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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: 4 TaBVGa 21/08
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 78
BetrVG § 103
KSchG § 15
ZPO § 940
Eine die §§ 15 KSchG, 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG verletzende Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einem Betriebsratsmitglied bewirkt eine Störung der Tätigkeit des Betriebsrats. Dem Betriebsrat kann gegenüber einer solchen Maßnahme des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch zustehen, den er bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen mir einer einstweiligen Verfügung geltend machen kann.
Tenor:

Der Beschluss vom 30. Januar 2008 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der im Tenor gebrauchte Begriff "Kündigung" zur Klarstellung durch den Begriff "Beendigungskündigung" ersetzt wird.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des antragstellenden Betriebsrats auf Unterlassung des Ausspruchs einer ordentlichen Beendigungskündigung gegenüber dessen Vorsitzenden, des Beteiligten zu 3).

Die Arbeitgeberin betreibt ein Druckunternehmen mit 47 Arbeitnehmern, die vom Betriebsrat repräsentiert werden. Der Betriebsbereich Technik wird von dem Betriebsleiter A geführt. Dieser umfasst die Bereiche Druck, Versand, EDV und Montage/Kopie, die jeweils von gegenüber den Arbeitnehmern fachlich weisungsbefugten und für die Materialbestellung zuständigen Vorgesetzten geführt werden. Für die Bereiche gelten jeweils eigenständige Arbeitszeitregelungen. Die Arbeitgeberin beschäftigt u. a. von ihr angelernte Helfer. Aufgabe des Bereichs Montage/Kopie war die manuelle Herstellung von Druckplatten. Der Beteiligte zu 3) war für die Arbeitgeberin seit Anfang 2001 tätig. Er ist angelernter Helfer und wurde überwiegend im Bereich Montage/Kopie, aber auch im Versand und in der Weiterverarbeitung beschäftigt. Er wurde zum 01. Dezember 2005 zum Schichtführer und damit zum Fachvorgesetzten im Bereich Montage/Kopie befördert. Seitdem erhält er eine Funktionszulage von derzeit € 200 brutto pro Monat. Der Bereich umfasste Anfang 2008 noch insgesamt drei Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin entschloss sich, ab Februar 2008 die manuelle durch eine digitale Druckplattenherstellung zu ersetzen. Da sie der Auffassung ist, dass dadurch der Beschäftigungsbedarf für die drei Arbeitnehmer des Bereichs Montage/Kopie entfällt, unterrichtete sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 23. Januar 2008 über ihre Absicht, die Arbeitsverhältnisse der drei Arbeitnehmer des Bereichs betriebsbedingt zu kündigen. Bezüglich des Beteiligten zu 3) kündigte sie eine ordentliche Kündigung zum 31. März 2008 an. In dem Schreiben heißt es u. a.:

"Durch die Umstellung auf die digitale Druckformherstellung ist der Personalbedarf in der Abteilung Montage, mithin des Herrn B, entfallen. Die Abteilung Montage besteht derzeit aus insgesamt drei Beschäftigten und wird daher geschlossen.

Ein Betriebsteil wurde damit stillgelegt. Es bestehen für Herrn B keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten.

Eine Sozialauswahl war nicht durchzuführen, da allen drei Mitarbeitern in der Abteilung Montage gekündigt worden ist.

Eine Übernahme in eine andere Abteilung ist nicht möglich. Es besteht im Unternehmen auch kein gleichwertiger Arbeitsplatz.

Es ist beabsichtigt, unmittelbar nach Abschluss des Anhörungsverfahrens die Kündigung auszusprechen."

Der Betriebsrat hat darauf mit einem beim Arbeitsgericht am 24. Januar 2008 eingegangenen Antrag den Erlass einer Unterlassungsverfügung beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag ohne mündliche Verhandlung im Wesentlichen mit dem Argument zurückgewiesen, der Betriebsrat habe das Nichtvorliegen einer Abteilungsstilllegung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG nicht glaubhaft gemacht. Der Betriebsrat hat gegen den am 29. Januar 2008 zugestellten Beschluss am selben Tag Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Die erkennende Kammer hat mit Beschluss vom 30. Januar 2008 der Arbeitgeberin ohne mündliche Anhörung aufgegeben, es zu unterlassen, gegenüber dem Beteiligten zu 3) eine Kündigung auszusprechen, solange keine Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder diese nicht rechtskräftig gerichtlich ersetzt worden ist. Gegen den Beschluss legte die Arbeitgeberin am 31. Januar 2008 Widerspruch ein.

