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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: 4 Ta 253/09
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 141 | |
ZPO § 380 | |
ZPO § 381 |
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2009 - 24 Ca 203/09 - aufgehoben.
Dem Arbeitsgericht wird die Aufgabe übertragen, nach Maßgabe des vorliegenden Beschlusses erneut über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Beschwerdeführerin wegen deren Nichterscheinen im Termin vom 13. März 2009 sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 150 €.
Die Beschwerdeführerin ist die Geschäftsführerin der Beklagten des Ausgangsverfahrens. In diesem wehrt sich der Kläger gegen eine Wartezeitkündigung. Weiter macht er einen Zeugnisanspruch sowie diverse Vergütungsansprüche geltend. Im Gütetermin vom 13. März 2009 erschien die Beschwerdeführerin trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens ohne vorherige Entschuldigung nicht. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte eine von der Beschwerdeführerin unterzeichnete Vollmacht vor, die dem Wortlaut von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO entspricht. In dem Termin schlossen die Parteien einen 15 Ziffern umfassenden, für die Beklagte widerruflichen Vergleich. Nachdem die Beklagte ihr Widerrufsrecht ausübte, setzte das Arbeitsgericht das angefochtene Ordnungsgeld. Gegen den am 22. April 2009 zugestellten Beschluss legte die Beschwerdeführerin am 06. Mai 2009 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Die Beschwerdeführerin behauptet, sie sei am 13. März 2009 wegen eines Geschäftstermins über die Umsetzung eines Sanierungsgutachtens verhindert gewesen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sei im Sinne von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO instruiert und legitimiert gewesen. Er habe im Termin vom 13. März 2009 erklärt, den Vergleichsvorschlag nicht annehmen zu wollen. Er habe die Entscheidung über den Vergleich jedoch letztlich der Beklagten überlassen wollen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Da über die Festsetzung des Ordnungsgeldes noch nicht abschließend entschieden werden kann, führt dies gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zur Übertragung der Entscheidung an das Arbeitsgericht.
1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beschwerdeführerin ihr Nichterscheinen im Termin vom 13. März 2009 nicht hinreichend im Sinne von § 381 Abs. 1 ZPO entschuldigt hat. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob der von ihr geltend gemachte Geschäftstermin an sich als Entschuldigungsgrund geeignet war. Auch wenn dies der Fall sein sollte, rechtfertigt dies nicht die Aufhebung des Ordndungsgeldes. Nach § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO muss das Nichterscheinen einer Partei von dieser rechtzeitig entschuldigt werden. Die nachträgliche Entschuldigung einer trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens ohne vorherige Entschuldigung nicht zu einem Gerichtstermin erschienenen Partei führt gemäß § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO nur dann zur Aufhebung eines nach § 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 141 Abs. 3 S. 1, 380 Abs. 1 S. 2 ZPO festgesetzten Ordnungsgeldes, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie an der Verzögerung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Dafür besteht hier kein Anhaltspunkt. Die Beschwerdeführerin hat keine Umstände dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht, die es ihr unmöglich machten, sich in angemessener Zeit vor dem Termin zu entschuldigen.
2. Nicht abschließend zu klären ist, ob § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO der Festsetzung des Ordnungsgeldes entgegensteht. Nach dieser Norm ist gegen eine trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens nicht erschienene Partei kein Ordnungsgeld zu verhängen, wenn diese zu der Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestands in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsschluss, ermächtigt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer sind die Partei vertretende Rechtsanwälte nicht von vornherein als Vertreter in diesem Sinne ungeeignet. Sie müssen allerdings über Kenntnisse der den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Vorgänge und die betrieblichen Verhältnisse verfügen, die denen der persönlich geladenen Partei entsprechen und gleichzeitig in einem solchen Umfang bevollmächtigt sein, dass sie über die Abgabe prozessleitender Erklärungen einschließlich eines Vergleichsschlusses selbständig disponieren können. Das ist nicht der Fall, wenn die Partei eine erteilte Vollmacht durch zusätzliche Weisungen einschränkt oder aufhebt, etwa durch die Weisung, in einem Termin keinen Vergleich zuschließen. Dadurch soll eine ergebnisoffene mündliche Verhandlung gewährleistet werden, in der die Parteien bzw. ihre Vertreter flexibel auf die Argumente des Gerichts und des Gegners reagieren können und nicht durch vorgefasste Auffassungen und starre Forderungen gebunden sind. Dagegen dient die Anordnung des persönlichen Erscheinens und die Beschränkung der Zulässigkeit der Entsendung von Vertretern nicht der Erzwingung eines den Vorstellungen des Gerichts entsprechenden Vergleichs (Hess. LAG 01. November 2005 - 4 Ta 475/05 - AR-Blattei ES 160.7 Nr. 227, zu II 4 a, b; 11. Mai 2006 - 4 Ta 243/06 - AuR 2006/415 L, zu II 2 b; 15. November 2006 - 4 Ta 438/06 - Juris, zu II 2).
Dass der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin im Termin vom 13. März 2006 zur Aufklärung des Sachverhalts nicht hinreichend in der Lage war, hat das Arbeitsgericht nicht festgestellt. Eine nicht ausreichende Vertretung könnte daher nur auf einer unzureichenden Bevollmächtigung beruhen. Dass die Beschwerdeführerin eine § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO entsprechende Vollmacht erteilt hat, folgt mit der Beweiswirkung von § 416 ZPO aus der im Termin vorgelegten Vollmachtsurkunde. Allerdings kann sich aus den Umständen der Verhandlung ergeben, dass eine derartige Vollmacht durch zusätzliche Weisungen unzulässig beschränkt wurde. Eine derartige Schlussfolgerung kann möglich sein, wenn sich der Vertreter weigert, über einen Vergleichsschluss abschließend zu entscheiden und lediglich einem Vergleich unter Widerruf zustimmt. Eine hinreichende Bevollmächtigung im Sinne von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO erfordert nach herrschender Meinung in der Regel die Vollmacht zum Abschluss eines unwiderruflichen Vergleiches (vgl. die Nachweise bei Hess. LAG 01. November 2005 a. a. O., zu II 4 b). Die Ablehnung einer abschließenden Entscheidung über einen nicht widerruflichen Vergleich kann daher ein Indiz für eine unzulässige Beschränkung der Bevollmächtigung sein.
