Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 4 TaBV 111/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG
Vorschriften:
BetrVG § 106 | |
BetrVG § 107 | |
BetrVG § 108 | |
BetrVG § 109 | |
BetrVG § 118 | |
ArbGG § 98 |
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juni 2006 - 19 BV 364/06 - abgeändert:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.
Der zu 2) beteiligte Arbeitgeber ist ein gemeinnütziger Verein, der bundesweit in 17 als "Verbünde" bezeichneten, auf der Grundlage eines Tarifvertrages gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gebildeten Regionalbetrieben, die jeweils zahlreiche räumlich getrennte Einrichtungen umfassen, soziale Dienste erbringt. Dazu gehören schul-, ausbildungs- und berufsbegleitende Bildung, berufliche und politische Bildung, Freizeithilfen, internationale Begegnungen, Sprach- und Berufsförderung, gesundheitliche Fürsorge und soziale Beratung und Betreuung. Zu den vom Arbeitgeber betriebenen Einrichtungen gehören Bildungszentren, medizinische Akademien, Jugendmigrationsdienste, Sprachinstitute, Jugendwohnheime und gästehäuser, Jugendhäuser, Kinder- und Jugendhilfen, Kindertagesstätten, Internate, Malerwerkstätten, Einrichtungen für betreutes Wohnen, Jobbörsen, Familienhilfen u.ä.. In den jeweils von Betriebsräten repräsentierten 17 Betrieben und der zentralen Geschäftsführung werden gut 5.500 Arbeitnehmer sowie zahlreiche Honorarkräfte beschäftigt. Von den Arbeitnehmern sind fast 4.000 pädagogische Mitarbeiter (Erzieher, Lehrer, Sozialpädagogen, Psychologen usw.). Hinzu kommen 183 medizinische Mitarbeiter und 149 Lehrkräfte. Die Betriebsräte haben den antragstellenden Gesamtbetriebsrat gebildet.
Seit der Gründung des Arbeitgebers vor etwa dreißig Jahren wurde kein Wirtschaftsausschuss bestellt. Differenzen der Beteiligten über die Frage, ob der Arbeitgeber ein Tendenzunternehmen betreibt, wurden mit der im Juli 1995 in Kraft getretenen Gesamtrahmenbetriebsvereinbarung "Beschäftigungsverhältnisse" gelöst, auf deren Grundlage der Gesamtbetriebsrat Informationsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten erhielt. Nachdem der Arbeitgeber diese Betriebsvereinbarung zum 31. März 2004 kündigte, bestellte der Gesamtbetriebsrat in seiner Sitzung vom 24. - 26. August 2005 einen Wirtschaftsausschuss. Dieser richtete, ohne dass er bis dahin mit dem Arbeitgeber kommuniziert hatte, mit Schreiben vom 15. März 2006 folgende Erklärung an den Arbeitgeber:
"... im Auftrag des Wirtschaftsausschusses gemäß § 106 BetrVG lade ich Sie zur Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 07.04.06 um 13.00 Uhr ein.
Tagesordnung:
1. Beschlussfassung über die Tagesordnung
2. Erläuterung des Jahresabschlusses Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Wirtschaftsbericht nach § 321 HGB sowie des Lageberichts
3. Forderungen des e.V. an verbundene Unternehmen
4. Entwicklung der Unternehmensstruktur
5. Entwicklung und Gewichtung der Geschäftsfelder, neue Maßnahmen, Ergebnisse der Marktanalysen im IB
6. Berichtswesen der Verbünde - Beratung der Kennziffern
7. Stand der Sanierung in den Verbünden
8. Verschiedenes
Wir fordern Sie auf, die erforderlichen schriftlichen Unterlagen (siehe hier auch Fitting-Kaiser-Heither § 106 Rd.Nr. 25 ff BetrVG) zur Sitzung bereitzuhalten."