Der Betriebsrat hat glaubhaft gemacht, es gebe im Betrieb keine Abteilung Montage. Der gesamte Produktionsbereich sei nicht in Abteilungen untergliedert, sondern stehe unter der einheitlichen Leitung von Herrn A. Die Tätigkeit des Beteiligten zu 3) entfalle durch die Einführung der digitalen Druckplattenherstellung nicht vollständig.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf die Schriftsätze vom 29. und 30. Januar sowie vom 14. Februar 2008 Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Widerspruch des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss vom 30. Januar 2008 zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss vom 30. Januar 2008 aufzuheben.

Die Arbeitgeberin hat glaubhaft gemacht, dass die vier Bereiche eigenständige Betriebsabteilungen seien. Die in diesen beschäftigten Mitarbeiter folgten den Anweisungen des jeweiligen Abteilungsleiters. Herr A überwache lediglich die Abläufe der jeweiligen Abteilungen. Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, der Erlass der einstweiligen Verfügung vereitele ihr Kündigungsrecht gemäß § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG und bewirke eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Bevorzugung des Beteiligten zu 3) aufgrund seines Amtes. Das Kündigungsschutzverfahren gewähre ihm in hinreichendem Umfang effektiven Rechtsschutz. Angesichts der Dauer der Kündigungsfrist fehle auch ein Verfügungsgrund.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf die Schriftsätze vom 31. Januar und 15. Februar 2008 Bezug genommen.

II.

Der Widerspruch der Arbeitgeberin gegen den Beschluss vom 30. Januar 2008 ist nicht begründet.

1. Der Betriebsrat beruft sich zu Recht auf einen Verfügungsanspruch. Er kann von der Arbeitgeberin die Unterlassung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3) verlangen, da diese zu einer nach § 78 Abs. 1 BetrVG unzulässigen Behinderung der Tätigkeit des Betriebsrats führen würde.

Der Begriff der Behinderung im Sinne dieser Norm ist umfassend zu verstehen. Er betrifft jede unzulässige Erschwerung, Störung oder Verhinderung der Betriebsratsarbeit (BAG 19.07.1995 - 7 ABR 60/94 - BAGE 80/296, zu B II 5; 12.11.1997 - 7 ABR 14/97 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 27, zu B 1). Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich (BAG 12.11.1997 a. a. O., zu B 1; 20.10.1999 - 7 ABR 37/98 - Juris, zu B I 2 b bb; GK-BetrVG-Kreutz 8. Aufl. § 78 Rn. 29; Worzalla in Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai BetrVG 7. Aufl. § 78 Rn. 7). Dem Betriebsrat steht bei einer Störung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber gegen diesen ein Unterlassungsanspruch zu. Dies ist in der Norm zwar nicht ausdrücklich festgelegt worden, folgt aber aus dem Normzweck der Sicherung der Betriebsratstätigkeit (BAG 12.11.1997 a. a. O., zu B 2; 20.10.1999 a. a. O., zu B I 2 b bb; GK-BetrVG-Kreutz a. a. O. § 78 Rn. 38; Worzalla a. a. O. § 78 Rn. 9).

Auch rechtswidrige individualrechtliche Maßnahmen gegenüber einzelnen Betriebsratsmitgliedern können gegen § 78 Satz 1 BetrVG verstoßen. Dies gilt etwa für den besonderen Kündigungsschutz nach §§ 15 KSchG, 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG verletzende Kündigungen (LAG Hamm 25.11.2002 - 10 TaBV 121/02 - Juris, zu B II 1 b; Hess. LAG 03.05.2007 - 9 TaBVGa 72/07 - AE 2007/331; GK-BetrVG-Kreutz a. a. O. § 78 Rn. 33; entsprechend für rechtswidrige Versetzungen BAG 11.07.2000 - 1 ABR 39/99 - BAGE 95/240, zu B II 1 c aa).

