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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 70/07
Rechtsgebiete: AGG, BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

AGG § 13
BetrVG § 76
BetrVG § 86
BetrVG § 87
ArbGG § 98
Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Diskussion ist nicht offensichtlich auszuschließen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Bestimmung der für die Entgegennahme und Bescheidung von Beschwerden nach § 13 AGG zuständigen Stelle besteht. Ein Antrag auf Bestellung einer Einigungsstelle zu diesem Thema kann daher nicht wegen einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle zurückgewiesen werden.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2007 - 17 BV 115/07 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen zum Teil abgeändert:

Der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht A wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Thema "Einrichtung einer Beschwerdestelle gemäß § 13 AGG" bestellt.

Die Zahl der Beisitzer wird auf zwei pro Seite festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle über die Einrichtung einer Beschwerdestelle gemäß § 13 Abs. 1 AGG.

Der zu 2) beteiligte Arbeitgeber betreibt eine Kette von Discount-Drogerien. Die personellen Angelegenheiten der Belegschaft der einzelnen Läden werden jeweils von einem zentralen Verkaufsbüro bearbeitet und entschieden. Im Zuständigkeitsbereich der Verkaufsbüros sind auf der Grundlage eines Tarifvertrages gemäß § 3 BetrVG jeweils mehrere Bezirksbetriebsräte gebildet worden, die die Belegschaft der Läden ihres Bezirks repräsentieren. Der antragstellende Betriebsrat vertritt die Arbeitnehmer des Bezirks B, der die Läden in und um B und C umfasst und dem Verkaufsbüro D zugeordnet ist. Der Arbeitgeber unterrichtete die Arbeitnehmer des Bezirks nach Inkrafttreten des AGG mit einem Rundschreiben, dass er eine Beschwerdestelle gemäß § 13 AGG eingerichtet habe und dass das AGG betreffende Beschwerden an das Verkaufsbüro D gerichtet werden könnten. Der Betriebsrat ist der Auffassung, er sei bei der Einrichtung der Beschwerdestelle nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beteiligen, und verlangt nach dem Scheitern innerbetrieblicher Verhandlungen die Bestellung einer Einigungsstelle zu diesem Thema.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie der dort gestellten Anträge wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen und angenommen, die Einigungsstelle sei im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG offensichtlich unzuständig, da der Arbeitgeber mit der Bestimmung der Beschwerdestelle lediglich unmittelbar die Vorgaben des AGG umgesetzt habe. Da der Arbeitgeber kein bestimmtes Beschwerdeverfahren festgelegt habe, sei das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer nicht betroffen. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat gegen den am 21. März 2007 zugestellten Beschluss am 30. März 2007 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er hält an seiner Ansicht fest, dass die Bestellung der Beschwerdestelle mitbestimmungspflichtig sei. In jedem Fall, in dem sich ein Arbeitnehmer an die Beschwerdestelle wendet, sei das Verhalten der Arbeitnehmer oder die Ordnung des Betriebs betroffen. Die Bestellung der vorgesetzten Mitarbeiter aus dem Verkaufsbüro D zur Beschwerdestelle entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben, da diese nicht das Vertrauen der Arbeitnehmer hätten.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf den Schriftsatz vom 29. März 2007 Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2007 - 17 BV 115/07 - abzuändern und

1. den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht A zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Bestellung einer Beschwerdestelle gemäß § 13 AGG" zu bestellen,

2. die Zahl der Beisitzer auf drei pro Seite festzusetzen.

Der Arbeitgeber verteidigt zur Begründung seines Zurückweisungsantrags die Würdigung des Arbeitsgerichts. Die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da eine Mitbestimmung bei der Bestellung der Beschwerdestelle unzulässig in die unternehmerische Organisationsfreiheit des Arbeitgebers eingreife. Es sei nicht Zweck von § 13 AGG, einen neuen Mitbestimmungstatbestand zu schaffen. Jedenfalls genüge eine Besetzung der Einigungsstelle mit einem Beisitzer pro Seite.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Arbeitgebers wird auf den Schriftsatz vom 24. April 2007 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zum Teil begründet.

1. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

Dass der Betriebsrat am 13. und 27. Februar 2007 die Einleitung des vorliegenden Verfahrens vorsehende Beschlüsse gemäß § 33 BetrVG gefasst hat, war im Beschwerdetermin vom 08. Mai 2007 zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.