Der Arbeitgeber wies die Einladung mit der Begründung zurück, der Wirtschaftsausschuss existiere für ihn nicht, und erschien zu der Sitzung nicht. Der Gesamtbetriebsrat beschloss am 26. April 2006, eine Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG anzurufen, und forderte den Arbeitgeber mit Schreiben vom 09. Mai 2006 auf, deren Bildung zuzustimmen. Gleichzeitig machte er Vorschläge zur Person des Vorsitzenden und zur Zahl der Beisitzer. Nachdem der Arbeitgeber dieses Anliegen mit Schreiben vom 17. Mai 2006 zurückwies, verfolgt es der Gesamtbetriebsrat im vorliegenden Verfahren weiter.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Ansicht vertreten, der Streit über den Tendenzcharakter des Unternehmens stehe der Bestellung der Einigungsstelle nicht entgegen, da die Einigungsstelle über ihre Zuständigkeit und die Frage, ob der Wirtschaftsausschuss zu bilden war, als Vorfrage zu befinden habe, und beantragt,
1. den Richter am Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Herrn A, Vorsitzender der Kammer 15 des Arbeitsgerichts, zum Vorsitz einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand der Auskunftserteilung über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens gemäß §§ 106, 109 BetrVG zu bestellen;
2. die Zahl der Beisitzer auf jeder Seite auf drei zu bestimmen.
Der Arbeitgeber hat zur Begründung seines Zurückweisungsantrags die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da das Unternehmen unmittelbar und ausschließlich karitativen und erzieherischen Zwecken diene. Zudem seien für die Frage, ob ein Wirtschaftsausschuss zu errichten ist, die Arbeitsgerichte und nicht die Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG zuständig.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag zu 1) des Gesamtbetriebsrats erkannt und die Zahl der Beisitzer auf zwei pro Seite festgesetzt. Es hat dies im Wesentlichen mit der Erwägung begründet, die Einigungsstelle sei nicht im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG offensichtlich unzuständig. Zwar sprächen zahlreiche Aspekte für einen Tendenzschutz. Dennoch erfordere dessen Feststellung eine im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht durchzuführende vertiefte rechtliche Prüfung. Wegen der vollständigen Entscheidungsgründe wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Der Arbeitgeber hat gegen den am 16. Juni 2006 zugestellten Beschluss am 29. Juni 2006 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er rügt, angesichts der zumindest überwiegend tendenzgeschützten Unternehmenszwecke bedürfe es keiner vertieften Prüfung der Voraussetzungen von § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Dafür spreche insbesondere der hohe Anteil der pädagogischen Mitarbeiter von fast 78%.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Arbeitgebers wird auf den Schriftsatz vom 29. Juni 2006 Bezug genommen.
Der Arbeitgeber beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juni 2006 - 19 BV 364/06 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Gesamtbetriebsrat verteidigt zur Begründung seines Zurückweisungsantrags die Würdigung des Arbeitsgerichts. Er vertritt die Auffassung, dem Tendenzcharakter des Unternehmens stehe bereits entgegen, dass der Arbeitgeber nur Maßnahmen durchführe, bei denen eine Umsatzrendite erwirtschaftet werden kann. Dafür, dass die Mitarbeiter tatsächlich karitative oder erzieherische Tätigkeiten erbringen, fehle hinreichender Vortrag des Arbeitgebers. Das Schreiben vom 15. März 2006 erfülle die Anforderungen an ein Auskunftsverlangen im Sinne von § 109 BetrVG. Das Anliegen des Gesamtbetriebsrats ergebe sich aus dem gestellten Antrag und liege nicht darin, eine grundsätzliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Errichtung des Wirtschaftsausschusses zu erlangen. Diese Frage sei von der Einigungsstelle nur als Vorfrage zu prüfen.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Gesamtbetriebsrats wird auf die Schriftsätze vom 20. und 25. Juli 2006 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Die Anträge des Gesamtbetriebsrats sind zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für die Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG offensichtlich fehlen.
1. Die Anträge sind zulässig.
Sie sind insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne der auch im Beschlussverfahren gemäß §§ 76 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 BetrVG, 98 ArbGG zu beachtenden Bestimmung von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dergemäß im Bestellungsantrag hinreichend konkret angegeben werden muss, über welchen Regelungsgegenstand in der Einigungsstelle verhandelt werden soll (vgl. nur Hess. LAG 31. Januar 2006 - 4 TaBV 208/05 - AuR 2006/214 L, zu II 2; 14. Februar 2006 - 4 TaBV 1/06 - n.v., zu II 1 a; jeweils mit näherer Begründung). Zwar ist in den Anträgen des Gesamtbetriebsrats selbst nicht näher bezeichnet, über welche Auskunftserteilung die Einigungsstelle beraten und ggf. entscheiden soll. Es ergibt sich jedoch aus der zur Auslegung heranzuziehenden Antragsbegründung, dass es um die im Schreiben vom 15. März 2006 angeführten Themen gehen soll. Eine solche Bezugnahme auf zur Akte gereichte Schriftstücke ist ausreichend, wenn hinreichend deutlich wird, auf welches Auskunftsbegehren verwiesen werden soll (Hess. LAG 14. Februar 2006 a.a.O., zu II 1 a). Dies ist hier der Fall, da nach der Antragsbegründung nur die im Schreiben vom 15. März 2006 aufgeführten Themen in Betracht kommen. Ob es sich bei diesen tatsächlich um Auskünfte im Sinn von § 109 Satz 1 BetrVG handelt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern ggf. eine der Begründetheit der Anträge. Dasselbe gilt für die Frage, ob vorgerichtlich ausreichend verhandelt wurde (vgl. Hess. LAG 13. September 2005 - 4 TaBV 86/05 - AuR 2006/172 L, zu II 1; 14. Februar 2006 a.a.O., zu II 1 b; jeweils mit näherer Begründung).