Dass der Betriebsrat in solchen Fällen damit einen präventiv wirkenden Unterlassungsanspruch geltend machen kann, führt entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht zu einer nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässigen Privilegierung von Amtsträgern. Vielmehr dient ein derartiger Unterlassungsanspruch der Gewährleistung der insbesondere auch die Zusammensetzung und die Funktionsfähigkeit des gewählten Betriebsrats sichernden Kündigungsbeschränkungen der §§ 15 KSchG, 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG (zum kollektiven Schutzzweck dieser Normen vgl. BAG 11.07.2000 - 1 ABR 39/99 - BAGE 95/240, zu II 2 b bb; 18.10.2000 - 2 AZR 494/99 - BAGE 96/78, zu B I 1 b; 02.03.2006 - 2 AZR 83/05 - BAGE 117/178, zu B III 1 c). Zweck des Anspruchs ist daher der Schutz kollektiver Rechtspositionen und nicht die Verbesserung der individuellen Rechtslage der Betriebsratsmitglieder. Es soll im Interesse der Wahrung des Mandats des gewählten Betriebsrats und seiner demokratischen Legitimation als Gremium die personelle Zusammensetzung des Betriebsrats so weit wie möglich aufrechterhalten werden. Die gesetzlichen Vorgaben messen diesen kollektiven Bestands- und Funktionsinteressen hohe Bedeutung und Priorität zu (BAG, 18.10.2000 a. a. O., B I 1 b; 02.03.2006 a. a. O., zu B III 1 c). Dass dadurch mittelbar die individuellen Rechtspositionen der Betriebsratsmitglieder gestärkt werden, steht dem im kollektiven Interesse stehenden Anspruch des Betriebsrats nicht entgegen. Ein Betriebsrat ist grundsätzlich nicht an der Durchsetzung kollektivrechtlicher Ansprüche gehindert, weil diese mittelbar einzelnen Arbeitnehmern zugutekommen (vgl. BAG 17.06.2003 - 3 ABR 43/02 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, zu B II 1 b; 18.01.2005 - 3 ABR 21/04 - BAGE 113/173, zu B III 2). Schließlich können Ansprüche des Betriebsrats nicht durch den Hinweis auf den individuellen Rechtsschutz der betroffenen Arbeitnehmer beschränkt werden. Die Wahrung der kollektiven Interessen obliegt dem Betriebsrat als Träger der kollektiven Mitbestimmung.

Hier besteht ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3), da eine derartige Kündigung nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt die §§ 15 KSchG, 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG verletzen würde. Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt kann allerdings nicht festgestellt werden, dass die von der Arbeitgeberin stillgelegte betriebliche Einheit Montage/Kopie keine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG ist. Betriebsabteilung ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil eines Betriebes oder eines Betriebsteils, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der eigene Betriebszwecke verfolgt, die Teil des arbeitstechnischen Zwecks des Gesamtbetriebs sind oder die in einer Hilfsfunktion für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebes bestehen (BAG 21.07.2005 - 6 AZR 118/05 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60, zu I 2 b cc; 22.09.2005 - 2 AZR 544/04 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59, zu B II 4). Nach der Glaubhaftmachung der Arbeitgeberin erfüllte der Bereich Montage/Kopie alle diese Voraussetzungen, so dass allenfalls ein non liquet vorliegt. Dies geht zu Lasten des Betriebsrats. Die Feststellungslast für einen Verstoß gegen § 78 Abs. 1 BetrVG trägt derjenige, der sich auf eine rechtswidrige Störung der Betriebsratstätigkeit beruft (GK-BetrVG-Kreutz a. a. O. § 78 Rn. 32).

Die Arbeitgeberin ist jedoch nicht gemäß der Ausnahmeregelung von § 15 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 4 KSchG zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten zu 3) ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats bzw. deren Ersetzung berechtigt, weil die weiteren Voraussetzungen von § 15 Abs. 5 KSchG nicht vorliegen. Die Weiterbeschäftigungsobliegenheiten des Arbeitgebers gegenüber dem Schutz von § 15 KSchG unterliegenden Amtsträgern überschreiten den allgemeinen kündigungsrechtlichen Maßstab von § 1 Abs. 2 KSchG aus den vorstehend dargelegten Gründen im Interesse der Sicherung des Mandats und der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beträchtlich. Der Arbeitgeber muss alle in Betracht kommenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausschöpfen. Ist kein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden, hat er dem Amtsträger einen geringerwertigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, und zwar den Arbeitsplatz, der dem Arbeitnehmer bei objektiver Betrachtung am ehesten zumutbar ist. Erforderlichenfalls hat der Arbeitgeber zu diesem Zweck eine Änderungskündigung auszusprechen (vgl. etwa BAG 28.10.1999 - 2 AZR 437/98 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 44, zu II 2, 3; 02.03.2006 a. a. O., zu B III 1; KR-Etzel 8. Aufl. § 15 KSchG Rn. 126 - 128). Ist kein geeigneter Arbeitsplatz frei, hat der Arbeitgeber zudem einen dem vorstehenden Maßstab entsprechenden Arbeitsplatz freizumachen. Stehen ihm dazu keine milderen Mittel wie Um- oder Versetzungen zur Verfügung, hat er den Arbeitsplatz durch Entlassung des bisher auf diesem Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmers bzw. eines im Rahmen von § 1 Abs. 3 KSchG vergleichbaren Arbeitnehmers freizumachen (BAG 18.10.2000 a. a. O., zu B I 1; 13.06.2002 - 2 AZR 391/01 - BAGE 101/328, zu B I 3 a; 02.03.2006 a. a. O., zu B III 1 a; KR-Etzel a. a. O. § 15 KSchG Rn. 126). Die Weiterbeschäftigung des Amtsträgers hat grundsätzlich Vorrang vor der anderer Arbeitnehmer (BAG 02.03.2006 a. a. O., zu B III 1 c).

