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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 06.10.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 435/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 176
ZPO § 178
ZPO § 189
Einem Mitglied des Vertretungsorgans einer juristischen Person muss die Ladung zu seinem persönlichen Erscheinen zu einem Gerichtstermin und ein wegen seines Nichterscheinens erlassener Ordndungsgeldbeschluss an seinem privaten Wohnsitz oder persönlich an seinem Dienstsitz zugestellt werden. Eine Ersatz-zustellung in den Geschäftsräumen der juristischen Person nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist nicht zulässig. Ein derartiger Zustellungsmangel wird erst nach § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang der Ladung bzw. des Beschlusses bei dem Organmitglied geheilt.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 28. Juli 2006 - 4Ca 258/06 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200,00 €.

Die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist ein Großunternehmen der Metallindustrie in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Ihr Unternehmenssitz befindet sich in Augsburg. Dort ist auch ihr Vorstandsvorsitzender, der Beschwerdeführer, dienstansässig. Das Unternehmen betreibt einen Betrieb in A, in dem der Kläger des Ausgangsverfahrens beschäftigt wurde. Im Ausgangsverfahren wehrt sich der Kläger gegen eine Kündigung der Beklagten. Das Arbeitsgericht ordnete zum Gütetermin vom 28. Juli 2006 unter anderem das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers an. Wann die Ladung dem Beschwerdeführer persönlich zuging, ist nach seinen Angaben nicht mehr nachvollziehbar. Die Ladung an die Beklagte wurde dieser am 17. Juli 2006 in ihrem A Betrieb zugestellt und ging ihrer Personalleitung am Folgetag zu. Im Gütetermin erschien der Beschwerdeführer nicht. Gemäß eines Aktenvermerks erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf mehrfache Nachfrage nach den Kündigungsgründen, die Vorsitzende möge "einfach eine Auflage" erteilen. Es könne so gesagt werden, dass mit dem Kläger die Chemie nicht stimme. Darauf erließ das Arbeitsgericht den angefochtenen Beschluss in dem es unter anderem feststellte, die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten zu den Kündigungsgründen seien auch auf Nachfrage pauschal und ohne konkreten Sachverhalt geblieben. Die Zustellung des Beschlusses wurde vom Arbeitsgericht an den Beschwerdeführer unter der Anschrift des A Betriebes der Beklagten gerichtet. Dort wurde die Sendung am 03. August 2006 von einer dort beschäftigten Mitarbeiterin entgegengenommen. Wann er dem Beschwerdeführer persönlich zuging, ist nach dessen Angaben ebenfalls nicht mehr nachzuvollziehen. Am 24. August 2006 legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein. Er rügte, die Vorsitzende habe das ihr zustehende Ermessen über die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht ausgeübt und sich keine Gedanken über den Sinn des Erscheinens des Beschwerdeführers gemacht. Es sei allgemein bekannt, dass die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Offenbach das persönliche Erscheinen der Parteien grundsätzlich in allen Terminen anordnet. Es sei nicht geprüft worden, ob die Anordnung des persönlichen Erscheinens formwahrend mit mehr als einer Paraphe unterzeichnet wurde und ob die Ladung dem Beschwerdeführer mehr als 2 Wochen vor dem Termin zugegangen sei. Der im Gütetermin auftretende Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe über mehr Sachkenntnis als der Beschwerdeführer verfügt und sei umfassend bevollmächtigt gewesen. Die Beklagte habe lediglich keinen Vergleich abschließen wollen. Das vom Arbeitsgericht zur Erzwingung eines Vergleichs gebrauchte Disziplinierungsmittel sei deshalb untauglich gewesen. Es stehe einer Partei nicht nur frei, sich nicht zu vergleichen, sondern auch trotz Aufforderung zu schweigen oder auch nur pauschal Stellung zu nehmen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist begründet.

Es bedarf keiner näheren Würdigung der zum Teil irritierenden, mit der auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Regelungen von § 282 ZPO schwerlich vereinbaren Ausführungen zu der nach Auffassung des Beschwerdeführers im Gütetermin offensichtlich vollständig fehlenden Prozessförderungspflicht. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, da entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Beschwerde rechtzeitig eingelegt wurde und das Ordnungsgeld mangels einer wirksamen Ladung des Beschwerdeführer gemäß §§ 141 Abs. 2 ZPO, 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG nicht festgesetzt werden konnte.

1. Die sofortige Beschwerde muss gemäß § 569 Abs. 1 S. 1, S. 2 ZPO binnen einer Frist von 2 Wochen seit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt werden. Wurde ein Ordnungsgeld gegen ein Mitglied des gesetzlichen Vertretungsorgans einer juristischen Person festgesetzt (vgl. hierzu Hess. LAG 01. November 2005 - 4 Ta 475/05 - AR-Blattei ES 160.7 Nr. 227 zu II 7), ist für den Lauf der Frist die Zustellung an dieses selbst und nicht die an die juristische Person maßgeblich. Es handelt sich um selbständige Rechtssubjekte. Eine Grundlage für eine Zurechnung an die juristische Person fehlt. Mit dem Ordnungsgeld wird ein persönliches Verschulden des geladenen Organmitglieds sanktioniert (Hess. LAG 01. November 2005 a. a. O. zu II 7). Dementsprechend ist durch die Festsetzung des Ordnungsgeldes nur das Organmitglied selbst und nicht die juristische Person beschwert (Hess. LAG 23. Januar 2006 - 4 Ta 580/05 AuR 2006/174 L).