2. Die Anträge sind nicht begründet, da die Einigungsstelle im Sinn von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG offensichtlich für die vom Antragsteller bezeichneten Regelungsgegenstände nicht zuständig ist.
a) Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle, wenn ihre Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, wenn ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das Bestellungsverfahren soll weder durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen noch durch die Aufklärung streitiger Tatsachen belastet werden; diese Aufgaben sind ggf. der Einigungsstelle vorbehalten. Für deren Bestellung ist entscheidend, ob an ihrer Unzuständigkeit ernsthafte rechtliche Zweifel möglich sind oder nicht. Nur in letzterem Fall ist der Bestellungsantrag zurückzuweisen. Bei Kontroversen in Rechtsprechung und Literatur über die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsfragen besteht der Zurückweisungsgrund der offensichtlichen Unzuständigkeit nicht (LAG Berlin 22. Juni 1998 - 9 TaBV 3/98 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 32, zu 3 a; LAG Köln 13. Januar 1998 - 13 TaBV 60/97 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 33, zu II 2 b aa; LAG Hamm 09. August 2004 - 10 TaBV 81/04 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43, zu B II 1).
b) Nach diesem Maßstab können die Anträge entgegen der Auffassung des Arbeitgebers allerdings nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass die §§ 106 - 110 BetrVG nach § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht anwendbar seien, da das Unternehmen offensichtlich im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unmittelbar und überwiegend karitativen und erzieherischen Bestimmungen diene. Karitative Tätigkeit setzt voraus, dass Unternehmenszweck der soziale Dienst an körperlich oder seelisch leidenden Menschen ist, dass er auf die Heilung oder Milderung innerer und äußerer Nöte des Einzelnen gerichtet ist und dass das Unternehmen nicht in Gewinnerzielungsabsicht tätig ist (vgl. etwa BAG 12. November 2002 - 1 ABR 60/01 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 41, zu B II 2 b aa). Nicht ausreichend dazu ist etwa die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser zu deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, da diese Personengruppe nicht generell aus körperlich oder seelisch leidenden Menschen besteht (BAG 05. Oktober 2000 - 1 ABR 14/00 - AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 69, zu B II 1 a). Erzieherische Zwecke erfordern, dass die Tätigkeit des Unternehmens auf die Entfaltung und Formung der Persönlichkeit des Menschen gerichtet ist. Dazu genügt die Vermittlung bestimmter Fertigkeiten, etwa die von Deutschkenntnissen als Fremdsprache, nicht (BAG 21. Juli 1998 - 1 ABR 2/98 - AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 63, zu B III 1). Nach diesem Maßstab lassen sich keineswegs alle Einrichtungen des Arbeitgebers karitativen oder erzieherischen Funktionen zuordnen. Eine medizinische Akademie dient beispielsweise ohne weiteres weder unmittelbar der Linderung menschlicher Leiden noch leistet sie Erziehungsaufgaben im Sinne einer Persönlichkeitsformung. Auch genügt es nicht, auf die Ausbildung der Mitarbeiter des Arbeitgebers zu verweisen. Diese mag überwiegend einen Einsatz der Arbeitnehmer zu erzieherischen und/oder karitativen Zwecken ermöglichen. Ob die Mitarbeiter jedoch tatsächlich überwiegend zur Erfüllung erzieherischer und/oder karitativer Aufgaben beschäftigt werden, bedarf ggf. jedoch eingehender und voraussichtlich aufwendiger Tatsachenfeststellungen. Dies kommt im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht in Betracht.