Entgegen der erstinstanzlichen Rüge des Arbeitgebers hat der Betriebsrat auch ein Rechtsschutzinteresse an den gestellten Anträgen. Ein Antrag gemäß §§ 76 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 BetrVG, 98 ArbGG ist ein Gestaltungsantrag. Bei einer Gestaltungsklage besteht ein Rechtsschutzinteresse immer bereits dann, wenn die Rechtslage nur durch die begehrte gerichtliche Entscheidung antragsgemäß geändert werden kann (Stein/Jonas-Schumann ZPO 21. Aufl. vor § 253 Rn 102). Ein Gestaltungsantrag ist daher zulässig, wenn der Antragsteller das Bestehen des Gestaltungsanspruchs behauptet und die Gestaltung nicht ohne die beantragte gerichtliche Entscheidung erreichen kann (Hess. LAG 13. September 2005 - 4 TaBV 86/05 - AuR 2006/172 L, zu II 1). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Betriebsrat macht ein Mitbestimmungsrecht bei der Einrichtung der Beschwerdestelle gemäß § 13 Abs. 1 AGG geltend und möchte dieses mit Hilfe einer Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 BetrVG durchsetzen. Auf andere Weise als mit dem vorliegenden Verfahren kann er dieses Ziel nicht erreichen. Die einseitige Bestellung der Widerspruchsstelle durch den Arbeitgeber entspricht gerade nicht dem vom Betriebsrat geltend gemachten Anspruch.

2. Die Anträge sind zum Teil begründet.

a) Die Einigungsstelle ist gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zu bestellen. Wegen der vom Arbeitgeber allein gerügten Unzuständigkeit der Einigungsstelle könnte der Antrag nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nur zurückgewiesen werden, wenn diese offensichtlich wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle, wenn ihre Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, wenn ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG soll weder durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen noch durch die Aufklärung streitiger Tatsachen belastet werden; diese Aufgaben sind ggf. der Einigungsstelle vorbehalten. Für deren Bestellung ist entscheidend, ob an ihrer Unzuständigkeit ernsthafte rechtliche Zweifel möglich sind oder nicht. Nur in letzterem Fall ist der Bestellungsantrag zurückzuweisen. Bei Kontroversen in Rechtsprechung und Literatur über die für die Zuständigkeit der Einigungsstelle maßgeblichen Rechtsfragen besteht der Zurückweisungsgrund der offensichtlichen Unzuständigkeit nicht (ständige Rechtsprechung, etwa Hess. LAG 01. August 2006 - 4 TaBV 111/06 - NZA-RR 2007/199, zu II 2 a, m.w.N.). Dieser Maßstab gilt auch für die Zuständigkeitsverteilung zwischen Einzel- und Gesamtbetriebsrat (Hess. LAG 13. April 1999 - 4 TaBV 41/99 - NZA-RR 2000/83, zu II 1; 18. Oktober 2005 - 4 TaBV 134/05 - AuR 2006/174 L, zu II; LAG München 31. Januar 2003 - 9 TaBV 59/02 - AuR 2003/238 L, zu 3). Nach diesem Maßstab ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.

aa) Ob die Bestimmung der für die Entgegennahme und die Bescheidung von Beschwerden nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG zuständigen Stelle im Betrieb, im Unternehmen oder in der Dienststelle ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auslöst, ist in der Literatur und in der bisher veröffentlichten Instanzrechtsprechung streitig und bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Ein Teil der Autoren teilt den Standpunkt des Betriebsrats und hält bereits die Auswahl der die Aufgabe der Beschwerdestelle wahrnehmenden Person für mitbestimmungspflichtig (Kamanabrou RdA 2006/321, 335; Ehrich/Frieters BB 2007/1026; Mansholt/Cornelius AiB 2007/50; Nollert-Borasio/Perreng Basiskommentar AGG § 13 Rn 3; entgegen der Auslegung des Arbeitgebers dürfte auch die Kommentierung von ErfK-Schlachter 7. Aufl. § 13 AGG Rn 1 in diesem Sinne zu verstehen sein). Eine vermittelnde Ansicht nimmt an, die Besetzung der Beschwerdestelle sei mitbestimmungsfrei, die Regelung des Beschwerdeverfahrens dagegen mitbestimmt (Grobys NJW 2006/2950, 2952; Besgen BB 2007/213, 214; Gach/Julis BB 2007/773, 774 ff.; Ueckert BB 2007/780, 781). Schließlich wird zum Teil ein Mitbestimmungsrecht generell verneint (Bauer/Göpfert/Krieger AGG § 13 Rn 6). Auch in der Instanzrechtsprechung sind die Auffassungen geteilt. Während das Arbeitsgericht Hamburg (20. Februar 2007 - 9 BV 3/07 - BB 2007/779; ebenso ArbG Karlsruhe 22. März 2007 - 8 BV 2/07 - n.v.) eine Einigungsstelle über die Bestellung der Beschwerdestelle als offensichtlich unzuständig erachtet haben, ist die 21. Kammer des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main zum gegenteiligen Ergebnis gelangt (ArbG Frankfurt am Main 23. Oktober 2006 - 21 BV 690/06 - AiB 2007/49). Dieser Ansicht ist zu folgen. Ein Mitbestimmungsrecht kann nach dem derzeitigen Stand der Diskussion jedenfalls nicht offensichtlich verneint werden.