Die Aushändigung des Beschlusses an eine im A Betrieb der Beklagten des Ausgangsverfahrens beschäftigten Arbeitnehmerin setzte den Lauf der Beschwerdefrist nicht in Gang. Zwar ist eine Zustellung an eine natürliche Person auch an deren Arbeitsstelle möglich (BGH 31. Oktober 2000 - IV ZR 198/99 - BGHZ 145/358, zu II 3 b bb). Dies setzt gemäß § 166 Abs. 1 ZPO aber regelmäßig die Bekanntgabe des Schriftstücks an den Zustellungsempfänger persönlich voraus, solange dieser nicht im Sinne von § 171 ZPO durch einen Bevollmächtigten vertreten wird. Eine Ersatzzustellung im Geschäftsraum kommt bei den Mitgliedern der Vertretungsorgane juristischer Personen ebenso wenig wie bei Gesellschaftern in Betracht (BGH 16. April 1986 - VIII ZB 26/85 - BGHZ 97/341 zu B II 2; OLG Hamm 06. Oktober 1983 - 2 U 112/83 - NJW 1984/2372; OLG Brandenburg 09. Oktober 1995 - 7 W 16/95 - NJW-RR 1996/766; OLG Nürnberg 30. Juni 1998 - 1 W 1666/98 - MDR 1998/369 zu II; BayObLG 04. November 1999 - 2 Z BR 122/99 - NJW-RR 2000/464 zu II 2 1 a). Die Betriebsstätte einer juristischen Person ist ausschließlich deren Geschäftsraum und nicht der ihrer gesetzlichen Vertreter. Die am 03. August 2006 durchgeführte Ersatzzustellung war daher nicht wirksam.

Mangels wirksamer Zustellung konnte die Beschwerdefrist gemäß § 189 ZPO erst mit dem tatsächlichen Zugang des angefochtenen Beschlusses an den Beschwerdeführer persönlich bzw. an einen Vertreter im Sinne von § 171 ZPO zu laufen beginnen. Dass der Beschwerdeführer den Beschluss mehr als zwei Wochen vor der Einlegung der Beschwerde in Besitz nahm, ist der Akte nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang bedarf die Glaubhaftigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, der tatsächliche Zugang sei nicht mehr zu rekonstruieren, keiner nähern Prüfung. Selbst wenn diese Behauptung als nicht glaubhaft zu betrachten sein sollte, fehlte gleichwohl der erforderliche Nachweis eines Zugangs mehr als zwei Wochen vor Einlegung der Beschwerde. Ein solcher wäre nur mit einer hier fehlenden wirksamen Zustellung des Beschlusses zu führen.

2. Gegen den Beschwerdeführer konnte mangels wirksamer Ladung zum Gütetermin kein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Gemäß §§ 141 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 ZPO, 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG ist eine Partei, deren persönliches Erscheinen angeordnet wurde, von Amts wegen persönlich unter Belehrung über die Folgen des Ausbleibens zu laden. Auch eine wirksame Ladung des Beschwerdeführers zum Gütetermin kann nach Aktenlage nicht festgestellt werden. Es spricht bereits viel dafür, dass die Ladung ebenfalls nicht an den Dienstsitz des Beschwerdeführers, sondern an den A Betrieb geschickt wurde. Zwar ist die von Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. September 2006 vorgelegte, an den A Betrieb der Beklagten gerichtete Ladung nicht die Ladung des Beschwerdeführers nach § 141 Abs. 2 ZPO. Mangels einer abweichenden Verfügung oder einem entsprechenden Aktenvermerk ist aber nicht ersichtlich, dass die Ladung an den Dienstsitz oder sogar an die Privatadresse des Beschwerdeführers gesandt wurde. Sie ist offenbar gemeinsam mit der Ladung der Beklagten an die vom Kläger angegebene Anschrift des A Betriebes geschickt worden. Dort konnte sie dem Beschwerdeführer gemäß der Ausführungen unter II. 1. nicht zugehen. Das und wann der Beschwerdeführer sie in der Folgezeit in Besitz nahm, ist nach Aktenlage nicht feststellbar. Danach kann nicht von einer wirksamen Ladung ausgegangen werden mit der Folge, dass eine Verpflichtung des Beschwerdeführers zum persönlichen Erscheinen nicht begründet wurde. Folglich fehlt die Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann 63. Aufl. § 141 Rdnr. 59, § 380 Rdnr. 14; Leipold in Zöller ZPO 24. Aufl. § 141 Rdnr. 58; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 141 Rdnr. 7, § 380 Rdnr. 12).

Ende der Entscheidung

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