Hier drängt sich nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt geradezu auf, dass bei Berücksichtigung dieses Maßstabs eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 3) zumindest nach einem Freimachen eines anderen Arbeitsplatzes, ggf. unter Ausspruch einer Änderungskündigung gegenüber dem Beteiligten zu 3), möglich ist. Der Beteiligte zu 3) ist angelernter Helfer und wurde als solcher bereits in der Vergangenheit in anderen Betriebsteilen außerhalb des Bereichs Montage/Kopie beschäftigt. Weiter ist unstreitig, dass die Arbeitgeberin nach wie vor eine größere Zahl angelernter Helfer beschäftigt. Für die Annahme, dass der Beteiligte zu 3) nicht zumindest einige der Arbeitsplätze dieser Helfer übernehmen könnte, besteht kein Anhaltspunkt. Irgendwelche konkreten Hinderungsgründe hat die Arbeitgeberin auch auf die konkreten Hinweise der Kammer im Beschwerdetermin nicht genannt. Bei Arbeitsplätzen für angelernte Helfer liegt auch die Annahme fern, dass die Übernahme des Arbeitsplatzes durch den Beteiligten zu 3) einen unzumutbaren Einarbeitungs- oder Ausbildungsaufwand auslösen würde. Irgendein Indiz hierfür ist jedenfalls nicht ersichtlich. Damit ist nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt ein Recht der Arbeitgeberin zur ordentlichen Kündigung gemäß § 15 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 4 KSchG ausgeschlossen. Mit der beabsichtigten Kündigung würde die Arbeitgeberin daher die §§ 15 KSchG, 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG verletzen und gleichzeitig die Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne von § 78 Abs. 1 BetrVG stören.

2. Es liegt auch ein Verfügungsgrund vor. Im Beschlussverfahren ist gleichermaßen wie im Urteilsverfahren Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass im Sinne von § 940 ZPO ohne die begehrte Regelung das Recht eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert würde oder dass die einstweilige Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist (vgl. etwa Hess. LAG 21.06.2001 - 5 TaBVGa 45/01 - n. v.; 29.08.2002 - 5 TaBVGa 91/02 - n. v., zu II 2). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Durch das mit der Kündigung angestrebte Ausscheiden des Beteiligten zu 3) aus dem Betrieb würde dessen Betriebsratsamt enden (§ 24 Nr. 3 BetrVG) und damit die durch die Wahl demokratisch legitimierte Zusammensetzung des Betriebsrats verändert, was - wie dargelegt - soweit wie möglich vermieden werden soll. Selbst wenn der Beteiligte zu 3) Kündigungsschutzklage erheben und mit dieser obsiegen sollte, wäre er nach dem Ablauf der Kündigungsfrist für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an der Amtsausübung gehindert, solange er nicht einen Weiterbeschäftigungstitel erstreitet (vgl. GK-BetrVG-Oetker a. a. O. § 24 Rn. 27, § 25 Rn. 27, m. w. N.). Die Amtsführung des Betriebsrats würde dadurch auf unabsehbare Zeit gestört.

