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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: 4 TaBV 54/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG
Vorschriften:
ArbGG § 98 | |
BetrVG § 76 |
Solange eine noch ungekündigte Betriebsvereinbarung über den begehrten Regelungsgegenstand besteht, ist die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. März 2005 - 11 BV 480/05 - abgeändert:
Die Anträge der Antragstellerin und Beteiligten zu 1. werden zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle zur Verhandlung der Einführung eines Zwei-Schicht-Betriebs sowie einer Rufbereitschaft für die Industrieelektroniker des Bereichs x.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1., die Arbeitgeberin, betreibt ein Cateringunternehmen. Der Beteiligte zu 2. ist der für den Betrieb .... der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat. In diesem Betrieb sind acht Industrieelektroniker beschäftigt. Gemäß einer "Grundsatzvereinbarung Schichtplanerstellung 40-Stunden-Woche" vom 15. Juli 2004, die eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2005 hat und wegen deren Regelungen im Einzelnen auf die Ablichtung (Anlage BE 2, Bl. 67/68 d.A.) Bezug genommen wird, ist bei der Erstellung der Schichtpläne für y (...) folgender Grundsatz zu wahren:
"...
VII.
Der jetzt einzelnen Mitarbeiter/innen zugeteilte Schichttyp wird 1:1 fortgeführt."
Der für den Bereich x von den Beteiligten in einer Einigungsstellensitzung am 21. Juli 2004 vereinbarte Schichtplan (Ablichtung als Anlage BE 1, Bl. 66 d.A.) sieht einen durchlaufenden Drei-Schicht-Betrieb vor, der Früh-, Spät- und Nachtschicht umfasst. Der Schichtplan sowie die Grundsatzvereinbarung sind jeweils von dem damaligen Betriebsleiter der Arbeitgeberin und dem Vorsitzenden des Betriebsrats unterzeichnet. Entsprechend dem Schichtplan sind auch die Industrieelektroniker im Bereich x bislang im Drei-Schicht-Betrieb beschäftigt.
Die Arbeitgeberin beabsichtigt, die Industrieelektroniker nicht mehr im Drei-Schicht-Betrieb, sondern nur noch in zwei Schichten unter Wegfall der Nachtschicht zu beschäftigen und gleichzeitig während der Nacht eine Rufbereitschaft einzuführen.
Die Arbeitgeberin hat behauptet, dies dem Betriebsrat mit Schreiben vom 02. September 2004 mitgeteilt zu haben. Der Betriebsrat habe die Einführung eines Zwei-Schicht-Betriebs unter gleichzeitiger Einführung einer Rufbereitschaft für die Industrieelektroniker des Bereichs x abgelehnt. Mit Schreiben vom 17. November 2004 habe sie den Betriebsrat darüber informiert, dass sie beabsichtige, die Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht B anzurufen und den Betriebsrat gebeten, hierzu Stellung zu nehmen. Der Betriebsrat habe sich hierzu trotz mehrfacher Rückfragen nicht erklärt. Es habe mehrere Gespräche im Rahmen von Betriebsausschusssitzungen mit dem Betriebsrat gegeben. Der Vorsitzende des Betriebsrats habe zuletzt im Januar 2005 erklärt, eine freiwillige Einigung könne nicht zustande kommen. Die Arbeitgeberin hat ferner in Ablichtung ein elektronisches Schreiben des Vorsitzenden des Betriebsrats vom 02. September 2004 (Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 02. März 2005, Bl. 14 d.A.) vorgelegt.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
1. den Richter am Arbeitsgericht B zum Vorsitzenden der Einigungsstelle "Einführung eines Zwei-Schicht-Betriebs für die Industrieelektroniker des Bereichs x" und Einführung einer Rufbereitschaft zu bestellen;
2. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf drei festzusetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, dem Antrag der Arbeitgeberin fehle derzeit noch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Bevor ein Bestellungsverfahren gemäß § 98 ArbGG eingeleitet werde, sei erforderlich, dass zwischen den Betriebsparteien ernsthafte Verhandlungen stattgefunden hätten, die sich nicht lediglich auf den Austausch von schriftlichen Erklärungen beschränken dürften.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch Beschluss vom 02. März 2005 antragsgemäß zum Vorsitzenden der von der Arbeitgeberin begehrten Einigungsstelle den Richter am Arbeitsgericht B bestellt und die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf drei festgesetzt. Nach dem von dem Betriebsrat nicht bestrittenen Vorbringen der Arbeitgeberin, wonach es nicht bei einem bloßen Austausch von schriftlichen Erklärungen geblieben sei, sondern die Betriebsparteien auch in Betriebsausschusssitzungen über den beabsichtigten Regelungsgegenstand gesprochen hätten, fehle den Anträgen der Arbeitgeberin nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Einigungsstelle sei auch nicht offensichtlich unzuständig, da ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG bestehe.