c) Der Bestellung der Einigungsstelle entgegen steht hingegen, dass der Gesamtbetriebsrat den Begriff der Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens von § 109 Satz 1 BetrVG verkennt. Gemäß § 106 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens, insbesondere über die in § 106 Abs. 3 BetrVG aufgeführten Angelegenheiten, unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Wird eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten in diesem Sinne entgegen des Verlangens des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder ungenügend erteilt, entscheidet nach § 109 Satz 1 BetrVG die Einigungsstelle, wenn keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zustande kommt. Der Begriff der Auskunft ist wie der der erforderlichen Unterlagen angesichts des weiten Katalogs der von § 106 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG erfassten wirtschaftlichen Angelegenheiten weit auszulegen (vgl. BAG 17. September 1991 - 1 ABR 74/90 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 13, zu B II 2). Gleichzeitig ergeben sich aus dem Begriff der "Auskunft", aus dem Bezug zu der Unterrichtungspflicht nach § 106 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG und aus dem Zweck der Einigungsstelle nach § 109 BetrVG aber Grenzen. Das Einigungsstellenverfahren nach § 109 BetrVG dient dem Schutz sensibler Unternehmensdaten. Streitigkeiten über Auskünfte über derartige Daten sollen möglichst betriebsintern beigelegt werden, damit sie - soweit möglich - nicht Gegenstand öffentlicher Gerichtsverfahren werden (vgl. Hess. LAG 14. Februar 2006 a.a.O., zu II 2 b; GK-BetrVG-Oetker 8. Aufl. § 109 Rn 1; Fitting BetrVG 23. Aufl. § 109 Rn 1; Richardi/Annuß BetrVG 10. Aufl. § 109 Rn 1; Däubler/Kittner/Klebe-Däubler BetrVG 10. Aufl. § 109 Rn 1).
Daraus folgt, dass die Einigungsstelle nur zuständig ist für die Entscheidung über ein bestimmtes Auskunftsverlangen im konkreten Fall, nicht aber für allgemeine Rechtsstreitigkeiten der Betriebspartner in Zusammenhang mit den §§ 106 ff. BetrVG (Hess. LAG 21. Juni 2005 - 18/4 TaBV 168/04 - n.v., zu II 3; Oetker a.a.O. § 109 Rn 5, 6; Fitting a.a.O. § 109 Rn 1, 2, 6; Annuß a.a.O. § 109 Rn 11; Däubler a.a.O. § 109 Rn 2; Hess in Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock BetrVG 6. Aufl. § 109 Rn 2; ErfK-Kania 6. Aufl. § 109 BetrVG Rn 1, 2). Abzugrenzen ist die Zuständigkeit der Einigungsstelle nach § 109 BetrVG von der Verpflichtung des Arbeitgebers gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teilzunehmen. Die Erfüllung dieser Pflicht unterliegt nicht der Überprüfung der Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG. Diese ist ggf. in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zu klären (Oetker a.a.O. § 108 Rn 71; Fitting a.a.O. § 108 Rn 40, 41; Annuß a.a.O. § 108 Rn 49; Däubler a.a.O. § 108 Rn 42; Hess, a.a.O. § 108 Rn 29; Woitaschek in Gross/Thon/Ahmad/Woitaschek BetrVG § 108 Rn 17). Da es bei dieser Frage nicht um ggf. sensible Unternehmensdaten geht, besteht kein Grund zur Annahme einer Zuständigkeit der Einigungsstelle. Die Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG hat danach zusammengefasst darüber zu entscheiden, ob, wann und in welcher Weise eine Auskunft gemäß § 106 Abs. 2, 3 BetrVG unter Vorlage welcher Unterlagen zu erteilen ist (vgl. BAG 11. Juli 2000 - 1 ABR 43/99 - BAGE 95/328, zu B I 2 a). Streitigkeiten über die Errichtung des Wirtschaftsausschusses sind dagegen nach allgemeiner Ansicht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu klären (Oetker a.a.O. § 106 Rn 105; Fitting a.a.O. § 106 Rn 55; Annuß a.a.O. § 106 Rn 58; Däubler a.a.O. § 106 Rn 81; Hess a.a.O. § 107 Rn 38; Woitaschek a.a.O. § 106 Rn 24; Kania a.a.O. § 107 BetrVG Rn 19).
