die Verhängung des Ordnungsgeldes war nicht unverhältnismäßig. Dass das Verhalten des Beschwerdeführers eine Prozessverzögerung bewirkt hat, hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend aufgezeigt. Wäre der Beschwerdeführer im Gütetermin pflichtgemäß erschienen, hätte er abschließend über den Vergleichsschluss entscheiden können. Dann wäre im Fall der Ablehnung des Vergleiches sofort und nicht erst nach dessen Widerruf Kammertermin anberaumt worden. Hätte der Beschwerdeführer den Vergleich akzeptiert, wäre die Chance einer abschließenden Regelung groß gewesen, da die Geschäftsführerin der Beklagten im Gütetermin ebenfalls anwesend war. Selbst wenn die Beklagte aber auf einem Widerrufsvorbehalt bestanden hätte, wäre der Vergleich jedenfalls nicht vom Kläger widerrufen worden. Der Rechtsstreit wäre dann mit dem Ablauf der Widerrufsfrist beendet gewesen. Dann wäre die Anberaumung des Kammertermins und das spätere Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 ZPO nicht erforderlich gewesen.

Weiter ist der spätere Vergleichschluss kein Grund zur Aufhebung oder zur Herabsetzung des Ordnungsgeldes. Aus § 381 Abs. 1 ZPO ist abzuleiten, dass bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes Maßstab der Prüfung das Verschulden der Partei in Zusammenhang mit ihrem Nichterscheinen im Termin ist. Ihre spätere Kompromissbereitschaft ist für die Festsetzung ohne Belang. Die Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes dient der Gewährleistung der Präsenz der Partei im Termin und nicht der Erzwingung eines Vergleichs, insbesondere nicht zu einem späteren Zeitpunkt, auch wenn eine gütliche Einigung durch das Erscheinen der Parteien im Termin gefördert werden soll (vgl. Hess. LAG 01. November 2005 a. a. O., zu II 1, 4 b; LAG Brandenburg 23. Mai 2000 - 3 Sa 83/00 - LAGE ArbGG 1979 § 51 Nr. 7, zu 2.4.1). Zwar spricht viel dafür, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes entgegensteht, wenn in dem Termin, in dem die Partei nicht erschienen ist, ein Widerrufsvergleich geschlossen und dieser nicht widerrufen wird, jedenfalls wenn die Widerrufsfrist nicht ungewöhnlich lange ist. Wird der Vergleich indessen widerrufen, greift der Normzweck von § 141 Abs. 3 ZPO. Der Vollmachtsmangel im Termin wird dann nicht kompensiert. Durch die Fortsetzung des Verfahrens entstehen weiterer Bearbeitungsaufwand und weitere Kosten, die auch durch einen späteren Vergleich nicht rückgängig gemacht werden können. Mit seiner gegenteiligen Argumentation berücksichtigt der Beschwerdeführer nicht, dass auch die Anberaumung eines Kammertermins und die Prüfung und Festlegung von Auflagen und sonstigen Vorbereitungshandlungen gemäß §§ 56 Abs. 1, 61 a Abs. 3, Abs. 4 ArbGG richterliche Arbeitskraft in nicht unerheblichem Umfang bindet und die Ausführung dieser Verfügungen die Geschäftsstelle belastet und Kosten auslöst. Ähnliches gilt für spätere Verfügungen und für das Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO.

3. Schließlich ist die Höhe des Ordnungsgeldes nicht zu beanstanden. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass bei einer erstmaligen Säumnis einer einkommens- und vermögenslosen Partei aufgrund einfacher Fahrlässigkeit ein Ordnungsgeld von 150 € zu hoch wäre. Der Beschwerdeführer hat jedoch seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht offenbart, sondern sich nur pauschal darauf berufen, "derzeit" keine Einkünfte zu haben. Diese Behauptung bleibt nichtssagend, da sie eine Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht zulässt. Das Arbeitsgericht hat im Nichtabhilfebeschluss darauf hingewiesen, dass Angaben des Beschwerdeführers dazu fehlen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Solche Angaben wären jedenfalls nach der Auflage der Beschwerdekammer vom 23. Januar 2006 zur Begründung des Nichtabhilfebeschlusses Stellung zunehmen, erforderlich gewesen, wenn der Beschwerdeführer sich erfolgreich auf fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berufen will.

Kann mangels näherer Angaben zu den Vermögensverhältnissen daher nicht von einer beengten finanziellen Lage des Beschwerdeführers ausgegangen werden, ist ein Ordnungsgeld von 150 € nicht zu beanstanden. Es liegt im unteren Teil des Rahmens von 5 bis 1.000 € gemäß Art. 6 Abs. 1 EGStGB und ist dem Verschulden des Beschwerdeführers angemessen. Der Beschwerdeführer kann es sich auch als Bauleiter nicht leisten, Geschäftstermine zu versäumen. Ihm musste klar gewesen sein, dass Gerichtstermine zumindest ebenso sorgfältig zu behandeln sind wie Geschäftstermine, zumal wenn es in dem verhandelten Rechtsstreit um die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses geht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 72 Abs. 2, 78 S. 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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