Der nach dem Kündigungsausspruch noch bevorstehende Lauf der Kündigungsfrist steht dem Vorliegen eines Verfügungsgrundes nicht entgegen. Mit dem Ausspruch einer Kündigung würden bereits vorläufig vollendete Tatsachen geschaffen, die für den Betriebsrat als Rechtsinhaber kaum zu revidieren wären. Angesichts der gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG auf den Eintritt der Rechtskraft aufgeschobenen Vollstreckbarkeit würde auch ein in einem Hauptsacheverfahren erlangter Titel dem Betriebsrat keinen effektiven Rechtsschutz verschaffen, da ein rechtskräftiger Titel vor dem Ablauf der Kündigungsfrist des Beteiligten zu 3) von zwei Monaten zum Monatsende nicht zu erlangen ist. Individuelle Rechtsschutzmöglichkeiten des Beteiligten zu 3) können dem Betriebsrat auch im Rahmen des Verfügungsgrundes nicht entgegengehalten werden. Der Betriebsrat ist Träger der kollektiven Rechte und hat Anspruch auf eine effektive Durchsetzung dieser Rechte unabhängig vom Verhalten Dritter.

Schließlich steht dem Erlass der einstweiligen Verfügung nicht der Einwand der Arbeitgeberin entgegen, dass ihr dadurch ihr Kündigungsrecht gemäß § 15 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 4 KSchG entzogen würde. Nach dem von den Beteiligten glaubhaft gemachten Sachverhalt verfügt die Arbeitgeberin über ein derartiges Recht nicht. Sollte die Arbeitgeberin der Auffassung sein, § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG ge- statte dem Arbeitgeber zunächst den Ausspruch einer Kündigung unter Hinweis auf diese Norm unabhängig vom Vorliegen von deren Tatbestandsmerkmalen, würde sie das System des gesetzlichen Sonderkündigungsschutzes für Amtsträger verkennen. Sind die Tatbestandsmerkmale von § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG nicht erfüllt, ist gemäß §§ 15 Abs. 1 KSchG, 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG nur eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Amtsträgers nach Zustimmung des Betriebsrats oder nach deren Ersetzung zulässig. In einer solchen Situation ist es nicht funktionswidrig, dem Arbeitgeber die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts zu untersagen, das ihm vom Gesetz nicht eingeräumt wurde. Dadurch wird im Gegenteil der mit diesen Normen verfolgte Schutzzweck gewährleistet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in einem vom Betriebsrat auf § 78 Satz 1 BetrVG gestützten Unterlassungsverfahren die prozessuale Feststellungslast für den Arbeitgeber wesentlich günstiger ist als die Darlegungs- und Beweislast in einem Kündigungsschutzprozess, in dem er das Vorliegen der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des § 15 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 4 KSchG in vollem Umfang darzulegen und zu beweisen hat. Erfüllt der Betriebsrat im Unterlassungsverfahren die bei ihm liegende Feststellungslast für die Rechtswidrigkeit der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren die bei ihm liegenden Darlegungs- und Beweispflichten nicht erfüllen kann. In einer solchen Situation wird es nicht selten sachgerecht sein, dem Arbeitgeber durch einstweilige Verfügung den Kündigungsausspruch zu untersagen. Will er sich danach gleichwohl auf ein Kündigungsrecht nach § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG berufen, steht ihm die Erwirkung einer Anordnung nach § 926 ZPO oder die Einleitung eines eigenen Hauptsacheverfahrens frei. Dem zeitweiligen Verlust des Rechts zur ordentlichen Kündigung stehen in einer solchen Situation überwiegende Interessen des Betriebsrats gegenüber.

Diese Erwägungen treffen im vorliegenden Verfahren zu. Irgendwelche Umstände, die trotz der nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt eindeutigen Unzulässigkeit einer ordentlichen Kündigung ohne Zustimmung des Betriebsrats oder ohne deren Ersetzung dem Erlass der einstweiligen Verfügung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

3. Ein Anlass zur Gewährung von rechtlichem Gehör zugunsten der Arbeitgeberin bezüglich der vom Beteiligten zu 3) gegen Ende des Beschwerdetermins vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 19. Februar 2008 besteht nicht. Die Kammer hat ihre Entscheidung nicht auf den Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherung gestützt, sondern auf das bereits vor der Einreichung dieser eidesstattlichen Versicherung eingetretene Ergebnis der schriftlichen und mündlichen Anhörung der Beteiligten.

4. Im Tenor war klarzustellen, dass sich das Unterlassungsgebot nur auf Beendigungskündigungen bezieht. Eine Änderungskündigung war nicht Gegenstand der Anhörung nach § 102 BetrVG. Die Zulässigkeit einer ordentlichen Änderungskündigung gemäß § 15 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 4 KSchG ist nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt auch nicht auszuschließen.

Ende der Entscheidung

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