Das zentrale Argument der die Mitbestimmungspflichtigkeit ablehnenden Ansicht, es bleibe gemäß § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG kein Raum für eine Mitbestimmung, da der Arbeitgeber mit der Festlegung der für die Beschwerde zuständigen Person(en) lediglich eine ihm mit § 13 Abs. 1 AGG auferlegte Rechtspflicht erfülle, überzeugt nicht. Die Sperrwirkung durch eine gesetzliche Regelung reicht nur soweit, wie diese abschließend ist und dem Arbeitgeber keine Gestaltungsmöglichkeit lässt. Soweit dem Arbeitgeber Entscheidungsspielräume verbleiben, bleiben die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG unberührt (vgl. nur BAG 25. Januar 2000 - 1 ABR 3/99 - AP BetrVG 1972, § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 34, zu B I 2 b cc (1), ee; 18. Februar 2003 - 9 AZR 164/02 - AP TzBfG § 8 Nr. 2, zu B IV 2 a bb). § 13 Abs. 1 AGG begründet lediglich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine zur Entgegennahme von Beschwerden zuständige Stelle zu bestimmen. Wen er mit dieser Aufgabe betraut, ist dagegen gesetzlich nicht vorgegeben. Insoweit hat der Arbeitgeber ein weites Auswahlermessen (vgl. Buschmann in Däubler/Bertzbach AGG § 13 Rn 18; Suckow in Schleusener/Suckow/Voigt AGG § 13 Rn 11 - 14; Bauer/ Göpfert/Krieger a.a.O. § 13 Rn 5) mit der Konsequenz, dass § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ein gegebenenfalls bestehendes Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen würde. Ein solches hätte auch durchaus Sinn, da bereits mit der Auswahl der für die Beschwerden zuständigen Person und des Ortes, an dem diese tätig ist, die Effektivität des Beschwerderechts gemäß § 13 Abs. 1 AGG und die Akzeptanz der Beschwerdestelle in der Belegschaft erheblich beeinflusst werden kann.

Wesentlich zweifelhafter ist, ob bereits mit der Bestellung der Beschwerdestelle Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb geregelt werden. Nicht zu Unrecht verweist der Arbeitgeber darauf, dass auch die Beschwerdestelle gemäß § 86 BetrVG nur durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung bestellt werden kann und ihre Errichtung daher nicht erzwingbar ist (GK-BetrVG-Wiese 8. Aufl. § 86 Rn 1; Richardi-Thüsing BetrVG 10. Aufl. § 86 Rn 6). Dort lässt sich diese Rechtslage allerdings aus dem Wortlaut von § 86 BetrVG ableiten. Dies kann nicht ohne weiteres auf die Beschwerdestelle gemäß § 13 Abs. 1 AGG übertragen werden, da diese nach § 13 Abs. 2 AGG die §§ 84 - 86 BetrVG unberührt lässt.

In Zusammenhang mit der Beschwerdestelle gemäß § 13 Abs. 1 AGG ist es jedenfalls nicht offensichtlich abwegig, zu argumentieren, dass durch die Festlegung des Verkaufsbüros in D als Beschwerdestelle sowohl die Ordnung des Betriebes als auch das Verhalten potentiell Beschwerde führender Arbeitnehmer beeinflusst wird. Arbeitnehmer, die persönlich vorsprechen möchten, werden dadurch gezwungen, die relativ weite Fahrt zum Verkaufsbüro in Kauf zu nehmen. Durch die Bestimmung der Personen, die die Beschwerden entgegennehmen sollen, können zudem potentiell Beschwerde führende Arbeitnehmer abgeschreckt werden, etwa wenn es sich wie bei der vom Arbeitgeber benannten Beschwerdestelle um Vorgesetzte handelt. Umgekehrt können durch die Auswahl bestimmter Personen und die Festlegung von deren Standort Anreize geschaffen werden, das Beschwerderecht nach § 13 Abs. 1 AGG auszuüben. Dies beeinflusst das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb. Weiter kann die Behandlung der Beschwerden mittelbar Einfluss auf die Verhaltensweisen der Arbeitnehmer haben, so dass durch die Auswahl der zuständigen Personen ebenfalls mittelbar Einfluss auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer genommen werden könnte. Ob die Auswahl der für die Beschwerde zuständigen Personen und eine mögliche mittelbare Verhaltensbeeinflussung zur Erfüllung der Tatbestandsmerkmale von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG jedoch tatsächlich ausreicht, wird letztlich vom Bundesarbeitsgericht zu klären sein.