Der vom Gesamtbetriebsrat beantragten Bestellung der Einigungsstelle steht bereits entgegen, dass der Wirtschaftsausschuss bisher vom Arbeitgeber keine Auskunft im Sinn von § 109 Satz 1 BetrVG verlangt hat. Auch das Schreiben vom 15. März 2006 enthält kein derartiges Auskunftsverlangen. Es ist nichts anderes als eine Ladung des Arbeitgebers zur Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 07. April 2006 und enthält eine Bezeichnung der vorgesehenen Tagesordnung. Irgendwelche Fragen oder sonstige Auskunftsersuchen an den Arbeitgeber sind dagegen in dem Schreiben nicht enthalten. Auch ist keine Unterlage konkret bezeichnet, die vom Arbeitgeber vorgelegt werden soll. Die Verweisung auf die Kommentierung von Fitting ändert daran nichts. In der bezeichneten Fundstelle wird eine Vielzahl verschiedener Unterlagen aufgeführt, die Gegenstand des Vorlegungsanspruchs sein können. Um welche es dem Wirtschaftsausschuss konkret ging, hätte von diesem erläutert werden müssen.
Dass es an einem hinreichenden Auskunftsverlangen fehlt, hat der Gesamtbetriebsrat letztlich mit seinem Hinweis aus dem Anhörungstermin eingeräumt, dass in der Sitzung konkrete Fragen zu den bezeichneten Tagesordnungspunkten an den Arbeitgeber hätten gestellt werden können. Dies trifft zu, belegt aber nur, dass der Gesamtbetriebsrat bisher kein Auskunftsverlangen gestellt hat. Bisher kann es daher allenfalls um die Durchsetzung der sich aus § 108 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergebenden Teilnahmepflicht des Arbeitgebers an Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gehen. Die Entscheidung hierüber ist jedoch einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vorbehalten.
Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, dass zwischen den Beteiligten überhaupt eine Differenz über das Bestehen, den Umfang oder die Erfüllung der Unterrichtungspflichten nach § 106 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG besteht. Die Argumentation der Beteiligten im vorliegenden Verfahren belegt, dass die Beteiligten lediglich darüber uneinig sind, ob das Unternehmen Tendenzcharakter hat und deshalb nach § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die §§ 106 - 110 BetrVG nicht gelten. Dies ist eine grundlegende Rechtsfrage, deren Bedeutung weit über die Tätigkeit des Wirtschaftsausschusses hinausgeht. In Zusammenhang mit wirtschaftlichen Angelegenheiten betrifft sie nicht Fragen der Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses im Sinne von § 106 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG, sondern die Frage, ob die Bestellung des Wirtschaftsausschusses gemäß § 107 BetrVG wirksam ist. Deren Beantwortung ist nicht Aufgabe einer Einigungsstelle nach § 109 BetrVG, sondern der Arbeitsgerichte in einem Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Der Zweck der Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG ist, wie dargelegt, darauf beschränkt, Meinungsverschiedenheiten über Auskünfte, die typischerweise sensible Unternehmensdaten betreffen, möglichst betriebsintern zu klären. Damit hat die grundlegende Frage, ob überhaupt ein Wirtschaftsausschuss bestellt werden konnte, nichts zu tun.
Daran ändert der zutreffende Hinweis des Gesamtbetriebsrats nichts, dass es ggf. Aufgabe der Einigungsstelle ist, ihre Zuständigkeit selbständig zu prüfen (vgl. nur Hess. LAG 14. Februar 2006 a.a.O., zu II 2 b). Im Bestellungsverfahren nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist gleichwohl zunächst zu untersuchen, ob die Einigungsstelle für das Regelungsanliegen offensichtlich unzuständig ist. Dies ist der Fall, wenn in der Einigungsstelle nicht über das Bestehen, den Umfang oder die Erfüllung von Auskunftspflichten des Arbeitgebers gemäß § 106 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG entschieden werden soll, sondern über die Wirksamkeit der Bestellung des Wirtschaftsausschusses nach § 107 BetrVG und das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes von § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Um mehr kann es nach dem aktuellen Stand der Verhandlungen der Beteiligten bei der vom Gesamtbetriebsrat angestrebten Einigungsstelle nicht gehen. Dieses Ergebnis wird schließlich nicht durch den Hinweis des Gesamtbetriebsrats in Frage gestellt, dass die Einigungsstellenverhandlung dazu genutzt werden könnte, unter Vermittlung des Vorsitzenden wieder ein einvernehmliches Beteiligungsverfahren in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu vereinbaren. Ein solches Anliegen könnte nur Gegenstand einer freiwilligen, vom Arbeitgeber nicht abgelehnten Einigungsstelle sein. Im Verfahren nach § 98 ArbGG können nur Einigungsstellen bestellt werden, die gesetzlich vorgesehen sind.
d) Da damit die Einigungsstelle nicht zu bestellen ist, bedarf es einer Bestimmung der Zahl der Beisitzer nach §§ 76 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.