Gegen diesen ihm am 09. März 2005 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat mit am 23. März 2005 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
Er trägt vor, das Vorbringen der Arbeitgeberin sei nicht gleichbedeutend mit dem Vortrag, es seien ernsthafte Verhandlungen geführt worden. Es treffe auch nicht zu, dass er, der Betriebsrat, verhandlungsunwillig gewesen sei. Die jetzt geltende Arbeitszeitregelung in dem Bereich x sei mit den sonstigen, bereichsbezogenen Schicht- und Dienstplänen in einem sehr aufwendigen Einigungsstellenverfahren entwickelt und erzielt worden. Die Arbeitgeberin wolle dieses Ergebnis bereits jetzt nach sehr kurzer Zeit wieder abgeändert wissen. Er, der Betriebsrat, bestehe demgegenüber darauf, dass die neue Regelungsabsicht des Arbeitgebers ernsthaft im Betrieb verhandelt werde, bevor diesbezüglich die Einigungsstelle angerufen werde.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, bei dem Schichtplan vom 21. Juli 2004 sowie der Grundsatzvereinbarung vom 15. Juli 2004 handele es sich um Betriebsvereinbarungen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass diese bislang von keiner Seite gekündigt wurden.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. März 2005 - Az.: 11 BV 480/05 - den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihrer Rechtsauffassung, dass die Einwände des Betriebsrats, für die Einsetzung einer Einigungsstelle fehle es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis, unberechtigt seien.
Wegen des vollständigen Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf die Schriftsätze vom 23. März 2005 (Bl. 28 - 30 d.A.), vom 12. Mai 2005 (Bl. 35 - 37 d.A.) sowie vom 13. Juni 2005 (Bl. 64, 65 d.A.) ergänzend Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG an sich statthafte und gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Betriebsrats hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Unrecht die Einigungsstelle eingesetzt, nachdem nach dem Vorbringen der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz unstreitig bereits eine wirksame und bislang ungekündigte Betriebsvereinbarung für den begehrten Regelungsgegenstand besteht.
Solange eine noch ungekündigte Betriebsvereinbarung über den begehrten Regelungsgegenstand besteht, ist die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig (so auch GK-BetrVG/Kreutz, Band II, 7. Aufl. 2002, Rdnr. 70 zu § 76 und GK-ArbGG, Rdnr. 34 zu § 98, jeweils unter Hinweis auf den Beschluss des LAG Düsseldorf, Kammern Köln, vom 09. September 1977 - 8 TaBV 27/77 - veröffentlicht mit Gründen in DB 1977, S. 1954, und Schwab/Weth-Walker, ArbGG, 2004, Rdnr. 37 zu § 98; wohl auch Hauck/Helml, ArbGG, 2. Aufl. 2003, Rdnr. 4 zu § 98). Zwar können die Betriebsparteien einvernehmlich auch noch während der Laufzeit einer - auch noch ungekündigten - Betriebsvereinbarung an deren Stelle eine neue Betriebsvereinbarung mit einem neuen Regelungsinhalt schließen. Da sie die ursprüngliche Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben, können sie dieselbe auch einvernehmlich aufheben. Über die Einigungsstelle durchsetzbar ist die Aufhebung einer noch bestehenden Betriebsvereinbarung hingegen nicht. Hierzu hat die Einigungsstelle nicht die erforderliche Kompetenz. Es ist Sache derjenigen Betriebspartei, die eine von der bisher geltenden Betriebsvereinbarung abweichende Regelung erreichen möchte, diese, wenn ein Einvernehmen hierüber innerbetrieblich nicht erzielt werden kann, zu kündigen und so, ggf. über eine nach § 98 ArbGG zu errichtende Einigungsstelle, zu versuchen, ihr Regelungsbegehren durchzusetzen.
Zwischen den Beteiligten besteht unstreitig bereits eine Regelung, welche die Geltung des Drei-Schicht-Betriebs für die Industrieelektroniker im Bereich x zum Gegenstand hat. Da der Schichtplan vom 21. Juli 2004 schriftlich niedergelegt und von beiden Betriebsparteien unterzeichnet ist, handelt es sich hierbei materiell auch um eine Betriebsvereinbarung im Sinne von § 77 Abs. 2 BetrVG. Grundlage für die Weitergeltung des Drei-Schicht-Betriebs ist zudem die Grundsatzvereinbarung vom 15. Juli 2004, bei welcher es sich ebenfalls um eine Betriebsvereinbarung im Sinne von § 77 Abs. 2 BetrVG handelt. Beide Betriebsvereinbarungen haben weiterhin Bestand und sind bislang ungekündigt. Eine Entscheidung, ob sie gekündigt werden sollen, wollte die Arbeitgeberin auch im Termin zur Anhörung vor der Vorsitzenden der Beschwerdekammer nicht treffen.
Soweit der Betriebsrats auf die Existenz dieser, dem Einsatz der Industrieelektroniker im Bereich x im Drei-Schicht-Betrieb zugrunde liegender Betriebsvereinbarungen erst mit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsatz hingewiesen hat, war dieses Vorbringen nicht als verspätet zurückzuweisen. Die Arbeitgeberin hat die Existenz dieser Betriebsvereinbarungen sowie den Umstand, dass sie bislang ungekündigt seien, im Anhörungstermin bestätigt, so dass der entsprechende Sachverhalt als unstreitig der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen war.
III.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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