Daran ändert auch der zutreffende Hinweis des Arbeitgebers nichts, dass sich weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte von § 13 AGG ein Anhaltspunkt dafür entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber bei der Bestellung von Beschwerdestellen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats anstrebte (vgl. Gach/Julis BB 2007/773, 775). Dies schließt angesichts der wenig klaren Gesetzesfassung und des derzeit uneinheitlichen Meinungsbildes in Rechtsprechung und Literatur eine der Auffassung des Betriebsrats entsprechende Auslegung von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG offensichtlich aus. Solange diese Rechtsfrage nicht höchstrichterlich geklärt ist, ist sie nicht im Einigungsstellenbestellungsverfahren zu entscheiden. Vielmehr wird die Einigungsstelle zunächst selbst ihre Zuständigkeit zu prüfen haben.

bb) Die Einigungsstelle ist auch nicht deshalb offensichtlich unzuständig, weil ggf. eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Betracht kommt. § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG schreibt die Bestimmung zuständiger Stellen "des Betriebs" oder "des Unternehmens" vor. Dies führt in Unternehmen mit mehreren Betrieben nicht notwendigerweise zu einer überbetrieblichen Organisation und damit zu einer originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Hier könnte jedoch deshalb ein ggf. bestehendes Mitbestimmungsrecht vom Gesamtbetriebsrat auszuüben sein, weil der Arbeitgeber offenbar eine einheitliche Beschwerdestelle für alle, ohnehin lediglich durch § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG fingierten Einzelbetriebe im Bezirk des Verkaufsbüros D anstrebt. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setzt allerdings voraus, dass eine betriebsübergreifende Regelung nach den Verhältnissen des Unternehmens und seiner Betriebe zwingend ist. Die bloße Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Regelung reicht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dagegen nicht aus (vgl. etwa BAG 30. August 1995 - 1 ABR 4/95 - BAGE 80/366, zu B I 2 b; 15. Januar 2002 - 1 ABR 10/01 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 23, zu B III 3 a bb (1)). Ob sich aus den Umständen des Unternehmens oder aus den Vorgaben von § 13 AGG ein zwingendes Erfordernis für eine über die Zuständigkeit des Betriebsrats hinausgehende Regelung ableiten lässt, ist ebenfalls nicht mit der nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG erforderlichen Eindeutigkeit festzustellen. Auch über diese Frage wird die Einigungsstelle ggf. zu beraten und zu entscheiden haben.

b) Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ist die Zahl der Beisitzer auf zwei pro Seite festzusetzen. Diese Besetzung ist nach ganz überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur und gemäß der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer die im Regelfall angemessene. Einerseits gewährleistet sie die Präsenz sowohl betriebsexternen juristischen als auch betriebsinternen Sachverstands in der Einigungsstelle. Andererseits vermeidet sie komplizierte Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse in der Einigungsstelle und unverhältnismäßige Kosten durch die Heranziehung mehrerer externer Beisitzer (vgl. nur Hess. LAG 13. September 2005 a.a.O., zu II 2 c, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Hier besteht kein Anlass, von dieser Regel abzuweichen. Einerseits verbietet sich eine Besetzung mit weniger als zwei Beisitzern, da die sich aus § 13 AGG ergebenden, bisher bei weitem nicht abschließend geklärten Rechtsfragen eine Beteiligung einschlägig kompetenter Fachleute zur sinnvollen Durchführung des Einigungsstellenverfahrens unabweisbar machen und auch jeweils ein betriebsinterner Beisitzer, der mit den Betriebsabläufen vertraut ist, nicht verzichtbar ist. Andererseits gibt es keinen Grund, darüber hinaus einen weiteren Beisitzer heranzuziehen. Insoweit hat der Betriebsrat lediglich pauschal auf die "schwierige" Materie verwiesen, ohne zu erläutern, welche Art von Sachverstand zusätzlich erforderlich sein soll, der nicht von einem externen und einem internen Beisitzer pro Seite beigesteuert werden kann. Daher ist nicht feststellbar, dass ein zusätzlicher Beisitzer pro Seite die Tätigkeit der Einigungsstelle tatsächlich fördern und nicht eher erschweren würde.

Ende der Entscheidung

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