Eine solche Schlussfolgerung kann jedoch nicht generell gezogen werden. In bestimmten Prozesslagen ist auch für die betroffene Partei selber und damit generell nur der Abschluss eines unter Widerrufsvorbehalt stehenden Vergleiches sachgerecht, etwa wenn noch Erkundigungen eingeholt werden sollen. Deshalb kann die Ablehnung eines Vergleichs ohne Widerrufsvorbehalt durch einen Vertreter - ebenso wie die vollständige Ablehnung eines Vergleichsschlusses - nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Verfahrens ein eine hinreichende Bevollmächtigung des Vertreters durchgreifend in Frage stellendes Indiz sein. Behauptet die Partei eine § 141 Abs. 3 S. 2 entsprechende Bevollmächtigung, muss das Gegenteil aufgrund hinreichender Tatsachenfeststellungen zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Die Ordnungsgeldfestsetzung ist eine strafähnliche Sanktion (vgl. Hess. LAG 15. Februar 2008 - 4 Ta 39/08 - BeckRS 2008/54676, zu B III, m. w. N.). Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot "null poene sine lege" erfasst auch strafähnliche Sanktionen (BVerfG 25. Oktober 1966 - 2 BvR 506/63 - BVerfG 20/223, zu C II). Ein Ordnungsgeld kann aus diesem Grund nur festgesetzt werden, wenn das Nichtvorliegen von Ausschlusstatbeständen vom Gericht zu seiner Überzeugung festgestellt wurde.
Hier würde die von der Beschwerdeführerin nach dem Erlass des Nichtabhilfebeschlusses mit Schriftsatz vom 04. Juni 2009 vorgetragene Sachdarstellung die Annahme einer nicht hinreichenden Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausschließen, sofern dagegen nicht zusätzliche, bisher nicht festgestellte Indizien sprechen. Nach dieser Darstellung hat der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin den Widerrufsvergleich nicht ohne eigene Willensbildung "mitgenommen", sondern sein sich aus der Vollmachtsurkunde ergebendes Entscheidungsrecht autonom in dem Sinne ausgeübt, dass er den protokollierten Vergleich nicht für akzeptabel hielt, und dies im Termin durch entsprechende Erklärungen zum Ausdruck gebracht. Wenn er hierauf im Interesse einer erneuten Prüfung durch die Beschwerdeführerin gleichwohl dem Vergleichsschluss zustimmte, rechtfertigt dies keinen Rückschluss auf eine unzulässige Beschränkung seiner Bevollmächtigung. Es hätte sich dann um ein Entgegenkommen gegenüber den anderen Prozessbeteiligten gehandelt, um die Chance auf eine vergleichsweise Regelung zu erhalten, die nach seiner eigenen Einschätzung nicht sachgerecht war.
3. Ob diese Darstellung zutreffend ist, kann vom Beschwerdegericht nicht festgestellt werden. Aus dem Terminsprotokoll ergeben sich diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Das Arbeitsgericht konnte sich mit diesem Vortrag bisher auch nicht auseinandersetzen. Die Einholung einer amtlichen Auskunft gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, da dies streitigen Parteivortrag und einen entsprechenden Parteiantrag voraussetzen würde und keine Grundlage für eine Amtsermittlung ist (vgl. Zöller-Greger ZPO 27. Aufl. § 273 Rn. 7). Aus diesem Grund ist von der Möglichkeit der Übertragung der Entscheidung auf die Vorinstanz von § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch zu machen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn eine ergänzende Sachaufklärung erforderlich ist (vgl. Schwab/Weth ArbGG 2. Aufl. § 78 Rn. 55; MüKo-ZPO-Lipp 3. Aufl. § 572 Rn. 28), die hier nur dem Arbeitsgericht möglich ist.
Bei der erneuten Entscheidung ist zu beachten, dass der Ordnungsgeldfestsetzung nach Aktenlage allein § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO entgegenstehen kann. Insbesondere wurde das Ordnungsgeld zutreffend gegen die Beschwerdeführerin und nicht gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens festgesetzt (vgl. Hess. LAG 15. Februar 2008 a. a. O., zu B II 2 d, m. w. N.). Die Übertragung umfasst auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens (MüKo-ZPO-Lipp a. a. O. § 572 Rn. 37; Zöller-Heßler a. a. O. § 572 Rn. 47). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Kosten der Beschwerde nach der Rechtsprechung der erkennenden Kammer nicht Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens sind, so dass eine Kostenentscheidung zu treffen ist. Bleibt es bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes, sind die Kosten gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Kommt das Arbeitsgericht dagegen zu dem Ergebnis, dass gegen die Beschwerdeführerin kein Ordnungsgeld festzusetzen ist, sind die Kosten in entsprechender Anwendung der §§ 46 OWiG 467, 473 Abs. 3, Abs. 4 StPO der Staatskasse aufzuerlegen (Hess. LAG 15. Februar 2008 a. a. O., zu B III).
4. Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 72 Abs. 2, 78 S. 2 ArbGG besteht nicht.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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